Das hat mich sehr berührt...

carmen

Poweruser
Registriert
22.07.2002
Beiträge
857
Hallo zusammen,

letzte Woche von Do auf Fr hatte ich einen ND, bevor ich mich mit ND frei, Osterfrei und gleich anschließendem Urlaub, von Stat. verabschiedete.

Aber dieser eine ND hatte es in sich.

Seit ca 6 Wochen hatten wir einen Pat. mit BC auf Stat., den wir seit 3 Jahren kannten, weil er immer wieder zur Chemo kam.
Vor ca 2 Wochen bekam er von den Ärzten gesagt, dass er austherapiert sei, also keine Chemo mehr gegeben werde.
Der Pat. akzeptierte das, ebenso seine Frau.
Doch nach diesem Gespräch mit dem Arzt, verschlechterte sich sein AZ zusehends. Er benötigte kontinuierlich O2, kam nur noch bis auf die Bettkante bei der Mobilisation. Nachts quälten ihn Panikattacken und somit vermehrte Luftnot, thorakale Schmerzen waren die Folgen.
Die Ärzte setzten einen Morphinperfusor an, der dann Tag und Nacht lief.
Das brachte dem Pat. ein wenig Hilfe. Er war 195 cm groß und 110 kg schwer, also mußte das Morphin auf ihn eingestellt werden.

Jedenfalls ging ich dann letzten Donnerstag durch und traf seine Frau an seinem Bett an. Sie sagte, dass sie diese Nacht bei ihm bleiben täte und ich war foh darüber. Der Pat. saß auf der Bettkante und sagte "oh carmen, schön, dass du diese Nacht hier bist, hatte schon auf dich gewartet".
Noch nie sprach er mich mit "du" an, doch ich ließ ihn gewähren.
Da war es 21.10 Uhr.
Gegen 23 Uhr klingelte die Frau nach mir und bat, dass ich bei ihr bliebe. Das tat ich auch, mit kurzen Unterbrechungen, da 26 Pat. auf Stat. waren und ich allein als ND.
Der Pat. wurde immer unruhiger, die Haut begann zu marmorieren. Ich rief den AVD, der auch gleich kam. Es wurde Valium und Haldol i.v. gespritzt, die ml-Zahl des Perfusors erhöht. Leider wurde der Pat. nur für kurze Zeit ruhiger, dann begann sein Kampf mit dem herannahenden Tod wieder und heftiger.
Also wieder den AVD angerufen. Und wieder bekam er Medis i.v.
Um 3.05 Uhr bäumte er sich im Bett auf und wollte aussteigen. Also schnell alle Seitenteile hoch und der Versuch, ihn zu beruhigen. Das funktionierte nicht, der Pat. war in völliger Panik.
Was blieb mir übrig, als wieder den Doc anzurufen und ihn zum Pat. zu bitten?
Der Arzt war obersuper und half mit seinen Anordnungen allen Anwesenden, nicht nur dem Pat.
Nochmal Medis i.v.. Wieder wurde der Pat. ruhiger.
Der Arzt ging wieder in sein ND-Zimmer, auf einer anderen Stat., da war es 3.15 Uhr.
Plötzlich riß der Pat. die Augen auf, drehte seinen Kopf zu mir und sagte klar und deutlich" sag bitte Allen meinen Dank für die letzten 3 Jahre, ihr seid so toll" und dann zu seiner Frau "mein Liebes, wir haben alles besprochen, ich möchte eine Seebestattung".
Wir standen wie angewurzelt links und rechts neben seinem Bett.
Dann machte der Pat. die Augen zu und schlief um 3.30 Uhr ganz ruhig ein.
Die Frau wollte unbedingt ihren Mann mit mir zusammen zurecht machen, was wir dann auch taten.

Sie stand unter Schock, packte seine Sachen aus dem Schrank zusammen, sang dabei ein Lied. Da sie selber KS war und dementsprechend Medis kannte, fragte ich sie, ob sie ein Beruhigungsmittel nehmen würde. Sofort sagte sie zu. Dann rief sie ihre Tochter an, dass sie bitte abgeholt werden möchte.
Allein ging sie nochmal zu ihrem Mann ins Zimmer zurück und plötzlich riß ein gellender Schrei von ihr die ganze Stat. aus den Betten.
Ich rannte hin und sie hatte ihren Mann wie ein Kind mit dem Oberkörper in ihren Armen.
In mir schwappte eine große Tränenwelle hoch, zu den Augen, doch ich wußte, wenn ich jetzt weine, bricht die Frau zusammen. Also nahm ich sie, mit ihrem Mann in die Arme und gab tröstende Worte.
Dann wurde die Frau von Stat. abgeholt und ging.
Ich stürzte mich sofort in die liegen gebliebene Arbeit und schaffte es sogar, bis 5.55 Uhr fertig zu werden.
Endlich war der FD da und beim Erzählen, von dem schrecklichen Sterben des Pat., da öffneten sich in mir alle Schleusen und ich weinte hemmungslos.
Meine Kolleginnen verstanden das nur zu gut, sie weinten auch und wir hielten uns innerlich aneinander fest.

Wir sind ein tolles Team und in solchen Momenten spüren und wissen wir, dass wir uns auch emotional, was unsere Arbeit betrifft, ohne viele Worte verstehen.

Beim Schreiben dieses Beitrages geht mir dieser ND nochmal durch den Kopf.
Ich wollte das nun hier, im Forum von mir schreiben, weil ich einen ruhigen und sehr entspannten Urlaub erleben möchte. Nicht von Träumen, welche Geschehnisse vom Dienst beinhalten, gefüllt.

Schönen Ostermontag

Carmen
 
Hallo Carmen,

ich wünsche Dir nach diesem Beitrag einen schönen Urlaub und erhole Dich gut von all dem Stress :D !
LG
Trisha
 
Carmen,
Du hast Dich absolut großartig verhalten.
Wünsch Dir einen schönen Urlaub!

Greetings,Rasmus
 
...diese Geschichte hat mich sehr berührt und ich glaube das jeder von uns solche Erlebnisse in seinem Herzen mitträgt. Bewahre Dir Deine Empathie und Menschlichkeit Carmen....

... liebe Grüße
 
Hallo Carmen,

Deine Geschichte hat mich sehr berührt, ich glaube das ging jedem so, der sie gelesen hat!
 
Wollte dir nur auch noch mal sagen, dass mich deine Geschichte total berührt hat... Bin echt sprachlos!!!
 
Hallo Carmen!

Dein Beitrag ist zwar schon ein paar Jährchen her, aber auch ich möchte dir sagen, dass mich dein Beitrag sehr berührt hat und ich glaube, dass du eine wunderbare Hilfe warst!

Bleib bitte so!

LG
 
Hallo Carmen,

dieser Bericht von dir lässt mich ganz schön zittern. Ich selbst bin nochSchülerin und habe das Sterben von Menschen auf Stationen bisher nur "passiv" erlebt und bin auf eine gewisse Art auch froh darüber. Du hast dich in diesem Fall erstklassig verhalten, meines Erachtens.
Ich finde das ist immr das Schlimmste am Nachtdienst: Allein auf Station (okay die Nachbarstation hilft manchmal aus!!) und gerade mit Patienten im Praefinalen Stadium ist doch immer eine gewisse, naja jetzt weiß ich nicht wie ich das ausdrücken soll....

Im allgemeinen finde ich das solche Themen besonders behandelt werden sollten.


Tschüß euer Stift
 
Auch wenn diese Geschichte etwas länger her ist...

Sie hat mich sehr berührt , mir sind die Tränen gekommen. Fange dieses Jahr eine Ausbildung als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin an und mir graut es davor, dass ich ein sterbendes Kind sehen muss...

Lieben Gruß

AnniBaby
 
Vani schrieb:
Deine Geschichte hat mich sehr berührt, ich glaube das ging jedem so, der sie gelesen hat!


Ja, kann man wohl sagen!
 
Erstmal will ich dir Danke sagen, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast! Es gibt oft Pflegende, bei denen ich mir denke, warum die diesen Beruf überhaupt gewählt haben - bei dir kann ich sagen, ohne dich zu kennen, du bist genau die Richtige für diesen Job, denn dein Verhalten und dein Einfühlungsvermögen verdienen echt Respekt. Ich bin zwar auch noch Schülerin, aber ich kenne viele Schwestern, denen der Pat. egal gewesen wäre, denn sie haben im ND viel zu tun und können oder wollen sich keine Zeit nehmen. Ich denke, durch dein Verhalten hast du auch seiner Frau mehr als nur geholfen. Dank dir wird sie vielleicht den Trauerprozess auch besser "durchstehen".

Andererseits möchte ich auch deinem Team meinen Respekt aussprechen, weil deren Reaktion nämlich nicht alltäglich ist! Wie oft gibt es denn Situationen, in denen man sich mal etwas mehr um einen bestimmten Pat. kümmert und dann wird man vom Team mehr oder weniger belächelt, weil man einen auf "Schwester Stefanie" macht. Ist es nicht so? Ich finde das super, dass ihr so hinter einander steht und zueinander hält auch in solchen schweren und emotionalen Situationen.

Hut ab!
Und jetzt noch einen wunderschönen und erholsamen Urlaub :daumen:
 
Hey,

ich find auch das DU und der Arzt sehr schön verhalten habt. War sehr spannend das zu Lesen, hätte gedacht da kommt noch ein kommentar vom Arzt und vor allem zum Schluss als die Frau los geschrien hat... Eine Geschichte die unter die Haut geht...Mach bitte weiter so !!!
 
wow...gänsehaut pur....der bericht is zwar schon jahre her aber ich bin sicher, die frau des pat. denkt heute noch an dich und dankt dir für jede minute die du ihr und ihrem mann beigestanden hast....

lg verena
 
Hallo

Beim Lesen irgendwelcher Ereignisse überkommt mich normalerweise nicht so schnell eine Gänsehaut. Aber jetzt? Eine mächtige Gänsehaut.
Ein solches Verhalten wünscht man sich für alle Sterbenden und deren Angehörige. Und auch für die betroffenen Schwestern.
 

Ähnliche Themen