Umgang mit Alkoholikern

BamBamsche

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19.04.2011
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641
Beruf
Krankenschwester
Funktion
Praxisanleiter
Hallo

ich habe eine Frage bzw die Bitte, mir Tipps zu geben.
Aufgrund meiner Privaten Vorgeschichte bin ich sehr empfindlich was den Umgang mit Alkoholkranken Menschen angeht. Mein Ex Freund ( fast 8 Jahre Beziehung) war die ganze Zeit Alkoholiker, mit lügen, betrügen, schlagen usw.
Seit ich mich von ihm dann endlich getrennt hatte, bin ich nicht gut zu sprechen auf Alkohliker. Sobald wir einen Patienten auf Station haben, der ein bekanntes Suchtproblem hat, ist es bei mir vorbei. Ich kann mit diesen Menschen kein Mitleid empfinden, egal was für eine zusätzliche Erkrankung der Patient hat. Mit Patienten die dann im Umgang noch sehr schwierig sind (bei langjährigen Alkoholkranken ja keine Seltenheit) wirds dann noch schlimmer. Ich bin zwar nicht unfreundlich zu den Leuten, aber ich bin halt recht kühl im Umgang. Teilweise hab ich sogar Angst, kommt drauf an was für ein Mensch das ist. Und wenn diese Patienten dann noch "jammern" denke ich mir oft: Mein Gott, selber schuld das es so gekommen ist!
Ich weiß das es nicht richtig ist, aber ich kanns irgendwie nicht abstellen. Auch nicht wenn ich mich immer wieder zwinge daran zu denken, dass diese Menschen krank sind.
Hat jemand Tipps oder Ratschläge für mich, wie ich besser mit diesen Patienten umgehen kann?
Ich hoffe ihr verurteilt mich jetzt nicht dafür.
Vielen Dank schonmal im vorraus.
 
Schwierig. Du bist befangen aufgrund deiner Vorgeschichte bist nicht mehr objektiv, kann man einerseits verstehen anderseits bist du Krankenschwester und musst profesionell damit umgehen. Ich weiss ,nicht so einfach aber spreche doch mal mit einem Pschyologen vieleicht weiss der einen Rat. Oder lass dich auf eine andere Station versetzen wo du nicht mehr so oft oder vieleicht überhaupt nicht mehr mit solchen Situationen konfrontiert wirst.
 
Besteht die Möglichkeit, Dich bei der Pflege von Suchtkranken rauszunehmen? Hätte Dein Team Verständnis, wenn Du diese Patienten nicht versorgen würdest (und dafür natürlich andere übernimmst)?
 
Den ersten Schritt in dei richtige Richtung hast du schon getan. Du erkennst, dass es einen Zusammenhang gibt mit deiner eigenen Biographie.
Der nächste Schritt wäre zu trennen zwischen dem Erlebten und der Patientensituation. Hilfreich kann hier vielleicht sein, sich mit dem Krankheitsbild als solches auseinanderzusetzen- also mehr in den Faktenbereich zu gehen.

Jemandem per se erst mal kühl=distanziert zu begegnen halte ich übrigens net für unprofessionell. Man muss net jeden Pat. gerne haben.

Elisabeth
 
Solange du professionell weiterarbeitest und die Pat adäquat versorgst, gibt es hier kein Problem. Es sei denn du selbst möchtest dich ändern.
 
Denken darfst Du alles. Solange sich Dein Denken nicht im Umgang mit den betreffenden Patienten wiederspiegelt ist das ok.
Wie oft denken wir: "der nervt, der stellt sich an, der hockt geradezu auf der Klingel" oder ähnliches. Dennoch gehen wir mit diesen Patienten professionell um.
Und wenn ich das richtig lese tust Du das auch. Ich denke keine PP wird alle Patienten gleich mögen, gleich mitfühlen...ect. Manchmal stimmt auch einfach die Chemie nicht, dass man weniger mitfühlend ist, und dennoch korrekt mit den Patienten umgeht.
Was denkst Du denn müsstest Du persönlich ändern im Umgang mit Alkoholikern?
Oder was meinst Du besser machen zu müssen und warum?


Das einzige was ich nicht verstehe ist Deine Angst, die hast Du wovor?
 
Erstmal danke für eure Antworten.
Mein Team weiss über meine Situation bescheid und versucht (zum Glück) mich so gut es geht rauszunehmen. Ich übernehme dafür andere Aufgaben. Leider geht es natürlich nicht immer.
Ich hatte auch schonmal überlegt, Fortbildungen zum Thema Sucht bzw Alkoholsucht zu besuchen. Vielleicht hilft das ja.
Ich mache natürlich meine Arbeit auch bei solchen Patienten nach bestem Wissen und Gewissen, nur eben mit grummeln im Kopf und Bauch und ohne Freude. Und ich denk das merken die Patienten und dadurch wirds wahrscheinlich nur noch schlimmer. Ändern möchte ich selber mich nicht, ich möchte nur lernen, damit professionell umzugehen und mich abgrenzen zu können, also zu trennen wie es bei mir Privat war und das es im Beruf was anderes ist. Und das fällt mir einfach sehr sehr schwer.
 
Hallo BamBamsche,

vielleicht hilft dir der Besuch einer Angehörigen-Gruppe der Anonymen Alkoholiker weiter, auch wenn du dich getrennt hast.

Als Tochter einer seit 30 Jahren trockenen Alkoholikerin kann ich deine Probleme nachvollziehen.

lg
Narde
 
Ok, an so etwas hatte ich bis jetzt noch nie gedacht. Das werd ich auf jeden Fall ausprobieren! Vielen Dank!
 
Hallo BamBamsche,
aus jahrelanger Erfahrung mit C2ern kann ich Dir sagen,daß auch für Kollegen ohne speziellen Hintergrund die Arbeit mit ihnen anstrengend ist.
Wenn sie vom RTW oder der Polizei gebracht werden,sind sie oftmals so zu,daß sie nix mehr registrieren. Nüchtern sie langsam aus,werden sie jammerig oder aggressiv und pampig,das ist dann der Zeitpunkt,wo sie bei uns wieder rausfliegen.
Meine Gedanken dazu sind meist,daß diese Leute sich ja absichtlich,aus freiem Willen kaputt saufen und dann auch nicht jammern brauchen oder aggressiv werden müssen,wenn sie ihren Kopf nicht durchgesetzt kriegen.
Klar,jeder C2er hat ne eigene Vorgeschichte und viele unterschiedliche Gründe,die ihn zum Alk getrieben haben,aber wenn sie erstmal in diesem Stadium angekommen sind,wo sie anderen Menschen dämlich kommen,dann interessieren mich auch die Gründe nicht mehr und Mitleid oder so gibt's erst recht nicht.
Haben sich ihre "Krankheit" doch selber eingebrockt,also was können fremde Menschen dafür,wenn der Suff oder das Geld alle sind und dafür der Kater oder das Delir umso schlimmer ?
Das trifft im Übrigen auch auf jeden anderen Drogensüchtigen zu,denn zum Heroin spritzen,koksen oder Crack und Crystal schnüffeln wird man mit Sicherheit nicht gezwungen,aber derjenige zwingt dann andere Leute(z.B. uns),sich damit zu befassen.
Dieses Patientenklientel ist jenes,wo ich meine ethischen Grundlagen und die Motivation für meinen Beruf vergesse...wirklich !
 
Nach etlichen Jahren früherer Arbeit mit Abhängigen kann ich nur sagen, dass man mit ganz normalem und respektvollem Umgang am besten mit solchen Patienten zurecht kommt.
Für mich ist jeder Abhängige ein Kranker wie jeder andere.
Gedanken wie selber schuld hab ich nicht, die müsste ich bei vielen anderen Kranken dann ja auch haben.

Eine entsprechende Vorgeschichte hab ich auch weil ich in einem Haus groß geworden bin wo es eine abhängige Person gab.
Allerdings kann ich das sehr gut trennen von der Arbeit.

Aber verstehen kann ich dich auch, dass das schwierig sein kann.
Die Idee mit der Angehörigengruppe finde ich gut.

LG
Antje
 
Wie stehts dann mit den ganzen Wohlstandserkrankungen? Was ist mit den Folgen anderer Süchte? Dann müsste ich mich über ne Menge Pat. aufregen.

Es ist halt mein Job auch Menschen zu pflegen, deren Handlung ich net gut heißen kann. Das ist ein Aspekt der Professionalität, der uns von der Laienepflege unterscheiden sollte.

Elisabeth
 
Ich denke dass du deine eigene Vorgeschichte noch nicht wirklich verarbeitest bzw. aufgearbeitet hast, deshalb hast du auch solche Probleme im Umgang mit diesem Klientel. "Selber schuld" sind sicher ganz viele Kranke, und mit denen hast du ja keine Probleme. Ich glaube dass dir diese Angehörigengruppe oder auch ein Psychologe da sicher weiterhelfen kann.
 
Klar, das hab ich noch lang nicht verarbeitet. Jeder der so etwas mitgemacht hat weiß wovon ich rede.
Elisabeth:Nur weil wir professionelle Pflege machen, heißt das aber nicht, das wir keine ganz normalen menschlichen Gefühle haben dürfen. Und jeder der z.b.einen nahen Angehörigen an Krebs hat sterben sehen, denkt automatisch daran, wenn er einen sterbenden Krebspatienten betreut. Deswegen ist man noch lang nicht unprofessionell.
 
Ich werde zur Zeit häufig auf meine eigenen diesbezüglichen Unzulänglichkeiten zurück geworfen: Ein Patient mit mit Plasmozytom und einem heftigen Lungenemphysem schleppt sich in jeder Minute, die er halbwegs schnaufen kann auf den Balkon, um dort zu rauchen...Jedesmal wenn er schellt, weil er Schmerzen hat oder noch schlechter als sonst Luft bekommt, steigt der totale Widerwille in mir auf. - Weil er so offensichtlich zur Verschlimmerung seines Zustandes beiträgt und anderen Patienten, die unverschuldet leiden, wegen ihm zeitweise warten müssen...Das liest sich voll mies und so fühle ich mich auch, wenn ich mich bei dieser Geisteshaltung erwische, auch wenn ich es ihn zumindest nicht direkt spüren lassen...
Ich kann nun mal nicht nur meinen pflegerischen Auftrag wahrnehmen...ist mir nicht möglich, auch wenn es mir den Umgang mit solchen Menschen viel einfacher machen würde...
 
Du würdest dich leichter tun, wenn du langsam umdenken kannst, also ich meine nicht dass du denken sollst ich werde Co-Alkoholiker.
Jeder Suchtkranke hat seine Vorgeschichte, sicher standen die meisten von uns mal an einem Scheideweg, wo man in die Sucht hätte abrutschen können, aber manche finden einen anderen Weg.
Ich sehe einen Alkoholiker nicht nur als Suchtkranken, sondern als Menschen und ehrlich, dein Freund hat dich schlecht behandelt, aber welcher deiner Patienten hat dich geschlagen? Vergiß deinen Ex, wenn du beim Patienten bist. Auch ich hatte einen Alkoholiker in meiner Familie, aber trotzdem habe ich keine negativen Gefühle gegen Patienten mit einem Alkoholproblen, warum das so ist, weiß ich nicht.
Schlechte Erfahrungen habe ich zwar auch gemacht, aber dieser Mensch ist nicht dabei, wenn ich vor meinem Patienten stehe, ich will diese Menschen weder verachten noch ihr Verhalten entschuldigen, ich beziehe es nicht auf mich persönlich, das hilft mir.
 
Genau das ist das Problem. Wir hatten eben schon 2mal Patienten, die sowohl auf mich wie auch auf Kollegen losgegangen sind, der eine hat mir ein Teller an Kopf geworfen, der andere mir eine geknallt. Wegen nichts. Beide male gings darum, das den Patienten das Essen nicht gut genug war. Nur können wir die Leute eben nicht einfach rausschmeissen wenn die sich so benehmen, denn wir sind eine Akut Neurologie. Auf ner Suchtstation heißt es dann: Benimm dich oder du fliegst raus!
Ich soll es nicht auf mich persönlich beziehen, das ist mir auch klar, und genau darum hab ich ja hier gefragt ob jemand Tipps hat, wie ich es nicht auf mich beziehen kann. Das ich es nicht sollte weiss ich bereits :)
 
Hallo Bambamsche,
auch bei mir ist der Eindruck entstanden, dass Du die Erfahrungen mit Deinem Freund noch nicht verarbeitet hast und das scheint mir die Ursache für Deine Probleme im Umgang mit anderen Alkoholkranken zu sein, wobei die Erfahrungen, die Du mit den Patienten gemacht hast, natürlich das ihre dazu beitragen. Nardes Vorschlag mal bei einer Al-Anon Gruppe reinzuschauen ist bestimmt sinnvoll für Dich, oder aber Du versuchst Deine Probleme mit einem Therapeuten aufzuarbeiten.

@ZNA-Öse
Auch wenn ich mir vorstellen kann, dass Du in Deinem Arbeitsbereich häufig mit Menschen konfrontiert bist, die aufgrund ihrer Suchterkrankung unangenehm und aggressiv sind, finde ich Deine Haltung problematisch. Wenn Du Patienten ablehnst, weil sie sich ihrer Krankheit selbst "eingebrockt" haben, müsstest Du auch z.B. krebskranke Raucher, adipöse Diabetiker oder Sportler, die sich beim Sport verletzt haben, ablehnen.
 
Jedem seine Meinung!

Ich habe auch kein großes Mitleid mit Alkoholikern. Und um auf deine Vergleiche einzugehen:
Wenn Du Patienten ablehnst, weil sie sich ihrer Krankheit selbst "eingebrockt" haben, müsstest Du auch z.B. krebskranke Raucher, adipöse Diabetiker oder Sportler, die sich beim Sport verletzt haben, ablehnen.
Bei LUNGENkrebskranken Raucher und adipösen Diabetiker sehe ich das ebenfalls nicht viel anders. Das alles muss nicht sein (Ich weiß, Ausnahmen gibts...)

Sportler die sich verletzt haben, sind allerdings ein schlechter Vergleich. Sport macht man grundsätzlich erstmal um sich gesund zu erhalten. Exsessiven Alkohl- und Zigarettengenuss macht man nur um seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Mit vollem Krankheitsbewusstsein (Ausnahmen wieder raus, gell). Wer sich als Erwachsener ein entsprechendes gewicht "anisst", bzw nicht daran arbeitet es los zu werden ... dito. (Ausnahmen...)
 
Bestimmt sind auch die direkten Verhaltensauffälligkeiten im Zusammenhang mit Alkohol ein Grund für den unmittelbaren Widerwillen mancher Pflegekräfte...Dass Lallen...Torkeln...sich Übergeben...Rumpöbeln....Heulen...Einnässen...und der anschließende Kater lassen sich nur schwer allein als die Folgen und Symptome von Alkoholkonsum betrachten und bewirken auch in mir eine persönliche Aversion...
 

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