Traditionelle Krankenpflege? Was war früher "in"?

Cada

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Hallo zusammen,

mich würde interessieren was ihr früher so auf Station, OP usw. an klassischer Krankenpflege gemacht habt ?

Zum Beispiel Wickel, Auflagen, Wundbehandlungen und Co ?

Ich bin selbst seit ca. 12 Jahren im Job und stelle ab und an doch fest das immer mehr traditionelles Wissen der Krankenpflege verloren geht. Dies fällt mir vor allem auf wenn ich mich mit älteren Kolleginnen unterhalte. Diese berichten mir dann bspw. von feucht - warmen Bauchwickeln um die Darmtätigkeit anzuregen....für mich zumindest Neuland.

Ich finde es total Schade das dieses Wissen scheinbar immer mehr verloren geht, denn dies ist doch der eigentliche Ursprung unseres Berufs. Ich würde in der Praxis gerne mehr davon anwenden. Vielleicht geht es oftmals auch nur um das "sich um den Patient kümmern", welches dem Kranken gut tut.

Wie sind eure Erfahrungen, was kennt ihr an "traditioneller" Pflege und was wendet ihr evtl selbst an ? (Öle, Waschungen...)

Liebe Grüße,

Cada
 
Gegenfrage: wo arbeitest du? Ich kann mir nicht vorstellen, jemals wieder Zeit für den vermehrten Zeitaufwand zu haben. Außer evtl. in Onko und Palliativ.
NIEMALS möchte ich zur alten Wundbehandlung zurück! Mercurochrom hat definitv ausgedient, auch die Jod und Zugsalbe.
Nein ich möchte nicht in der Zeit zurück, ich möchte nur mehr Kollegen/viel mehr - ich finde die heutigen Behandlungsmethoden besser als die von früher. Früher beginnt bei mir mit 1976
 
Meine Frage war ohne jegliche Wertung gemeint, weder positiv noch negativ.
Ich arbeite aktuell in der Anästhesie und natürlich ist mir schon klar das der Zeit- und Personalmangel überall omnipräsent ist.
Aber vielleicht gibt es ja das ein oder andere was man ohne großen Zeitaufwand umsetzen könnte.
Zum Beispiel mache ich, wenn ich Zeit habe, es ruhiger ist usw.... bei sehr unruhigen, deliraten Patienten gerne mal eine kurze Handmassage... hilft oft besser als Tranxi, Clonidin usw.... im AWR postop. Auch auf der Intensiv hab ich bei Fieber sehr gerne Wadenwickel gemacht.
Ich muss dazu sagen dass ich in einem städtischen Krankenhaus in einer Kleinstadt arbeite und wir noch relativ verwöhnt sind.
Was die Wundbehandlung angeht, soweit ich das beurteilen kann, geb ich dir natürlich recht.
 
Auch in der früheren Anästhesie war es nicht rosig. Äthernarkosen - Übelkeit, Erbrechen nach Narkosen war nicht ungewöhnlich.
 
persönliche Zuwendung ist immer gut, darauf reagiert der Mensch immer positiv und sei es nur durch eine Reaktion, die durchaus auch abweisend sein kann.
Auch ich arbeite in einem eher kleinen/fast familiärem Teil einer Großklinik, da ist noch immer der Umgang mit den Patienten "anders".
Patienten die aus dem großem Haupthaus zu uns verlegt werden, (Gefäße wie pAVK und DFS) berichten oft, die Großklinik als Fabrik erlebt zu haben.
Ich persönlich glaube, dass dies mehr mit Einstellung des Pflegepersonals zu tun hat, als mit der vergangenen Zeit
 
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Auch auf der Intensiv hab ich bei Fieber sehr gerne Wadenwickel gemacht.
Wadenwickel machen wir auch noch gelegentlich, sogar auf AO, zusätzlich zu den Kühlelementen in der Leiste.
Ich hörte auch schon Ärzte in der Visite Quark- und Kohlwickel empfehlen, als Ergänzung der Schmerztherapie im häuslichen Bereich, v.a. die größeren Gelenke betreffend. Aromaöle, Licht- und Musiktherapie haben an manchem meiner bisherigen Arbeitsplätze ebenfalls Anwendung gefunden. Viel davon wird im palliativen Setting angewandt, aber auch außerhalb findet sich mancher Arzt, der solcherlei Tipps noch weitergibt.
 
"Früher" ist bei mir sehr relativ, hab 2015 erst Examen gemacht. Aber "Hausmittel/traditionelle Pflegemaßnahmen" gibt es bei uns auch ein paar.
Was mir spontan so einfällt:
  • Wadenwickel bei Fieber oder Hyperthermie
  • Bauchmassage (insbesondere bei Säuglingen) bei Blähungen oder Obstipation
  • Quarkwickel bei Ohrenschmerzen (Zwiebelwickel aufgrund des Geruchs dann eher seltener ;-))
  • grundsätzlich Wärme- und Kältetherapie bei Schmerzen, Temperaturregulationsstörungen etc.
  • Akkupressur bei Übelkeit
  • Aromaöle zur Beruhigung oder Aktivierung
  • Abklopfen oder Abvibrieren bei Atemwegsverschleimung
  • Fenchel- oder Fenchel-Anis-Kümmel-Tee bei Blähungen, wenn's nicht reicht Kümmelzäpfchen (die aber eher bei Sgl./Kleinkindern)
  • Salbeitee bei Halsschmerzen
Und je nach Definition könnte man den gesamten Bereich der Basalen Stimulation dazuzählen. Unter dieser Bezeichnung wird das Konzept zwar "erst" seit 1975 praktiziert, aber viele Elemente davon sind durchaus "althergebrachte" Methoden. Die beruhigenden oder belebenden Waschungen beispielsweise gehören bei uns zum "Standardprogramm". Und auch viele andere Elemente der Basalen sind bei uns Alltag. Welche das sind, hängt eben vom Kind ab.

Was den Aspekt Zeitmangel angeht, der angesprochen wurde... Klar haben wir da auch mit zu kämpfen. Aber es ist bei uns bei Weitem nicht so schlimm wie in einer Akutklinik. Wir sind in der glücklichen Lage, dass es bei uns zumindest meistens möglich ist, dass eine Pflegekraft sich mit einem schwer betroffenen oder Intensiv-Kind ausführlicher beschäftigen kann und die anderen das auffangen. Das geht natürlich nur, wenn diese aufwändige Pflege nicht während der Stoß-Versorgungszeit stattfindet. In der Regel setzen wir die Versorgung dieser Kinder ans Ende der morgendlichen Grundpflege, so dass man nach hinten raus genug Zeit hat, und Maßnahmen, die nicht in die Körperpflege integriert werden, machen wir eben dann auch unabhängig davon. Viele Kinder haben mehr davon, wenn man nicht alles auf einmal macht, sondern ihnen häufiger für kürzere Zeiträume etwas Gutes tut. Gibt aber natürlich leider auch Tage, wo diese Dinge vollkommen untergehen, weil man es zeitlich einfach nicht schafft. :-(
 
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NIEMALS möchte ich zur alten Wundbehandlung zurück! Mercurochrom hat definitv ausgedient, auch die Jod und Zugsalbe.
Das sehe ich zwar genauso, aber was haben Mercurochrom etc. mit früheren Pflegemethoden zu tun? Diese Dinge sind doch eher Steckenpferd von uralten Chirurgen oder Orthopäden, denen moderne Wundbehandlung ein Fremdwort ist.
An klassischen Pflegemethoden fällt mir so ein:
  • Ölauflagen (Latschenkiefer, Lavendel)
  • Fußwaschungen mit Zitrusöl und Kondensmilch als Emulgator
  • alle möglichen aus der basalen Stimulation stammenden Einreibungen, z. B. ASE
  • „Nestbau“, „Bettschlange“ um Körpergrenzen fühlbar zu machen
  • Abführen mit Sauerkrautsaft
Die meisten der „alternativen“ Pflegemethoden haben den Nachteil, mehr Zeit zu benötigen - wo man schulmedizinisch einfach den chemischen Hammer, sprich Tabletten o. ä. gibt. Daher verschwanden sie mit der Pflegemisere der letzten zehn, zwanzig Jahre sehr rasch.
 
Basale Stimulation ist für mich eben nicht früher! dafür bin ich zu alt, das gab es damals noch nicht.
MEIN früher betrachte ich mit heutigen Augen oftmals als gefährlich.
Ja feuchte Umschläge, arbeiten mit verschiedenen Teesorten, Bauchmassagen ok - vieles wirkte aber vor allem weil wir MEHR ZEIT hatten! Der allgemeine Umgang mit Pat. war menschenwürdiger, wertschätzender, es wurde extrem mehr Wert auf gute Beobachtung gesetzt, auch auf Geruch - zumindest dort wo ich lernte und dort wo ich dann gelandet bin
 
Basale Stimulation ist für mich eben nicht früher!
Deswegen sag ich ja "je nach Definition". Das Konzept ist vielleicht nicht "früher", aber viele Elemente gab es auch lange vorher schon. Sie wurden nur nicht so explizit so bezeichnet und zusammengefasst.

„Nestbau“, „Bettschlange“ um Körpergrenzen fühlbar zu machen
Ja, das ist bei uns auch ganz wichtiger Alltagsbestandteil.

Abführen mit Sauerkrautsaft
Wir nehmen Pflaumensaft. Sauerkraut kommt geschmacksmäßig nicht so super an bei den Kiddies XD

Und was mir noch eingefallen ist, was wir machen:
  • Pfefferminzöl auf die Schläfen bei Kopfschmerzen
  • Fußbäder mit Pfefferminzöl bei hartnäckigen Schweißfüßen
  • Milch ins Wasch- oder Badewasser bei trockener Haut (bei Säuglingen darf es auch gerne Muttermilch sein, aber dann muss man als Pflegekraft auch dann Handschuhe tragen, wenn man es sonst nicht müsste, da Muttermilch eine Körperflüssigkeit ist)
  • doppelt aufgebrühter Schwarztee bei wundem/offenem Po bei Windelträgern
 
ich habe noch Dekubiti mit Eiswürfeln gekühlt und dann mit dem Föhn erhitzt.... "eisen und föhnen"
(Hat man früher nicht Fön ohne h geschrieben??...):| .....glaube es ist nicht schlecht dass wir ein anderes Verständnis von Wundbehandlung haben:daumen:
 
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ich habe noch Dekubiti mit Eiswürfeln gekühlt und dann mit dem Föhn erhitzt.... "eisen und föhnen"
(Hat man früher nicht Fön ohne h geschrieben??...):| .....glaube es ist nicht schlecht dass wir ein anderes Verständnis von Wundbehandlung haben:daumen:

ja eisen und föhnen habe ich auch gelernt und Lebensmittelhonig auf die Wunde oder Traubenzucker gemischt mit 1 Amp Vit.B.
Mein Früher kennt auch noch die Betten mit nur 2 Rollen und ungekühlte Prosekturen
 
ja eisen und föhnen habe ich auch gelernt und Lebensmittelhonig auf die Wunde oder Traubenzucker gemischt mit 1 Amp Vit.B.
OK, so langsam bekomme ich eine Vorstellung davon, was ihr meint, wenn ihr schreibt, dass einige von den Dingen, die früher praktiziert wurden, durchaus gefährlich waren.8O
 
Betten mit nur 2 Rollen
Wie hab ich mir die denn vorzustellen?:gruebel: Ich hab versucht, Bilder davon über Google zu finden, aber ich finde nur Betten mit 4 Rollen. Ich hab grad ein bisschen ein Brett vor dem Kopf, wie das funktionieren soll. Wo sollen denn die Rollen dann sein? Eine vorne, eine hinten? Wird wohl nach rechts und links ein bisschen wackelig. Genauso wennn eine rechts und eine links wäre. Diagonal? Rechts vorne und links hinten? Dürfte aber auch ein bisschen aus der Waage geraten, wenn der Pat. sich bewegt. Und wenn nur zwei vorne oder nur zwei hinten sind, kann man ja nicht mehr schieben. Also irgendwie blick ich da gerade nicht durch.:gruebel::eek1::oops:
 
Wie hab ich mir die denn vorzustellen?:gruebel: Ich hab versucht, Bilder davon über Google zu finden, aber ich finde nur Betten mit 4 Rollen. Ich hab grad ein bisschen ein Brett vor dem Kopf, wie das funktionieren soll. Wo sollen denn die Rollen dann sein? Eine vorne, eine hinten? Wird wohl nach rechts und links ein bisschen wackelig. Genauso wennn eine rechts und eine links wäre. Diagonal? Rechts vorne und links hinten? Dürfte aber auch ein bisschen aus der Waage geraten, wenn der Pat. sich bewegt. Und wenn nur zwei vorne oder nur zwei hinten sind, kann man ja nicht mehr schieben. Also irgendwie blick ich da gerade nicht durch.:gruebel::eek1::oops:

Nun, ich bin (mit Erschrecken gerade ausgerechnet) auch bald 32 Jahre in der Pflege ..... ohhhh shit, wenn mir das früher jemand erzählt hätte....:knockin:
 
Die Betten hatten keine Bremsen. deshalb 2 Rollen Kopfende. Zum schieben mussten 2 Rollen am Fußende irgendwie runtergeklappt werden. Ganz genau weiß ich es nicht mehr
 
Als ich vor 25 Jahren meine ersten Schritte in der Pflege gemacht hatte (ein "Berufsfindungspraktikum" während der Sommerferien) wurden 1x die Woche alle Betten frisch bezogen und täglich das Stecklaken gewechselt. Die Betten waren nicht elektronisch, die wurden per Fußpedal angehoben oder gesenkt, ein Hebel unter dem Kopfteil konnte dieses verstellen. Zum Reinigen konnte man die Betten in eine Art "Waschstraße" schieben.

Die Klingel ging über eine zentrale Rufanlage, wo eine "Schwester Uta" nach dem Grund fragte und den Auftrag anschließend über die Sprechanlage ins nächste Zimmer mit Anwesenheitslicht weitergab. Praktikanten, Schüler oder Zivis hatten eine andere Anwesenheitstaste als Examinierte, so dass sie die Aufgaben je nach Qualifikation verteilen konnte (Sprudelwasser oder Bettpfanne: Praktikanten, Schmerzmittel: Pflegekraft).
 
Hallo zusammen,

da kamen doch ein paar interessante Sachen zum Vorschein. Wie ich auch finde ist es schade dass zu wenig Zeit bleibt um das ein oder andere anwenden zu können.
Früher war bestimmt nicht alles besser, aber vielleicht schaffen wir es irgendwie das Beste aus diesem bunten Portfolio zu filtern.
 
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Die Betten waren nicht elektronisch, die wurden per Fußpedal angehoben oder gesenkt, ein Hebel unter dem Kopfteil konnte dieses verstellen.
Lach, solche Betten hatten wir bis vor einem Monat noch. :wink:
 
Basale Stimulation ist für mich eben nicht früher! dafür bin ich zu alt, das gab es damals noch nicht.
Ok, Du hattest ja geschrieben, "Dein früher" begann 1976!
Soweit ich weiß wurde Basale Stimulation ab Mitte der 70er von Andreas Fröhlich entwickelt, jedoch erst in den 80ern von Christel Bienstein in die Pflege übertragen und benötigte dann natürlich noch einige Zeit, bis sie sich verbreitet hatte.
In den 90ern jedoch (jedenfalls Mitte/Ende 90er) war basale Stimulation schwer angesagt und wurde bei uns in der Klinik vielfach angewandt. Und die 90er waren halt "mein früher". :wink1:
Die Betten waren nicht elektronisch, die wurden per Fußpedal angehoben oder gesenkt, ein Hebel unter dem Kopfteil konnte dieses verstellen.
Auch bei uns waren damals die Betten i. d. R. lediglich mechanisch-hydraulisch verstellbar. Es gab dann (zumindest später) auch elektronische, die waren aber normalerweise schweren Pflegefällen vorbehalten.
Nun, ich bin (mit Erschrecken gerade ausgerechnet) auch bald 32 Jahre in der Pflege .....
Bei mir sind´s noch nicht ganz 30 Jahre.
 

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