Bezugspflege in der psychiatrischen Pflege

  • Ersteller Ersteller Brady
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Hallo Brady,

erstmal vielen Dank für deine Mühe. Bezugspflege ist immer noch ein spannendes Thema.
Ich hab die 3 Beiträge mehr oder minder durchgelesen und muss leider feststellen, dass ich schon vor 20 Jahren nach diesen Grundsätzen ausgebildet worden bin ( Schweizer Psychiatriepflegeausbildung, jetzt in Deutschland angestellt).
Hat sich denn wirklich so wenig getan?
Ja, hat sich!

Die beschriebenen Modelle gehen immer noch von Vorstellungen aus, die mindestens 50% der Behandlungsstationen nicht erfüllen können. In erster Linie die Idee, Bezugspflege von der Aufnahme bis zur Entlassung und darüber hinaus an einer Bezugsperson festzumachen.

Wie ist die Realität:
- durchschnittliche Verweildauer liegt bei 18 Tagen auf psych. Aufnahmestationen
- der Psych-PV-Erfüllungsgrad liegt in Deutschland, schätze ich mal, nicht höher als 90%
- meine Aufnahmestationen arbeiten mit durchschnittlich 4-5 examinierten Kräften in 2 Tagschichten bei durchschn. 22 - 23 Patienten
- der Trend zur Teilzeitbeschäftigung hat in den letzten Jahren extrem zugenommen, das reicht von 11 - 30 Stunden pro Woche
- der Tarif gibt sinngemäß vor, die soziale Situation der Beschäftigten in angemessener Weise zu berücksichtigen ( was bedeutet, dass man Mütter geschweige denn Alleinerziehende nicht planen kann, wie es notwendig wäre [was ich als Alleinerziehender auch nur unterstützen kann!!])

Die Ideen und Anforderungen der beschriebenen Bezugspflege haben bei meinen KollegInnen immer wieder zu frustrierenden Erlebnissen geführt, da sie in dem Umfang einfach nicht abzubilden war.
Wurde ein Kollege krank über mehrere Tage, kam es zu extremen Verwerfungen des Dienstplans, der sowieso schon durch mannigfaltige Pflichtvorgaben ( Brandschutz, Suizidfortbildung, Deeskalation u. ä. ) absolut eingeschränkt zu schreiben ist.
Letztlich war die Bezugspflege die Organisation von Vertretungen der Vertretungen. Qualitätsorientierte Patientenbetreuung war das sicherlich nicht.
Aus diesen Vorgaben heraus habe ich vor 5 Monaten begonnen, ein anderes System der Bezugspflege einzuführen, das natürlich nicht mit Herrn Abderhalben mithalten kann, was aber ganz offensichtlich zu mehr Befriedigung bei meinen Kollegen führt, weil es sich an den Realitäten der Station orientiert.
Wenn Interess besteht, berichte ich gern mal darüber.

Liebe Grüße

Jorge
 
Hallo Jorge,

meine Idee war im insgeheimen, dass jemand sich zur heutigen Realität, so wie Du sie gut beschrieben hast äußert.

Wie kann Bezugspflege heute laufen, ohne dass man auf beiden Seiten nur Frust verspürt.
Ich habe großes Interesse an deinem Konzept und würde mich freuen darüber zu lesen.

Oft frage ich mich, kann man es überhaupt noch Bezugspflege nennen? Die Schwierigkeiten, die Du beschreibst, kommen mir nur zu bekannt vor.

Es geht bestimmt vielen so und es wäre eine gute Möglichkeit darüber im Kontakt zu bleiben.

Liebe Grüße Brady
 
Liebe Brady,

vielen Dank für dein Interesse. Hier also das, was ich mir überlegt und mit Hilfe meiner KollegInnen schon umgesetzt habe ( wir sind noch nicht am Ende der Umsetzung angelangt).

Ausgangspunkt ist, wie gesagt, die Überlegung, dass die Theorie von Needham/Abderhalben ( N/A) für viele Stationen nicht taugt. Die Kritikpunkte habe ich im ersten Postiing genannt.

Die Frage war also, wie ich das Paradigma " Ich muss die Pflege so organisieren, dass die N/A-Theorie erfüllt wird" anpasse bzw. verändere, dass sie den Vorgaben der Stationsalltags-Realität entspricht.

Das geht mit dieser Theorie nicht. Ich habe den umgekehrten Weg gewählt: "Wie passe ich die Realität einer Theorie an?".

Die Realität auf "meinen" Stationen ist: wenig Personal, viele Patienten, hohe Fallraten, kurze Verweildauern, Änderungen des Dienstplans durch Erkrankungen von MitarbeiterInnen. TeilzeitmitarbeiterInnen.

Ergo: ich muss die Ressourcen bündeln und konzentriert einsetzen.

So habe ich die Patienten in 3 Gruppen eingeteilt:

Kategorie 1 ( K1 ): Intensivpatienten
Kategorie 2 ( K2 ): Regelpatienten
Kategorie 3 ( K3 ): Rehabilitative Patienten

orientiert an den PsychPV-Kategorien.

Ein K1-Patient braucht mehr Ansprache als ein K3-Patient. Wir haben festgelegt, dass ein K1 1 mal pro Schicht, ein K2 1 mal in den Tagschichten, ein K3 1 mal pro Woche einen Kontakt haben muss.

Zunächst war Vorgabe, dass es ein Gespräch sein sollte, mit strukturiertem Bogen in einem geeignetem Setting, sprich Raum. Das lässt sich ob der Architektur und der schnelllebigen Arbeit nicht umsetzen. Deshalb der Begriff des "Kontaktes". Der kann auch auf dem Flur, beim Kochen oder beim Bettenmachen stattfinden.

Aber, und das ist mir wichtig, der Kontakt muss einen Bezug haben und das ist die Pflegeplanung. Sie ist zentraler Bestandteil dieser Bezugspflege. Der Kontakt ( bei einem depressiven Patienten kann das ja durchaus auch das konstruktive Schweigen ( im Extremfall) sein) muss sich immer auf die Pflegeplanung beziehen.

Ich nenne meine Theorie die "Dynamische Bezugspflege" im Gegensatz zur statischen BP. Sie muss sich den Gegebenheiten der Station ( wie oben beschrieben) anpassen. Sie ist flexibel. Was heißt das?

Einmal am Tag, morgens bei uns, wird festgelegt, welcher Patient in welche Kategorie eingeordnet wird. Die Frühschicht entscheidet also, welche Personalressourcen am Tag zur Verfügung stehen um welche Aufgaben der dynamischen BP abzudecken. Sie kann also entscheiden, wieviele K1 sie wirklich "erledigen" kann. Sie entscheidet, wieviele K2 sie "erledigen" kann und welche Patienten in der Spätschicht kontaktiert werden müssen.

Dies alles in Abhängigkeit zur Personalsituation, Krankheitsausfälle, Patientenbeanspruchung. Das bedeutet, das eventuell Patienten, die gestern noch K1 waren, heute aufgrund anderer Bedingungen K2 werden.
(In diesem Zusammenhang vielleicht ganz interessant, dass die Therapeuten kritisch angemerkt haben, dass dadurch ja die Qualität sinken würde. Auf meine Entgegnung, dass sie doch nichts anderes machen würden in Krankheits- oder Urlaubszeiten, nämlich zu entscheiden, welcher Patient dringend, welcher weniger dringend ist, konnten sie nichts mehr antworten...).

Hinter meiner völlig unwissenschaftlicher Theorie steckt die deutsche Semantik, die N/A nicht abbilden. Bezug und Beziehung sind einfach etwas anderes. Die N/A-Theorie bezieht sich auf Beziehung und ist deshalb, wie ich meine, falsch definiert (mit Verlaub). "Meine" Theorie basiert auf dem Bezug. Es wird ein Bezug zum Patienten hergestellt und der Patient kann einen Bezug zur Pflegekraft herstellen. Und dies können tatsächlich eben verschiedene Personen sein, die sich aber immer auf die Pflegeplanung beziehen. Und die gilt unabhängig von der Pflegekraft.

Mit der Dynamischen BP ist es möglich, Krankheitsausfälle, Häufung von intensiven Patienten und TeilzeitmitarbeiterInnen zu organiseren, ohne dass das Gefühl aufkomt, der wirklich wahren und richtigen N/A-BP nicht zu entsprechen oder ständig Vertretungssituationen zu regeln.

Und die Rückmeldungen der KollegInnen sind durchweg positiv. Sie habe nicht mehr das Gefühl, ständig zu "versagen", weil sie die Ansprüche nicht abdecken können. Sie sind zufriedener und deshalb auch engagierter geworden. Sie konstatieren, dass ihre Situation auf Station plötzlich einbindbar ist in etwas, was neben N/A Qualität bedeutet.

Soweit meine Erfahrungen. Natürlich betone ich gerne, dass wir uns erst am Anfang befinden. Einiges läuft schon völlig routiniert, anderes muss noch erarbeitet werden ( zB die weiteren Inhalte und Zuständigkeiten der tagbezogenen BP). Die Diskussionen auf Station haben mir gezeigt, dass es gar nicht so einfach ist, die Theorie von N/A aus den Köpfen rauszukriegen, trotz der Frustration, die deswegen entsteht, aber wenn das erst mal überwunden ist, bringt die Arbeit in der Dynamischen BP viel mehr Spaß, weil die Ergebnisse in die wirklichen Verhältnisse der Station eingebunden sind. 30-% - wie 100%-Mitarbeiter finden sich wieder.

So weit, so kurz... zu "meiner" Dynamischen Bezugspflege. Ich habe jetzt wenig über den organisatorischen Teil geschrieben oder wie ich vorgegangen bin bei der Einführung ( aber es ist ja auch so ziemlich lang...). Wen das interessiert, der soll sich bitte melden.

Ich würde mich über Rückmeldungen sehr freuen, wie ihr darüber denkt. Einiges habe ich ja nur angerissen, und verlangt vielleicht noch nach etwas mehr Ausführlichkeit. Vielleicht habt ihr ja ähnliche Erfahrungen oder ähnliche Projekte. Wäre spannend.

Insofern liebe Grüße

Jorge
 
Hallo Jorge,

danke. Ich finde es super, dass Du Dir darüber überhaupt Gedanken machst und nicht wie viele in Lethargie verfällst, man kann nichts tun und damit gar nichts tun.

Not macht erfinderisch*gg*, natürlich hätten wir alle es gerne besser, qualifizierter, sind so schon an den Grenzen, dies zu tun, was wir für fachlich richtig halten.

Zudem bedanke ich mich dafür, dass Du Dich mit dem System öffentlich zeigst, auf die Gefahr hin, dass andere dies bemängeln. Ok, könnte auch sagen, ich stelle mich der Kritik. Aber dies ist schon nicht einfach hier im Netz. Das geschriebene Wort steht erstmal und jeder kann Mängel finden.
Ich finde dein "System" auf dem ersten Blick erstmal gut. Es wägt ab und kann den Patienten dies bieten, was sie brauchen. Das Nötigste.
Wie teilt ihr sie in diese Kategorie ein?

Ich habe oft, das Gefühl, dass mir Patienten untergehen. Weißt, was ich meine? Diese, die nicht fordern, nicht von sich aus sagen, was sie brauchen. Jeden Kontakt vermeiden.

Ist dies auch bedacht? Patienten, die anstrengend sind fordern sowieso viel Raum, denke....Du weißt, das dies nicht negativ gemeint ist. Sondern, auch im Krankheitsbild liegt.

Ok, da habe ich auch das Team, verlasse mich darauf. Aber meine Insuffizienzgefühle, gehören wohl auch immer dazu.

Ich bin einfach neugierig und muss sagen; Danke.

Liebe Grüße Brady
 
Liebe Brady,

natürlich ist mein "System" kritisierbar. Das von N/A ist es ja auch, wie ich beschrieben habe. Aber bis jetzt sind wir beide ja unter uns. Vielleicht kommen ja noch andere dazu. Würde mich freuen.

Bei K1/K2/K3 beziehe ich mich jetzt auf mein oberes Posting.

Im Moment haben wir die Zuordnung noch unter "intensiver Betreuungsaufwand", "durchschnittlicher BA" und " weniger aufwändiger BA" gefasst. Vorgesehen ist, das im nächsten Jahr genauer zu definieren.

Es ist also eine Sache der anwesenden Frühschichtler zu entscheiden, in welche Karegorie der Patient fällt. Und das machen meine KollegInnen mit ihrer ganzen Erfahrung gut.

Es geht kein Patient verloren. Die Frühschichtler entscheiden ganz kompetent, wer in welche Kategorie gehört. Hierbei ist es nicht von Bedeutung, ob ein Patient eher manisch ist und 20 mal pro Tag den Kontakt zum Pflegepersonal sucht, oder ob er eher depressiv ist und sich in erster Linie zurück zieht. Die Einstufung in die Kategorie geht ganz allein davon aus, welche Kontaktquantität und natürlich-qualität die Pflege für notwendig hält. Ein Maniker kann durchaus K3 sein, weil er oder sie zum 25-sten Mal in der Klinik ist und einfach seine 3 Wochen braucht, um wieder eingestellt zu sein.
Der "Depressive", womöglich mit der Phantasie "suizidal" beschrieben, ist grundsätzlich in der K1.

Was aus der K1/K2-Kategorisierung folgt, ist, dass mindestens einmal pro Schicht/Tag ein qualifizierter Eintrag im Pflegebericht bezogen auf die Pflegeplanung folgt. Das ist für mich als Vorgesetztem aber auch für die Prüfung durch den MDK, der ja den Pflegeprozess abgebildet sehen will, von Vorteil. Die K3-ler erhalten mindestens einmal pro Woche diesen Eintrag.

So, für heute Schluss. Ich möchte noch betonen, dass über dem Ganzen die Idee steht, die Arbeit, die uns von anderen ( zu Recht, zB MDK oder Gesetze) aufgezwungen wird, für die KollegInnen vor Ort befriedigender zu gestalten. Wie gesagt, meine Erfahrungen sind, bis jetzt, sehr positiv.

Liebe Grüße

Jorge
 
Hallo!

So, ich bin auch neugierig ....

das klingt nicht schlecht, hätte aber gern noch mehr Informationen

Es gibt aber generell schon noch einen festen Bezug der auch die Anamnese und Planung erstellt?
Und die Einstufung nur die Kontakte bzw. die Bezugspflegegespräche anders organisiert? Oder wie muss ich mir das vorstellen?

Kannst du die Einstufung noch näher definieren? Gibt es bspw. feste Kriterien für die Einstufung?
Hast du dazu schon ein festes Konzept geschrieben?
Wie reagieren die Therapeuten darauf?
Wird auch festgelegt wer mit dem Patienten den Kontakt aufnimmt?


Glaub das waren erstmal genug fragen :gruebel:


Lieben Gruss
:spopkorns:
 
Hallo Eunerpan,


Es gibt aber generell schon noch einen festen Bezug der auch die Anamnese und Planung erstellt?

Nein; aber das ist auch kein Unterschied zu früher. Die Schichtmitarbeiter legen fest, wer die Aufnahmen macht. Der/diejenige macht die Anamnese und die Erstplanung.

Und die Einstufung nur die Kontakte bzw. die Bezugspflegegespräche anders organisiert? Oder wie muss ich mir das vorstellen?

Ich hab leider deine Frage nicht verstanden...

Kannst du die Einstufung noch näher definieren? Gibt es bspw. feste Kriterien für die Einstufung?

Nein, die gibt es noch! nicht. Das wird die Aufgabe im nächsten Jahr sein. Im Moment entscheiden die Anwesenden mit ihrer ganzen Erfahrung und ändern auch schon mal während der Schicht die Kategorie. Allerdings hätte ich aber doch schon gern, dass die Einstufung nicht ausschließlich aus dem Bauch heraus vorgenommen wird, sondern dass es tatsächlich einige Kriterien gibt, die die Kategorien definieren.

Hast du dazu schon ein festes Konzept geschrieben?

Ja, hab ich; aber das ist durch die Diskussionen mit den KollegInnen ständig im Wandel. Ich habe die Vorgabe gemacht, dass ein Konzept nur dann im Alltag zu übersetzen ist, wenn es die Situation auf Station zulässt.

Wie reagieren die Therapeuten darauf?

Es gibt Ärzte auf Station, die das überhaupt nicht interessiert. Sie machen ihr Jahr Akutpsychiatrie im Rahmen der Weiterbildung und gut.
Andere, die dauerhaft auf Station sind, haben nach bewährtem Muster reagiert: es gibt mehr Patienten, weniger Personal und die Qualität der Pflege sinkt unaufhörlich. Die Dynamische BP ist ein weiteres Beispiel dafür.
Chef- und Oberarzt sind informiert und unterstützen das Projekt. Da es vorher nur ein Modell gab (N/A), dass zumindest auf meinen Stationen niemand gearbeitet hat, ist mein Modell eine eindeutige Qualitätssteigerung (finde ich jedenfalls).

Wird auch festgelegt wer mit dem Patienten den Kontakt aufnimmt?

Eindeutig ja! Die Frühschichtler teilen sich selber für die Patienten ein, wenn es mehr Patienten als Möglichkeiten gibt, werden die restlichen der Spätschicht "übergeben". Die K3-Patienten werden pro Woche geplant. Das klappt sehr gut und führt, ganz nach meinem Konzept dazu, dass jeden Tag für etliche Patienten die Pflegeplanungen auf Aktualität überprüft und eventuell verändert werden.
Glaub das waren erstmal genug fragen :gruebel:

Na ja, eine Antwort musste ich dir schuldig bleiben. Vielleicht ja beim nächsten Mal.

Liebe Grüße

Jorge
 
Hallo!

Danke für deine ausführliche Antwort ...

Ich weiss warum du die Frage nicht verstanden hast
Da es bei euch keine namentlich benannte Bezugspflege gibt, gibt es "nur " diese von dir aufgeführten Kontakte... richtig?

Ich habe gerade eher die Idee entwickelt das bei uns als Unterstützung zu nehmen .... also die Kategorisierung der Patienten... die Anregung finde ich gut....
Die Verweildauer auf deiner Station ist auch kürzer als bei uns .... ihr seid eine reine Aufnahmestation, wenn ich das richtig verstanden habe?!

Wird dann der Tag bei den k3ern geplant an dem Kontakt hergestellt werden soll oder auch die Person die lt. Dienstplan zur Verfügung steht? oder wird das an dem Tag entschieden?

Wo werden die langfristigeren Kontaktplanungen festgehalten? Auf einer Tafel in einem Buch? In der Kurve?:gruebel:


Fragen über Fragen :mrgreen:


Lieben Gruss
:spopkorns:
 
Liebe Eunerpan,

Da es bei euch keine namentlich benannte Bezugspflege gibt, gibt es "nur " diese von dir aufgeführten Kontakte... richtig?

Nein. Die Bezugsschwester ( und eben nicht die "Beziehungs"schwester, zumindest nicht in erster Linie) steht mit Namen fest; sie wird nur nicht durchgehend von Beginn bis Ende der Behandlung festgelegt, sondern jeden Morgen neu. Aber natürlich kann hier auch der Dienstplan zugrunde gelegt werden: wenn eine Schwester 5 Dienste am Stück hat, wird sie auch 5 mal zuständig sein.

Die Verweildauer auf deiner Station ist auch kürzer als bei uns .... ihr seid eine reine Aufnahmestation, wenn ich das richtig verstanden habe?!

Jein. Ich bin auch für eine mittelfristige Weiterbehandlungsstation zuständig mit ca. 25 Tagen Verweildauer.

Wird dann der Tag bei den k3ern geplant an dem Kontakt hergestellt werden soll oder auch die Person die lt. Dienstplan zur Verfügung steht? oder wird das an dem Tag entschieden?
Wo werden die langfristigeren Kontaktplanungen festgehalten? Auf einer Tafel in einem Buch? In der Kurve?

Die K3-er werden mit Datum auf der Patiententafel notiert, so gehen sie nicht verloren. Die Entscheidung über den Termin wird auf der einmal wöchentlich stattfindenden Pflegeplanungsbesprechung getroffen, so dass auch hier versucht werden kann, die gleiche Bezugsschwester wie beim vorherigen Kontakt einzuteilen. Bei der Frühschichtplanung an dem Tag werden sie "verteilt".

Hilfreich?

Liebe Grüße

Jorge

und noch ein PS: ich freu mich immer, wenn auch bei Beiträgen in Foren eine "schöne" Anrede in dem Fall mit Nickname und eine "schöne" Verabschiedung mit eigenem Nickname benutzt wird.....Macht das Ganze etwas persönlicher, wie ich finde. Nichts für Ungut.
 
Hallo Jorge,

da Abderhalden und auch Needham es wichtig erachten, dass es als Bezug benannt wird und somit auch die Form von Bezugsperson mit Nachnamen fordert, ist dies schon sehr lange für mich eine Selbstverständlichkeit.

Wie handhabt ihr diese fachliche Vorgabe? Ich will jetzt nicht schon wieder einen neuen Thread zu eröffnen zu diesem alten Thema. Aber da es eine fachliche Forderung ist, muss ich wohl auch da durch, auch wenn es mir langsam müssig wird. *gg*

Siehe auch dazu die Links, die ich im ersten Beitrag reingestellt habe.

Wer ist bei euren Pflegeplanungsgesprächen dabei? Nimmt da nur die Pflege dran teil oder als multiprofessionelles Team?

Liebe Grüße Brady
 
Hallo erst mal,

ich habe dieses Thema mit Interesse gelesen. Ich arbeite auf einer psychotherapeutischen Station und da ist Bezugspflege ein "Muss". Unsere Arbeitsweise kann man natürlich nicht mit der auf einer Akut- bzw.Aufnahmestation vergleichen. Habe auf Grund meiner Fachausbildung auf einer Akutstation gearbeitet. Mußte da ebenso die Erfahrung machen, dass eine individuelle, "dynamische" (find ich gut) so gut wie gar nicht praktiziert wurde. Ein "Hauptgrund" hierfür könnte(!) man sicherlich die personelle Besetzung nennen. Z.Bsp. im Spätdienst 2 Pflegekräfte, dazu im ZD 1, wobei nicht alle 3 dann immer exam.Kräfte sind. Bei 19 Planbetten gibt es 2 Intensivzimmer mit je 3 Betten. Wobei der ISTbestand, wie fast überall, fast ständig höher liegt. Die Pat. in den Intensivzimmer nehemn dabei den größten pflegerischen Aufwand in Anspruch, wobei leider die anderen Pat. oftmals auf der Strecke blieben. Ich persönlich kam damit nicht besonders gut klar,da doch einige Pat. einfach "untergehen". Ich finde das Konzept von "Jorge" wirklich gut und werde dies mal weiter geben (wenn ich darf). Ich finde, wenn man von der vorherrschenden Struktur etwas abweicht, könnte doch ein wenig geändert werden.
Bei uns in der Psychotherapie (auch, wenn es kein Vergleich ist) wird die Bezugspflege wie folgt durchgeführt:
Der Bezugstherapeuthen bespricht im Team die mögliche/notwendige Vorgehensweise der Therapie. Da sich bei uns jeder individuell auf bestimmte Krankheitsbilder (z.Bsp. Zwängerkr., Angsterkr., Essstör.,Borderline etc)spezialisiert hat, wird dann die Bezugspflege (Wurde auch zuvor vom Psychologen mit Pat. besprochen) zu geteilt. Unter Einbezug des Dienstplanes sind es dann meistens 2 Pflegekräfte (bedingt durch Schichtdienst), die die Bezugspflege übernehmen. So ist gewährleistet, dass fast tägl. der jeweilige Patientenkontakt stattfindet, ob im Früh- oder Spätdienst. Die Team(zusammen)arbeit steht bei uns an oberster Stelle.
Nun gut, war mal ganz grob geschildert, weiß, daß es auf einer Psychotherapie anders läuft.

Liebe Grüße
Bruder A.
 
Liebe Brady und Bruder A.,

werden ja immer mehr :-), die sich an der Diskussion beteiliegen. Freut mich.

Also mal ein paar Anmerkumgen vorweg:

Ich hab zwar ein bisschen studiert, aber nicht Pflegewissenschaften
Die Theorie der Bezugspflege von N/A ist etabliert und kann von mir in den Grundfesten natürlich nicht erschüttert werden.

Aber - und das macht es für mich spannend - man kann ja mal ein bisschen diskutieren....

Abderhalben und Needham haben "Deutsch" nicht als Muttersprache genossen.
Und, das ist wahrscheinlich ohne Einwände festzustellen, ihr Bezugspflegemodell orientiert sich an Gegebenheiten, die auf etlichen Stationen so nicht abbildbar sind.

"Bezug" definiert sich in der Mehrzahl der Möglichkeiten im Deutschen auf "Etwas", also etwas Sächliches.
"Beziehung" ist immer auf "Jemanden" bezogen.

Selbst wenn ich sage:"Ich nehme Bezug auf Abderhalben" meine ich nicht den Menschen, sondern eine seiner seiner Veröffentlichungen.

Insofern glaube ich, bis jetzt zumindest, dass ich richtig liege, wenn die "Bezugspflege" von N/A eigentlich "Beziehungspflege" heißen müsste, die geplant und prozesshaft ablaufen sollte. Und ich habe lange genug in dieser Form der Bezugspflege gearbeitet, psycho- wie sozialtherapeutisch. Aber "Beziehungspflege" ist im Deutschen ganz anders besetzt, als das, was ich meine...Geht eher in Richtung "Bestechung"....

"Mein" Modell hat also eher mit Bezugspflege zu tun, weil es sich, leider!!, nicht so sehr an der Beziehungspflege zum Patienten orientiert, sondern eher an dem Bezug zur Pflegeplanung.

Na, jetzt bin ich ins theoretische reingerutscht. Völlig neue Gedanken.

Zu Brady: Was den "Nachnamen" angeht, gibts keinen Unterschied. Fernziel von mir ist, dass auf der Patienteninformationstafel auf dem Flur irgendwann nicht nur die Termine der Therapeuten stehen, sondern auch die der Bezugsschwestern mit Namen.

An den Pflegeplanungsgesprächen nehmen auf den Aufnahmestationen nur die Pflege, auf der Weiterbehandlungsstation auch der Psychologe teil, worüber ich mich sehr freue, weil ich eine Abstimmung mit den Zielen der Therapeuten sehr wichtig finde.

Zu Bruder A.: Du hast den Unterschied sehr gut geschildert und es ehrt dich, dass dir das bewusst ist. Meine Erfahrung ist leider, dass Schwestern/Pfleger, die in der Psychotherapie arbeiten, sehr schnell vergessen, dass es sowas wie Zwangsmaßnahmen gibt und den Kopf ein wenig hoch halten, wenn es um diejenigen geht, die die Patienten für eine weitere Behandlung auf den Psychotherapiestationen vorbereiten.

Und genau das möchte ich verhindern: dass Patienten ob der vielfältigen Beanspruchungen des Pflegepersonals "untergehen".

So weit mal.

Liebe Grüße

Jorge
 
Zu Bruder A.: Du hast den Unterschied sehr gut geschildert und es ehrt dich, dass dir das bewusst ist. Meine Erfahrung ist leider, dass Schwestern/Pfleger, die in der Psychotherapie arbeiten, sehr schnell vergessen, dass es sowas wie Zwangsmaßnahmen gibt und den Kopf ein wenig hoch halten, wenn es um diejenigen geht, die die Patienten für eine weitere Behandlung auf den Psychotherapiestationen vorbereiten


Hallo Jorge,

ich finde es traurig, dass es innerhalb eines Fachgebietes solchen mangelnden gegenseitigen Respekt gibt. Ich hatte diesbezüglich andere Erfahrungen gemacht. So war es z.Bsp. so, dass bei wirklich notwendigen Verlegungen in den Akutbereich, von dieser Seite dann abwertende Äußerungen kamen. Ich habe selbst einen längeren Zeitraum, auf Grund eines Praktikums, auf der Akutstation gearbeitet. Ich kann sagen, dass ich ein relativ gutes Verhältnis zu den Kollegen habe. Klar wurde ich mit den Worten " jetzt lernst Du mal richtig arbeiten"im Spaß begrüßt. Was mich aber beeindruckt hat, obwohl ich doch auch darüber erschrocken war, dass fast alle wissen wollten, was alles eigentlich unsere Arbeit auf der Psychotherapie beinhaltet. Es war ein wirklich guter Erfahrungsausstausch. Ein Ergebnis war u.a., dass man untereinander für einen gewissen Zeitraum, die Pflegekräfte austauscht, so dass jeder Einblicke in das jeweilige Tätigkeitsfeld bekommt u. vielleicht auch Impulse für manche Behandlungsmöglichkeiten gegeben werden. Eine kleine Anmerkung dazu muß ich aber noch machen, oft ist es aber auch so, dass gewisse andere "Mächte" eine reibungslose Zusammenarbeit gar nicht wollen.
Weiß ich bin mit meinem Beitrag ein wenig am Thema vorbei geschlittert, aber ich finde, dass man innerhalb des Fachbereiches Psychiatrie viel voneinader lernen kann, auch in Bezug auf Bezugspflege. Ich finde, es gibt gute Konzepte und es ist doch schon ein kleiner Erfolg, wenn man diese individuell auf seine Möglichkeiten abstimmen kann. Auch wenn es nur Teile sind, es ist ein Anfang und kommt, was das Wichtigste ist, dem Patienten zu Gute.

LG Bruder A.
 

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