Selbstständig machen nach der Ausbildung

Surfactant

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20.08.2015
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Hallo zusammen,

ich habe letzte Woche mein Examen als Gesundheits-und Krankenpfleger gemacht. Nun habe ich einen Bekannten, dem ein kleines familiäres Alten und Pflegeheim gehört. Diesen Bekannten kenne ich sehr gut und seit über 15 Jahren. Dort arbeiten zurzeit nur 2 Mitarbeiter und ich soll dazu kommen. Die Arbeitszeiten dort sind einzigartig und individuell. Alle sind damit einverstanden! Jeder macht eine Woche von Montag bis Freitag. Am Wochenende sind Aushilfen da und dann hat man 2 Wochen frei. Und dann macht man wieder eine Woche. Hört sich jetzt merkwürdig an, ist aber ganz ok, da dort nur 7 Bewohner sind, die alle selbstständig sind. Man hilft nur bei der Alltagsgestaltung und beim Essen zubereiten. Es ist sehr wenig zutun und man kann da schlafen, Fernsehen gucken, Essen...

Nun zu meiner Frage, bzw wobei ich Hilfe und Rat suche... er sagt, dass man als Angestellter wegen dem Arbeitsschutzgesetz so nicht arbeiten darf, daher sind alle dort arbeitenden Mitarbeiter selbstständig, und schreiben ihm einmal im Monat eine Rechnung. Er will mir helfen, mich auch selbstständig zu machen, bzw Freiberuflich und jetzt stehe ich vor einer Wand.

Natürlich sind alle aus meiner Familie dagegen, mich direkt nach der Ausbildung selbstsändig zu machen, bzw Freiberuflich.

Dieser Berkannte redet die ganze Zeit davon, dass ich als Krankenpfleger Besonderheiten habe, direkt schon selbstständig wäre oder sowas. Aber ich hab da was ganz anderes gelesen..

nach meinen Infos, die ich bisher im Internet gefunden habe, muss ich mich beim Finanzamt melden um eine Steuernummer zu erhalten für Rechnungen. Dann brauche ich wohl einen Steuerberater und muss meine Finanzen genau dokumentieren. Das verstehe ich noch nicht so ganz. Zudem muss ich mich um Krankenversicherung etc selber kümmern?

Hier mal eine Auflistung der Dinge, um die ich mich kümmern muss, vielleicht könnt ihr dazu was sagen, bzw. ergänzen:

- Beim Finanzamt als Selbstständig oder Freiberuflich melden?
- muss ich Mitglied in einer Gewerkschaft / Berufsverband werden?
- Wo muss ich mich noch melden, bzw anmelden?
- Beim Arbeitsamt vor der Selbstständigkeit arbeitslos melden um Anspruch nicht zu verlieren
- Krankenkasse bescheid geben (Muss ca 18% vom Einkommen zahlen für Pflege, Krankenversicherung und Krankengeld bei Ausfall ab 6 Wochen)
- Haftpflichtversicherung und Berufshaftpflichtvers. abschließen etwa 200€ im Jahr?
- Um Rente kümmern, bzw freiwillig in Rentenkasse einzahlen? 80€ im Monat?
- Rechtschutzversicherung?
- Steuerberater etwa 100€ im Monat?
- ich muss anscheind 4 Fortbildung im Jahr selber organisieren und bezahlen? Was für Fortbildungen denn? Wo muss ich das nachweisen?
- Das ist rein privat oder? Also keine Abrechnung über Krankenkasse?
- Umsatzsteuer Befreiung?
- Einkommenssteuer abführen von dem Geld, was rein privat überbleibt, abzüglich Auto, Kleidung, etc alles was ich für das Arbeitne benötige?

Ich weiß, das ist jetzt ziemlich viel, aber ich wäre froh, wenn da etwas bei raus kommt..
Ach und noch was, mein Vater sagt die ganze Zeit, dass mir ja dann die Sicherheiten fehlen würden, aber wenn es nicht klappt, kann ich doch jederzeit mir einen normalen Job irgendwo wieder im Krankenhaus suchen oder nicht?

Würde im Krankenhaus etwa 1700 Netto verdienen. Dort bekomme ich 3000 Euro, abzüglich aller Kosten würde ich etwa... 2100€ ?? überbehalten.

Danke für Tipps und Rat.
 
Da rechnest jetzt aber sehr positiv, für meine Augen.
Rentenversicherung mit nur 80 Euro im Monat?
Krankengeld erst aber 6 Wochen? Von was lebst bei einer Erkrankung von 2 Wochen?
Ich würde mit ca. 20 - 25% Einkommensteuer rechnen - lieber mehr als danach den Schock der Nachzahlung.
Wie schaffst du dir Rücklagen für eine evtl. Arbeitslosigkeit?
Du arbeitest also 5 x 24 Stunden = 120 Stunden dann hast 2 Wochen frei, dann wieder 120 Stunden = 280 Stunden pro Monat?
Wenn ich 20 Arbeitstage habe sind es 160 Stunden im Monat.

Mir würden auch die Sicherheiten fehlen, vor allem für die Rente und die Krankheitssabsicherung!
 
Fällt dieses Arrangement nicht unter Scheinselbständigkeit? Der Bekannte profitiert erheblich davon. Er spart bei den AG-Anteilen bei den Sozialkassen.

Unabhängig davon...
Wie ist eigentlich die finanzielle Absicherung bei Selbständigen wenn sie aus welchen Gründen auch immer, ihre Arbeit verlieren? "Arbeitslosengeld"? Lohnfortzahlung? EU-Rente?
Was ist mit der Bezahlung der Urlaubszeit?

Nimmt man das alles zusammen- dann schmilzt der "Gewinn" doch gewaltig. Bei 3000 Brutto kommen übrigens am Ende auch nur 1872 Netto raus. Bei deinen 1700 im KH fehlen doch sicher noch die Zuschläge-oder?

Elisabeth
 
Ich denke mit 900€ Abzüge kommst Du nicht aus. Alleine Krankenversicherung sind bei einem Einkommen von 3000€ um und bei 400€, mit Krankengeldanspruch(variiert natürlich von Kasse zu Kasse)Dazu kämen dann Rentenversicherung,Arbeitslosenversicherung,Berufsunfähigkeitsvers.,(Berufs-)Haftpflicht und und und.
Dazu kommt das es eine Scheinselbständigkeit ist und Du somit auch Lohnsteuer Zahlen musst.
(Scheinselbständigkeit ist es wenn man mehr als 80% in ein und demselben Haus arbeitet)
Unterm Strich würdest Du also verdammt schlecht fahren,wenn Du das Angebot annimmst.
Mal abgesehen vom finanziellen finde ich es auch fachlich doch sehr gewagt so eine"easy" Arbeit anzutreten:Hast Du 3 Jahre gearbeitet um dein Examen zu schaffen, um dann letztendlich nichts davon umsetzen zu können? Was machst Du wenn Du z.B nach 5 Jahren wieder im KH arbeiten willst? Faktisch bist Du dann immer noch auf dem Stand einer frisch examinierten was das Fachwissen...die Berufserfahrung betrifft:eek1:
Ernsthaft: Hast Du dein Examen wirklich gemacht um anschließend für Freizeitgestaltung und Essen kochen zuständig zu sein????????:gruebel:
 
Hallo Surfactant

Ich kann dir zwar keine genauen Zahlen geben, hatte aber vor kurzem ein Gespräch mit einem selbstständigen Anästesie-Pfleger, der bei uns im Haus 4 Wochen ausgeholfen hat. Er hat und zwar nicht gesagt, wie viel er genau bekommen hat, aber er hat erwähnt, dass man als selbstständiger mindestens den 3 fachen Bruttolohn bekommen muss, um Netto auf den gleichen Wert zu kommen wie ein Angestellter.
Ist aber auch verständlich:
Als Angestellter mit Lohnsteuerklasse 1 hat man ab etwa 4500,-Brutto nur noch 50% als Netto.
Der AG legt dann noch bei Rente, Arbeitslosenversicherung und Krankenversicherungen den gleichen Beitrag wie der Arbeitnehmer noch mal drauf. Steht zwar nicht auf dem Lohnzettel, ist aber so !!! (Meine Schwester war mal selbstständig.)

Daher mein Tipp an dich: Tu es nicht !!!!!

LG Einer
 
das sind alles sehr wichtige und berechtigte Fragen – viele davon hatte ich mir auch gestellt, bevor ich in die Selbstständigkeit gegangen bin. Ich versuch mal, Dir einen Überblick zu geben, wie das Ganze – speziell für Pflegekräfte – aktuell läuft:

Gesundheits- und Krankenpfleger*innen – werden in der Regel NICHT als Freiberufler anerkannt. Die Altenpfleger haben es hier leichter.
Das liegt hauptsächlich an der Einschätzung der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Die sagt ganz klar: KrankenpflegerInnen arbeiten auf ärztliche Anordnung und haben keine ausreichende Entscheidungsfreiheit. Das schließt eine Anerkennung als "echte Freiberufler" nach § 18 EStG meistens aus.

Die einzige Chance auf Anerkennung als freiberuflich tätige Pflegekraft besteht, wenn du eigenes Personal beschäftigst, also z. B. weitere Pflegekräfte anstellst. Dann wird unternehmerisches Risiko unterstellt – und das kann die DRV auf die Seite der freiberuflichen Tätigkeit kippen lassen.

Berufsverband/Gewerkschaft – Pflicht?
Nein, ist freiwillig. Kann aber sinnvoll sein, z. B. um Unterstützung in rechtlichen Fragen oder bei Fortbildungen zu bekommen. Berufsverbände wie der DBfK oder spezialisierte Vereinigungen wie Freie Pfleger*innen Netzwerke sind dafür da.


Wo muss ich mich anmelden?
Finanzamt: für Steuernummer & Tätigkeitsaufnahme
Deutsche Rentenversicherung (DRV): zur Prüfung auf Scheinselbstständigkeit (Pflicht!)
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst & Wohlfahrtspflege (BGW): Pflicht!
Krankenkasse: Selbstständige müssen sich dort melden – mit ca. 18–19 % Beitrag vom Einkommen, ohne Arbeitgeberanteil!

Vorher arbeitslos melden?
Wenn du aktuell arbeitslos bist oder Anspruch auf ALG I hast: Unbedingt vorher melden, sonst kann dein Anspruch verfallen. Die Nahtlosigkeit ist entscheidend.

Versicherungen
Berufshaftpflicht (Pflicht): ca. 200 €/Jahr
Rechtsschutz (optional, aber sinnvoll): besonders bei rechtlichen Auseinandersetzungen
Privathaftpflicht + ggf. Zusatzmodule für berufliche Risiken
Unfallversicherung: über BGW oder privat
Krankenversicherung: freiwillig gesetzlich oder privat (aber Vorsicht bei späterem Wechsel!). Rechne mit einem Höchstbeitrag, ca. 700 Euro monatlich

Rente / Altersvorsorge
Freiwillige Einzahlung in die gesetzliche Rentenkasse ist möglich – z. B. Mindestbeitrag ca. 80 €/Monat. Als Freiberufler bis du aber davon befreit. Dies ist aber nicht sinnvoll, die Jahre vergehen schnell und dann stehst du mit 60+ ohne Rente. Alternativ: private Altersvorsorge.

Steuerberater / Buchhaltung
Steuerberater ist nicht Pflicht, aber empfehlenswert, v. a. beim Jahresabschluss.
Ich arbeite mit einem Wirtschaftsprüfer zusammen – der nimmt etwa 1500 €/Jahr, das ist realistisch.
Für einfache Buchhaltung (Umsatz, Fahrtkosten, Arbeitsmittel etc.) reichen Tools wie Lexoffice, SevDesk usw.

Fortbildungen
Pflichtfortbildungen: Erste Hilfe & Reanimation alle 2 Jahre
Der Rest ist freiwillig – aber wichtig für Deine eigene Qualifikation.
Du musst die Nachweise für dich selbst und ggf. für Auftraggeber aufbewahren.

Umsatzsteuer & Einkommensteuer
Wenn du ausschließlich pflegeberuflich tätig bist, kannst du von der Umsatzsteuer befreit werden (§ 4 Nr. 14 UStG) – muss aber mit dem Finanzamt abgestimmt sein.
Du musst Einkommensteuer zahlen auf deinen Gewinn = Einnahmen minus Ausgaben (Auto, Kleidung, Fortbildungen, Software etc.)

Fahrzeugregelung
Entweder Fahrtenbuch oder die 1-%-Regelung (bzw. 0,5 % bei Hybrid oder 0,25 % bei E-Auto)
Auto kannst du anteilig absetzen, je nach Nutzung

Wichtig: Mindestens 3 Auftraggeber
Die DRV fordert mindestens 3 verschiedene Auftraggeber/Klienten, sonst droht Einstufung als Scheinselbstständigkeit – und das kann teuer werden.

Wenn du noch mehr Details brauchst – z. B. zur Vertragsgestaltung, Rechnungsstellung– sag einfach Bescheid. Ich helfe gerne weiter – gerade weil man als Freiberufler*in viel allein klären muss.

LG
Susjed
 

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