Psychose, Alkoholismus, viele Entzüge und ein langer Weg

Postler

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Azubi GuK
Hallo ihr lieben,

es geht hierbei um meinen Bruder, er ist heute 26 Jahre alt.

Vor 9 Jahren ist er mit Drogen in Kontakt gekommen. Alkohol begann er schon mit 11 Jahren zu trinken und kannte dabei seine Grenzen nie. Schon damals gab es viele Abstürze, die deutlich seine Grenzenlosigkeit aufzeigten. Er war immer derjenige, der am Ende des Abends in der Ecke lag und ****en war da noch das harmloseste, nicht selten hat er sich eingestuhlt und einuriniert, ohne es zu merken.
Ich hatte damals selbst ähnliche Probleme (heute zum Glück nicht mehr) und deshalb ist mir dieses Verhalten erst später bewusst geworden.

Die Drogen kamen dann mit 16 hinzu, Amphetamine und Marihuana gleichzeitig, sofort wieder in einem grenzenlosen Ausmaß. Ich hab es damals schon relativ früh bemerkt, meine Mutter aber wollte es nicht wahrhaben. Schon immer war bei uns zu Hause vieles nicht in Ordnung, der Vater nicht da, war da nur ein einziges Problem unter vielen. Klar, dass Bruder versuchte, seine Grenzen auszutesten, die ihm niemand aufzeigte. Und als die Probleme größer wurden, wollte er sie mithilfe des Konsums verdrängen. Er nahm dann noch viele andere Drogen, XTC, Kokain, alles was er in die Finger bekam und jedes Mal in übertriebenen Mengen. 10000 Euro gingen dabei drauf, gedealt hatte er auch noch.

Das alles ist Problem genug. Mein Vater aber, uns beiden gänzlich unbekannt, war psychisch erkrankt an Schizophrenie. Durch den Konsum meines Bruders, trat diese Störung dann auch sehr bald bei ihm auf, nach durchfeierten 2 Jahren. Zu dem Problem der Drogenabhängigkeit, damit verbunden häusliche Gewalt, wegen der ich zu dieser Zeit auszog, kam also eine heftige Psychose. Mein Bruder hörte aber noch lange nicht auf mit den Drogen und so wurde es immer schlimmer. Er fragte zu hause meine Mutter, warum der Mann im Fernsehen ihn beschimpft und auslacht und warum sie überall Kameras aufgestellt hätte. Schrieh jedes Elektrogerät an, beschimpfte es, sammelte Unmengen an Schrott und bunkerte den in seinem Zimmer. Dieses war extrem verwarlost und er wurde zunehmend aggressiver. Zerstörte die Wohnung meiner Mutter jeden Tag aufsneue, wurde handgreiflich gegenüber meiner Mutter und Leuten aus der Nachbarschaft. Die Polizei war Stammgast bei uns zu hause und ließ sich sogar mehrmals von seinen Drohungen vertreiben und betrat nicht einmal unser Haus, um zu helfen. Irgendwann fasste meine Mutter sich ein Herz und schmiss ihn raus, ein paar Wochen war er auf der Straße und nur noch auf Alk. Von da an, wurde ersichtlich, dass dieses Problem wohl vorherrschend war.

Er fand dann eine Wohnung, die gehörte einem Alkoholiker, der mit den Leuten von der Straße verkehrte. Zu dieser Zeit sagte er, er wolle nie so werden, wie dieser Typ und gleichzeitig auch, er müsse stark aufpassen, kein Alkoholiker zu werden.Er ging zum Psychiater und ließ sich Seroquel verschreiben, nahm die Drogen nicht mehr regelmäßig, aber immer noch häufig. Er hatte aber immer Alkohol in der Nähe und seine Wohnung war verziert wie eine Kneipe. Zu dieser Zeit hatten wir gelegentlich Kontakt, immer solange, bis es mir zu viel wurde und ich wieder Abstand brauchte.

Ein paar Monate später zog ich in Stadtteil, in dem mein Bruder wohnte. Er hatte schon zu dieser Zeit, damals war er 21, etliche Aufenthalte in der Psychiatrie hinter sich, in 90 % der Fällen wurde er von der Polizei eingeliefert. Er brauchte es fertig, in einer Nacht 7 Anzeigen zu sammeln, ständig. "Komischerweise" war er nie auf der Station für Psychosen, sondern immer auf der Alkoholstation.
Jedesmal, wenn ich ihn sah, roch er nach Schnaps und hatte einen Rucksack voll damit plus Bier dabei.
Ich hab damals noch versucht, ihn wachzurütteln, aber es war schon viel zu spät.

Dann brach der Kontakt ganz ab, das war vor 3 Jahren. Ich hatte nur noch Angst vor ihm, jeden Tag war ich wie auf der Flucht, sobald ich das Haus verließ. Es ging so weiter und wurde schlimmer und irgendwann vor einem Jahr, nahm meine Mutter das Wort Alkoholiker in den Mund und erst da habe ich meine Hoffnung aufgegeben, dass er dem Alkoholismus noch mal von der Schippe springt. Ich weiß, es war alles offensichtlich und eigentlich war es mir schon klar, aber trotzdem habe ich bis zu letzt gehofft.

Die ganze Zeit, seit meinem Auszug vor 7 Jahren stand meine Mum alleine mit diesem Problem da. Mit ihrem Sohn, den sie doch liebt, der sie aber auch kaputt macht. Mit Angst im eigenen Haus, weil er tagtäglich eingebrochen ist. Mit der Polizei, die nur noch gelangweilt war und immer die selbe Aussage: Wir können da nichts machen. Ich hab sie damals alleine gelassen, weil ich meine Zukunft doch noch retten wollte. Sie hätte doch auch nichts davon gehabt, uns beide zu verlieren. Schon damals ging es mir so schlecht, dass ich sogar einen Bescheid der Psychiatrie hatte, dass ein weiterer Aufenthalt zuhause für mich psychische Folgeschäden bedeuten würden. Als es dann soweit war, dass ich auszog, wollte sie davon aber auch nichts mehr wissen und ich musste mich selbst um alles kümmern, damit ich da wegkam.

Von dieser Zeit an, hatte ich also diese beiden Probleme, Bruder und Mutter und diese beiden Personen stellten meine Familie dar.
Es belastete mich unglaublich über Jahre und ich bekam nichts hin, konnte nichts zu Ende bringen und mich quälten unheimlich starke Gefühle, jeden Tag. Ich konnte keine Beziehung führen, hatte unglaubliche Ängste und musste mir in den letzten 3 Jahren erstmal darüber bewusst werden, dass es so war. Mein Freund hat mir dabei sehr, sehr geholfen.

In dieser Zeit, bekann ich mich wirklich abschotten zu können und habe erkannt, dass es wirklich niemandem etwas bringt, wenn ich jetzt auch noch kapituliere und habe an mir gearbeitet.

Plötzlich dann letztes Jahr die Nachricht: Dein Bruder geht in stationäre Langzeittherapie!!
Ich war und bin immer noch so glücklich, dass, was er nie wollte. Er ist also an den Punkt gekommen, wo es nicht mehr weiter geht. Weihnachten vor einem Jahr sagte er sogar zu meiner Mum, dass er das nächste Weihnachten nicht glaubt zu überleben, lieber will er seinem Leben selbst ein Ende setzen. Er war ganz unten.

Seit 4 Monaten ist er jetzt in dieser Therapie. Kurz vorher, als ich noch nichts davon wusste, habe ich ihm zum Geburtstag eine Karte und einen Glücksbringer in den Briefkasten geworfen, die aller erste Kontaktaufnahme seit dem Bruch. Es kam keine Reaktion, wollte ich auch nicht. Für mich bedeutet das aber, dass er sich gefreut haben muss, andernfalls hätte er das sicher zum Ausdruck gebracht.
Die Therapie wurde 1 mal verlängert, seit dem macht er mehrere Wochenendheimbesuche.

In 2 Wochen, soll er wieder nach Hause gehen und das macht mir jetzt die Sorgen, weshalb ich euch hier die ganze Geschichte erzähle.
Er ist auf einem so guten Weg, hat schon Züge gezeigt, von seinem alten Ich. Dem Jungen, der Witze macht und anfängt, sich wieder zu öffnen, gegenüber unabhängigen Personen. Ich weiß von einem einzigen Mal, und ich kenne meinen Bruder, das ist er, so wie er früher mal war. Ganz früher...
Nichts sehnlicher wünsche ich mir, als dass er es schafft, nur für sich selber. Dass er seine Wünsche erfüllen kann, einen Beruf zu erlernen und aus diesem Leben heraus kommt, in dem er sich minderwertig fühlt. Ich wünsche ihm Selbstbewusstsein, dass er verdient. Ich wünsche ihm, dass er sich selber lieben kann und seinen Weg geht, egal wie der aussieht. Dass er die nötigen Konsequenzen zieht, egal, wie die aussehen. Ich möchte nicht, dass er es wieder nicht schafft. Nicht, weil ich es so will, sondern, weil ihm das wieder das nehmen würde, was er sich jetzt aufgebaut hat.

Jetzt habe ich so große Angst, weil ich weiß, er muss wieder in seine heruntergekommene Wohnung zurück.
Zurück in den Dreck, in den Suff und niemand ist da. Die Freundin hat ihn vor der Therapie verlassen, wegen dem Alkohol. Meine Mutter kann nicht mehr, sie kann ihm nicht mehr helfen. Sie ist selbst am Ende, hat große Probleme, sich selbst zu helfen. Vergisst sogar, seine Post aus dem Briefkasten zu holen und er kommt da an und sieht, nicht mal das hat jemand für ihn getan. Keiner gibt ihm einen Anker für die Ankunft. Er rennt genau in die Ausgangssituation wieder rein. Wie soll er da stark bleiben? Er hat keine Freunde mehr, nur Gesellen, die saufen.
Alleine die Situation, er kommt in die Wohnung, in der alles versoffen, voll Flaschen und verdreckt ist. Wie soll er da wiederstehen?

Ich komm mir selber blöd vor, das zu schreiben, aber deswegen schreibe ich es genau hier. Gibt es hier Menschen, die mit Alkoholikern arbeiten?
Dann könnt ihr mir doch bestimmt sagen, wie es ist, wenn diese nach Hause kommen. Diese Problematik muss doch bei fast allen bestehen? MÜSSEN diese Menschen es selbst schaffen, das Umfeld in Ordnung zu bringen? Wäre Hilfe da schon zu viel?

Jetzt habe ich euch meine ewig lange Geschichte erzählt. Weil es mich quält, dass die Zeit gekommen ist, in der sich entscheidet, ob alles von vorne beginnt. Ich glaube, das würde er nicht durchhalten. Dann geht es wirklich nicht mehr weiter. Und davor habe ich unglaubliche Angst. Ich will nicht später sagen, ich hätte ihn in dieser Situation unterstützen können und habe es nicht gemacht. Deswegen meine Frage an euch, ist es normal, dass die frisch Therapierten in ihr Loch zurück kommen und ist es möglich, dass die das alleine schaffen? Oder sollte ich wenigstens den Start erleichtern, in dem ich bei ihm etwas in Ordnung bringe? Oder ist das eine Hilfe, die nicht angebracht ist? Der Gedanke kommt mir nämlich auch ständig, wenn ich darüber nachdenke.

Ihr Fachmänner und Fachfrauen, wäre toll, wenn einer mit mir seine/ihre Erfahrung teilt.

Danke fürs Lesen...:-?
 
Hallo!
Das hört sich ja wirklich sehr kompliziert an. Eine einfache Antwort kenne ich da nicht.
Ich muß das erst mal überschlafen bevor ich antworten kann.(habe gerade Nachtdienst)
Eine Idee habe ich aber schon. Melde dich bei der zuständigen Suchtberatung in deiner Stadt bzw Stadtbezirk...gibt es überall. Das sind auch Anlaufstellen für Angehörige. Da gibt es Sozialarbeiter und Suchtberater, die meistens sehr fit sind. Da ist so viel am argen, daß Du das nicht alleine machen solltest. Du mußt das auch mit deinem Bruder besprechen...sonst ist das Vertrauen gleich hinüber.
Ich melde mich noch mal...
Lieben Gruß
jasper
 
Keiner gibt ihm einen Anker ...

Hallo, Postler,

genau da liegt die Crux, solange Anker da sind, ändern sich so schwer Abhängige meistens nicht, solange diese Anker aus mehr als aus emotionalem Beistand bestehen. Sprich finanzielle, materielle und sonstige greifbare Hilfen, wie Wohnung, Geld etc. verführen eher dazu, das alte Leben wieder aufzunehmen. Dein Bruder muß in Gänze ein neues Leben anfangen und Verantwortung für sich selbst übernehmen. Die Hilfen müssen über Therapie etc. kommen. Vorerst jedenfalls.
Es ist für Angehörige ratsam, sich Unterstützung in Selbsthilfegruppen etc. zu suchen, sonst gehen sie auch daran kaputt.
Ich möchte dir ein anderes Forum ans Herz legen, dort schreiben die echten Fachmenschen, weil selbst betroffen:
Substanzbezogene Abhängigkeiten

Wünsch euch Kraft,
Marty
 
Ganz einfache und klare Antwort aus meiner persönlichen Erfahrung:

Er muss es selbst schaffen, dazu muss er bereit sein, das kann er nur wenn er ganz unten ist.

Seine Freundin hat das einzig richtige getan, ihn zu verlassen und sich selbst nicht hineinziehen lassen.

Hilfe könnte ihm in Bezug auf den Alkohol die Anonymen Alkoholiker bieten, diese haben auch Selbsthilfegruppen für Angehörige Al-Anon.

Ansonsten mischt euch nicht ein, achtet auf euch selbst, dass es EUCH gut geht und bei Bedarf distanziert euch.

Klingt vermutlich für dich sehr hart, aber manchmal ist fallen lassen die einzig mögliche Hilfe.
 
Erstmal danke an euch für die schnellen Antworten auf diesen ewig langen Text :eek1:.

Im Grunde weiß ich, dass ihr recht habt, er muss es selbst schaffen. Das war auch damals, als mein Bruder kurz auf der Straße stand, das Einzige, was kurzfristig half. Nur da gab es kurzzeitig Aufwind und er suchte sich endlich eine Wohnung und es sah so aus, als würde er auf die Beine kommen. Sobald er wieder Hilfe bekam, ging es wieder bergab und das rasend schnell.
Meine Mutter hat es jetzt auch endlich geschafft, zu veranlassen, dass er das Haus nicht mehr betreten darf. Hat lange gedauert und es hieß immer das ginge nicht, jetzt geht es plötzlich doch...

Das mit seiner Freundin ist so, wie es hier aussieht leider jedoch nicht. Sie hat ihn, als es noch nicht so akut war, ständig dazu angehalten zu Saufen und etwas ranzuschaffen. Sie war oft die treibende Kraft, hat ihn terrorisiert und gab erst Ruhe, wenn etwas da war. Selbst, als mein Bruder sich nicht jeden Tag betrinken wollte.. Jetzt ist sie schwer krank mit einer kaputten Leber und wartet auf ein neues Organ. Jetzt wo sie nicht mehr trinken kann, ist er ihr zu viel geworden und sie hat sich getrennt.
Eigentlich echt das letzte, aber ich bin froh, dass es so ist. Sie hat ihm auch nicht gut getan und wenn es so weiter gegangen wäre, hätten sie sich ständig zum trinken angestachelt.

Das mit der Selbsthilfegruppe ist eine gute Idee. Ich weiß eigentlich, dass es jetzt endlich an der Zeit ist, mir dort Hilfe zu suchen. Es gibt keinen Grund mehr das aufzuschieben und ich werde mir diese Woche einen Termin in der Drogenberatung suchen.

Den nötigen Abstand, habe ich ja die letzten Jahre selbst erschaffen und habe auch gemerkt, wie gut mir das getan hat. So bin ich endlich selbst vorran gekommen.

Trotzdem möchte ich noch mal versuchen, einen Punkt zu verdeutlichen.

Ich WEIß, dass Fallen lassen, das Einzig Richtige ist, bei einem Suchtkranken. War immer dafür und rate das auch anderen Angehörigen. Kann es auch nicht verstehen, wenn so Menschen das nicht einsehen wollen und jahrelang weiter alles zur Verfügung stellen und sich kaputt machen lassen. Das macht mich wirklich sauer. Ich habe ja selbst gesehen, dass es das Einzige war, was ihm je geholfen hat.
Ich möchte ihm auch nicht helfen, eine Wohnung zu finden oder ihn finanziell zu unterstützen, was ich auch nicht könnte, da selbst in der Ausbildung.
Nur eine Einzige Maßnahme für den Start in ein neues Leben käme für mich in Frage und das ist das Entrümpeln seiner herunter gekommenen Bude.
In meiner Vorstellung kommt er nach Hause, dort hinein und der Suchtdruck kommt sofort sehr stark auf. Ich denke mir eben, er könnte sofort daran scheitern.
Bei jeder Wochenendheimfahrt ist er zu seiner Ex-Freundin geflüchtet, um sich dem nicht stellen zu müssen, um nicht in den Suchtdruck zu kommen. Sie hat das sogar eingesehen und ihn jedes Mal 2 Tage bei sich aufgenommen.
Das ist das EINZIGE, worum ich mir Gedanken mache, ob es sinnvoll wäre, ihm diese Situation direkt nach der Ankunft zu erleichtern. Alles andere ist seine Sache, da will ich mich überhaupt nicht einmischen und kann es auch nicht.
Meint ihr, das ist auch schon zu viel? Wahrscheinlich schon...egal wie ich es drehe, in mir selber komm ich immer wieder selber zu dem Entschluss...

Ich bin echt ratlos. Im Grunde genommen, weiß ich, was ich will und was besser für uns alle ist. Aber diese Ankunft macht mich echt extrem nervös.
Ich möchte nicht, wenn es zu spät ist sagen, er hat sich ganz allein gelassen gefühlt. Vielleicht schreibe ich ihm einfach einen Brief und lege den noch mal in den Briefkasten. Dann weiß er, dass ich ihn nicht vergesse und das Band nicht zerrissen ist. Ich rufe heute noch bei der Suchtberatung an.
Echt komisch, warum weiß ich genau in dieser Situation auf einmal nicht mehr, was zu viel ist und was vielleicht zu wenig? :weissnix:

Alles was ich weiß, ist, dass ich Hoffnung habe und mir wünsche, dass er es schafft. Noch vor 2 Jahren hatte ich überhaupt keine Hoffnung mehr und wollte nur, dass es endlich aufhört. Egal wie das ausgesehen hätte.

Danke schon mal.

P.:boxen:
 
Du willst ihm "nur" helfen die Wohnung zu entrümpeln, rufst "nur" für ihn bei der Suchtberatung an, machst Dir "nur" Gedanken wie es für ihn weitergehen kann....usw. etc.
Genau das ist gemeint mit nur ER kann es alleine schaffen, hier beginnt falsche kontraproduktives Mitgefühl. Aber tröste Dich, das geht anderen auch so (nennt sich Coabhängigkeit!).
Gib ihm eine Change sich zu beweisen, hilf ihm nicht - er kann es nur alleine schaffen! Hilfe muss er anfordern und wollen und zwar professionelle Hilfe die konsequent nur dort hilft wo es sie benötigt und nicht gut- und wohlmeinend mehr tut als notwendig und zweckmäßig ist!!!

Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied, - nur darf nicht ständig jemand anderes den Amboss blockieren!!!
 
Hi, Postler,

niemand, der sich nicht in dieser Situation befindet, kann darüber annähernd urteilen oder auch verurteilen. Sobald der theoretische Abstand aufgehoben ist und man ist mit dieser Person verbunden, kann der richtige Weg im Grunde nur eine Gratwanderung zwischen Vernunft auf der einen Seite und Liebe, Hoffnung und Schuldgefühlen auf der anderen Seite sein. Das ist so vielschichtig verworren, das professionelle Hilfe im Grunde der einzig gangbare Weg ist.
Das mit dem Brief finde ich persönlich eine gute Idee. So kann man ausdrücken, was einen bewegt, ohne dem Anderen vorerst zu nah auf die Pelle zu rücken.
Und das Ding mit der Wohnung- versuche, es mal so zu sehen. Entweder es hat noch nicht klick gemacht und der Suchtdruck ist noch da, dann ist es die Wohnung und wenn die schön aufgeräumt ist, dann ist es die nächste "Unannehmlichkeit" auf dem Weg.
Und hat es klick gemacht, dann stellt er sich auch dem Wohnungsproblem und ist imstande, sich dafür Hilfe zu holen. Hilfe außerhalb der Familie.
Marty
 
Äh matras, ich will für MICH bei der Suchtberatung anrufen, weil ICH in eine Selbsthilfegruppe für Angehörige möchte. ER ist schon in Langzeittherapie, für IHN ruf ich sicher nicht irgendwo an...
Und CO-Abhängigkeit? Sicher nicht, sonst hätte ich den Kontakt nicht seit Jahren abgebrochen und fange jetzt erst ganz langsam an, mich überhaupt wieder gedanklich mit ihm zu beschäftigen. Auch wenn es viel zu lesen war, lesen sollte man richtig und keine pauschalisierten Antworten geben. So, wie du es darstellst, ist es sicher nicht und das habe ich hier auch deutlich gemacht. Naja.

Marty du hast recht. Sehr gut auf den Punkt gebracht. Danke für dein Verständnis.
 
Sorry, wer lesen kann ist klar im Vorteil! ....
 
Besten Dank, ihr habt mir sehr geholfen.
Alles gut Matras :mryellow:
 
Und ja, ich lasse dir Finger weg von der Wohnung. Ganz sicher, irgendwie hatte ich ja schon dieses Gefühl, dass es besser wäre. Und ihr habt mich überzeugt. Deutliche Worte sind manchmal einfach das Beste und ausreichend.
 
Hallo!
Das Leben Deines Bruders hört sich ja ziemlich kompliziert an... häusliche Gewalt ...Schizophrenie...Alkohol ab 11 Jahre usw. und dein Bruder hat so reagiert wie er mußte bzw. konnte um mit seinem komplizieten Leben klar zu kommen. Die Sucht und Schizphrenie ist oft die Folge davon, um sich vor der Realität zu schützen bzw. in ihr leben zu können. Ich verstehe, ´dass Du dier Sorgen um deinen Bruder machst (mit Recht) ...aber es ist nicht dein Leben sondern das deines Bruders. und egal was du tust du kannst das Leben deines Bruders nicht retten...das macht er ganz alleine. bzw er entscheidet alleine über sein Leben. Ob er jetzt trocken bleibt oder nicht ist auch egal . jeder braucht seine eigene Lebenserfahrung um sein Leben ändern zu können, wollen oder nicht. Villeicht kann sich dein Bruder auch kein Leben ohne alk. oder Drogen vorstellen. Es ist egal ob du die Wohnung aufräumst oder nicht es gibt da kein richtig oder falsch. Ich würde versuchen meinen Bruder halt so zu akzeptieren wie er ist. Er kann ja auch nichts dafür das sein Leben so verlaufen ist. und wenn du überhaupt nicht mehr weißt was du machen sollst...manchmal ist einfach garnix tun auch eine Entscheidung die funktioniert. warte es einfach ab villeicht muß er die wohnung alleine aufräumen (so wie sein Leben aufräumen) villeicht braucht er unbedingt hilfe um nicht rückfällig zu werden...traue deinem Bruder sein Leben zu er schafft das schon ...wie bis jetzt auch. Du würdest dein Leben bestimmt nicht mit ihm tauschen wollen... aber ich glaube er mit dir auch nicht...Er muß sein Weg selber finden und mit 26 ist noch viel Zeit dafür. und er braucht alle seine Erfahrungen ob jetzt das gesamte Helfersystem in Anspruch zu nehmen oder noch drei Rückfälle...jeder Rückfall bzw Erfahrung im Leben muß und wird er alleine machen. Aber du kannst trotzdem einfach der Bruder sein ohne groß helfen zu müssen. Ich glaube das Leben deines Bruders ist nicht falscher oder richtiger als deins, meins, deines Nachbarn usw. Es ist halt seins.
Der Tip mit der Suchtberatung war nur für dich um villeicht besser mit deinen sorgen klar zu kommen.
lieben Gruß
jasper
 
Hi, Postler,

manche Menschen müssen sich ihr kleines bißchen Lebensglück sehr schwer erkämpfen, doch die Hoffnung stirbt nicht und das ist auch gut so. Ich wünsche euch von Herzen, das es klappt,
Marty
 
Halli Hallo ! Ich kann dein Problem sehr gut nachvollziehen da ich ähnliches erlebt habe. Meine beiden Cousins, stark crystalabhängig und Schizophren,sowie Probleme mit dem Alkohol. Mein einer Cousin hat bisher den Absprung geschafft, es war wie bei deinem Bruder, hat auch jeden Tag aufs neue die Wohnung seiner Mutter zerstört, Halluzinationen gehabt. Mein zweiter Cousin ist mittendrin im Geschehen. Ich selbst habe mich mit dieser Sache völlig fertig gemacht und gemerkt so kann es nicht weiter gehen. Mein zweiter Cousin ist für mich, so schlimm es klingt, aus meinem Leben gestrichen. Bei ihm kommt gar nix an und ich habe gemerkt das ich mich nur weiter belaste wenn ich mich damit befasse. Mein erster Cousin, lebt nun im betreuten Wohnen für Suchtkranke seit einem Jahr. Vorher ereigneten sich etliche Entzugsversuche, Zerstörung der Einrichtung der psychiatrischen Klinik und danach Einweisung in eine geschlossene Psychiatrie. Er ist jetzt weit weg vom Schuss, hat keinen Kontakt mehr zu seinen alten "Freunden". Es geht im gut, er geht dort arbeiten und hat einiges Kilos zugenommen, natürlich auch durch die Medikamente. Ich kann diese Art von Therapie nur empfehlen. Alle Mitbewohner kochen zusammen, haben geregelte Arbeitszeiten, Pflichten und Aufgaben. Das hat ihm unglaublich geholfen. Ich bin zufrieden, natürlich bleibt auch bei uns die Frage, was ist wenn er dort wieder auszieht ? Ich habe extrem Angst davor. Also kann ich deine Angst nachvollziehen. Ich würde mich freuen wenn du von deinen ersten Erlebnissen in der Angehörigenberatung berichten könntest und wie es dir und deinem Bruder ergangen ist. Viele liebe Grüße
 
Hallo Anee:)
Erstmal tut es mir sehr leid für dich, ich kann sofort wieder nachfühlen, was du hier beschreibst. Und doch hat sich in der von mir beschriebenen Situation einiges geändert und ich möchte dir Mut machen und das in zweierlei Hinsicht:
Meine größe Angst war ja auch, was wohl passiert, wenn mein Bruder wieder aus der Therapie raus kommt, noch dazu in sein altes Umfeld. Ich bin selber sehr überrascht, aber kann nur berichten, dass er die Chance wohl genutzt hat und sich viel verändert hat bei ihm. Er hat (selber!!!) seine Wohnung in Ordnung gebracht und zwar von hinten bis vorne und sich um einen Ausbildungsplatz bemüht. Darauf muss er zwar jetzt noch warten, weil es eine Einrichtung für junge Menschen ohne Ausbildung ist und dementsprechend überlaufen. Und ob es überhaupt das Richtige ist, weiß man ja auch noch nicht. Es kann genau so gut passieren, dass er schnell rausfindet, dass es gar nicht zu ihm passt. Oder aber, er entscheidet sich noch vor Antritt um. Aber das zählt ja auch nicht, wichtig ist, dass er eine Perspektive entwickelt und wieder neuen Mut gefasst hat, auch eine Chance in der Zukunft zu erkennen und nicht nur Angst davor zu haben. Außerdem geht er weiter zur Suchtberatung und möchte das auch von sich aus, weil er merkt, dass diese Menschen dort ihn unterstützen können. Er soll auf eigenen Beinen stehen, aber etwas Hilfe kann ja jeder gebrauchen. Auch wenn ich weiß, dass er noch viel vor sich hat, ist er schon einen weiten Weg in seiner persönlichen Entwicklung gegangen und hat endlich seinen Willen wiedergefunden. Ich bin wirklich sehr stolz auf ihn (noch aus der Ferne und das soll auch erstmal so bleiben, so weit sind wir beide noch nicht) und kann mich jetzt auf andere Dinge konzentrieren. Ich habe nicht mehr das Gefühl, für ihn irgendwelche Schritte tun zu müssen oder ihn zu unterstützen und das befreit und entlastet, denn der Punkt ist ja sein Wille und sein Glaube an sich, den nur er entwickeln kann.
Ich bin mir bewusst, dass es Rückschritte geben kann. Aber ganz ehrlich, nach dieser Episode an Rückschritten, würde mich das nicht mehr umhauen und ich würde trotzdem wieder an ihn glauben, wenn auch nicht sofort.
Jetzt würde ich gerne noch etwas zu deinem zweiten Cousin sagen:
Ich kann deine Lage sehr, sehr gut verstehen. Denn auch ich war ja an dem Punkt, an dem ich meinen Bruder aufgegeben hatte und das einfach auch nicht mehr miterleben wollte. Ich wollte ihn auch nicht mehr in meinem Leben und muss gestehen, dass ich mir manchmal sogar gewünscht habe, dass er es einfach nicht mehr schafft und irgendetwas entgültiges passiert...für ihn selbst vor allem, aber auch für uns, seine Familie.
Und er selber war glaube ich auch in dieser Situation und völlig verzweifelt, sonst wäre er jetzt wohl auch nicht an diesem Punkt angekommen.
Von Anfang an wurde uns gesagt, der Betroffene muss nach ganz unten fallen, ganz ganz unten, dann hat er die Chance, die Veränderung in Gang zu bringen. Denn dann gibt es nur noch die zwei Möglichkeiten: Tod oder ein neues Leben. Und an diesem Punkt, nutzen eben doch noch viele die Chance ihres Lebens.
Deine Reaktion kann ich trotzdem zu 100% nachvollziegen und sie ist das Einzig richtige: Zum einen ein Selbstschutz und zum zweiten nützt es niemandem was, wenn du dich auch noch kaputt machst und nichts mehr in deinem eigenen Leben zustande bringst. Es bedeutet viel Mut und noch einmal: Ich finde es absolut richtig und deine Entscheidung ist völlig in Ordnung, wie du sie getroffen hast.
Und doch gibt es irgendwo immer eine Möglichkeit, eine Chance, auch wenn die Hoffnung schon längst nicht mehr da ist. Deshalb bleib bei deiner Entscheidung und sieh dem Leben zu, welche Karten es auf den Tisch legt für deinen Cousin.
Ich drücke beiden Jungs von hier aus beide Daumen und nehme dich mal ganz fest in den Arm:troesten: und wünsche euch allen viel Kraft auf dem weiteren Weg.
 
He, Postler,

es freut mich sehr, von dir zu lesen und was zu lesen ist, ebenso!

Marty
 

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