Zuviel Sauerstoff verabreicht!?

callus

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es heisst immer: ... ein zuviel an O², dem patienten verabreicht, kann zu pathologischen abläufen führen...

- WO und WIE ?

- wie sind die gasaustauschverhältnisse alveolär und kapillär sowohl für O² als auch für das CO² ?
- welche pathophysiologischen mechanismen stellen sich ein ?

es grüsst erwartungsvoll

callus
 
Moin,
zuviel Sauerstoff verabreicht: Suche mal unter COPD und CO² Narkose.

LG Tobias
 
Ich glaube er meint was anderes.
Sauerstoff ist ab einem betimmten Partialdruck und einer bestimmen Expositionszeit toxisch und kann zu Schäden an den Alveolen führen, welche teilweise irreversibel sind.

1899 entdeckte Lorraine Smith, daß unter normobaren Bedingungen eine 0²-Beatmung schwere Lungenschäden hervorrufen kann. Entscheidend für die Schädigung ist die Expositionszeit und der Partialdruck des Sauerstoffs.
Wenn der Sauerstoff noch unter Druck in die Lungen gelangt (was bei beatmeten Patienten ja vorkommen soll :D), so wird dieser schädigende Effekt gesteigert. Die Toxizität ist also abhängig von 3 Komponenten - Expositionszeit, Höhe des Sauerstoffpartialdrucks (sprich Höhe der O2-Insufflation) und dem Druck, mit dem der Sauerstoff in die Lungen gelangt.
Es kommt zu einem Alveolarödem, welches sich als Barriere für einen ungestörten Gasaustausch herausstellt. Bei längeranhaltender Hyperoxie kann es zu Ausbildung eines Lungenödems, Thrombozytenanlagerungen, Ausbildung hyaliner Membranen (ähnlich ARDS), und Nekrosen kommen.

Also immer nur so viel Sauerstoff wie nötig, sowenig wie möglich. Bei spontanatmenden Patienten ist die Gefahr der Sauerstoffintoxikation nicht so sehr gegeben. Allerdings sollte man schon die Sauerstoffzufuhr und den Effekt überwachen. (Blutgasanalyse).

Den Tauchern unter uns ist der Lorraine-Smith-Effekt sehr wohl ein Begriff :D.

Ich hoffe geholfen zu haben. Und ich hoffe, daß es das war was gesucht wurde.
 
Hallo callus,

Bis auf die berümten Ausnahmen, die die Regel bestätigen gilt:

Im NOTFALL gibt es kein zuviel an Sauerstoff!

Für die tägliche Praxis am wichtigsten ist:

Vorsicht mit Sauerstoff bei langjährigen COPD-Patienten!!!

Hier kann es vorkommen, daß der Atemantrieb nicht, wie bei gesunden Menschen, über die Messung des Kohlendioxidpartialdruckes erfolgt, sondern über den O² Partialdruck.
Für beide gibt es Rezeptoren im Hirn, die diese kontinuierlich messen.
Bei einem COPD-Patienten ist der CO²-Partialdruck unter Umständen über Jahre unterhalb der Norm.
Dies führt zu stark Energie verbrauchenden Atemantrieb.
Um die Energiereserven im Körper zu schonen, kann das Atemzentrum im Gehirn von der CO² auf die O²-Messung "umschalten".
Wann dies passiert sieht man den Patienten leider nicht an.
Und hier wirds dann kritisch....
Bei solchen Patienten steht dann oft in der Anordnung: "nicht mehr als 2 l Sauerstoff!"

Bei Frühchen schadet ein O²-Gehalt von mehr als 30% im Inkubator der noch nicht ganz ausgreiften Cornea. Daher wird der O²-Gehalt ständig per Oxisensor gemessen.

Bei der Hyperbaren Sauerstofftherapie steigt die Wahrscheinlichkeit eines Sauerstoffkrampfes bei mehr als 1,4 bar Überdruck extrem an, so das diese
Therapien nur bis zu diesem Druck gemacht werden. Trotzdem ist das Risiko für einen Sauerstoffkrampf bei 1 : 10000.

Ich hoffe ich konnte Dir weiterhelfen!

Viele Grüße

Werner
 
Ich muß ehrlich gestehen, daß ich noch keinen COPD-Patienten gesehen habe, welcher aufgrund zu hoher Sauerstoffgaben aufgehört hat zu atmen.
Wem ist es schon untergekommen? Würde mich persönlich interessieren.

LG
Andi
 
Wem ist es schon untergekommen? Würde mich persönlich interessieren.

Das würde mich auch interessieren. Wer schaut zu wie infolge der Atemantriebsminderung der CO2 nachweislich im Blut steigt und der O2 fällt- bis zum Atemstillstand?

Elisabeth
 
hallo werner !

m.E. dominieren die pCo² rezeptoren, über die pO² rezeptoren, bei O²-gabe. da durch die O²-gabe die pO² rezeptoren "beruhigt" werden.
dies soll auch evolutionsgeschichtlich zu begründen sein.
ein O² überangebot ist in der natur nicht vorgesehen...

ich habe probleme mit deiner "umschalttheorie"...
das atemzentrum schaltet von CO² auf O² messung um...
es hört sich auch nicht ganz schlüssig an.

gruss callus !
 
hallo andreas !

mich würden die pO² und pCO² verhältnisse bei O²-gabe
im alveolären + kapillären bereich interessieren !
wie sind hier die diffusionsvoraussetzungen?


du schreibst...es kommt zu einem "alveolarödem"

wie
entsteht das genau ?

also: wie ist der pathophysiologische ablauf oder mechanismus?


spielen die O² radikale auch hier eine rolle...?


beste grüsse

callus
 
Ich muß ehrlich gestehen, daß ich noch keinen COPD-Patienten gesehen habe, welcher aufgrund zu hoher Sauerstoffgaben aufgehört hat zu atmen.
Wem ist es schon untergekommen? Würde mich persönlich interessieren.

LG
Andi


Hi,

Ich. Es war als Schüler auf der Intensivstation - multimorbider Patient, mit schlechter Atmung. Er hat zwar noch nicht aufgehört zu atmen, aber ist ganz schön eingetrübt. Dadurch fiel es mir erst auf, und ich drehte die O2-Zufuhr runter. Er kam dann gleich wieder.

Ich machte dann meinen examinierten Kolleginnen darauf aufmerksam, die das zuerst nicht wahrnehmen wollten, aber es ziemlich bald einsehen mußten:D.

Ist ja derselbe Effekt wie beim Freibadblackout.

Zugegeben, auf einer Intensiv sollte das bei guter Kontrolle der Blutgaswerte nicht passieren - aber es gibt halt auch Kollegen die der Meinung sind, viel hilft viel.

Gruß
HHS
 
Moin Andreas

Ich muß ehrlich gestehen, daß ich noch keinen COPD-Patienten gesehen habe, welcher aufgrund zu hoher Sauerstoffgaben aufgehört hat zu atmen.
Wem ist es schon untergekommen? Würde mich persönlich interessieren.
Selbst ein Patient in CO2 Narkose atmet ja noch - ist aber trotzdem kein schöner Zustand - würde er aufhören ist es ja auch in kürzester Zeit eine Reanimationssituation.
Als Gefahr wird ja auch zunächst die CO2 Narkose und nicht Apnoe beschrieben.

Während meiner Pulmonologie Zeit gab es viele Patienten die unter O2 Dauertheraphie/Heimtherapie recht präzise eingestellt werden mussten. Unter 3 l/min CO2 Anstieg bei 1,5 l war alles gut. Die COPD ist bei diesen Patienten natürlich schon in einem recht finalen Stadium.(Chronische Hyperkapnie ist obligat)

Im Intensivbereich trifft man COPD Patienten ja meist dekompensiert. Hypoxie ist also masiv verstärkt, so das auch mehr O2 lediglich die Hypoxie mildert den Atemantrieb aber nicht dämpft bzw. das pCO2 sowieso schon aus dem Ruder läuft.

Habe das Gefühl das anzweifeln dieser Reaktion bei COPD kommt aus dem Bereich des Rettungsdienstes. Der Gedanke bei COPD und Hypoxie O2 nach Bedarf und nicht nur 2 l/min ist irgendwie in das gibt es nicht umgeschwungen. Wobei die Kollegen sicher häufig mit der infektexacerbierten COPD konfrontiert werden. Hier greift halt die Zunahme der Hypoxie, die auch mehr O2 benötigt um auf den "normalen" Level zu kommen. Ausserdem hat man dort selten BGA-Kontrollen und entsprechende Verläufe.:daumen:
 
hallo andreas !

mich würden die pO² und pCO² verhältnisse bei O²-gabe
im alveolären + kapillären bereich interessieren !
wie sind hier die diffusionsvoraussetzungen?


du schreibst...es kommt zu einem "alveolarödem"

wie
entsteht das genau ?

also: wie ist der pathophysiologische ablauf oder mechanismus?


spielen die O² radikale auch hier eine rolle...?


Servus Callus....

Zuersteinmal zum Alveolarödem. Es ist beschrieben (allerdings nur in Studien), daß es bei anhaltender Hyperoxie zu einer Enzymhemmung im Gewebestoffwechsel kommt, welcher das Lungengewebe schädigt, die Permeabilität erhöht (Ödem) und den Surfactant zerstört. Neben einem Alveolarödem kommt es also auch, wie ich oben schon beschrieben habe, aufgrund des zu wenig an Surfactant zu Atelektasen.
Desweiteren werden auch die Zellmembranen geschädigt, so dass Funktionen wie der Ionenaustausch gestört sind. Zudem führt die Hyperoxie infolge einer Hemmung der Zellteilung zu einer Unfähigkeit zum Gewebeersatz.
Hoffe das ist detailgetreu genug:D.

Partialdrücke. Nächstes Thema.
Festzuhalten sind erstmal die pysiologischen Partialdrücke. Der Vom O2 beträgt in den Alveolen 105 mmHg, im arteriellen Blut ~80 mmHg und im venösen Blut ~40 mmHg.
CO2 schlägt in der Alveolarluft mit ~35 mmHG zu Grunde. Im venösen Sytem sind es ~40 - 45 mmHG.
Die Partialdrücke der Außenluft betragen beim O2 ca. 150 mmHG und beim CO2 ~0,2 mmHg. Bei beginnender Hyperventilation gelangt also
A) mehr Außenluft in die Alveolen und
B) die Kontaktzeit wird extrem verkürzt
...ergo...wir atmen zu viel CO2 ab, weil sich der Partialdruck in den Alveolen ändert.

Die Atmung erfolgt durch Diffussion der Gase. Die Natur ist immer bestrebt ein Gleichgewicht herzustellen. Heißt hier - die Gase diffundieren zum Ort der höheren zum Ort der niedrigeren Konzentration. Da wir ja nun nicht ewig Zeit haben um einen Atemzug zu machen, muß der Austausch recht schnell erfolgen. Die durchschnittliche Kontaktzeit beträgt (bei Normalatmung) 0,8 Sekunden. Da der Partialdruck des CO2 in den Alveolen nur gering unter dem des Blutes liegt, erfolgt der Austausch recht schnell (~0,1 Sek.). Der O2 muß dagegen mehr ausgleichen. Deshalb dauert der Austausch auch 0,2 Sekunden länger (~0,3 Sekunden).
Nach der Lungenpassage ist also die alte Ordung wieder hergestellt (Partialdrücke im Blut: O2 ~80 mmHg und CO2 ~40 mmHG)

Soooooo.....führen wir also mal Sauerstoff zu. Der O2-Partialdruck in den Alveolen steigt natürlich an. Wie hoch er ansteigt kommt natürlich auf die Höhe der O2-Insufflation an. Steigt der Partialdruck in den Alveolen an, so steigt er auch im Blut. Bei einer Insufflation von 100% Sauerstoff und normalem Umgebungsdruck (1 bar) steigt der pO2 im Blut maximal bis 700 mmHg. Drüber geht unter Normalbedingungen nicht. Bei der hyperbaren Sauerstofftherapie ist es aber möglich, Werte von 1500 - 1700 mmHG zu erreichen. Allerdings unter 2-3 bar Druck. Die hyperbare O2-Therapie kann aufgrund der Toxizität des Sauerstoffs nicht lange angewendet werden.

Neben dem von mir oben beschriebenen Lorraine-Smith-Effekt gibt es noch einen anderen Effekt...dem Paul-Bert-Effekt. Dieser beschreibt die Neurotoxizität von Sauerstoff unter einem Druck ab 1,7 bar. Für die Taucher unter uns wieder von Bedeutung. Eher als der Lorraine-Smith-Effekt. Die Neurotoxizität des Sauerstoff führt zu Übelkeit, Schwindel, Tinitus und im schlimmsten Fall zu einem Krampfanfall. Unter Wasser ist dies tödlich.

Ich hoffe, daß ich diesmal alle Fragen beantwortet habe. Ich hoffe :D.
Ich wollte noch etwas über die Bindungsfähigkeit des O2 und des CO2 schreiben und über Sauerstoffbindungskurven. Aber ich hab keine Lust mehr:aetsch:.

Liebe Grüße
Andi
 
Moin Andreas
Habe das Gefühl das anzweifeln dieser Reaktion bei COPD kommt aus dem Bereich des Rettungsdienstes. Der Gedanke bei COPD und Hypoxie O2 nach Bedarf und nicht nur 2 l/min ist irgendwie in das gibt es nicht umgeschwungen. Wobei die Kollegen sicher häufig mit der infektexacerbierten COPD konfrontiert werden. Hier greift halt die Zunahme der Hypoxie, die auch mehr O2 benötigt um auf den "normalen" Level zu kommen. Ausserdem hat man dort selten BGA-Kontrollen und entsprechende Verläufe.:daumen:

Im Rettungsdienst gilt. Ein Patient mit Atemnot braucht Sauerstoff. Ob er COPD-Patient ist oder ein Lungenödem hat iss egal. Fakt ist...er braucht den Sauerstoff. Sollte unter Sauerstoffgabe (und unter Anwendung von Medikamenten) seine Dypnoe nicht beseitigt werden oder er in eine CO2-Narkose rutschen, dann ist die Intubationsindikation sowieso großzügig zu stellen. Devise - "Schaffen wir uns eine beherrschbare Situation.".
Im Rettungsdienst kursiert das "Märchen" von den nicht mehr atmenden COPD-Patienten nur deshalb, weil in der Akutphase O2 benötigt wird und man den Patienten damit nicht in die CO2-Narkose schießt. Und dann gibt man ihm im Krankenhaus ab und alles iss gut.
Es hat also noch niemand gesehen, wie ein Patient eintrübt aufgrund der Hyperkapnie. Deshalb gilt da - "Kenn ich nicht. Hab ich nie gesehen. Gibt es nicht.". Wenn ich den Leuten erzähle, daß es das doch gibt gucken sie dich mit großen Augen an und zweifeln an deinem Berufsverständnis.

BGA und Rettungsdienst. Find ich ne gute Sache. Allerdings muß dann jemand arteriell stechen um adäquate Werte zu bekommen, welche auch eine Aussagekraft haben. Und Präklinisch kannst das vergessen. Da biste schneller ins Krankenhaus gefahren :D.
Die DRF hat auf einigen ihrer Hubschrauber Blutgasanalysegeräte stehen. Aber nur, weil sie damit Sekundärtransporte fliegen, bei denen der Patient eh schon einen arteriellen Zugang hat zwecks invasiver Blutdruckmessung.

BGA im Rettungsdienst. Genau so unsinnig wie dieses mobile Ultraschallgerät, welches extra für den Präklinischen Bereich entwickelt worden ist.

LG
Andi
 
Also CO2 Narkosen wegen zu viel Sauerstoff habe ich schon oft gesehen.
Arbeite ja auch auf einer Pneumologie und viele Pat die kommen stehen oft kurz davor weil sie auch zu Hause meinen "viel hilft viel" und kommen dann in die Klinik weil sie nicht mehr können und kurz vor der Narkose stehen.

auch bei der O2 Einstellung ist dies ein Problem, da steigern wir bei COPD Pat nur langsam den O2, halber Liter BGA, halber Liter BGA und so weiter.

Und alles ist gut
 
Hallo callus,


Hier kann es vorkommen, daß der Atemantrieb nicht, wie bei gesunden Menschen, über die Messung des Kohlendioxidpartialdruckes erfolgt, sondern über den O² Partialdruck.
WIESO ?
Um die Energiereserven im Körper zu schonen, kann das Atemzentrum im Gehirn von der CO² auf die O²-Messung "umschalten".
WIESO ?
die erneuerung meiner anfrage !

ich würde schon etwas näheres zur "umschalttheorie" erfahren ....


beste grüsse !

callus
 
Moin Callus

Man kann es auch anders formulieren.

Egal was das Hirn der schwachen Atempumpe sagt - mehr ist einfach nicht drin. Eine Atemregulation über den pCO2 funktioniert einfach nicht mehr, da der pCO2 einfach nicht mehr in den Normbereich zu zwingen ist. So kommt der sonst schwächere Atemantrieb über das pO2 zum tragen. Die Patienten sind ja auch latent Hypoxisch. Ein pO2 von 99 hat man dann nicht mehr. Die Atemrezeptoren stumpfen aufgrund des dauerhaft erhöhten pCO2's einfach ab.
Der auch auf die Atmung wirkende pH wird über andere Pufferkreisläufe durch den langsamen Anstieg des pCO2´s im Normbereich gehalten.

Steigt nun bei chronischer Hyperkapnie das O2 aus dem Bereich der Hypoxie an fehlt dieser Faktor , pCO2 ist als zwecklos eingestuft und wird ignoriert , Folge Minderventilation mit pCO2 Anstieg und CO2 Narkose.

Hypoxie treibt auch beim Lungengesunden die Atempumpe an. Nur das nach Aufhebung der Hypoxie das pCO2 wieder greift und in der Hypoxie das pCO2 aufgrund des Atemantriebs eher vermindert ist.
 

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