No Touch = a little Bit touch

cringer

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07.08.2013
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Hallo zusammen. Ich bin Praxisanleiter in einem Regianalverbund von Akutkrankenhäusern und arbeite da schon seit 9 Jahren in der Pflege auf einer orthopädischen Station. Die verbandswechsel werden von uns Pflegekräften durchgeführt ( auch das Entfernen der Wunddrainagen ) .
Seit Anfang an beschäftigt mich das Thema sehr und in letzter Zeit wieder mehr. Leider gab es bisher auch keinen Standart für Verbandswechsel. Es geht mir dabei um die No Touch Technik insbesondere beim Aufbringen der sterilen Materialien auf die Wunde. Für mich ist es völlig klar und ein jeder kann dies selbst recherchieren: no Touch bedeutet dass die Wunde nicht mit bloßen Händen berührt wird. Das bedeutet wenn es sich nicht vermeiden lässt, müssen sterile Handschuhe getragen werden. Ansonsten sind sterile Pinzetten zu benutzen. In unserem Haus wird dies jedoch von den meisten anders interpretiert. Es werden unsterile Handschuhe getragen und/oder das sterile Material halt nur an einer Ecke, die nicht direkt auf der Wunde aufliegt, angefasst. Das allerschlimmste jedoch: unsere Hygiene Fachkraft fürs Haus und auch die der anderen Häuser sagen sogar eine Händedesinfektion reiche dafür aus...
Ich will eigendlich gar nicht so sehr darauf eingehen. Ich habe mich echt viel belesen und weiß das meine Methode die richtige Methode ist aber ich weiß durch meine Recherche auch dass so wie meine Kollegen es auch viele andere in anderen Häusern hin und wieder falsch interpretieren. Was no Touch bedeutet kann jeder nachlesen. In Fachbüchern und auf den gängigen Hygienseiten im Netz.
Es ärgert mich wahnsinnig mittlerweile das ich seit 9 Jahren dafür Kämpfe dass dies auch richtig auf Station ausgeführt wird und es nichts zu helfen scheint. Ich eckte schon unzählige Male damit an, was ich absolut nicht verstehen kann. Entweder Mann ist ein Lehrkrankenhaus (was wir sind by the way) oder nicht. Ruhe gab ich deshalb trotzdem keine, bisher...
Das Thema ging jetzt wohl bis nach oben zu einer Leitungskonverenz. Grund hierfür war das eine Pflegeexpertin unseres Hauses jetzt doch einen Standart erstellte. Im Vorfeld hatte ich Kontakt zu ihr aufgenommen. Auch sie hatte die gleiche Ansicht dazu wie ich. Als der Standart fertig war, wurde festgestellt dass diese Methode zwar richtig ist aber dies ja jetzt jahrelang so im Hause nicht umgesetzt wurde. Folglich müsse Mann erstmal schauen...Mann könne das jetzt nicht von heut auf gleich ändern da es ja jeder schon immer so gemacht hat wie anfangs beschrieben. ..
Da fällt mir nichts mehr dazu ein und weiß nicht ob ich lachen oder schreiend davon laufen soll.
Mich frustet das sehr und es hat mich schon einiges an Energie gekostet. Ich werde das Haus auch sehr wahrscheinlich verlassen. Natürlich ist das nicht der einzige Grund aber das sind andere Themen. Ich schreibe hier weil ich gerne wissen würde ob es anderen da auch so geht und wie sie damit umgehen. Ich bekam leider auch wenig Unterstützung von anderen Leuten bisher...
 
Schade. Hat sich keiner weiter zu geäußert. Ich stimme dir aber voll und ganz zu und würde so nicht arbeiten wollen. Also Beine in die Hände und ein Krankenhaus suchen, was auch was von "auf dem Stand sein" hält.
 
Hallo cringer,

es gibt leider Pflegefachkräfte, die immer noch der Meinung sind: 1. "Das haben wir schon immer so gemacht. warum sollen wir an unserer Handlung etwas verändern" und 2. "Es ist ja immer >Gut< gegangen".

Bei dem ersten Satz, denke ich mir:"Ja, Du Mondhäschen. Du hast schon immer, Deine Arbeit falsch durchgeführt.

und beim zweiten Satz:"Du hast in all der Zeit versucht, durch falsche behandlungspflegerische Arbeiten am Patienten, Wundinfektionen zu provozieren"

Es wird also Zeit, Deine durchführungsweise von behandlungspflegerischen Tätigkeiten auf den >neusten Stand< zu erheben"

Es grüßt,
pepita - sheep
 
Das Thema ging jetzt wohl bis nach oben zu einer Leitungskonverenz. Grund hierfür war das eine Pflegeexpertin unseres Hauses jetzt doch einen Standart erstellte. Im Vorfeld hatte ich Kontakt zu ihr aufgenommen. Auch sie hatte die gleiche Ansicht dazu wie ich. Als der Standart fertig war, wurde festgestellt dass diese Methode zwar richtig ist aber dies ja jetzt jahrelang so im Hause nicht umgesetzt wurde. Folglich müsse Mann erstmal schauen...Mann könne das jetzt nicht von heut auf gleich ändern da es ja jeder schon immer so gemacht hat wie anfangs beschrieben. ..
Aber immerhin ist das Thema inzwischen zur Leitungsebene vorgedrungen, eine Pflegeexpertin befaßte sich mit der Problematik, und sie können nun das Problem nicht mehr leugnen! (Häufig ist es nämlich auch so, daß es bei auftretenden Problemen seitens der Leitungsebene heißt "Aber wir wußten ja gar nichts davon" - daher ist Melden so unheimlich wichtig! Z. B. auch Überlastungsanzeigen verfassen).
Du hast also alles richtig gemacht!
Die andere Frage ist, was mit "folglich müsse man erst mal schauen" gemeint ist... ja, es stimmt, man kriegt diese festgefahrene, falsche Arbeitsweise nicht von jetzt auf gleich aus den Köpfen raus. Die Leitung müßte also zusehen, daß sie (z. B. mit Hilfe der Pflegeexpertin) Schulungen auf den Stationen abhält; entweder als Pflichtfortbildung für alle, die man nach und nach schult, oder man schult einige wenige und diese fungieren dann als Multiplikatoren für den Rest der Pflegekräfte auf Station. Das alles dauert seine Zeit und man hat auch hinterher keine Garantie, daß die MA es nicht doch wieder falsch (so wie vorher) machen.
Problem, Keime kann man normalerweise nicht sehen; man könnte höchstens Statistiken darüber erheben, ob es zu weniger Wundinfektionen kommt oder nicht.

Eine Bemerkung noch, das Ganze erinnert mich ein Stück weit an das von manchen als riesengroß dargestellte "Theorie -Praxis-Problem" in der Pflege... würden die Leute in der Praxis möglichst korrekt arbeiten, dann wäre diese Lücke gar nicht so wahnsinnig groß, wie von vielen behauptet, die dann die Schule als "Elfenbeinturm" hinstellen, in dem ein paar "Spinner" dann den Schülern irgendwas "schulisch" beibringen, was (angeblich) ja in der Praxis alles so ganz anders wäre... :roll:
 
Bist Du in einer leitenden Funktion? Oder warum engagierst Du Dich so vehement für die Einhaltung der sachgerechten "non-touch-Technik"? Sicher hast Du recht mit Deiner Ansicht, aber jeder verantwortet das was er tut oder unterlässt oder - im Fall der Hygienefachkraft (HFK) was man berät!
Im Fall einer Klage eines Patienten muss der Nachweis erbracht werden, dass die ausgeführten Tätigkeiten den Richtlinien des Robert Koch Institutes (RKI) nicht widersprechen. Ansonsten muss man die Abweichung begründen können und der Patient darf durch die Abweichung nicht gefährdet sein. Konkret: Das RKI schreibt vor, dass auf eine Wunde nur steriles Material darf! Durch das anfassen einer Ecke ist das Material nicht mehr steril. Entsteht ein Infekt fragt der Richter ab, ob die Vorgaben eingehalten wurden. Damit ist klar wer schuldhaft gehandelt und/oder beraten hat!
 
Bist Du in einer leitenden Funktion? Oder warum engagierst Du Dich so vehement für die Einhaltung der sachgerechten "non-touch-Technik"? Sicher hast Du recht mit Deiner Ansicht, aber jeder verantwortet das was er tut oder unterlässt oder - im Fall der Hygienefachkraft (HFK) was man berät!
Richter ab, ob die Vorgaben eingehalten wurden. Damit ist klar wer schuldhaft gehandelt und/oder beraten hat!
Ich find es gut, wenn jemand - Leitung oder nicht - sich engagiert, um Probleme aufzuzeigen, bevor sie zu Irgendwas eskalieren.
 
Guten Morgen,

seit ich in der Pflege tätig bin, höre ich immer wieder drei Sätze, vollkommen unabhängig, wo ich tätig bin:

1. Das haben wir schon immer so gemacht
2. Das haben wir noch nie so gemacht
3. Das ist für den Patienten eh das beste

Diese Philosophie verhindert konsequent eine Entwicklung in der Pflege (leider - leider - leider)

Du hast mit Deiner Argumentation vollkommen recht, und @matras hat es bereits richtig beschrieben: das RKI bzw. die KRINKO legen hier die Rechtsnorm fest ( § 23 Abs. 3 Infektionsschutzgesetz).
Ausformuliert heist dies :

...
Nach Abnehmen des Wundverbandes (festklebende wundabdeckende Kompressen mit steriler Pinzette entfernen) werden die Einmalhandschuhe entsorgt.

Erneute Händedesinfektion. Die Wundbehandlung erfolgt nach hygienischer Händedesinfektion in Non-touch-Technik mit sterilen Instrumenten oder mit sterilen Handschuhen nach den Vorgaben der behandelnden Ärzte.

(Die Reinigung und Versorgung von Wunden aus hygienischer Sicht: Stellungnahme aus der Sicht eines medizinischen Mikrobiologen und Krankenhaushygienikers - ScienceDirect)

Kurz und Knapp: Es geht nicht darum, "zu schauen" sondern es geht darum, Gesetzesvorgaben einzuhalten.
 
Guten Morgen,

seit ich in der Pflege tätig bin, höre ich immer wieder drei Sätze, vollkommen unabhängig, wo ich tätig bin:

1. Das haben wir schon immer so gemacht
2. Das haben wir noch nie so gemacht
3. Das ist für den Patienten eh das beste

Diese Philosophie verhindert konsequent eine Entwicklung in der Pflege (leider - leider - leider)
Und genau das halte ich u. a. für eins der wichtigsten Argumente für Pflegewissenschaft und Pflegeforschung!
Da kann man sich nämlich nicht mehr auf "schon immer/noch nie so gemacht" rausreden, sondern pflegerische Interventionen werden hinterfragt und bewertet.
 
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Guten Morgen.

Jetzt haben sich ja doch noch einige zu dem Thema gemeldet. In der ersten Zeit nach Einstellen des Themas herrschte unter meinem Beitrag noch Stille und dachte da passiert nichts mehr. Bin deshalb positiv überrascht und freue mich über eure Antworten und auch Zuspruch.
Etwas dass mir bei dem Thema oft nicht begegnete, zumindest in dem Hause wo ich arbeite. Deshalb Danke euch.
Das Thema geht mir deshalb so nah weil ich zum einen Praxisanleiter bin und deshalb gerade beim Examen dies immer zum Thema wird und zum Anderen deshalb weil Mann ja als Haus nach außen mit Qualität wirbt und diese unter diesem und anderen Aspekten nicht eingehalten wird. Ich Frage mich ja selbst ob ich von einem anderen Planeten komme da mich das Thema so beschäftigt während es anderen egal zu sein scheint. Eine Theory von mir wäre dass halt bei uns wie überall die Arbeit immer dichter wird und das Personal weniger. Um Handeln zu hinterfragen bleibt wenig Zeit.
Ich weiß es selber nicht so richtig wo das Problem genau liegt aber es ist mit mittlerweile auch egal, denn ich habe mich jetzt dazu entschieden das Haus zu verlassen. Hatte schon ein Vorstellungsgespräch und hospitiere schon...
 
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hallo, in der letzten Ausgabe der Wundmanagement gab es genau dazu einen Artikel "No(n) touch - bloß nicht anfassen? von Dr. Schwarzkopf und Herrn Assenheimer, damit hat man eine aktuelle Argumentation. Bei uns wird jeder Pflegekraft von einem Wundexperten ein VW am Bett abgenommen und jeder der nicht steril arbeitet, fällt durch und darf nochmal antreten. Aber die berühmten 3 Sätze kenn ich auch, allerdings ist mein Satz 3: da kann ja jeder kommen :)