Der mündige Patient - wirklich eine Ressource?

Elisabeth Dinse

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Krankenschwester, Fachkrankenschwester A/I, Praxisbegleiter Basale Stimulation
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Intensivüberwachung
Verantwortungsscheue Patienten: "Der Arzt wird's schon richten"
München (netdoktor.de) - Die eigene Gesundheit liegt in den Augen vieler Deutscher in der Hand anderer - jeder dritte Erwachsene hierzulande fühlt sich nicht selbst für seine Gesundheit verantwortlich
...
Auch was die Chancen auf Besserung von Beschwerden betrifft, machen viele Patienten von einer anderen Instanz abhängig - dem Schicksal: Glück oder Pech entscheidet darüber, ob man im Krankheitsfall wieder gesund wird, meinen 28 Prozent der Studienteilnehmer - anstatt zu glauben, die Heilungschancen auch selbst beeinflussen zu können.
...
"...Sobald der Patient das Rezept in der Hand hält, liegt damit aber auch buchstäblich der Erfolg der Therapie in seiner Hand."
Verantwortungsscheue Patienten: "Der Arzt wird's schon richten" | NetDoktor.de

Bestätigt meine Erfahrungen: Vollkaskomentalität. Würde auch erklären, warum viele Pat. das Bett im KH kaum verlassen. Der Doc und die Physiotherapie sind therapierende Instanzen. Pflege ist für das Wohlfühlprogramm zuständig.

Elisabeth
 
das kann ich auch nur bestätigen, also natürlich nicht bei allen, aber viele denken, man müsste nicht selbst was zur eingenen genesung dazutun. das ist sehr manchmal sehr frustrierend, wenn die ärzte oder auch pflegepersonen verantwortlich gemacht werden, wenns mal nicht 'berg auf' geht.

zum glück gibt es aber noch einige, die die aufgaben des krankenhauspersonals verstehen und auch aktiv an der genesung mitarbeiten, oder zumindest wissen, das gewisse erkrankungen immer wieder kommen, wenn man nicht sein ess-/trink-/rauch-verhalten ändert.
 
Oh ja, das fiel mir schon zu Beginn meiner Ausbildung auf: Pat. geben die Eigenverantwortung zusammen mit den Wertsachen an der Pforte ab. Viele halten Krankenhaus - Personal für faul, wenn man ihnen Motivation und aktives Gesundheitsbewusstsein abfordert...

Aber über die Hotelleistungen in KH`s wissen sie dann ziemlich gut Bescheid...

Das ist natürlich eine Verallgemeinerung. Zum Glück sind Pat. individuelle Wesen und nicht alle über einen Kamm zu scheren...
 
Ich hatte mal einen Chef,der bei seinen Visiten immer unsere
psychiatrischen Pat. verunsichert hat.Er fragte immer "was können wir für sie tun?" Er verglich die Klinik mit einen Lebensmittelladen - aus unserem Angebot sollten sie sich das aussuchen was für sie gut sei.Die wenigsten konnten damit was anfangen - schließlich ist der Arzt doch dafür verantwortlich,das es ihnen wieder gut geht. Als Therapieauftrag war ihm das aber zu wenig und viele Pat.fanden die Chefvisite nicht so toll.
Für uns war es sehr interessant,da wir gemerkt habe das Pat. sehr schnell die Verantwortung für ihre Gesundheit abgeben und dann unzufrieden sind wenn es ihnen nicht schnell wieder gut geht.
Therapie soll nix kosten und keine Mühe machen.
LG
Chalotta
 
Wir sollten nicht darüber jammern, wie unmündig Patienten sind, sondern uns darum kümmern, dass Patienten sich verantwortlich für sich selber fühlen!
Das kann nämlich auch Aufgabe der Pflege sein. Wen es interessiert, sollte mal nach Gesundheitsförderung, Empowerment usw. suchen.
Und außerdem: wieviele Patienten, die selbstbewusst auftreten und klare Forderungen stellen (eben mündig und selbstverantwortlich handeln), werden im Stationsalltag als unbequem und Nörgler empfunden?
Gruß
Philipp
 
HI
Ich sehe es taeglich auf unserer ortho station: pt. sollten am ersten tag raus aus bett und duschen etc. sitzen. und dann in der zweiten woche geht die reha los.viele patienten liegen den ganzen tag wie pfloecke im bett und stehen nur zur toilette auf oder wenn der physio um die ecke biegt. Und dann, wenn das knie geschwollen ist oder die musklen schwach sind, hatt entweder der physio keine ahnung, der doktor schuld oder das KPP nicht genug motivationshilfen gestellt.
ABER zum glueck haben wir auch den ein und andren superpatienten die unsere vorschlaege ernst nehmen und uns sogar zuhoeren und eigeniniative ergreifen also laufen trainieren und muskeln kraeftigen und so weiter. leider sind das nicht soooo viele.:flowerpower:mentalitaet ist so etwa wie: "ich bin hier privatpatient ich bewege mich nur wenn ich auch was geboten bekomme-sprich physio ect. ausserhalb dieses "entertainments" kann mich das pflegepersonal bedienen"
 
Hallo Flogging,

ich finde es ja interessant, dass es in Down Under ähnlich ist. Woher kommt diese Einstellung?
 
hi susi sonne:flowerpower:nschein- lol toller name :)
Ich weiss auch nicht, ich denke viel pt. haben eine enorme anspruchshaltung-ich bin hier topversichert also BITTE MACHT MICH MAL GESUND.
Auf unserer station ists ja noch ziemlich simpel: je mehr patient sich selber bewegt und trainiert je eher kommt er/sie normalerweise auf die beine.
Wir haben pat. gehabt die ihren aufenthalt wegen der versicherung rausgezoegert haben( dann kriegen sie $50 pro tag oder so) ODER sie verschweigen eine langjaehrige erkrankung und kommen dann mitten in ihrem rehaprogramm damit herraus um ihre "consultation" mit dem Kardiologist zu bekommen die dann ja von der versicherung bezahlt wird. ausserhalb,also ambulant muesste pt ja zuzahlen. also alle diese sachen spielen damit rein....
Ich denke auch das auch unerkannte depressionen da mit reinspielen koennten und patienten UNBEWUSST diese KH situation "geniessen" und gar nicht langsam genug gesunden koennen.....hier haben sie den bettnachbarn zum schwatzen,ablenkung, freie kost und logie und nette KP und physios die sich um sie kuemmern, muessen nicht arbeiten....nur so ein gedanke... bei unserer hohen rate von leuten mit Mental illness wuerde mich das auch nicht wundern. :gruebel:
 
Kommt vielleicht auch noch aus der Zeit, als man gar nicht wollte daß der Patient ungefragt irgendwas macht? Wo er brav stillzuliegen hatte bis der Gott in Weiß oder die Oberschwester was anderes befiehlt? Manche Eltern trauen sich bei uns nicht mal, ihr Neugeborenes anzufassen ohne vorher um Erlaubnis zu fragen...
 
Mir fallen da direkt zwei typische Vorfälle ein.
Ich werde zB häufig von den frisch operierten Patienten gefragt, ob sie denn die Arme oder den Kopf bewegen dürften. Die Leute liegen stocksteif im Bett und lassen sich teils sogar das getränk mit dem Schnabelbecher in den Mund schütten...
Zum anderen haben ich mich letztens sehr geärgert, es ging um eine Langzeitbeatmete Patientin, die seit über einem Monat bei uns liegt und sich weigert, sich auf die Bettkante mobilisieren zu lassen. Manchmal kann man sie pberreden, an jenem Tag wollte sie jedoch partout nicht, hat es strikt abgelehnt. Ich mag niemanden zu etwas zwingen, also habe ich alles andere mögliche getan, Herzbett, passive und aktive Bewegungsübungen, usw.
Nachmittags kommen dann die Töchter und äußern sich a la "Naja, wenn die Mutter bald in die Reha kommt dann wird sie ja vielleicht auch endlich mal raus gesetzt."
Da war ich echt perplex. Die Mutter will nicht, und die Pflege ist Schuld dran...
 
Unsere Kollegen in den Rehakliniken denken übrigens nicht selten, dass wir die Pat. so konditionieren, dass die Reha schon alles richten wird. Die Pat. sind dann entsetzt und sehr ungehalten, weil auch die Reha keine Wunder vollbringen kann.

Elisabeth
 
Da war ich echt perplex. Die Mutter will nicht, und die Pflege ist Schuld dran...

Hallo Paula,

Du sprichst mir aus der Seele! Solche Angehörige hab ich auch schon kennengelernt....

Schlimm ist es wenn sehr kranke Patienten z.B. Atemübungen wie CPAP verweigern und man genau weiss wie gut es ihnen aber tun würde und sie damit evtl. um die Reintubation kommen würden. Ich weiss dann oft nicht was ich machen soll und gebe im Endeffekt die Verantwortung dann an den diensthabenden Arzt ab. Soll sie oder er mit dem Patienten reden und nochmal die Notwendigkeit aufzeigen.

Einmal hab ich zum SD eine weinende Patientin (ca. 45 Jahre) übernommen. Mein Kollege der im FD die Patientin betreute, hat sie ohne Rücksicht auf ihren Protest stundenlang am CPAP-Gerät atmen lassen. Sie war 2 Tage zuvor extubiert worden nach einer 10 Tage langen Beatmungstherapie aufgrund einer Aspiration in der Ausleitung im OP.
Das lange "CPAPen" hat ihr sehr gutgetan, denn der RöThorax war am Abend deutlich besser. Aber die Dame war stinksauer und hat wie gesagt bitterlich geweint.

Sie hat sich, als es ihr besser ging, kurz vor der Entlassung nochmal heftigst über meine Kollegen beschwert, sties aber überall damit auf taube Ohren. Alle Ärzte standen hinter ihm. Hätte er es nicht so getan, wir hätten sie 100%ig wieder intubieren müssen, im weiteren Verlauf sicher tracheotomieren etc...

Aber, war das so richtig?........
 
Ich habe es ehedem auch so gehandhabt. Wenn Pat. kein Einsehen zeigt- nicht endlos diskutiert, sondern Arzt geholt. Wobei es da dann eigenartigerweise geht und Doc verwundert ist: gibt doch gar kein Problem.

Übrigens braucht man nicht immer einen Doc. Manchmal reicht schon ein männlicher Kollege. Da gehen manche Pat. auch schon in die Ehfurchtshaltung- Mann=Doc. *fg*

Elisabeth
 
Hallo,

ich habe am eigenen Leib zu spüren bekommen wie unerwünscht der mündige Patient doch im Krankenhaus ist.
Eine weitere Patientin genauso.

Sonnigste Grüsse
Narde
 
gehörst zu en 5 bzw. 23 % die sich aktiv an der Genesung beteiligen wollen. Damit bist so ne große Ausnahme, dass du den Betrieb störst mit deinen Vorstellungen. *g* Man ist auf die Abhängigen eingestellt.

Liegt das Problem vielleicht nicht nur im Patienten begründet?

Erlernte Hilflosigkeit bezeichnet das Phänomen, dass Menschen und Tiere infolge von Erfahrungen der Hilf- oder Machtlosigkeit ihr Verhaltensrepertoire dahingehend einengen, dass sie als unangenehm erlebte Zustände nicht mehr abstellen, obwohl sie es (von außen betrachtet) könnten.
...
Erlernte Hilflosigkeit ? Wikipedia

Ein Patient, der selbständig denkt und entsprechende Unterstützung einfordert passt net in den Stationsablauf. Er kostet Zeit mit seiner Individualität. Da sind die schnellen Wege nötig... und wenns net anders geht: per ärztl Anweisung.

Wieviel Infos bekommen unsere Pat.? Und sind die Aussagen der Mitglieder des therapeutischen Teams identisch? Sagt Martha im Frühdienst dasselbe wie Hildegard im Spätdienst und Agathe am nächsten Tag?

Elisabeth
 
Hm, dann frage ich mich, warum der mündige Patient als Ressource gesehen wird, wenn doch nicht erwünscht.

Ja was nun? Soll ich meine Mündigkeit bei der Aufnahme abgeben oder ist es eine Ressource?:motzen:
 
Wenn Pat. kein Einsehen zeigt- nicht endlos diskutiert, sondern Arzt geholt. Wobei es da dann eigenartigerweise geht und Doc verwundert ist: gibt doch gar kein Problem.

Also das habe ich mit Eifer aufgenommen und gelesen.

Ja wer ist denn die pflegerische und patientenansprechende sympatische Autorität etwa in einem KH?

So wie es mir jetzt so scheint, trauen so manche Pats den Schwestern und Pflegern nicht so recht über den Weg. ;-)

Na ja, vielleicht sehe ich es ja auch etwas übertrieben. Arztsache bleibt wohl im wesentlichen immer Arztsache und Pflegesache im wesentlichen immer Pflegeangelegenheit. Aber wie passt das zu einer medizinisch pflegerischen Kooperation die auch akademisch auf eine möglichst gleiche Stufe geführt bzw. geplant und angedacht worden ist?

Grüße
Neuron
 
Ja wer ist denn die pflegerische und patientenansprechende sympatische Autorität etwa in einem KH?
Geht nur um Kompetenz: Der DOKTOR ist grundsätzlich kompetent, die Schwester ist nur zum füttern und waschen da...

Heute war ich übrigens wieder "der Zivi" *grmpf*
;-)

Sry für OT
 
@Neuron Kannst du bitte das Eingangspost lesen? ich wäre dir sehr dankbar.

Zum Thema:
Bewältigungsstrategie, Copingstrategie, Coping (von englisch: to cope with = "bewältigen", "überwinden") bezeichnet die Art des Umgangs mit einem als bedeutsam und schwierig empfundenen Lebensereignis oder einer Lebensphase.
Bewältigungsstrategie ? Wikipedia

Kann es sein, dass die Arzthörigkeit etwas ist, was sich mit der Entwicklung der Medizin als Profession erst entwickelt hat? Fehlen jedem dritten Menschen mittlerweile die entsprechenden Copingstrategien im Umgang mit Krankheit und Leiden? Sie geraten in eine Hilflosigkeit und Abhängigkeit des Halbgottes in Weiß.

Bleibt die Frage: wie bekomme ich die Pat. aktiviert ohne große Überredungskünste? Wie kann ich die Ressource "mündiger Patient" aktivieren mit den Möglichkeiten, die mir zur Verfügung stehen? Den Doc nutzen. kann ja nur eine Facette sein.

Elisabeth
 
Zuletzt bearbeitet:
Kannst du bitte das Eingangspost lesen? ich wäre dir sehr dankbar.
Ja habe ich, unterstreicht nochmals deutlich meine Einschätzung, dass Pats. eben Pats. des Arztes sind und Pflegekräfte die Zimmermädchen, die Medis inkl. Injektionen pieksen plus Waschen und Essen anreichen plus pflegetechnisch Entlehrungen plus erforderlicher Hauthygiene durchführen.

@Elisabeth: deine Bemerkungen und Fragen beantworten nicht meine Fragen, die ich hier gestellt habe.
 

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