- Registriert
- 13.12.2013
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Sehr geehrte Damen und Herren
ich bin Studentin der Pflegepädagogik an der TU Dresden und bin im Zuge meiner Masterarbeit auf der Suche nach interessanten Erfahrungsberichten aus der Pflegepraxis, die sich mit dem Erleben von kritischen Ereignissen/Pflegefehlern als nachhaltige Lernerlebnisse befassen.
Ich selbst habe während meiner beruflichen Tätigkeit als Gesundheits- und Krankenpflegerin mindestens ein solches kritisches Ereignis selbst verursacht, welches mich nachhaltig für den weiteren Verlauf meiner Berufstätigkeit geprägt hat und welches ich somit als Lernerfahrung interpretiere. Es handelte sich dabei um den Klassiker "Patientenverwechslung". Ich möchte mein Erlebnis kurz schildern:
Ich war damals erst seit wenigen Monaten Schwester auf einer gemischten internistischen Station mit einem hohen Anteil geriatrischer Patienten. Ich hatte die Zimmer meiner Kollegin übernommen, weil diese gerade ihre Frühstückspause machte. Sie hatte mich zuvor darüber informiert, dass eine ihrer Patientinnen von einer Untersuchung zurück kommen würde und noch ihr Frühstück und ihre Morgenmedikamente bekommen müsste. Ich salbst kannte die Patientin nur vom Namen her und konnte ihr kein Gesicht zuordnen. Als ich dann das 3-Bett-Zimmer betrat, in der die Patientin untergebracht war, fand ich eine mir bekannte Patienten in ihrem Bett liegend, sowie ein sauberes frisch gemachtes Bett und eine mir unbekannte Patientin am Tisch sitzend vor. Aus diesem Bild erschloss sich mir, dass es sich bei der am Tisch sitzenden Patientin um eben jene handelte, der ich noch das Frühstück und die Morgenmedikamente geben sollte. Ich brachte also alles herbei und fragte die Patientin, ob sie noch frühstücken wolle. Dass sie nicht mit mir sprach und eher dement wirkte, hielt mich nicht davon ab, ihr dennoch auch die Morgenmedikation zu verabreichen. Als ich ihr alle Tabletten gegeben hatte, kam meine Kollegin zur Tür herein und frug mich, was ich denn hier für Tabletten verabreichen würde. Ich erinnerte sie an den Auftrag, den sie mir gegeben hatte. Da stellte sich heraus, dass es sich bei der Frau am Tisch um eine neu aufgenommene Patientin handelte, für die das frisch bereitete Bett gedacht war. Die Patientin, die eigentlich die Medikamente hätte bekommen sollen, saß währenddessen in der Naßzelle auf der Toilette. Ich hatte also der falschen Person Medikamente verabreicht. Ich weiß noch, wie sofort im Moment meiner Erkenntnis mein Herz heftig zu klopfen anfing und mir die Schamesröte ins Gesicht stieg. Ich wollte meiner Kollegin helfen, indem ich ihre Patientin versorgte, während sie selbst frühstückte und hatte am Ende erreicht, dass ich ihr noch viel mehr Probleme gemacht hatte als sie gehabt hätte, wenn ich mich nicht eingemischt hätte. Das ärgerte mich sehr und ließ mich fast verzweifeln, weil ich ja nun nichts mehr an der Situation ändern konnte. Ich muss gestehen, dass meine Gedanken in diesen ersten Momenten primär um meine Kollegin kreisten und ich Angst hatte, von ihr nicht mehr als fachlich kompetente, gleichwertige Kollegin akzeptiert zu werden. Die Angst um die Patientin kam erst hinzu, als ich (um die Verantwortung für meinen Fehler nicht meine Kollegin ausbaden zu lassen) zur Ärztin ging und ihr von meinem Fehler berichtete. Dort stellte sich zu allem Übel heraus, dass die Patientin, der ich die Medikamente - u.a. 95 mg Beloc zok - verabreicht hatte, eine starke Herzschwäche hatte. Sie ordnete also für einige Stunden Monitorin an, um die Patientin zu überwachen. Die Ärztin kommentierte meinen Fehler nicht und blieb auch sonst sehr gelassen, was mich wieder etwas entspannen ließ. Sicher hatte sie gemerkt, wie ich mit meinen Tränen der Verzweiflung kämpfte, als ich ihr von dem Malheur berichtete. Als ich alle Akutmaßnahmen durchgeführt und das Ereignis dokumentiert hatte, ging ich selbst zum Frühstück, bekam aber natürlich keinen Bissen runter. Stattdessen habe ich geheult wie ein Schlosshund. Eine andere ältere Kollegin hat dann noch ganz lieb versucht, mich zu trösten, aber ich habe mir noch immer solche Vorwürfe gemacht und mich so geschämt, weil ich so "unprofessionell" gewesen bin. Nachmeinem ganz guten Start in den Beruf war das ein heftiger Dämpfer für mich und ich fühlte mich danach wieder unsicher wie ein Schüler. Der Patientin ist am Ende nichts passiert und alles ging gut aus, aber ich erinnere mich noch heute an die Situation, obwohl diese nun schon fast sieben Jahre zurück liegt. Und ich kontrolliere seitdem prinzipiell zweimal, wen ich da eigentlich vor mir habe.
Ich würde mich sehr freuen, wenn auch Sie mir von Ihren Erfahrungen (je ausfühlicher und persönlicher, desto besser) berichten würden.
Die Anonymität Ihrer Daten ist im Umfang dieses Forums gesichert. Mit der Teilnahme bestätigen Sie Ihr Einverständnis für die Verwendung Ihrer Erlebnisberichte im Sinne der pflegedidaktischen Forschung.
ich bin Studentin der Pflegepädagogik an der TU Dresden und bin im Zuge meiner Masterarbeit auf der Suche nach interessanten Erfahrungsberichten aus der Pflegepraxis, die sich mit dem Erleben von kritischen Ereignissen/Pflegefehlern als nachhaltige Lernerlebnisse befassen.
Ich selbst habe während meiner beruflichen Tätigkeit als Gesundheits- und Krankenpflegerin mindestens ein solches kritisches Ereignis selbst verursacht, welches mich nachhaltig für den weiteren Verlauf meiner Berufstätigkeit geprägt hat und welches ich somit als Lernerfahrung interpretiere. Es handelte sich dabei um den Klassiker "Patientenverwechslung". Ich möchte mein Erlebnis kurz schildern:
Ich war damals erst seit wenigen Monaten Schwester auf einer gemischten internistischen Station mit einem hohen Anteil geriatrischer Patienten. Ich hatte die Zimmer meiner Kollegin übernommen, weil diese gerade ihre Frühstückspause machte. Sie hatte mich zuvor darüber informiert, dass eine ihrer Patientinnen von einer Untersuchung zurück kommen würde und noch ihr Frühstück und ihre Morgenmedikamente bekommen müsste. Ich salbst kannte die Patientin nur vom Namen her und konnte ihr kein Gesicht zuordnen. Als ich dann das 3-Bett-Zimmer betrat, in der die Patientin untergebracht war, fand ich eine mir bekannte Patienten in ihrem Bett liegend, sowie ein sauberes frisch gemachtes Bett und eine mir unbekannte Patientin am Tisch sitzend vor. Aus diesem Bild erschloss sich mir, dass es sich bei der am Tisch sitzenden Patientin um eben jene handelte, der ich noch das Frühstück und die Morgenmedikamente geben sollte. Ich brachte also alles herbei und fragte die Patientin, ob sie noch frühstücken wolle. Dass sie nicht mit mir sprach und eher dement wirkte, hielt mich nicht davon ab, ihr dennoch auch die Morgenmedikation zu verabreichen. Als ich ihr alle Tabletten gegeben hatte, kam meine Kollegin zur Tür herein und frug mich, was ich denn hier für Tabletten verabreichen würde. Ich erinnerte sie an den Auftrag, den sie mir gegeben hatte. Da stellte sich heraus, dass es sich bei der Frau am Tisch um eine neu aufgenommene Patientin handelte, für die das frisch bereitete Bett gedacht war. Die Patientin, die eigentlich die Medikamente hätte bekommen sollen, saß währenddessen in der Naßzelle auf der Toilette. Ich hatte also der falschen Person Medikamente verabreicht. Ich weiß noch, wie sofort im Moment meiner Erkenntnis mein Herz heftig zu klopfen anfing und mir die Schamesröte ins Gesicht stieg. Ich wollte meiner Kollegin helfen, indem ich ihre Patientin versorgte, während sie selbst frühstückte und hatte am Ende erreicht, dass ich ihr noch viel mehr Probleme gemacht hatte als sie gehabt hätte, wenn ich mich nicht eingemischt hätte. Das ärgerte mich sehr und ließ mich fast verzweifeln, weil ich ja nun nichts mehr an der Situation ändern konnte. Ich muss gestehen, dass meine Gedanken in diesen ersten Momenten primär um meine Kollegin kreisten und ich Angst hatte, von ihr nicht mehr als fachlich kompetente, gleichwertige Kollegin akzeptiert zu werden. Die Angst um die Patientin kam erst hinzu, als ich (um die Verantwortung für meinen Fehler nicht meine Kollegin ausbaden zu lassen) zur Ärztin ging und ihr von meinem Fehler berichtete. Dort stellte sich zu allem Übel heraus, dass die Patientin, der ich die Medikamente - u.a. 95 mg Beloc zok - verabreicht hatte, eine starke Herzschwäche hatte. Sie ordnete also für einige Stunden Monitorin an, um die Patientin zu überwachen. Die Ärztin kommentierte meinen Fehler nicht und blieb auch sonst sehr gelassen, was mich wieder etwas entspannen ließ. Sicher hatte sie gemerkt, wie ich mit meinen Tränen der Verzweiflung kämpfte, als ich ihr von dem Malheur berichtete. Als ich alle Akutmaßnahmen durchgeführt und das Ereignis dokumentiert hatte, ging ich selbst zum Frühstück, bekam aber natürlich keinen Bissen runter. Stattdessen habe ich geheult wie ein Schlosshund. Eine andere ältere Kollegin hat dann noch ganz lieb versucht, mich zu trösten, aber ich habe mir noch immer solche Vorwürfe gemacht und mich so geschämt, weil ich so "unprofessionell" gewesen bin. Nachmeinem ganz guten Start in den Beruf war das ein heftiger Dämpfer für mich und ich fühlte mich danach wieder unsicher wie ein Schüler. Der Patientin ist am Ende nichts passiert und alles ging gut aus, aber ich erinnere mich noch heute an die Situation, obwohl diese nun schon fast sieben Jahre zurück liegt. Und ich kontrolliere seitdem prinzipiell zweimal, wen ich da eigentlich vor mir habe.
Ich würde mich sehr freuen, wenn auch Sie mir von Ihren Erfahrungen (je ausfühlicher und persönlicher, desto besser) berichten würden.
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