Umgang mit dem Tod im OP

Hiltensperger

Newbie
Registriert
02.03.2012
Beiträge
3
Ort
Köln
Beruf
Journalistin
Akt. Einsatzbereich
Freiberufliche Journalistin, schreibe vorwiegend Fachartikel für verschiedene Verlage
Funktion
Öffentlichkeitsarbeit für das Gesundheitswesen
Liebe OP-Pflegekräfte,

als freie Journalistin schreibe ich einen Artikel zum Thema Umgang mit dem Tod im OP. Ich suche Leute, die über ihre Erfahrungen mit dem Tod im OP was sagen möchten. Was beschäftigt sie, wenn Sie einen toten Patienten im OP erleben? Welche Gedanken gehen Ihnen durch den Kopf? Auch hilfreiche Tipps für Kolleginnen und Kollegen wären toll. Gibt es Mitarbeiter, die in diesen Fällen Unterstützung bekommen, beispielsweise eine Supervision, psychologische Hilfen? Gibt es Rituale, die helfen? Gibt es Hilfen für Mitarbeiter, die an Multiorganentnahmen teilnehmen? Gibt es Fachliteratur oder Fortbildungen zu diesem Thema? Wie geht es OTAs dabei, die in ihrer Ausbildung auch nur selten mit dem Tod Konfrontiert wurden? Inwieweit wird der Tod in der OTA-Ausbildung theoretisch behandelt? Gibt es in großen Kliniken, in denen das Sterben häufiger vorkommt, mehr Unterstützung für Mitarbeiter? Oder ist in kleineren Krankenhäusern, in deren OPs selten Patienten versterben, mehr Hilfe zu erwarten?
Ich bin gespannt auf Ihre Erfahrungen und würde mich über Ihre Unterstützung freuen.

Viele Grüße
Monika Hiltensperger
 
Wie geht es OTAs dabei, die in ihrer Ausbildung auch nur selten mit dem Tod Konfrontiert wurden? Inwieweit wird der Tod in der OTA-Ausbildung theoretisch behandelt? Gibt es in großen Kliniken, in denen das Sterben häufiger vorkommt, mehr Unterstützung für Mitarbeiter? Oder ist in kleineren Krankenhäusern, in deren OPs selten Patienten versterben, mehr Hilfe zu erwarten?
Viele Grüße
Monika Hiltensperger

Sehr geehrte Frau Hiltensperger,
als Leiterin der zentralen Notaufnahme eines KH der Maximalversorgung mit 2 eigenen OP-Sälen sowie über 30 Dienstjahren bin ich nicht wenig erstaunt,von einer freien Journalistin eine solch miserable Recherche,siehe Zitat, zu lesen.
Einen nennenswerten Unterschied der Sterbefälle in OP's von großen oder kleinen KH's gibt es nicht,kann es nicht geben,da die meisten,zum Exitus letalis führenden operativen Eingriffe Not-OP's sind,welche sowohl in kleineren wie auch größeren Häusern regelmäßig durchgeführt werden. Hintergrund hierzu sind die Rettungsdienstgesetze der Länder,wonach einheitlich das nächstliegende KH angefahren werden muß,es gibt im Notfall also erstmal nicht die Wahl zwischen kleinem und großem KH.
Die von Ihnen angeführten speziellen Mammut-OP's,in deren Verlauf der Tod eintreten kann oder Explantationen bei hirntoten Patienten sind in diesem Zusammenhang winzige Nischen des OP-Alltag's. Genau solch eine Nische sind die von Ihnen angeführten OTA's,die zwar zunehmend ausgebildet werden,welche aber noch sehr sehr gering in den OP-Sälen vertreten sind. Hier sind es hauptsächlich die Fachschwestern-und pfleger,über die zu schreiben wäre.
Zudem ist der Tod im KH in jedem Bereich allgegenwärtig und der Exitus auf einer peripheren Station,einer ZNA oder eben im OP unterscheidet sich nicht nach der jeweiligen Räumlichkeit. Allerdings ist der Umgang mit dem Tod von Haus zu Haus verschieden,bei uns z.B. kann man zwischen Supervision,Teamgespräch oder geistlichem Zuspruch wählen,je nach Persönlichkeit.
Speziell in der Transplantationsmedizin,wo in der Regel eher einzelne Spenderorgane ohne persönliche Kenntnis des Spenders transplantiert werden und wo die Fälle von direkter Explantation im einen und der direkten Implantation im anderen OP-Saal eher selten sind,werden die dortigen Kollegen sicher eine andere Einstellung zum Thema haben,als wir,die wir an Not-OP's teilnehmen (ich in der Anästhesie).
Zum Thema OTA's möchte ich noch anfügen,daß unsere eigene Krankenpflegeschule seit 1 Jahr OTA's sowie ATA's ausbildet,die Interessenten aber gegenüber der Krankenpflege sowie in den OP's weit in der Minderheit sind.
Deswegen würde ich mir persönlich eine etwas breiter angelegte und vorallem genauere Berichterstattung wünschen,denn Artikel mit vorangehender unzureichender Recherche werden in den Boulevardblättern sehr gern vom normalen Bürger gelesen,welcher sich dann aufgrund dessen seine Meinung bildet und in der Folge ein völlig falsches Bild von der Realität entsteht.

Mit freundlichen Grüßen
E.B. alias ZNA-Öse
 
. Hintergrund hierzu sind die Rettungsdienstgesetze der Länder,wonach einheitlich das nächstliegende KH angefahren werden muß,es gibt im Notfall also erstmal nicht die Wahl zwischen kleinem und großem KH.

Ist das wirklich so? Kommt mir irgendwie bei uns nicht so vor...
 
Sehr geehrte ZNA-Öse,

vielen Dank dafür, dass Sie mein Wissen erweitern. Wenn ich mit meiner Recherche nicht am Anfang stehen würde, sondern bereits fertig wäre, bräuchte ich in diesem Forum weder Fragen zu formulieren, noch um Informationen und Gesprächspartner zu bitten. Wären Sie so nett und würden mir als Gesprächspartnerin zur Verfügung stehen? Während meiner Arbeit als OP-Schwester, über 13 Jahre, habe ich in Kliniken mit einer Größenordnung von 150 Betten bis hin zu Unikliniken mit 1.500 Betten gearbeitet. Dabei konnte ich persönlich feststellen, dass Patienten mit Herz- oder neurochirurgischem OP-Bedarf nicht in einem kleinen Krankenhaus auf dem OP-Tisch gelandet sind. Patienten mit Aortenaneurysmen habe ich in keinem kleinen Haus im OP sterben sehen, in großen Häusern umso mehr. Auch planbare Eingriffe bei multimorbiden Patienten, für die ein interdisziplinäres Team notwendig ist, werden nicht in kleinen Kliniken durchgeführt. Im Herz-OP einer Uniklinik sind, nach meiner Erfahrung, häufiger Patienten verstorben als in der Allgemeinchirurgie oder Orthopädie eines 300-Betten-Hauses. Heute noch habe ich mit einem Anästhesisten und Notfallmediziner (er fliegt regelmäßig im Rettungshubschrauber raus) telefoniert, er sagte mir, dass in dem Haus, in dem er arbeitet, vor zwei Jahren zuletzt jemand im OP verstorben sei. Daher freue ich mich, dass Sie aus einem reichen Erfahrungsschatz schöpfen können und fände es toll, wenn Sie Ihr Wissen für meinen Fachartikel zur Verfügung stellen würden. Dann könnten viele Kolleginnen und Kollegen, genauso wie ich, davon profitieren.

Viele Grüße
Monika Hiltensperger
 
Hallo Narde,
nee,es ist wirklich das nächstgelegene bzw. erreichbare KH ! Das muß erstmal angefahren werden und erst dann kann/muß in's nächstgeeignete verlegt werden.

Hallo Frau Hiltensperger,
ich entschuldige mich natürlich bei Ihnen,wenn ich aus Ihrem Eingangsbeitrag nicht das Anfangsstadium Ihrer Recherchen herauslesen konnte ! Meine geäußerten Erfahrungswerte beruhen nicht ausschließlich auf meiner Tätigkeit in ZNA und Anästhesie,sondern auch auf der Tatsache,daß wir als ZNA 2 RTW sowie 1 NEF im Regel-RD besetzen,ich also im Rahmen meiner Tätigkeit auch regulär RD fahre und somit aus einem größeren Bereich schöpfen kann.
Gerne bin ich bereit,Ihnen von meinen Erfahrungen zu berichten,meine Kontaktdaten erfragen Sie bitte per PN,so daß wir uns gerne in nächster Zeit auf einen Kaffee treffen können !

LG ZNA-Öse
 
Auch wenn es jetzt Off-Topic ist(können ja gerne ein neues Thema erstellen) Ich kenne die auch nur die Aussage von Narde. Was nützt s dem Patienten wenn er ins nächstgelegene KH gebracht wird, die aber dort nicht viel für ihn tun können sei, es wegen mangelnder Ausstattung oder sonstwas. Da wird doch eher das KH angefahren das zwar weiter weg ist, dort aber die Versorgung optimaler ist, oder sehe ich das falsch?
 
@ZNA-Öse:

Hallo Narde,
nee,es ist wirklich das nächstgelegene bzw. erreichbare KH ! Das muß erstmal angefahren werden und erst dann kann/muß in's nächstgeeignete verlegt werden.
Einspruch:

Das Baden-Würtembergische Rettungsdienstplan z.B. sagt deutlich: "...weitere Versorgung geeignete nächsterreichbare
Einrichtung zu befördern"
http://www.drk-emmendingen.de/fileadmin/user_upload/rdp_2000.pdf


Das Rettungsdienstgesetz in Baden-Würtemberg sagt aus: "Die Verpflichtung beschränkt sich auf die Beförderung in die nächste, für die weitere Versorgung geeignete und aufnahmebereite Einrichtung."
Landesrecht BW RDG | Landesnorm Baden-Württemberg | Gesetz über den Rettungsdienst (Rettungsdienstgesetz - RDG) in der Fassung vom 8. Februar 2010 | gültig ab: 19.11.2009


Wenn also ein neurochirgischer Eingriff notwendig ist, müsste das Krankenhaus angefahren werden, der dies leisten kann, sowohl Ausrüstungsmäßig (OP-Set) wie auch von den Ärzten her. Ist das Krankenhaus dafür nicht geeignet oder nicht aufnahmebereit, muss das nächstmögliche angefahren werden.

Hängt vielleicht vom Bundesland ab....
 
Wobei ich auch gelernt habe, dass es zuerst auf eine Notfallversorgung ankäme und, sofern der Patient dadurch stabilisiert werden könne, anschließend immer noch die Verlegung in die entsprechende Spezialklinik möglich ist.

Im Notfall ist Zeit halt auch Leben. In einer Stadt wie München mit zig großen, gut ausgestatteten Krankenhäuser kann man evtl. schon am Unfallort eine Wahl treffen - im ländlichen Raum ist das nächstgelegene und das nächstgeeignete Haus wahrscheinlich ein- und dasselbe, solange es über einen Op verfügt.
Aber sind denn die Todesfälle im OP nur auf Unfallopfer beschränkt?
 
Wobei ich auch gelernt habe, dass es zuerst auf eine Notfallversorgung ankäme und, sofern der Patient dadurch stabilisiert werden könne, anschließend immer noch die Verlegung in die entsprechende Spezialklinik möglich ist.

Es ist wohl immer die Frage was getan werden muss. Kann dies vor Ort im Rettungswagen geschehen, oder braucht es eine Zwischenstation?
Manchmal geht es auch nur um die Diagnostik, die eigentliche Behandlung wird woanders erledigt...
Habe es oft erlebt, das man da zur Erstdiagnostik ein kleineres Haus angefahren hat, dort feststellte das ein größeres Haus die möglichen Mittel hat und dann entsprechend weiterverlegt hat.

Es gibt dazu keine pauschale Aussage, und liegt auch am Ende im Ermessen des Notarztes bzw. Rettungsteams.

Im Notfall ist Zeit halt auch Leben. In einer Stadt wie München mit zig großen, gut ausgestatteten Krankenhäuser kann man evtl. schon am Unfallort eine Wahl treffen - im ländlichen Raum ist das nächstgelegene und das nächstgeeignete Haus wahrscheinlich ein- und dasselbe, solange es über einen Op verfügt.
Aber sind denn die Todesfälle im OP nur auf Unfallopfer beschränkt?
Nö, sicher nicht. Man denke da z.B. an Gefäßrupturen jeglicher Art...
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch in Brandenburg steht im RDG § 3 Abs. 2:
(2) Die Notfallrettung soll unverzügliche lebenserhaltende Maßnahmen einleiten und weitere schwere gesundheitliche Schäden bei Notfallpatientinnen und Notfallpatienten verhindern. Sie soll ihre Transportfähigkeit herstellen und Notfallpatientinnen und Notfallpatienten mit einem Rettungsfahrzeug unter fachgerechter Betreuung in eine für die weitere Versorgung geeignete Gesundheitseinrichtung befördern.
 
Nun mag ja alles so auf dem Papier stehen,wir sind jedoch vergattert worden,das nächstgelegene KH anzufahren undzwar vom LNA.
Ich werde auch sicher nicht mit einem V.d. auf Aneurysmaperforation (egal wo) aus meiner Ecke 100 km bis nach Berlin fahren,weil's a) bei uns ne Neurochirurgie gibt und b) die Krankenkasse des Patienten nur den Transport in's nächstgelegene KH bezahlt.
Die anschließend möglicherweise erforderliche Verlegung muß gegenüber der Kasse wieder haarklein begründet werden.
Es ist in der Praxis,zumindest bei uns,so,daß die bestehenden Gesetze bis zum Gehtnichtmehr gedehnt werden,nicht zuletzt um zu gewährleisten,daß der RD den Rettungstransport auch bezahlt kriegt.

Wie sieht's jetzt mit dem längst fälligen Verweis auf die Ausgangsfrage aus,liebe Moderatoren und Admin's ?
 
Es gibt so ein "ungeschriebenes Gesetz", das besagt, dass im OP nicht gestorben wird. Der sterbende Patient sollte also im günstigsten Fall auf eine Intensivstation gebracht werden, auch schon um den Angehörigen ein Abschied nehmen zu ermöglichen..
Ich habe es trotzdem mal erlebt, noch ziemlich am Anfang. Was mir in dieser Situation sehr geholfen hat, war eine sehr erfahrene Kollegin, die damals lange mit mir über das Ereignis geredet hat. Eine Aussage von ihr habe ich immer noch im Ohr: "Es ist gut, dass Du weinen kannst. Wenn Du das nicht könntest wärst Du hier fehl am Platz." Das gebe ich auch selber an Schüler / Praktikanten / junge neue Mitarbeiter weiter. Über solche einschneidenden Erlebnisse muss geredet werden, sei es in einer Teamsitzung (bei kleineren Teams), mit netten Kollegen mit denen man auf einer Wellenlänge liegt, oder in Form von Supervision.

Eine Organexplantation habe ich bisher 1x mitbekommen. Für mich und für eine Kollegin der OP-Seite war es eine neue Situation. Geht mit viel organisatorischer Vorarbeit einher: der Spender muss vom DSO-Koordinator gesehen werden, es liefen glaube ich auch nochmal Blutentnahmen, unglaublich viel Schreibkram und Telefonate, der Transport und das Einschleusen des Spenders muss zeitlich mit der Ankunft der OP-Teams von außerhalb koordiniert werden....
Insgesamt eine eher bedrückende Stimmung. Man weiß zwar, dass mit den Organen mehreren Patienten geholfen werden kann, aber trotzdem "stirbt" der eigene. Und obwohl er hirntod ist, werden Schmerzmittel und Narkose gegeben, damit er auch wirklich "nichts mitbekommt".
Was immer schön war: einige Wochen nach den Explantationen kam Post von der DSO, mit einem Dankeschön an die beteiligten Mitarbeiter und mit eine Auflistung, wem mit welchem Organ geholfen werden konnte (z.B. Herz: Familienvater in ...; Doppellunge an junge Mukoviszidose-Patientin; je 1 Niere ...,)
Sterben im OP ist keine schöne Situation - wie nirgendwo - , aber wenn man entsprechend herangeführt wird kann man damit auch umgehen.
 
Hallo Anästhesieschwester,

vielen Dank für den interessanten Beitrag. Darf ich Sie in meinem Artikel zitieren? Ich denke, Ihre Tipps können den KollegInnen helfen, die mit Toten Patienten im OP konfrontiert werden.

Viele Grüße
Monika Hiltensperger
 
Hi

Eine solche Situation kann denke ich nie ausreichend vorausgeplant werden. Auch wenn man in manchen Berufen unweigerlich damit konfrontiert wird, ein solches Ereignis trifft jeden Menschen an einer ganz empfindlichen Stelle. Unweigerlich sieht man sich mit Fragen konfrontiert die man ansonsten vielleicht von sich weist. Wie man dann damit umzugehen vermag liegt sicher auch immer an der aktuellen persönlichen Lage in der man sich verbindet. Natürlich ist professionelle Hilfe im Umgang damit nötig und gut. Allerdings handelt es sich hierbei wohl um eine Sache in der selbst solche professionellen Hilfestellungen manchmal nicht mehr ausreichend sind.
 

Ähnliche Themen