LAG Düsseldorf 14.11.2005, 10 TaBV 46/05
Arbeitgeber dürfen Liebesbeziehungen unter den Mitarbeitern nicht einschränken ("Wal-Mart-Ethikrichtlinie")
Arbeitgeber dürfen ihren Mitarbeitern in einer so genannten Ethik-Richtlinie nicht untersagen, mit Arbeitskollegen eine Liebesbeziehung zu beginnen, wenn einer der Beteiligten den Arbeitsplatz des anderen beeinflussen kann. Eine solche Einschränkung von Liebesbeziehungen greift in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer ein und verstößt gegen Art. 1 und Art. 2 GG.
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller ist der Gesamtbetriebsrat von Wal-Mart Deutschland. Hierbei handelt es sich um das deutsche Tochterunternehmen einer amerikanischen Gesellschaft, die an der New Yorker Börse gelistet ist. Seit 2002 sind alle dort gelisteten Unternehmen verpflichtet, Ethikrichtlinien einzuführen. Nachdem die amerikanische Muttergesellschaft einen weltweit gültigen Verhaltenskodex erarbeitet hatte, wurde dieser den deutschen Wal-Mart-Mitarbeitern zur Kenntnis gebracht.
Die Ethik-Richtlinie schreibt unter anderem vor,
dass die Mitarbeiter keine Geschenke annehmen dürfen,
Belästigungen und unangemessenes Verhalten am Arbeitsplatz nicht geduldet werden,
die Mitarbeiter nicht mit Kollegen zum Abendessen ausgehen oder mit ihnen eine Liebesbeziehung beginnen dürfen, wenn einer der Beteiligten den Arbeitsplatz des anderen beeinflussen kann,
und dass die Arbeitnehmer der Unternehmensführung Verstöße gegen die Ethik-Richtlinie über eine anonyme Telefon-Hotline melden sollen.
Der Gesamtbetriebsrat hielt die Einführung der Ethikrichtlinie für mitbestimmungspflichtig und verlangte Unterlassung. ArbG und LAG gaben dem Antrag teilweise statt. Das LAG ließ allerdings die Rechtsbeschwerde zum BAG zu.
Die Gründe:
Die Ethikrichtlinie ist teilweise mitbestimmungspflichtig. Das gilt im Hinblick auf die Anordnung und Nutzung der Telefonhotline, das Verbot der Annahme von Geschenken und das Verbot von Belästigungen und unangemessenem Verhalten am Arbeitsplatz.
Nicht mitbestimmungspflichtig ist dagegen die in der Richtlinie vorgesehene Befugnis der Unternehmensführung, Pressemitteilungen im Namen der Firma und ohne Zustimmung durch die entsprechende Abteilung zu veröffentlichen. Gleiches gilt für die Regelungen zur Privatsphäre. Die hierin enthaltene Berechtigung zur Einsichtnahme in Personal- und Krankenakten ist zulässig, weil sie nur berechtigten Mitarbeitern und solchen mit einem betrieblich begründeten Anliegen vorbehalten ist.
Generell unzulässig sind die in der Ethikrichtlinie enthaltenen Einschränkungen von Liebesbeziehungen unter Kollegen. Diese Regelungen greifen tief in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer ein und verstoßen gegen Art. 1 und Art. 2 GG. Sie sind auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil Wal-Mart seine Mitarbeiter hiermit vor Nachteilen schützen will, die mit Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen verbunden sein können.
Der Hintergrund:
In einer Stellungnahme zu der Entscheidung des LAG hat Wal-Mart bestritten, private Beziehungen unter Mitarbeitern verbieten zu wollen. Die Mitarbeiter sollten lediglich keine Nachteile erleiden, weil eine Liebesbeziehung zwischen einem Vorgesetzten und einem Mitarbeiter bestehe. Bildeten ein Vorgesetzter und ein Mitarbeiter ein Liebespaar, so wolle man die Beziehung nicht verbieten, sondern mögliche Probleme am Arbeitsplatz durch den Wechsel eines der Beteiligten in eine andere Abteilung lösen.
Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 15.11.2005
Quelle: LAG Düsseldorf PM vom 14.11.2005
http://www.otto-schmidt.de/1444.html