Wir hatten seit paar Wochen einen Patienten bei uns auf der Station (Kardiologie), der auch schon zuhause ca. 10 Jahre lang ein Pflegefall war - maximal möglich war die Mobilisation durch die Lebensgefährtin in den Lehnsessel. Langjährige Alkoholanamnese, kaputte Organe, Wortfindungsstörungen, .... Alter knapp unter 70.
Er hat sich immer wieder alle Zugänge (Venflons, ZVK) selbst entfernt, und dann wurde von ärztlicher Seite beschlossen, ihn ausschließlich oral zu ernähren/therapieren.
Er war ziemlich kraftlos, hat oft aspiriert, beim Atmen gerasselt, und beim Verschlucken gehustet, aber selten genug Kraft aufbringen können, wirklich auszuhusten. Also hin und wieder Rachenraum abgesaugt.
Gestern habe ich ihm in der Früh die Medikamente eingegeben, mit Pudding und schlückchenweise Wasser.
Bei ihm war es normal, daß er "Nein" gesagt hat, dann aber trotzdem den Mund aufgemacht hat, wenn man ihm noch einen Löffel angeboten hat.
So auch dieses Mal. Dann plötzlich dreht er den Kopf zur Seite, beisst den Mund (ohne Zahnprothese) zusammen, ich denke zuerst, er will mir zeigen, daß er nun wirklich genug hat. Dann denke ich aber, er ist blaß, reagiert nicht auf seinen Namen. Ich versuche abzusaugen, dann bitte ich meine Kollegin um Hilfe, die gerade beim Nachbarbett beschäftigt ist. Sie sagt, ich solle unsere Stat.Leitung holen, er kommt, ich drücke Herzalarm, die Ärzte kommen .... zurückhaltende Reanimation (nur Herzdruckmassage + Bebeuteln, kein Med.). Nach 10 Minuten ist Schluß, der Arzt schafft eine ruhige Atmosphäre, alle aus dem Zimmer (6 Mitpat. + ca. 15 Ärzte/PP) raus, er und ich bleiben dort bis der Pat. seinen letzten Atemzug tut.
Also ansich eine ideale Situation, der Arzt reagiert perfekt und schafft eine (für den Patienten) erträgliche Sterbesituation (falls ich das so blöd sagen kann) - redt ruhig auf ihn ein, wir begleiten ihn. Soweit alles schön und gut.
Nachher bittet der Arzt, daß wir uns zusammensetzen als Team, so handhabt er das immer bei einem Exitus. Offene Fragen klären, das ganze von medizinischer Seite aus besprechen. Meine Kollegin sieht mir wohl an, daß ich blaß um die Nasenspitze bin, sie spricht aus, was ich mir denke: "Muß man ein schlechtes Gewissen haben als derjenige, der gerade die Medikamente verabreicht hat?". Arzt & Stat. Leitung sagen natürlich, nein, braucht man nicht, weisen auf seine körperliche Verfassung hin, auch auf die familiäre Situation (Leb.Gef. ist in den Wochen 1x auf Besuch gekommen, der Pat. selbst wäre nicht zurück nach Hause gekommen, sondern ins Pflegeheim) und daß es unter Umständen auch ein dummer Zufall gewesen sein könnte, daß er nicht 100 prozent notwendigerweise aspiriert hat. (wobei, ich bin mir sicher)
Mich hatte verwundert - wenn er aspiriert, warum hat er nicht die kleinste Husten/Reizreaktion gezeigt, sondern ist sofort "errstarrt"? Der Arzt erklärt mir dann, es kann vorkommen, daß beim Aspirieren der Nervus Vagus einen Reflex auslöst, der sofort den gesamten Organismus "herunterfährt", und man nicht mehr aushusten kann.
Gut, es hat überhaupt niemand die Frage der "Schuld" in den Raum gestellt, es war quasi "egal", woran der Patient verstorben ist - es hätte aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung viel sein können. TROTZDEM: er war NICHT moribund und für mich schwebt es halt jetzt im Raum: Wenn ich in diesem Moment nicht bei ihm gewesen wäre, würde er jetzt noch leben .....
das belastet mich.
Habt ihr schon einmal eine ähnliche Situation erlebt? Wie seid ihr damit umgegangen?
Ich bin froh, daß dieser Arzt die Reanimation geleitet hat und so reagiert hat, um mir gleich, von sich aus, verstehen zu geben, daß ich mir keinen Kopf zerbrechen brauche.
In der Arbeit habe ich noch versichert, die Situation nicht mit nach Hause zu nehmen, aber auf der Heimfahrt im Auto hab ich natürlich erstmal heulen müssen. Ich denke, ich werde noch viel mit Kollegen drüber reden, und ich merke, daß es auch gut tut, hier die Sache zu schildern und von der Seele zu schreiben.
Er hat sich immer wieder alle Zugänge (Venflons, ZVK) selbst entfernt, und dann wurde von ärztlicher Seite beschlossen, ihn ausschließlich oral zu ernähren/therapieren.
Er war ziemlich kraftlos, hat oft aspiriert, beim Atmen gerasselt, und beim Verschlucken gehustet, aber selten genug Kraft aufbringen können, wirklich auszuhusten. Also hin und wieder Rachenraum abgesaugt.
Gestern habe ich ihm in der Früh die Medikamente eingegeben, mit Pudding und schlückchenweise Wasser.
Bei ihm war es normal, daß er "Nein" gesagt hat, dann aber trotzdem den Mund aufgemacht hat, wenn man ihm noch einen Löffel angeboten hat.
So auch dieses Mal. Dann plötzlich dreht er den Kopf zur Seite, beisst den Mund (ohne Zahnprothese) zusammen, ich denke zuerst, er will mir zeigen, daß er nun wirklich genug hat. Dann denke ich aber, er ist blaß, reagiert nicht auf seinen Namen. Ich versuche abzusaugen, dann bitte ich meine Kollegin um Hilfe, die gerade beim Nachbarbett beschäftigt ist. Sie sagt, ich solle unsere Stat.Leitung holen, er kommt, ich drücke Herzalarm, die Ärzte kommen .... zurückhaltende Reanimation (nur Herzdruckmassage + Bebeuteln, kein Med.). Nach 10 Minuten ist Schluß, der Arzt schafft eine ruhige Atmosphäre, alle aus dem Zimmer (6 Mitpat. + ca. 15 Ärzte/PP) raus, er und ich bleiben dort bis der Pat. seinen letzten Atemzug tut.
Also ansich eine ideale Situation, der Arzt reagiert perfekt und schafft eine (für den Patienten) erträgliche Sterbesituation (falls ich das so blöd sagen kann) - redt ruhig auf ihn ein, wir begleiten ihn. Soweit alles schön und gut.
Nachher bittet der Arzt, daß wir uns zusammensetzen als Team, so handhabt er das immer bei einem Exitus. Offene Fragen klären, das ganze von medizinischer Seite aus besprechen. Meine Kollegin sieht mir wohl an, daß ich blaß um die Nasenspitze bin, sie spricht aus, was ich mir denke: "Muß man ein schlechtes Gewissen haben als derjenige, der gerade die Medikamente verabreicht hat?". Arzt & Stat. Leitung sagen natürlich, nein, braucht man nicht, weisen auf seine körperliche Verfassung hin, auch auf die familiäre Situation (Leb.Gef. ist in den Wochen 1x auf Besuch gekommen, der Pat. selbst wäre nicht zurück nach Hause gekommen, sondern ins Pflegeheim) und daß es unter Umständen auch ein dummer Zufall gewesen sein könnte, daß er nicht 100 prozent notwendigerweise aspiriert hat. (wobei, ich bin mir sicher)
Mich hatte verwundert - wenn er aspiriert, warum hat er nicht die kleinste Husten/Reizreaktion gezeigt, sondern ist sofort "errstarrt"? Der Arzt erklärt mir dann, es kann vorkommen, daß beim Aspirieren der Nervus Vagus einen Reflex auslöst, der sofort den gesamten Organismus "herunterfährt", und man nicht mehr aushusten kann.
Gut, es hat überhaupt niemand die Frage der "Schuld" in den Raum gestellt, es war quasi "egal", woran der Patient verstorben ist - es hätte aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung viel sein können. TROTZDEM: er war NICHT moribund und für mich schwebt es halt jetzt im Raum: Wenn ich in diesem Moment nicht bei ihm gewesen wäre, würde er jetzt noch leben .....
das belastet mich.
Habt ihr schon einmal eine ähnliche Situation erlebt? Wie seid ihr damit umgegangen?
Ich bin froh, daß dieser Arzt die Reanimation geleitet hat und so reagiert hat, um mir gleich, von sich aus, verstehen zu geben, daß ich mir keinen Kopf zerbrechen brauche.
In der Arbeit habe ich noch versichert, die Situation nicht mit nach Hause zu nehmen, aber auf der Heimfahrt im Auto hab ich natürlich erstmal heulen müssen. Ich denke, ich werde noch viel mit Kollegen drüber reden, und ich merke, daß es auch gut tut, hier die Sache zu schildern und von der Seele zu schreiben.