Ist Umziehzeit Arbeitszeit?

Hallo,

diese Frage läßt sich mit einem klaren "JEIN" beantworten, denn diese Frage kann für jeden unterschiedlich beantwortet werden, je nachdem, wie es im jeweiligen Unternehmen geregelt ist. Umziehzeiten (Rüstzeiten) können individuell im Arbeitsvertrag vereinbart werden (eher selten), im entsprechenden Tarifvertrag (ist inzwischen aber die Ausnahme, da in den meisten Tarifwerken dieses Thema inzwischen verbannt wurde) oder in einer innerbetrieblichen Betriebsvereinbarung (Regelfall).

Wie sieht es nun arbeitsrechtlich aus, wenn es in einem Unternehmen keinerlei Regelung gibt:

Die Rechtsprechung des BAG besagt grundsätzlich, das diese Zeiten (analog zu den Wegezeiten zum Arbeitsplatz) "Privatvergnügen" sind.
Allerdings gibt es, wie fast immer, Ausnahmen von der Regel. Wie bereits im oben zitierten Urteil erwähnt, muß der Arbeitgeber dann diese Zeiten als Arbeitszeiten werten, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
a) Dienstkleidung ist Pflicht und wird vom Arbeitgeber bezahlt
b) Arbeitgeber stellt einen Umkleideraum
c) Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich nur dort umzuziehen (Verbot, daß man sich auch daheim umziehen kann.

In Unternehmen, wo diese Vorraussetzungen vorliegen, ist natürlich die Diskussion über die Länge der Umziehzeit vorprogrammiert:
a) wie lange darf das Umziehen dauern
b) gehören die Wegezeiten zur Umkleide dazu oder nicht?

Aus diesen Gründen ist es in diesen Unternehmen sinnvoll und üblich, die Länge der Umziehzeiten in Form einer Betriebsvereinbarung pauschal zu vereinbaren.

Gruß

medsonet.1


Prima formuliert! :daumen:
Vor allem die grün markierte Anregung wäre extrem wünschenswert. Leider sind die Mitarbeiter so stur auf die unbezahlte Umziehzeit fixiert, dass sie unglaublicherweise nichts von ihrem Recht hören wollen. Komisch, wo kommt manchmal diese unverständliche Loyalität zum AG her, die völlig unnötig wäre?
Ob sie, wenn ihnen einer verrät, dass sie eigentlich 100 € mehr im Monat verdienen, dies aber einfordern müssen, auch dankend ablehnen würden? :gruebel:


Nun würde mich ja mal interessieren, was Elisabeth bei ihrem BR erreicht hat... :?:
 
Ich hab momentan etwas anders gelagerte Probleme. Musst also leider noch warten.

Elisabeth
 
Ob sie, wenn ihnen einer verrät, dass sie eigentlich 100 € mehr im Monat verdienen, dies aber einfordern müssen, auch dankend ablehnen würden? :gruebel:


:?:

Hallo,

du wirst lachen, aber auch dieses gibt es tatsächlich in der Praxis!

Bei und gab es in diesem Jahr nach Tarifvertrag eine Einmalzahlung. Die Regelung besagte, daß geringfügig Beschäftigte auch diese Zahlung anteilsmäßig erhalten, wenn sie es beantragen. Rate mal, wieviel Anträge es gegeben hat?

Gruß

medsonet.1

P.S. Lösung - weniger als 40% der Antragsberechtigten (trotz Extrainfo vom Betriebsrat)
 
Habt ihr alle persönlich angeschrieben oder wen hattet ihr als Übermittler der frohen Botschaft gewählt?

Elisabeth
 
also wir haben offiziel um 13:48 uhr schluß dürfen die station aber um 13:36 uhr verlassen weil wir 12 min umkleidezeit haben... :daumen:
 
Habt ihr alle persönlich angeschrieben oder wen hattet ihr als Übermittler der frohen Botschaft gewählt?

Elisabeth

Ja,

jeder hat es persönlich erfahren, weil wir "Infoblätter des Betriebsrates" zusammen mit der monatlichen Gehaltsabrechnung versenden.

Gruß

medsonet.1
 
.....kaum zu glauben! isch hätt de antrag gestellt!!!!

Vielen geht es so, auch mir, daß man derart übersättigt von infomaterial ist, daß man sowas oft garnet mehr liest.....

Nun ja, aber betriebsrat-infos hätt ich auf jeden fall gelesen......:flowerpower:

gruß
S.A.
 
Was es alles gibt.

Elisabeth
 
Hi,
also in dem Klinikum wo ich meine Ausbildung absolviert habe hat das umziehen nicht mitgezählt. Normal macht mir das nichts aus aber wir Schüler mussten uns immer im Tiefkeller umziehen und wenn du dann auf die 5 Station oder so musstest waren schon 20 Minuten weg. Ich bin dann immer noch 10 Minuten früher auf der Station gewesen. Und zuvor noch 1 Stunde zur Arbeit gefahren.

Grüße Bine
 
BR hab ich net geschafft- aber rumgefragt. Bei der Antwort klappte mit allerdings der Unterkiefer runter... und sowas kommt mehr als selten vor.

Begründung: Die Dienstkleidung ist keine Schutzkleidung und demzufolge wird keine Rüstzeit gezahlt, weil nur für Schutzkleidung ein Anspruch besteht.

Es bleibt wohl doch dabei: jedes Gesetz kann ausgelegt werden, man muss nur wissen wie.

Elisabeth
 
Nach meinem gestrigen Erlebnis mit dem Umziehproblem Männlein/ Weiblein frage ich mich, wie lange die Umziehzeiten dauern dürfen und wie das in Zusammenhang mit den gemeinsamen Umziehräumen geregelt werden könnte/ sollte.
Bei uns sind Umziehzeiten in der Arbeitszeit enthalten, die Warteaktion gestern wird mir jedoch abgezogen werden. - Das ist wieder super organisiert gewesen.
Liebe Grüße Fearn
 
Nach meinem gestrigen Erlebnis mit dem Umziehproblem Männlein/ Weiblein frage ich mich, wie lange die Umziehzeiten dauern dürfen und wie das in Zusammenhang mit den gemeinsamen Umziehräumen geregelt werden könnte/ sollte.
Bei uns sind Umziehzeiten in der Arbeitszeit enthalten, die Warteaktion gestern wird mir jedoch abgezogen werden. - Das ist wieder super organisiert gewesen.
Liebe Grüße Fearn

Zeiten sind in den Urteilen nicht festgelegt oder erwähnt. Das ist in der Regel in Betriebsvereinbarungen zwischen BR und GF zu regeln.
 
BR hab ich net geschafft- aber rumgefragt. Bei der Antwort klappte mit allerdings der Unterkiefer runter... und sowas kommt mehr als selten vor.

Begründung: Die Dienstkleidung ist keine Schutzkleidung und demzufolge wird keine Rüstzeit gezahlt, weil nur für Schutzkleidung ein Anspruch besteht.

Es bleibt wohl doch dabei: jedes Gesetz kann ausgelegt werden, man muss nur wissen wie.

Elisabeth

Nun besteht ja im nachfolgend nochmal zitierten BAG-Urteil keine Differenzierung zwischen Dienstkleidung und Schutzkleidung. Ich würde mal meinen, deine MA, oder wer die von dir geschilderte Auskunft gab, ist mächtig beratungsresistent. Die Antwort des BR dürfte wohl aber anders ausfallen...


5. Schreibt der Arbeitgeber vor, daß eine Dienstkleidung, die von ihm unentgeltlich zur Verfügung gestellt und gereinigt wird und nicht mit nach Hause genommen werden darf, vor Dienstbeginn in einem bestimmten Raum im Betrieb anzulegen und nach Dienstende dort abzulegen ist, so gehört das Umkleidezimmer zur Arbeitsstelle. Dort beginnt und endet die Arbeitszeit.

BAG, Urteil vom 28. Juli 1994 - 6 AZR 220/94 - Landesarbeitsgericht Hamm
BAG 6 AZR 220/94: Arbeitsstelle Arbeitszeit Protokollnotiz Krankenschwester
 
Nun besteht ja im nachfolgend nochmal zitierten BAG-Urteil keine Differenzierung zwischen Dienstkleidung und Schutzkleidung. Ich würde mal meinen, deine MA, oder wer die von dir geschilderte Auskunft gab, ist mächtig beratungsresistent. Die Antwort des BR dürfte wohl aber anders ausfallen...


5. Schreibt der Arbeitgeber vor, daß eine Dienstkleidung, die von ihm unentgeltlich zur Verfügung gestellt und gereinigt wird und nicht mit nach Hause genommen werden darf, vor Dienstbeginn in einem bestimmten Raum im Betrieb anzulegen und nach Dienstende dort abzulegen ist, so gehört das Umkleidezimmer zur Arbeitsstelle. Dort beginnt und endet die Arbeitszeit.

BAG, Urteil vom 28. Juli 1994 - 6 AZR 220/94 - Landesarbeitsgericht Hamm
BAG 6 AZR 220/94: Arbeitsstelle Arbeitszeit Protokollnotiz Krankenschwester

Hallo,

da kann ich dir nur voll zustimmen, genauso ist es und genauso ist dieses Urteil zu verstehen und auszulegen! Im übrigen fallen die in einem Krankenhaus üblichen Arbeitskleidungen (Kittel, ...) auch unter den Begriff Schutzkleidung.

Gruß

medsonet.1
 
Hallo dreifachmutti,

das von dir zitierte Urteil ist schon etwas älter.

Auch der in diesem Urteil zitierte §15 BAT existierte schon kurz nach dem Urteil nicht mehr, weil nicht umsetzbar. Mit dem Urteil kannste keinen Blumentopf mehr gewinnen.

Das Urteil bezog sich auch nur auf den BAT.

Es bestehen keine gesetzlichen Grundlagen, die die Anrechnung von Wege- oder Rüstzeiten klar regeln. Meist werden Vereinbarungen wie oben beschrieben getroffen. Verbindliche Regelungen gibt es dazu nur in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen.

Gruß renje
 
Das Urteil ist älter, aber es ist deshalb nicht ungültig.
Ganz klar ist die Beurteilung, ob die Wege- und Umkleidezeiten zur Arbeitszeit gehören, von der Organisation des Arbeitgebers abhängig und davon, inwieweit es sich um eine verpflichtende Anweisung handelt, sich genau an einem bestimmten Ort mit einer bestimmten Kleidung anzuziehen.

Und wenn Du ein neueres Urteil willst, klick hier, es ist auch bezogen auf den TVÖD:
Arbeitsgericht Stuttgart 2 Ca 6062/07 Krankenhaus: Umkleidezeit gehrt zur vergtungspflichtigen Arbeitszeit

Dort wird genauso argumentiert.

Was ist Arbeitszeit? Nach der Eu-Definition:
„jede Zeitspanne, während der ein
Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder
Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt“.

Das kann auch kein Tarifvertrag anders regeln! Abgesehen davon, dass im TVÖD gar nichts über Wege- und Umkleidezeiten regelt.

Wenn ich nun daran gebunden bin, mich dort umzuziehen, wie der Arbeitgeber es vorschreibt, dann nehme ich ja bereits Aufgaben wahr, bin an die Weisung des Arbeitgebers gebunden, sonst könnte ich z.B. die Dienstkleidung mit nach Hause nehmen und mich dort schon umziehen.


 
Liebe Sittichfreundin,

deine Argumentation ist nicht ganz richtig.

Wenn nichts über Wege-/Umkleidezeiten im TVÖD steht kann sich das Urteil auch nicht drauf berufen - oder?


Ich glaube ich habe mich das etwas unglücklich Ausgedrückt oder bin falsch verstanden worden. Natürlich wird ein Urteil nicht ungültig, wenn sich die Rechtsvorschriften ändern. Nur wenn heute entschieden würde, wäre das Urteil ein anderes, wenn es den § nicht oder in anderer Form gibt. Ich kann mich dann darauf nicht mehr Berufen.

Hier bezieht sich das Gericht auf eine Dienstvereinbarung zwischen AG und Personalrat in den Jahren 1990/1991 die noch gültig ist.

Du bestätigt im Grunde meine Aussage: Es gibt keine allg.gültige Regelung/Gesetz sondern das wird per DV oder BV geregelt.

Ein TV könnte es, tuts aber nicht.

Alles andere was du schreibst mit zu Verfügung stehen etc. stimme ich dir Gefühlsmäßig zu aber,das ist eben Auslegungsfähig und nirgends klar definiert. Um den Betriebsfrieden zu wahren, geben ja oft AG eine sog. Rüstzeit für alle, egal ob ich mich im Keller oder auf Station umziehe.

Es gibt eben Auffassungen, dass jeder AN in entsprechender Kleidung am Arbeitsbeginn zu erscheinen hat - nicht Schutzkleidung.

Kein Bänker oder Chefsektretärin etc. bekommen Rüstzeiten. Von diesen Berufsgruppen, wird verlangt dass sie besonders gekleidet und gepflegt zum Arbeitsbeginn erscheinen und nicht z.B. die 30Min. Gesichtspflege und Kämmaktion am Schreibtisch beginnt.

Gruß renje
 
Kein Bänker oder Chefsektretärin etc. bekommen Rüstzeiten. Von diesen Berufsgruppen, wird verlangt dass sie besonders gekleidet und gepflegt zum Arbeitsbeginn erscheinen und nicht z.B. die 30Min. Gesichtspflege und Kämmaktion am Schreibtisch beginnt.

Gruß renje


Jetzt is aber gut.
Gepflegt und gekämmt erscheine auch ich zum Dienst. Oder meinst du, ich komme mit Waschbeutel, Zahnbürste, Föhn und Haarspray zur Arbeit und erledige da meine Morgentoilette?
Aber ich habe dem von dir angesprochenen Banker praktisch die Prozedur des An- und Auskleidens doppelt zu erledigen. Und nicht, weil ich mich besonders schön machen will, sondern weil mein AG will, dass ich in weißen unförmigen Kitteln und Hosen antrete, die keimarm im KH lagern, statt in meiner Häuslichkeit und nicht auf dem Weg zur Arbeit "mit Bakterien verseucht" werden.
 

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