Ich beobachte zunehmend, dass infolge des Personalmangels viele Kollegen sehr dünnhäutig werden. Was man früher mit Verstand, Humor oder Kreativität gelöst hat, wird heute als Beleidigung und Angriff auf die Persönlichkeit gewertet.
Es fällt auf, dass AG durch falsch verstandene Wettbewerbsfähigkeit die Messlatte für den Service sehr hoch schrauben... aber kein Personal für die Einhaltung der Angebote vorhält. Es werden Angebote offeriert, die der Pat. ohne die entsprechende Info gar nicht abgefragt hätte, weil sie nach seinem (ehemaligen) Verständnis gar nicht erwartet wurden.
In der Ausbildung bekommt Pflegekraft viel zu viele Ideale eingepflanzt. Es wird eine heile Welt vorgegaukelt. Eine Vorbereitung auf den Alltag erfolgt nicht.
Die demographische Veränderung der Gesellschaft erhöht den Anteil dementiell veränderter Klientel. Auch hier fehlt jegliche Wissensvermittlung. Hier im Forum zu erkennen an Diskussionen zum Thema: Übergriff. Die wenigsten wissen um neurologische und psychische Ursachen für Verhaltensänderungen. Gerade letztere werden auch selten diagnostisch durch eintsprechende medizinische Spezialisten abgeklärt.
Nicht wenige, die in die Pflege gehen, tun dies um zu helfen. Wenn dann der Dank für diese Hilfe ausbleibt baut sich schnell Frust auf.
Pflegebedürftige werden schneller entmündigt. Man gibt ihnen keine Zeit, ihre Ressourcen zu nutzen. Das bringt Unmut auf der Betroffenenseite.
Angehörige haben selten bis nie erlebt, wie es ist sich auf einen alten Menschen einzustellen. Sie sind überhaupt nicht darauf vorbereitet, wenn es darum geht, dass Mutter oder Vater pfelgebedürftig werden. Die jetzige Generation hat es nicht mehr erlebt, wie man einen Sterbenden begleitet. Pflegebedürftige wurden in entsprechende Institutionen gegeben. Solange die Einnahmen der Kassen ausreichten war das auch kein Problem. Es wird erst jetzt zum Problem und wird sich in Zukunft weiter verschärfen.
In vielen Pflegeheimen geht es zu wie im Krankenhaus- kaum Individualität. Die Bewohner müssen sich rigiden Vorgaben unterwerfen. Eigene Entscheidungen wirken störend auf den Ablauf. Das erzeugt nicht selten Wut auf den, der dies vermeintlich zu verantworten hat.
Krankheit und Sterben werden in unserer Gesellschaft als Störfaktor wahrgenommen. Es wird immer noch das Ideal des fiten und dynamischen Menschens verbreitet. Man erwartet bis ins hohe Alter eine Eigenständigkeit. Wenn dies nicht vorhanden ist, wird der Mensch zum Kostenfaktor.
Kaum jemand weiß, wie teuer Pflege tatsächlich ist. man wünscht eine 24-Stunden-Pflege und ist entsetzt, wenn man dies finanziell unterstützen muss. Der Vollkaskogedanke bezüglich Kranken- und Pflegekasse ist fest zementiert in den Köpfen der Mitbürger. Und Pflege hat für viel etwas mit dem Akt der Nächstenlieb zu tun. Für die Bezahlung muss ein Obulus und ein "Vergelts Gott" doch reichen.
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Und wie kann man das Dilemma nun lösen?
Pflege definieren. Was will, was braucht der Pflegebedürftige. Was kann und will Pflege leisten? Und welche Ausbildung brauchts für welche Tätigkeit?
Dafür brauchts endlich eine entsprechende Institution, die dies deutlich vertritt. Die Berufsverbände haben da bisher m.E. versagt.
Jeder- und ich meine wirklich jeder- muss sich aktiv beteiligen, wenns um Veränderung in der Pflegelandschaft geht. Dazu gehört die Entwicklung eines Selbstbewusstseins und die Bereitschaft Verantwortung für die Entwicklung der Pflege zu übernehmen. Dazu gehört, dass es selbstverständlich ist mit Eintritt ins Berufsleben sich in einem der Berufsverbände zu organisieren.
Pflegebedürftige und Angehörige brauchen Infos, wie teuer die Pflege ist. Wofür wird welches Geld verbraucht? Wie teuer ist die Krankenschwesterstunde. Wie teuer ist die Helferstunde. Der Pflegebedürftige/ Angehörige muss wählen können, welche Qualität er möchte. Nicht wir bestimmen, sondern der Kunde. Und wir sind auch nicht verantwortlich, wenn dem Kunden durch seine, trotz Beratung, falsche Entscheidung ein Schaden entsteht. Wir sind nicht die Samariter der Nation.
Krankenhäuser müssen Rechnungen ausgeben, aus denen sich detailliert ergibt, wofür was bezahlt wird. Die Unsittte, dass Pflegekräfte für Servicearbeiten eingesetzt werden gehört abgeschafft. Auch im Krankenhaus muss zwingend ein Personalmix eingeführt werden. Dabei sollte beachtet werden, dass bereits jetzt viele Pflegetätigkeiten durch Laien (Zivi, FSJ) durchgeführt werden ohne gravierende Qualitätseinbuße. Diese "Laien"-pflege sollte entsprechend ausgebaut werden um Kosten zu senken. Um einen Waschlappen anzureichen und Essen auszutragen sowie Parameter nach Ansage zu erheben, braucht es keine dreijährige Ausbildung. Selbst die einjährigen wären da schon überqualifiziert.
Die Ausbildung gehört dringend überdacht und muss an den Bedarf angepasst werden. Es muss realitätsnäher unterrichtet werden. Ein Bachelorstudium darf nicht in eine Leitungstätigkeit münden sondern muss bereits Spezialisten für Pflege ausbilden. Die aktuelle Ausbildung hat als Ziel Generalisten. Sie hat neben dem BA seine Berechtigung. Wobei auch hier der Einsatz neu überdacht erden muss- siehe oben.
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Ergo: Aktiv werden. Nicht reagieren, sondern agieren. Es kommt niemand, der uns aus dem Tal rausholt. Das wird auch nicht durch einen Artikel erreicht. Eine Reportage wird gesehen und dann vergessen. Nur wir selbst können es ändern.
Also Hintern hoch und aufhören zu Jammern.
Elisabeth