Nahrungsaufnahme in einer palliativen Situation

kräuterfrau

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Neureut, Karlsruhe
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GuK, Candida BA Angewandte Pflegewissenschaften
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Innere Medizin, Gastroenterologie, DHBW Student
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Gerätebeaufragte
Hallo ihr lieben,
ich arbeite gerade an einem prüfungsrelevanten Fallbeispiel und bin langsam am Verzweifeln. Ich mache kurz die wichtigsten Fakten.

Es handelt sich um einen 89-jährigen Mann. Vor 2 Jahren wurde bei ihm ein hepatozeluläres Karzinom diagnostiziert. Der Pat. hat eine Leberteilresektion und anschließend eine Chemotherapie bekommen. Vor 6 Monaten wurden dann die Lungenmetastasen festgestellt. Patient wurde aufgeklärt und lehnte weitere Therapie ab.

Aktuell wohnt er in einem Pflegeheim. Sein Allgemeinzustand hat sich verschlechtert. Er wirkt schläfrig und ist zeitweise somnolent. Er ist kachektisch und isst und trinkt kaum noch. Er hat Dyspnoe. Gestern klagte er über Übelkeit und hat 2x gallig erbrochen. Mundschleimhaut ist trocken und Hautturgor herabgesetzt. Urinausscheidung erfogt spontan, Urin ist konzentirert.

So weit so gut. Ich habe bis jetzt die zentralen pflegerischen Probleme gesammelt und die zu beachtende Punkte. Die Aufgabe ist Nahrungsaufnahme bezogen auf Förderung des Wohlbefindens und der Lebensqualität zu gestalten.
Und jetzt kommt meine eigentliche Frage. Ist Nahrungsverweigerung in einer palliativen Situation öfters Ausdruck einer Resignation? Oder sind es eher Symptome, die die Nahrungsaufnahme erschweren. Ich habe es selbstverständlich nicht vor meinen Patienten zwangs zu ernähren. AAAber was wenn Inappetenz mit dem Verschwinden der Symptome verschwindet. Sollte man Nahrungs- und Flüssigkeitsverweigerung als Ausdruck einer Resignation akzeptieren?
Eigentlich mache ich es mir schwer. Wir müssen so einen Handlungsplan zusammenstellen.

Im Prinzip geht es um das Konzept Palliative Care. Ich habe es so verstanden, dass Palliative Care allerlei Maßnahmen zusammenfasst, die der Erhaltung der Lebensqualität in einer palliativen Situation dienen. Somit richtet sich Nahrungsaufnahme nach den Wünschen des Pat. Also Wunschkost, Symtomkontrolle, Rahmenbedienungen der Nahrungsaufnahme dementsprechend gestalten (Basalae Stimulation), angenehme Körperlage(Aszites).

Eine weitere Frage zur Wirkung von Antiemetika. Ich habe es so verstanden, dass die entweder Chemorezeptoren blockieren, oder daz Zentrum im Hirn. Mein Patient hat eine Leberfunktioneinschränkung. Wenn die Gifte nicht mehr durch Erbrechen "ausgeschaltet" werden, werden sie in der Leber rausfiltriert. Wenn die Leber nicht mehr tut, wird man vergiftet? Also kommen nur Bio-Lebensmittel in Frage? Oder hab ich mir da zu viel zusammengedichtet.

Ich bin kein Handlungsplan-Typ. Wenn ich einen reelen Pat. habe funktioneirt mein Hirn immer besser. ..
 
Ist das Ziel nicht falsch formuliert? Warum fördert das Essen das Wohlbefinden?

Ich habe den Eindruck die Prioritätenkaskade ist falsch. Du suchst nach Gründen, warum er nicht essen kann. Geht es nicht erst um die Symptome trockene Mundschleimhaut und Übelkeit nebst Erbrechen?

Problem: Reduzierung der Flüssigkeitsaufnahme
Ursache: physiolog. Verlauf des Sterbeprozesses
Symptom: trockene Mundschleimhäute
Ressourcen: Schluckvorgang intakt
Ziel: Wohlbefinden
Maßnahme: Trinken anbieten nach indivduellem Bedürfnis, Mund anfeuchten

Problem: Übelkeit
Ursache: Anstieg Stoffwechselendprodukte
Symptom: Erbrechen
Ressourcen: ???
Ziel: Wohlbefinden:
Maßnahmen: ... da wisst ihr als Fachkräfte eher bescheid.

Elisabeth
 
Mein oberstes Pflegeziel würde lauten :

Pat.darf würdig sterben.....

Egal,ob nun die Schleimhäute trocken werden,der Pat.kachektisch ist,oder der Urin konzentriert.
Der Patient soll das bekommen,was IHM gut tut,wenn er schwallartig erbricht,wird die Nahrungsaufnahme ihm zum einen weder einen Genuss bereiten,noch wird sie dazu beitragen,dass der Pat.zunimmt.....

Der Patient soll sich wohlfühlen,ohne Schmerzen oder andere Qualen sein....das stünde bei mir an allererster Stelle!!!

Resignation bei einem fast 90-jährigen Mann,der unheilbar krank ist und sich in der Sterbephase befindet???8OMeiner Meinung nach der falsche Ausdruck.....
 
Resignation... da fallen mir die Sterbephasen nach Kübler-Ross ein. Vielleicht ist das, was wir als Resignation empfinden nichts weiter als das Annehmen des Schickals. Und ist das nicht das Ziel, was über allem stehen sollte: jeder soll in Frieden mit sich und der Welt gehen können und dürfen?

Elisabeth
 
Resignation bei einem fast 90-jährigen Mann,der unheilbar krank ist und sich in der Sterbephase befindet???8OMeiner Meinung nach der falsche Ausdruck.....
Genauso sehe ich das auch. Kein Mensch weiß was wirklich in diesem Körper vor sich geht. Nahrungsaufnahme kann sich sehr negativ auswirken. Im hiesigen Fall ist Übelkeit und Erbrechen angegeben. Ißt du noch freiwillig wenn du darunter leiden würdest?

Laßt den Mann sterben wie er möchte und akzeptiert sein Nein. Unterstützt ihn darin würdevoll zu sterben. Ich finde es schlimm wenn man Menschen in so einem Stadium noch Nahrung aufzwingen will. Wenn ich krank bin will ich auch nicht essen. Dieser Mensch ist mehr als krank. Ok das ist jetzt eine unprofessionelle Aussage, aber ihr versteht sicher was ich meine.
 
Etwas anderes als dem Menschen eine würdige letzte Lebensphase anzubieten wollte ich auch nicht. Und ihn zwangsernähren auch nicht. Ich weiß, es aber nicht wie man das optimal gestalten kann. Natürlich stehen die Wünsche des Patienten im Vordergrund. Ich habe Bedenken, dass zB "falsche" Lebensmittel Leiden verstärken. Oder, dass sich Hunger und Durst ungünstig auf den Allgemienzustand auswirken.

Ich habe es gestern fertig geschrieben mit folgenden Vorschlägen:
Wunschkost, mehrere kleine Mahlzeiten anbieten. Antiemetika, Schmerzmittel, Mundhygiene nach dem Wunsch gestalten.

Und leider bin ich keine Deutsch-muttersprachlerin und das mit Resignation... Finde jetzt keinen anderen Begriff. Durst und Hunger sind subjektives empfinden. Ich habe gedacht, es ist o.k. wenn sich ein Mensch dafür entschieden hat. Aber es ist Aufgabe einer Pflegekraft, dem Sterbenden so weit zu helfen, dass Nahrungsaufnahme falls gewünscht so gut wie möglich gestaltet wird.

Ich habe noch nicht so viel Pflegeerfahrung und ich muss mich mit solchenfragen auseinandersetzen. Und besonderes in so eoner Situation gibt es viele Fragen

Danke für ihre Antworten

.
 
Es ist ja auch absolut richtig das du dich mit solchen Fragen auseinandersetzt.
Menschen in solch einer Lage verspüren keinen Hunger und oft auch keinen Durst. Das angeblich so schreckliche "Verdursten" ist nicht schrecklich für diese Menschen. Es bringt nichts Flüssigkeit in einen Körper einzuflößen wenn er damit nichts mehr anfangen kann. Der Körper schützt sich selbst und bringt die letzte Kraft die er noch hat für wichtigeres auf als essen und trinken.

Man sieht das oft bei Flüssigkeitssubstitution via Infusionen. Die Patienten bilden heftige Ödeme weil der Körper die Flüssigkeit garnicht mehr verarbeiten kann.

Menschen die wirklich Durst verspüren trinken auch etwas. Aber dann wenige Schlucke, nicht die Mengen die wir ihnen einflößen wollen. Das nicht mehr essen und trinken wollen hat einen Sinn für mich. Es gehört zur Sterbephase dazu und viele alte Menschen reagieren so.

Ich kann das was ich jetzt hier geschrieben habe, nicht mit Links zu wissenschaftlichen Publikationen belegen. Es ist meine Erfahrung aus 12 jähriger Arbeit in der ambulanten Pflege.
 
Die Links zu wissenschaftlichen Publikationen findet ihr hier: Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e.V.

Ich stimme euch zu. Mit forcierter Nahrungs- und Flüssigkeitsgabe tut man Menschen in diesem Stadium keinen Gefallen. Bei Durstgefühl bietet sich die Befeuchtung der Mundschleimhaut mit Flüssigkeit an. Das geht via Pipette, Teelöffel Tupfer, Kompresse, Eiswürfel oder Sprühfläschchen (wenn Trinken an sich nicht möglich ist) und mit Wasser, Kaffee, Tee, Saft, Bier, Wein, Limo.....
 
Ich habe dich so verstanden, dass du in deiner Prüfung nach dem Prinzip des Pflegeprozesses vorhegen willst.

Du musst dann aber schauen, dass du die Probleme auch unter dem Aspekt des Sterbeprozesses bewertest. Du willst ja keine förderen udn aktivierende Pflege machen, sondern eine begeleitende Pflege anbieten. Da treten Kalorien- und Flüssigkeitszufuhr in den Hintergrund und du schaust nur auf die Folgesymptome. Du kannst und willst nichts ändern an den Ursachen bei z.B. der Mundtrockenheit. Aber auch wenn du die Ursachen nicht verändern kannst, bist du in der Lage alternative Angebote zu machen, die die Symptome lindern. z.B. Mund anfeuchten.

Im normalen Sterbeprozess wird ab einem bestimmten Zeitpunkt die Nahrungsaufnahme gänzlich eingestellt. Wahrscheinlich spürt Mensch, dass die Nährstoffaufnahme nicht mehr funzt. hat nix mit "Resignation" oder der Annahme des Schicksals zu tun. Ist rein physiologisch.

Elisabeth
 

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