"Bitte aktuelle Laborwerte einheften".
Das ist aber schon eine echt selten dämliche Anordnung. In der Zeit, die man braucht, um das anzuordnen hätte man die Werte auch selbst ausdrucken können. Und überhaupt finde ich solche Anordnungen ehrlich gesagt lächerlich.
Aber ärztliche Anordnungen sind eh ein anderes Thema... Uns wollte mal ein Arzt die pDMS-Kontrolle bei Gips anordnen. Ich bin aus allen Wolken gefallen. Er dachte, ich hätte noch nie was davon gehört, weil ich so perplex war, bis ich dann in der Lage war zu sagen, dass das eine ganz normale Pflegemaßnahme ist, die nicht ärztlich angeordnet werden muss. Und andere Ärzte wiederum ordnen gar nichts schriftlich an, sondern werfen dir nur auf dem Flur die Bemerkung zu, dass sie gerne dies und das machen würden und es nachher anordnen würden, vergessen es aber dann.
Was eigenständige Medikation angeht, haben wir bei uns einen ganz guten Kompromiss gefunden. Es gibt eine Liste mit Medikamenten, die jede examinierte Pflegekraft im Rahmen der offiziellen Indikationen eigenständig ohne ärztliche Rücksprache als Bedarfsmedikation an Patienten verabreichen darf. Für den Fall, dass ein Patient mal eines dieser Medikamente nicht erhalten darf, ist der Arzt dafür verantwortlich, das zu vermerken (obwohl wir auch die Kontraindikationen kennen und die Sachen dann nicht geben würden, aber sicher ist sicher). Das ist sowohl von der PDL als auch auf Chefarztebene abgesegnet, und die Liste ist ein offizielles Dokument. Wenn eine examinierte Pflegekraft dann ein Medikament von dieser Liste verabreicht hat, verordnet sie es im Medikamentenprogramm, der Arzt nimmt es zur Kenntnis und gibt es frei (die Verabreichung kann aber auch vor Arztfreigabe schon ganz normal dokumentiert werden).
Ebenso dürfen wir
bestimmte Medikamente gegeneinander austauschen und bei bestimmten Medikamenten Dauermedikation auf Bedarf umsetzen und umgekehrt.
Und solange wir nicht zwischen parenteraler und "im weitesten Sinne enteraler" Applikation switchen (das dürfen wir nicht), dürfen wir auch die Darreichungsform ändern. Saft, Tropfen, Tabletten, Kapseln, Zäpfchen... Da trauen unsere Ärzte uns schon zu, dass wir einschätzen können, was bei dem jeweiligen Kind am besten ist und dass wir die Dosierungen bei Bedarf auch umrechnen können (wäre auch schlimm, wenn wir es nicht könnten). Bei unseren Sonden-Kindern habe ich es oft genug erlebt, dass sie aus der Vorklinik kamen mit Medikation, die überhaupt nicht sondenfähig ist. Einfachstes Beispiel PPI. Da werden oft standardmäßig magensaftresistente Kapseln oder Tabletten verordnet. Wenn ich die Kapsel öffne oder die Tablette mörsere, ist die magensaftresistente Wirkung verloren. Dabei gibt es die meisten Wirkstoffe auch - je nach Dosierung - als Granulat zum Auflösen oder als MUPS (multi unit pellet system), die ohne Probleme aufgelöst werden können. Auch da haben unsere Ärzte genug Vertrauen in unsere Fachkompetenz, dass sie kein Problem damit haben, wenn wir sowas in der Aufnahmemedikation, die sie aus der Vorklinik übernehmen, dann ändern. Inzwischen denken sie aber auch manchmal selbst daran

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Also wir haben da schon einige Freiheiten, die sonst (zumindest in Kinderkliniken) nicht üblich sind. Aber die haben wir uns auch erkämpft. Als ich an meiner jetzigen Arbeitsstelle angefangen habe, musste ich noch für jede NaCl 0,9%-Inhalation den diensthabenden Arzt anrufen und musste fragen, ob ich statt 1/2 Beutel Movicol auch 1 Beutel Movicol junior geben darf. Aber wir sind eben auf die Ärzte zugegangen und haben das Thema angesprochen und dann Stück für Stück mehr Eigenständigkeit zugesprochen bekommen. Immer eine Kleinigkeit, beobachtet und evaluiert, wie es umgesetzt wird, war gut, also die nächste. Klar kann man jetzt sagen, haben die Ärzte einen guten Part mit gemacht, weil sie dadurch Dinge auf uns abwälzen. Ist aber in der Realität eher eine Win-Win-Situation. Klar ist es für die Ärzte schön, dass sie das nicht mehr machen müssen. Aber für uns ist es auch schön, dass man es mal eben selbst machen kann, statt erstmal herumtelefonieren zu müssen oder einen Arzt suchen zu müssen, der es anordnet.
Ähnlich ist es bei Verbandswechseln. Wir entscheiden, womit verbunden wird und wie oft, nicht die Ärzte. Die schauen mal mit drauf, weil sie wissen wollen, wovon wir sprechen, aber die Entscheidung über die Wundversorgung liegt bei der Pflege, und wenn wir uns unsicher sind, fragen wir unsere Wundmanager, weil das die wirklichen Experten dafür sind.
Oder Sondenkost. Kinder, die schon von zu Hause mit Sondenkost kommen, haben ja meistens eh ihr festes Regime, wann sie wieviel von welcher Nahrung bekommen. Aber bei denen, die aus dem Akut-KH kommen und noch nicht optimal eingestellt werden konnten, ist das auch unser Bereich. Keiner von uns würde bei den Ärzten nachfragen, ob wir das Sondenkost-Regime ändern dürfen. Das ist Ernährung und damit pflegerische Entscheidung. Ich frage den Arzt doch auch nicht, ob ich dem Kind heute ein Brot mit Butterkäse geben darf, wenn es gestern eins mit Gouda gegessen hat. Klar gibt es da auch Ausnahmen, wo man dann doch Arztrücksprache hält (Stoffwechselerkrankungen, Elektrolytverschiebungen, gastrointestinale Erkrankungen etc.), aber bei Kindern, die sonst "nichts" haben und "nur" wegen einer Dysphagie sondenernährt sind...
Und ich hätte noch einige andere Beispiele, aber der Text ist eh schon viel zu lang.
Letztendlich ist vieles auch von Haus zu Haus unterschiedlich, und man kann sich den Respekt vor der eigenen Arbeit auch "erkämpfen". Wenn andere Berufsgruppen an Pflegekräfte gewöhnt sind, die sich selbst klein machen, weil sie kein Studium, sondern "nur" eine Ausbildung haben, können sie ja kaum von der Fachkompetenz dieser Mitarbeiter überzeugt sein, also kein Wunder, dass sie sie auf die Körperpflege reduzieren. Wir haben den Vorteil, dass wir ein junges und motiviertes Team sind und arbeiten daran, dass unsere Berufsgruppe ernstgenommen wird. Und ich glaube, dass wir da auf einem guten Weg sind. Wir sitzen oder stehen in der Visite nicht mehr stumm neben den Ärzten, sondern wir werden nach unserer Einschätzung gefragt, gefragt, ob wir Ideen haben, was für den Patienten gut sein könnte und in einen fachlichen Austausch einbezogen.
Wir arbeiten nach dem
Bezugspflegesystem (nicht Bereichspflege). Daher denke ich nicht, dass die Organisation weg von der Funktionspflege und hin zur Bereichs- oder Bezugspflege eine "Herabstufung" des Pflegepersonals bedeutet.