Zahlen zur Abwanderung verifizieren

spflegerle

Poweruser
Registriert
13.07.2006
Beiträge
694
Hallo pflegendes Kollektiv,

immer wieder taucht in Diskussionen zu unserer Berufsgruppe ein Hinweis auf
à la "Pflegekräfte verlassen den Beruf im Durchschnitt nach 5 (7,8,...) Jahren wieder...".

Leider finde ich zu so einer Aussage nirgends belastbare Zahlen.
Auch ist stets unklar, ob sich diese Aussage auf alle Pflegekräfte bezieht, oder ob es Unterschiede zw. Krankenhaus, Altenpflege und Hauskrankenpflege gibt, wie es in Funktionsbereichen, Rehaeinrichtungen und Zeitarbeitsfirmen usw aussieht... ?

Kennt jemand verlässliche Quellen, mit denen man solche Aussagen belegen kann?

fragt sich
spflegerle
 
Hallo pflegendes Kollektiv,

immer wieder taucht in Diskussionen zu unserer Berufsgruppe ein Hinweis auf
à la "Pflegekräfte verlassen den Beruf im Durchschnitt nach 5 (7,8,...) Jahren wieder...".

Leider finde ich zu so einer Aussage nirgends belastbare Zahlen.
Auch ist stets unklar, ob sich diese Aussage auf alle Pflegekräfte bezieht, oder ob es Unterschiede zw. Krankenhaus, Altenpflege und Hauskrankenpflege gibt, wie es in Funktionsbereichen, Rehaeinrichtungen und Zeitarbeitsfirmen usw aussieht... ?

Kennt jemand verlässliche Quellen, mit denen man solche Aussagen belegen kann?

fragt sich
spflegerle
Das ist auch nicht so einfach, da es mehrere Untersuchungen gab, die zu verschiedenen Aussagen kamen.
Aber definitiv kann man sagen, daß es Unterschiede zwischen Alten- und Krankenpflege gibt, sowie zwischen Fach- und Hilfskräften.
Untersuchungen, die auch noch nach Funktionsbereichen, Rehaeinrichtungen oder Zeitarbeitsfirmen unterscheiden, sind mir nicht bekannt.
Eine sehr vernünftige Quelle scheint mir diese zu sein, da sie sich auf mehrere Studien bezieht:

"Als wichtige Kenngröße für die Personalsituation gilt der Verbleib im Beruf. Eine längere Verweildauer gilt als Rückschluss auf eine höhere Berufsbindung.23 Eine Auswahl von Studien, die Ergebnisse zum Berufsverbleib in der Altenpflege liefern, sind im Folgenden aufgeführt. Die Studien unterscheiden sich bezüglich des methodischen Ansatzes sowie im Analysezeitraum und kommen auch zu teilweise abweichenden Ergebnissen. So betrachten die Studien von Hackmann (2010) und IWAK (2009) zwar eine Berufskohorte ab Ausbildungsbeginn im Zeitablauf und können somit deut
lich exaktere Aussagen zur Berufsverweildauer ermitteln als zeitpunktbezogenen Betrachtungen von Hall (2012). Auf der anderen Seite basieren die Analysen von Hackmann (2010) und IWAK (2009) auf vergleichsweise alten Daten der IABSBeschäftigtenstichprobe für den Zeitraum 1975-2004 und können somit keine aktuellen Entwicklungen am Arbeitsmarkt abbilden. Die Studie von Behrens (2008) basiert auf prozessproduzierten Routinedaten in den Jahren 1990 bis 2005.
 Behrens et al. (2008): nach 10 Jahren Berufstätigkeit sind noch 46 Prozent der Altenpfleger/-innen im Beruf.
 Hackmann (2010): durchschnittliche Verweildauer von 8,4 Jahren (13,7 Jahre im Krankenhaus) - 12,7 Jahre bei Fachkräften und 7,9 bei Hilfskräften.
 IWAK (2009): Die Autoren berechnen eine durchschnittliche Beschäftigungszeit von 11,7 Jahren und Unterbrechungszeit von 7,8 Jahren bei Ausbildungsabschluss zwischen 1976-1980 (Berufsverlauf:19,5 Jahre).
 Hall (2012): Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass 62 Prozent der befragten Altenpfleger/-innen in ihrem erlernten Beruf arbeiten, häufiger als Beschäftigte in vergleichbaren Berufen (45% der gelernten Krankenpfleger/innen), 25 Prozent arbeiten in einem verwandten Beruf. Lediglich 18 Prozent scheiden vollständig aus dem Beruf aus. Nach 15 Jahren arbeiten noch 63 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in dem erlernten Pflegeberuf. Besonders häufig ist der Wechsel nach dem Ende der Ausbildung, 23 Prozent verlassen die Altenpflege. Darüber hinaus ist die Berufstreue in der Altenpflege verglichen mit anderen Frauenberufen vergleichsweise hoch. So haben gemäß der Befragung nur 13 Prozent der gelernten Altenpflegekräfte einen Berufswechsel in einen nicht verwandten Beruf durchgeführt. Dieser Wert liegt bei den sonstigen Frauenberufen bei 36 Prozent und damit deutlich höher.
Trotz der unterschiedlichen Ergebnisse zur Länge der Verweildauer stimmen die Studien darin überein, dass erstens Fachkräfte länger im Beruf verbleiben als Hilfskräfte und zweitens Berufsabbrüche häufig in bzw. kurz nach der Ausbildung erfolgen. Auch in den Fachgesprächen wurden die hohen Abbruchzahlen in und kurz nach der Pflegeausbildung häufig thematisiert und bestätigt. Der Vergleich der Verweildauer mit anderen Branchen deutet allerdings bislang nicht darauf hin, dass die Verweildauer in der Altenpflege auffällig gering ist.24"


Quelle:
S. 11f

Als Ergänzung von mir noch:
Die Ergebnisse von Hall halte ich persönlich für wenig belastbar bzw. sinnvoll, erstens aufgrund methodischer Schwächen (nur zeitpunktbezogene Betrachtungen, wesentlich unexakter als andere Untersuchungen) und außerdem ist es schon sehr merkwürdig, wenn alle anderen Studien zu annähernd ähnlichen Ergebnissen führen und plötzlich eine zu komplett anderen, ja sogar gegensätzlichen Ergebnissen - dann muß nämlich diese eine abweichende Studie sehr genau erklären, WIESO GENAU sie plötzlich komplett andere Ergebnisse liefert als die anderen und was, bitteschön, die anderen vorher (angeblich) falsch gemacht haben sollen...?
Daß natürlich in letzter Zeit praktisch ausschließlich nur noch einseitig von interessierter Seite zitiert und berücksichtigt wird, braucht uns nun nicht wirklich zu wundern... :D z. B.:

"Und das wird sogleich von interessierter Seite, in diesem Fall von dem Verband der privaten Pflegeheimbetreiber, aufgegriffen: „Die Zahlen räumen erneut mit Mythen auf, die seit Längerem durch die Welt geistern“, kommentierte Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa). Es sei an der Zeit, dass Berufsverbände und die Politik sie zur Kenntnis nehmen und daran ihr Reden und ihr Handeln ausrichten."

Quelle:
 
Wow Martin, vielen Dank. Da hast du ziemlich genau getroffen, wonach ich gesucht hatte.
Die Zahlen aus den verlinkten Quellen sagen auch in etwa aus, was meine subjektive (und statistisch nicht relevante) Wahrnehmung ist:
wer schon lange im Beruf ist, ist zu einer völlig anderen Zeit in diesen Beruf eingestiegen, zu einer Zeit, in der die Arbeitsbedingungen durchaus noch besser waren. Und wer erst mal im vorgerückten Alter ist (so in etwa 45 aufwärts), tut sich schwerer mit beruflicher Neuorientierung, als die nachrückende junge Generation. Mit mitte/ende 20 kann man eben leichter nochmal ganz von vorne durchstarten und einen neuen Beruf erlernen.

Vielleicht sollte man mal statistisch erfassen, wie hoch der Anteil an Pflegekräften ist, die gerade im Beruf stehen, nebenbei aber bereits an ihrem beruflichen Wechsel planen, indem sie sich weiterbilden, studieren oder gar in eine ganz neue Richtung planen.
Hier sehe ich gerade für meinen Arbeitsplatz große Gefahren: wenn ich alleine die Menge an KollegInnen betrachte, die bei mir in der Abteilung neben ihrer Arbeit an ihrem Abgang arbeiten, gar nicht mal alle mit der Absicht, die Branche ganz zu verlassen, nur eben "weg vom Bett" wollen, indem sie sich zum Atmungstherapeuten, Pflegeberater, Wundmanager usw... weiterbilden, oder all jene, die nebenbei studieren (Pflegemanagement, Pflegepädagogik, Medizin oder aber auch berufsfremde Studiengänge), dann wird mir ganz bange, denn durch diese Weiterqualifikation werden wir über die nächsten Monate/Jahre noch sehr viele Leute verlieren. Die Abwanderung ist ein Vielfaches höher, als die Neueinstellungen. Und unter den Neueingestellten sind viele dabei, die schon bei der Einstellung mitteilen, dass sie nebenbei noch studieren und in absehbarer Zeit wieder weg sein werden.

Und da bin ich bei meinem alten Mantra, das ich schon seit Jahren predige: wir haben kein Problem mit Neuzugängen, diese Zahlen sind seit Jahren stabil (niedrig). Wir haben ein Problem mit Abwanderung. Und es gibt kein Konzept (nicht in meinem Haus, und wenn man sich anschaut, wie insuffizient die Umsetzung von all den vielen Tarifabschlüssen der letzten Jahre ist, die für bessere Arbeitsbedingungen sorgen sollten, dann kann man wohl zurecht behaupten: auch in keinen anderen Häusern), das sich zum Ziel setzt, Mitarbeiter zu halten.

Wir leben nicht mehr in einer Zeit, in der Ausbildungsplätze rar sind, heute können sich die jungen Menschen aus einer breiten Palette an Berufen aussuchen, wo sie wie arbeiten wollen. Wer Fachkräfte haben möchte, muss auch etwas bieten, und mit schlechten Arbeitsbedingungen kann man Jugendliche eben nicht ködern...
Und so lange die Arbeitsbedingungen nicht besser werden, werden selbst jene Pflegekräfte, die den Beruf gerne machen, zu früh ausscheiden, weil sie schlicht aus gesundheitlichen Gründen lange vor dem Rentenalter verloren gehen.

Die Politik bleibt gefordert: es müssen valide Personalbemessungsinstrumente her für alle Bereiche im Gesundheitswesen, und aus diesen müssen dann verpflichtende Personalzahlen hervorgehen mit drastischen Sanktionen bei deren Unterschreitung. Und die Finanzierung des Gesundheitswesens muss so geändert werden, dass die Häuser auch in der Lage sind, höhere Personalzahlen umzusetzen. Und all jenen privaten Anbietern muss klar vorgegeben werden, dass die Einhaltung der geforderten Personalzahlen Vorrang vor Renditeinteressen haben muss.

Naja, aber all das ist ja nichts Neues...

Gruß spflegerle
 

Ähnliche Themen