Demente Menschen anlügen - (K)ein Problem?

Ludwig9

Newbie
Registriert
10.06.2008
Beiträge
3
Hallo zusammen,
dies ist mein ersten Beitrag in diesem Forum. Eine Frage brennt mir seit einiger Zeit unter den "Nägeln", nachdem ich einen Artikel zum "Notlügenkonzept" gelesen habe:

Ist es eurer Meinung nach in Ordnung (aus ethischer Perspektive) demente Personen anzulügen? Natürlich sage ich nicht jedesmal: "Nein, Ihre Mutter kommt heute nicht, die ist schon Jahre tot." Aber ist es OK zu lügen? Selbst bei der Validation wird teils gelogen und Frau Feil hat sich nicht einmal darüber Gedanken gemacht (mit anderen Worten, sie hatte keine Gewissensbisse). Und Kitwood bezeichnet seine Notlügen als "Tipps". Wollt Ihr angelogen werden, bzw. dass eure Eltern/Großeltern angelogen werden, wenn auch mit guter Absicht? Ist es kein "Armutszeugnis", wenn einer professionellen Pflegekraft nichts besseres einfällt, als den Bewohner/Patienten anzulügen? Und: warum hat man dann noch ein schlechtes Gewissen, wenn es doch keinen besseren Ausweg gibt?
Sollte nicht die Wahrheit ein wesentlicher Bestandteil der pflegerischen Beziehung sein, um überhaupt Vertrauen herstellen zu können, auch zu Demenzkranken?
Bin sehr an eurer Meinung interessiert und freue mich auf einen regen Austausch.
Gruß L.
 
Ich glaube, dass Lügen in Zusammenhang mit Dementen ein bisschen relativ zu sehen ist. Das wichtigste ist, dass man nicht von sich selber ausgehen darf. Sicher ist lügen, oder auch das Weglassen von einem Teil der Wahrheit, nicht die Lösung, aber man muss sich einfach anschauen, wie und wo sich der Betroffene gerade befindet und ihn entsprechend dort abholen.
Bezogen auf Dein Beispiel stellt sich mir die Frage, warum die Person auf ihre Mutter wartet, also würde ich herausfinden wollen wo sie sich gerade befindet, welche Umstände vorherrschen usw.. Das kann man über Fragen (meistens) hinkriegen. Wenn ich dann feststelle, dass die Person sich gerade in ihrer eigenen Welt als 11jährige in einem - keine Ahnung - z. B. Aufpäppelsommerlager für Kinder in Kriegszeiten befindet, und vor lauter Heimweh wissen möchte, ob die Mama heute kommt, dann macht es überhaupt keinen Sinn, die demete Person davon überzeugen zu wollen, dass die Muttter bereits vor Jahren verstorben ist. In dem Moment ist die demente Person elf Jahre alt und die Mutter lebt selbstverständlich. Wenn man also die echte Wirklichkeit heranzieht und sagt "Die Mutter ist bereits vor Jahren verstorben!" ist das ein total überraschendes und schockierendes Erlebnis für die demente Person, weil sie ja elf Jahre alt ist und "bis eben" die Mutter noch lebte. Verständlicherweise könnte sie also mit Abwehr, Unverständnis, Aggression,... reagieren. Das ist ja ein Teil dessen, was die Demenz ausmacht.
Die Frage ist für mich in diesem Fall, welche Antwort für die betroffene Person, also den dementen Menschen, die Lüge (bzw. Unwahrheit) ist, nicht für mich. Und dann muss man sich natürlich überlegen wie weit man mit dem "lügen" geht und wo ganz klar eine Grenze ist.
 
Hallo!
ich denke, dass das Konzept der Integrativen Validation nach Nicole Richard Deine Frage beantwortet. Dabei braucht man erst gar nicht "lügen", da man auf die Gefühle und Antriebe der Menschen mit Demenz eingeht. Weitere Informationen findest Du auf der Seite von N. Richard Integrative Validation oder auf Anfrage auch bei mir. Grüße Christian
 
Hallo Christian,
der Ansatz von Richard's ist mir aus der Theorie in Ansätzen bekannt. Mir geht es bei meiner Frage weniger um eine praktische Lösung, sondern eher um ein Nachdenken und Reflektieren der ethischen Perspektive. Bei Richards wird meines Wissens nach über die "erkannten/vermuteten" Gefühle des Bewohners gesprochen und nicht über den wörtlichen Inhalt seiner Äußerung. Richtig? Hier stellt sich mir direkt die Frage: Ist dieses "nicht-ernst-nehmen" (hier gemeint als wörtliches-nicht-ernst-nehmen) nicht ein Ausweichen der Frage? Nach dem Motto: "Mein Auto ist kaputt. Ich brauche Deine Hilfe." - "Schönes Wetter heute." Der wörtlichen Frage ausweichen ist per Definition keine Lüge, soweit klar, (obwohl es Autoren gibt, die behaupten, das schon ein Ausweichen der Frage als Lüge gelten kann) aber ist das ein respektvoller Umgang mit einem erwachsenen Menschen? Verzeiht mir meine Skepsis, aber momentan habe ich eben mehr Fragen als Antworten im Kopf.
Ich selbst komme aus der Krankenpflege und bin in der pflegerischen Praxis in stationären Altenpflegeeinrichtungen nicht sehr bewandert. Im Krankenhaus stellt sich das Problem, dass oft nichts, oder zumindest nur sehr wenig, über die Biografie des dementen Menschen bekannt ist. Deshalb fällt man als Pflegekraft häufig auf die "Nase", wenn man versucht zu validieren. Da steht in der Situation meist die mehr oder weniger wörtliche Aussage des Menschen im Vordergrund, auf die man wertschätzend reagieren will. Viele greifen hier zu "sogenannten" Notlügen.
Eine weitere Bemerkung zu meiner ursprünglichen Frage: Es gibt Seminare für Pflegekräft, in denen man "das Lügen lernen kann". Ich finde das paradox. Personenzentriert, wertschätzend, von mir aus auch ganzheitlich soll die Pflege sein, aber lügen lernen für 290 Franken? Was ist nur los mit der Pflege?
 
Ich verstehe irgendwie dein Problem nicht.

Der demente Mensch soll nicht angelogen werden. Wie stellst du dir das konkret vor?

Konstruieren wir ein Beispiel: Pat. läuft aufgeregt hin und her und gibt an, nach hause zu müssen, weil sie doch zum Essen pünktlich da sein muss, weil die Mutter sonst schimpft.

Wie soll deiner Meinung nach dieses Problem gelöst werden?

Elisabeth
 
es geht mir nicht direkt um die Lösung eines praktischen Problems. Ich stelle mir nur die Frage: Ist es OK als professionelle Pflegekraft einen Menschen (für den ich in gewisser Weise verantwortlich bin) anzulügen. Welches Bild entsteht dadurch über die Pflege, die sich ja professionalisieren will? Sind wir "professionelle Lügner" oder "professionelle Fragen-Ausweicher" weil wir kein anderes Konzept haben? Ich will von anderen "Dienstleistern" nicht do behandelt werden.
ABER: Mir geht es rein um die ethische Perspektive. Was denkt ihr darüber? Auch ich habe im Alltag Patienten angelogen, um ihrer Wohlbefinden wegen und auch um mir und den Kollegen das Leben zu erleichtern. Ich frage mich eben nur: Ist das moralisch zu rechtfertigen?
 
hallo ludwig9!

wollt dich mal fragen ob du dich mal näher mit frau feil auseinandergesetzt hast? ich war auf einem ihrer seminare und stellte fest das dies nicht wirklich als lügen gemeint sind sondern eher dazu dienen den pat zu helfen und vor sich selbst zu schjützen, denn manchmal ist das wichtiger einen so das leben zu erleichtern oder vielleicht sogar zu retten als ihn in sein unglück laufen zu lassen! :nurse: hab schon einige dieser pat erlebt und war echt froh dieses anwenden zu können :mrgreen: v.G.
 
Hallo Ludwig9,
mich würde doch mal interessieren, wie Du mit dem Beispiel von Elisabeth Dinse umgehen würdest....
LG *Anni
 
Gut- gehen wir auf die Methaebene.

Ethik, die; -, -en /Pl. ungebräuchl./ 〈griech.〉 philosophische Lehre vom sittlichen Wollen und Handeln des Menschen...

Morạl, die; -, /ohne Pl./ 〈lat.〉
1. System von geschichtlich gewordenen und gesellschaftlich bedingten sittlichen Grundsätzen, Werten und Normen, von denen sich die Menschen in ihrem Verhalten zueinander leiten lassen.

Copyright © 2003 Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

Lüge
Eine Lüge ist eine Aussage, von der der Sender (der Lügner oder die Lügnerin) weiß oder vermutet, dass sie unwahr ist, und die mit der Absicht geäußert wird, dass der oder die Hörer sie trotzdem glauben. Dies geschieht meist, um einen Vorteil zu erlangen oder um einen Fehler oder eine verbotene Handlung zu verdecken und so Kritik oder Strafe zu entgehen. Gelogen wird aber auch aus Höflichkeit, aus Scham, aus Angst, zum Schutz anderer Personen oder um die Pläne des Gegenübers zu vereiteln.
...
Die soziale Lüge soll dem Wohl des Belogenen oder der Harmonie einer Gruppe dienen. Diese Art der Lüge soll meistens dem friedlichen Miteinander und der Leistungsmotivation nutzen.

Die Notlüge dient in der Regel zur Abwendung humaner oder ökonomischer Nachteile des Lügners oder einer Gruppe vor allem um große strategische Ziele nicht zu gefährden.
...
Lüge – Wikipedia

Und nun hätte ich gerne erklärt, warum es falsch sein soll einen dementen Menschen in seinem Glauben zu lassen bzw. ihn zu belügen, wenn es seiner Situation dienlich ist?

Elisabeth
 
ich würde folgendermaßen damit umgehen, eine Jacke der Pat. und Schuhe holen und ihr anziehen, einen Spaziergang mit ihr machen und dann zu Tisch begleiten, wo sie freundlich begrüßt wird. Ist kein Lügen und meist hat man damit Erfolg. Im übrigen lügt Naomi die Menschen nicht an, sondern versucht auf diese einzugehen. Validation nach Feil beherrscht man nicht nach dem ersten Seminar, dafür braucht es schon ein wenig mehr Zeit.
Vor einigen Jahren hatte ich eine nette alte Dame, hochgradig dement, wir haben gemeinsam einen imaginären Hund gestreichelt, ein Kind welches nicht da war zu Bett gebracht, und diese Dame war danach beruhigt und konnte ganz entspannt zum Abendbrot gehen, war das Lügen? Nein, nur ein wenig Empathie und dass das was ich denke und fühle in dem Moment nicht wichtig und nicht gefragt war.

in diesem Sinne
t-rex
 
Vor einigen Jahren hatte ich eine nette alte Dame, hochgradig dement, wir haben gemeinsam einen imaginären Hund gestreichelt, ein Kind welches nicht da war zu Bett gebracht, und diese Dame war danach beruhigt und konnte ganz entspannt zum Abendbrot gehen, war das Lügen? Nein, nur ein wenig Empathie und dass das was ich denke und fühle in dem Moment nicht wichtig und nicht gefragt war.

Wieso wagen wir eigentlich einen Anspruch auf die einzigst wahre Realität zu erheben. Es gibt keine Realität nur eine Wirklichkeit. Ob die Welt wirklich so ist, wie wir sie sehen, kann niemand sagen. Wahrnehmung ist individuell.

Ergo: die alte Dame lebt in ihrer Welt. Darf ich diese zerstören.

Elisabeth
 
Hi Ludwig9,

ich finde schon, dass das moralisch zu rechtfertigen ist. Und ich finde mich nicht unprofessionell, sondern genau das ist doch was Profession ausmacht, dem Patienten in seiner Situation dienlich zu sein und es ist meiner Meinung nach zweitrangig was ich dabei fühle.Was hätte der demente Mensch davon, wenn ich ihm sagen würde, dass seine/ihre Eltern nicht mehr leben? Wäre das nicht verantwortungslos? Würde man ihn nicht total überfordern? Er kann es ja nicht verstehen und dementsprechend auch nicht verarbeiten!
Man würde ja auch seine reale Bewußtseinssituation ignorieren und fändest Du das profesionell?

Die Realität des dementen Menschen ist meist nicht die heutige sondern eine frühere und nicht unsere und das Wichtigste ist man akzeptiert ihn so wie er selbst in seinem Bewußtsein lebt.

Auch wenn ich jetzt etwas vom Thema abkomme, das soll jetzt auch nur als Beispiel dienen ...Was ich moralisch verwerlich finde ist wenn 4 Pflegekräfte einem Patienten,der nicht unter Betreuung steht und der sich heftig wehrt mit Gewalt einen Dauerkatheter legen und sich dann hinter der Anordnung des Arztes verstecken! Dieser Patient starb einen Tag später. Aber vermutlich wird es da auch Leute geben, die da anderer Ansicht sind...

MfG,
Helen.
 
Hallo Alle

ich versuchs mal mit Gegenfragen:

Lüge ist, die Unwahrheit sagen
Was ist also Wahrheit? Das was ich als Pflegekraft als wahr empfinde?

Wie wahr ist das, was der Bewohner empfindet, gerade erlebt?

Ist es weniger wahr, als meine Wahrheit, weil seine Wahrheit nichts mit der Realität zu tun hat?

Wenn nun seine Wahrheit garkeine Wahrheit ist, weil durch harte Fakten zu widerlegen, ist dann eine Antwort überhaupt möglich, die wahr ist?

Will der Bewohner diese Wahrheit hören- kann er überhaupt damit umgehen?

Wie ethisch ist es, dem Bewohner seine Wahrheit zu entreissen- ihm in diesem Moment sein bisschen Identität zu nehmen, die er für sich gefunden hat? Hat er nicht genug Identität verloren?

Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, die Wahrheit zu sagen, wenn Menschen in einer Welt leben, die nichts mehr mit der Realität zu tun hat?

Gruß Doedl
 
Ich verstehe irgendwie dein Problem nicht.

Der demente Mensch soll nicht angelogen werden. Wie stellst du dir das konkret vor?

Konstruieren wir ein Beispiel: Pat. läuft aufgeregt hin und her und gibt an, nach hause zu müssen, weil sie doch zum Essen pünktlich da sein muss, weil die Mutter sonst schimpft.

Wie soll deiner Meinung nach dieses Problem gelöst werden?

Elisabeth

hallo
z.B. indem ich auf den Bew. eingehe, diese Aussage der Bew. kann so viele unterschiedliche Ursachen haben, das muss man erkunden, da stecken Gefühle hinter, dann erübrigt sich lügen von alleine
kennt einer von euch das Buch Innenwelten der Demenz? von Udo Baer?

sehr zu empfehlen

grüssle heidi
 
Hallo
Also ich denke, man kann in diesem Zusammenhang nicht von "lügen" sprechen, denn nach N. Feil hole ich den Patienten ja nun mal dort ab, wo er sich gerade befindet.
Ich hole also den Patienten in seiner Realität ab und nicht der Patient mich in meiner.
Ich fände es egoistisch, den Patienten in unsere Realität zurückzuholen, denn es sollte uns um das psychische Wohlbefinden des Patienten gehen. Alles andere spielt in diesem Moment keine Rolle und wäre unprofessionelles Verhalten. Ich meine damit, dass wir durch Validation dem Patienten helfen, Dinge aufzuarbeiten und wie sollte das funktionieren, wenn ich nicht auf seine Realität eingehe? :gruebel:
Ich verstehe wirklich nicht, was das mit Lügen zu tun haben soll...
 
Hallo....
Realität ist ein schönes wort, doch sollte man darüber nachdenken was es bedeutet!
Denn jeder mensch hat nur seine eigene realität... ihr eure, ich meine und die demente ebenfalls eine! Wir können nur das als real erachten, was wir auch sehen ( wahrnehmen ). Wenn irgendwo in einem wald ganz abseits jeglicher zivilisation ein baum umfällt, gibt es dann auch ein geräusch??????? Theoretisch würden wir sagen JA, aber wer kann uns sagen ob das der realität entspricht, wenn es doch keiner gehört hat????
Von daher...die Dementen nehmen eben andere dinge war als wir und habe ihre eigene welt. In die wir doch schonmal folgen sollten.
sie leben nunmal nicht im hier und jetzt.... schwer nachzuvollziehen. Aber es ist nunmal wie es ist.
Wenn man versucht sich da hineinzuversetzen wird es einem ganz leicht klar.
Vllt. hat jeder von euch/uns schonmal die erfahrungen gemacht, dass ein enger bekannter oder ein familienmitglied plötzlich verstarb. Wenn man diese nachricht bekommt, denkt man auch das das nciht wahr ( nciht real ) sein kann.
und so würden die meisten dementen menschen denken, wenn man sie ständig darauf hinweist, dass sie nicht zuhause sind, oder das die mutter nicht kommt.... etc.
DAs hat meiner meinung nach nichts mit lügen zutun, sondern viel mehr etwas mit dem "Normalitätsprinzip" nach dem wir nach möglichkeit handeln sollten!

Die Validation wurde hier schon so ausgiebig diskutiert und ich pers. halte die Sachen von N.Richard für etwas vorteilhafter.

LG Satiqu
 
Mir hat mal eine Schwester gesagt, ich soll die dementen Patienten nicht anlügen, also bin ich hingegangen und habe, nachdem eine demente Patientin mich gefragt hat, wo denn ihre mutter bliebe, gesagt: Ihre Mutter ist schon lange verstorben.
Sie fing an mit weinen und konnte das überhaupt nicht verstehen... Seit dem validier ich immer und lüge die dementen Patienten an, ja ich lüg sie an, damit sie sich besser fühlen und es ihnen gut geht. Ich versetze mich hinnein, wo sie gerade in ihrer Welt sind. Ich hab die Patientin in eíner so gut wie gleichen Situation gefragt, wie alt sie eigentlich sei und da sagte sie mir: Ich bin 12 Jahre alt. Und sie war in wirklichkeit 83.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist das wahr, was ich sehe, empfinde WAHRnehme oder das, was der Demente WAHRnimmt?
Für mich hat sich nie die Frage gestellt ob ich dabei lüge, geschweige denn, dass ich etwas meiner Professionalität aufgebe, wenn ich bereit bin mich in die Welt des Dementen zu begeben.
In einer meiner NW hatte ich mal eine sehr aufgeregte demente Patientin, die Ängste hatte, dass der Keller für die Nacht noch nicht abgeschlossen ist und somit in der Nacht Einbrecher eindringen könnten. Dieser Patientein habe ich versprochen den Keller abzuschließen und habe ihr nach einiger Zeit erzählt, dass der Keller abgeschlossen ist und alles in Ordnung ist.
Das war die WAHRheit, die sie brauchte um beruhigt einschlafen zu können, übrigens die ganze Nacht durchzuschlafen.
Wäre es wirklich professioneller gewesen, ihr immer wieder zu erklären wo sie ist und dass es da keine abschließbaren Kellertüren gibt? Wäre MEINE WAHRheit wirklich die ihrige gewesen?
 
Früher war ich auch der Ansicht, daß Patienten nicht belogen werden dürfen. Hat mir unter anderem einen Tritt eingebracht, weil ich einen Patienten nicht gehen lassen wollte, der Brötchen kaufen wollte. Daß die Bäckerei schon geschlossen hatte, glaubte er nicht. ER WOLLTE JETZT GEHEN! Und da ich ihn wegen seines Infarktes hindern wollte, aufzustehen, wurde er aggressiv.
Ich habe auch Hochbetagten gesagt, daß die Eltern tot sind, es ihnen sogar vorgerechnet, daß die jetzt ungefähr hundertzehn Jahre alt sein müßten und keiner so alt wird.
Und was bringt es? Nichts. Das glaubt Dir keiner.
Und wenn doch, ist er traurig über den plötzlichen Tod des Vaters/ der Mutter, der/ die gestern/ vorhin doch noch völlig gesund war.
Mag ja sein, daß Fachleute für Validation das nicht "lügen" nennen, obwohl es das ist, wenn ich nicht die Wahrheit sage. Aber diese Lüge ist sinnvoll.
In einem Altenheim im Ruhrgebiet hat man im 1. Stock (!) eine Bushaltestelle gebaut. (Habe ich wohl schon mal erwähnt.) Dort treffen sich demente Bewohner, um wegzufahren. Hier wurde die Lüge offiziell gemacht, denn in die erste Etage kommt kein Bus.
Und warum? Weil es sinnvoll ist. Diese "verlogene" Haltestelle hilft den Dementen.
Wenn eine Lüge, einem Dementen gegenüber, sinnvoll ist, würde ich lügen.
Einem Dementen mit Carcinom im Endstadium würde ich aber nicht sagen, daß er bald gesund entlassen wird.
 
Ich denke auch, dass es einen Unterschied macht, wegen was und wie man Demente anlügt.

Eine Kollegin sagte zu einer dementen Dame, die ihren verstorbenen Ehemann auf der Station suchte, dass er erst am Nachmittag zur Besuchzeit kommen würde (meine Kollegin wusste, dass ihr Mann bereits verstorben war). Na toll, am Nachmittag war die Pat. natürlich nicht mehr zu beruhigen und heulte Rotz und Wasser, weil ihr Mann nicht kam. So was halte ich für unter aller ...!

Ich habe auch schon einen dementen Pat. angelogen. Er hat sich im ND den Venflon gezupft - natürlich nahm er blutverdünnende Medikamente - und ist so durchs ganze Zimmer gelaufen. Als wir das Blutbad beseitigen wollten, hat er uns nicht ins Zimmer gelassen und schrie, was wir in seiner Wohnung wollten und wir sollen seiner Frau sagen, damit sie das wegwischt. Ich habe ihm gesagt, dass seine Frau schon schläft und wir das besser gleich wegwischen, damit seine Frau morgen keinen Schreck bekommt und nicht die ganze Arbeit hat. Er hat uns dann ins Zimmer gelassen und wir haben ihn nicht mal direkt angelogen. Während dem Wischen hat er nur noch mit uns diskutiert, ob wir nicht den Hochdruckreiniger aus der Garage holen sollen, damit es schneller geht :mrgreen:.

Gruß,
Lin
 

Ähnliche Themen