Hallo!
Ich will mir kein Urteil über deine Arbeitsleistung oder über mangelnde Fähigkeiten bilden. Das ist unmöglich, weil ich dich nicht kenne. Ich hatte nur ähnliche Erlebnisse auf meiner ersten Station nach dem Examen.
Boah, wie hab ich mich gefreut, die Stelle zu bekommen - septische Chirurgie - Verbände bis der Arzt kommt. Interessante Wunden, Heilungsverläufe, die nach Jahren gelangen, manchmal leider auch nicht gelangen.
Voller Elan hab ich mich in die Arbeit gestürzt. Septische Chirurgie war für mich völliges Neuland, war ich in der Ausbildung nicht. Die Neue, die mit mir zusammen ebenfalls nach der Schule anfing hatte da durch Einsätze auf entsprechenden Stationen wesentlich mehr Erfahrung - boah, war die Taff. Ich kam mir neben der so blöd vor, als hätte ich 2 linke Hände und an jeder 5 Daumen. Sie passte viel besser ins Team - ich nicht. Sie war beliebt und kam mit allen gut aus - ich stand in der Ecke, im Abseits und kam mir immer dümmer vor. Meine Praxisanleiterin mochte mich nicht und ließ mich das auch spüren. Spätdienst hatte ich mit der Praxisanleiterin alleine. Nach der Übergabe sagte sie zu mir, du machst die Station heute alleine, musst es ja schließlich lernen und wenn du Fragen hast, kannst du dich an mich wenden. Bis zur Übergabe an den Nachtdienst hat sie ihren Körper nicht ein Stück vom Stuhl wegbewegt und den ganzen Nachmittag im Schwesternzimmer fern gesehen (ja, das einzige Schwesternzimmer, was ich kennengelernt hab mit Fernseher). Ich habe so gut es ging versucht die Station zu schmeißen und sie hat mich geschnitten. Kein Wort! Wenn ich was fragte, wurden die Fragen widerwillig mit Augenverdrehen beantwortet. Ich wurde immer nervöser, immer fahriger und mir wurde immer öfter gesagt, du bist unfähig, zu blöd und weiß der Geier wat noch alles. Ich begann Fehler zu machen, einen eklatanten und Patientengefährdenden - leider! Ich habe für diese Fehler gerade gestanden, zum Glück war dem Patienten nichts passiert. Ich war heilfroh. Anschließend verschwanden Röntgenbilder, die ich verschlampt haben sollte, Medikamente, die nicht benötigt wurden, wurden angeblich von mir im Nachtdienst bestellt. Anweisungen, was ich tun und lassen sollte wechselten im 5 min Takt. Ärzte waren stinkig, wenn ich sie für Sachen holte, die ich laut Stationsschwester nicht durfte - anschließend durfte ich sie angeblich doch. Mir wurde Weihnachten und Silvester Dienst aufs Auge gedrückt 4 andere Schwestern hatten beides Frei. Ich habe versucht die Station zu wechseln, bin zur PDL. Keine Chance. Ich zitterte, wenn ich zur Arbeit ging, zitterte wieder, wenn ich nach Hause ging. Irgendwann warf man mir vor, ich könne keinen Patienten waschen. Da hab ich dann gedacht - Moment! Hier stimmt was nicht, hier läuft was ganz furchtbar schief. Du kannst nicht völlig unfähig sein, du hast ein gutes Examen gemacht. Innerhalb weniger Tage habe ich während der Probezeit - die ich wahrscheinlich eh nicht überlebt habe - der Stationsleitung die Arbeit vor die Füße geschmissen und gekündigt. Habe danach nie wieder solche Probleme gehabt und gute Zeugnisse meiner alten Arbeitgeber bekommen. Von dieser Klinik habe ich nie ein Zeugnis erhalten.
Ich kann dir nur den Tipp geben - such dir was anderes, wenn du der Meinung bist, man mag dich da nicht. ich habe die Erfahrung gemacht, dass man zu Fehlern neigt, je nervöser man (gemacht) wird - gerade als Anfänger. Je unsicherer man wird, um so gefährlicher wird es für die Patienten und das letzte, was ich wollte, war Patienten gefährden.
Heute fühle ich mich wohl, da wo ich arbeite und mache auch keine "dummen" und sinnlosen Fehler mehr, die sich durch Nervösität und Angst einschleichen. Zu gehen, war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe. Wäre ich geblieben, hätte ich entweder aus lauter Fahrigkeit irgendwann versehentlich einen Patienten umgebracht oder meine Job so satt gewesen, dass ich ihn an den Nagel gehängt hätte.
Jumanji
P.S.: An alle Praxisanleiterinnen, die frisch examinierte unter ihre Fittiche nehmen. Wenn jemand immer noch und immer wieder scheinbar dumme und unsinnige Fragen stellt - redet mit denen - nicht immer liegt es an Unfähigkeit.