Umgang mit Patienten im Durchgang

Paula Puschel

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30.03.2007
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843
Ort
Bonn
Beruf
Exam. Gesundheits- u. Krankenpflegerin, Medizinstudentin
Akt. Einsatzbereich
Psychiatrie
Hallo zusammen,

mich würde mal interessieren wie ihr mit Patienten im Durchgang umgeht und welche Erfahrungen ihr mit verschiedenen Ansätzen gemacht habt.
Bei uns gibt es Post OP sehr viele Patienten mit Durchgangssysndrom, und mir fällt der Umgang mit ihnen sehr schwer.
Viele Kollegen greifen zu Clonidin, Haldol, Tavor oder Propofol. Andere Fixieren. Manche Brüllen die Patienten an.
Ich habe es mal mit Validation versucht und hatte das Gefühl dass das deutlich besser funktioniert als zB Anschreien des Patienten.
Viele versuchen auch den Patienten zu erklären wo sie sind und dass die Sachen die sie sehen nicht real sind.
Ich finde das ziemlich grausam.
Was kann man machen wenn ein Patient die ganze Nacht um Hilfe ruft, sich windet und überhaupt nicht zur Ruhe findet?
Mich würden also wirklich eure Erfahrungsberichte interessieren.

Gruß, Puschel
 
*(Defekter) Link entfernt*

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Zwei sehr lesenswerte Beiträge, die vielleicht helfen das Verständnis herzustellen.

Elisabeth
 
Hallo Elisabeth,

auf diese Beiträge bin ich auch schon gestoßen und fand vor allem den zweiten sehr hilfreich. Ich möchte auch nicht zu den Leuten gehören die unreflektiert verwirrte Menschen anschreien, festhalten und sie in ihrer Ansgt noch bestärken.
Doch wie kann ich diese Ansätze wirklich in die Tat umsetzen?
Soll ich in die Gedankenwelt des Patienten eintauchen, mich den ganzen Dienst über in dieser aufhalten und ihn bestärken?
Wenn ich nur kurz angebunden "Jaja, Herr Müller, wir sind hier auf dem Schiff Richtung New York" brumme, wird das doch nicht wirklich einen positiven Effekt haben, oder?
Und wie kann ich basale Stimulation bei einem verwirrten Patienten anwenden?
Gibt es außer einer beruhigenden Waschung noch andere Möglichkeiten? Ich kann ja nicht alle zwei Stunden eine Waschung durchführen.
Ich muss einfach wissen, wie ich versuchen kann den Patienten maximal zu unterstützen.
Außerdem fällt es mir schwer die Gedankengänge dieser Patienten von mir abzugrenzen. Ich stelle es mir schrecklich vor, da zu liegen (evtl fixiert), Ansgt zu haben, die ganze Zeit zu rufen und niemand kommt um einem zu helfen. Eventuell wird man sogar noch verhöhnt ("Das bringt doch nichts Herr Müller, wir sind sowieso stärker! Sie brauchen sich gar nicht wehren!") und die Realität wird einem genommen ("Wir sind doch hier nicht auf einem Schiff, wissen Sie denn nicht mehr dass sie letzte Woche operiert wurden?"). Irgendwie komme ich damit ganz schlecht zurecht.
 
Gibt es bei euch irgendwelche entsprechenden Fortbildungen?
Falls ja, besorg dir doch mal nen Aushang dazu und sprich das in einer Teambesprechung oÄ (zB Übergabe) mal an.

Wenn es keine FoBi gibt, wende dich an die zuständigen Personen und schlage eine solche vor...
 
Stell dir vor, du stehst einem Löwen gegenüber und versuchst zu fliehen... und dann kommt jemand und streicht deine aufgestellten Haare wieder in die richtige Richtung und schon bemerkts du: es ist gar kein Löwe sondern die neue Frisur der Doktorin.

Alles hat Grenzen- auch die basale Stimulation.

Erts mal sollte eine Akzeptanz da sein, dass es eine hirnorganische Störung ist. Da helfen zum einen sicher auch die von dir beschriebenen Medis. Sohe das oben angeführte Beispiel: du schaffst es nicht aus deinem Traum aufzutauchen... muss grauenvoll sein.

Aber die Medis alleine werdens nicht richten. Hast du schon mal versucht deine Arbeitsumgebung mit anderen Augen zu sehen? Was sieht man und wie könnte man dies auch interpretieren, wenn man die Funktion net kennt. Was hörts du? Woran erinnern dich die Geräusche? Gibt es ähnliche Geräusche im Alltag? Was riecht man? Gibts da Parallelen zum Alltag? Was fühlt der Pat.? usw., usw.

Manchmal muss man mit ins imaginäre Flugzeug steigen um den Zugang zum Pat. zu bekommen. Aber das kann man nicht standardisieren. Den nächsten wird es irritieren, wenn du seine Gantasien bestärkst, weil er merkt das es eigentlich keine Realität ist. Den würdest du mit dem Brummen eher irritieren.

Es ist und bleibt ein schwieriges Unterfangen. Einhalten von Ritualen: immer wenn das und das passiert, dann folgt das und das. Beim Waschen würde es bedeuten, dass du versuchst möglichst nahe an seiner Erfahrung zu bleiben. Es muss net gleich die "Haare streichen" sein- da sind das eigene Duschgel, die eigene Zahnpasta, die eigene Zahnbürste schon eine große Hilfe sich zu orientieren.
Ganz wichtig: Ruhe ausstrahlen. Wo geschrien wird muss Gefahr sein... würde bedeuten der Pat. versucht "zu fliehen" oder stellt auf psychosomat. Rückzug. Beides willst du nicht.
Tagesrhythmus nachempfinden über Licht anpassen. Der Mensch schläft wenns dunkel ist. Und wenn man Angst hat, dann macht man zu hause auch net die große Beleuchtung an, sondern hat ein kleines Licht.
Angehörige miteinbeziehen. Ein anwesender Angehöriger signalisiert: hier ist die Familie. Alles wird gut, die Familie wird dich schützen.

Ergo: Medis sind nicht zu verteufeln. In Zusammenhang mit den Pflegeangeboten sidn sie eine sinnvolle Therapie.

Elisabeth
 
Hallo Paula,

manchmal muss man die Patienten auch "erden". Klingt komisch, ist aber so.

Ich hatte einen Patienten der sich unbedingt hinlegen wollte und endlich in sein Bett wollte.
Es nützte wenig ihm immer wieder zu sagen Herr Puschel, sie liegen schon im Bett....
Herr Puschel wollte sich endlich hinlegen....

Er hatte total die Orientierung im Bett verloren und kannte seine "Grenzen" nicht mehr.

Ich habe seine Füsse vibriert, ihn ganz eng in seine Decke "eingepackt", davor noch eine Handmassage (Ein Schelm, der Schlimmes dabei denkt:verwirrt:)
danach hat der Patient die ganze Nacht geschlafen.
Wichtig auch: Licht aus Nachts in der Box und Alarme leise stellen, sonst denkst du bist im falschen Film.

Eine Patientin wurde nachts fixiert und brüllte durch die ganze Station um Hilfe. Auf die Frage warum sie so schreit: Ja, was täten sie an meiner Stelle, wenn sie angebunden wären wie ein Tier?
Nachdem die Fixierung ab war, war auch die Patientin friedlich, sie "befingerte" ihre Zugänge, würde ich übrigens auch machen, wenn ich wach werde und irgendwas in meiner Nase drückt oder komisch riecht (Sauerstoffbrille/Maske).


Was nützt kann dir keiner vorab sagen, bei ihm war dies sehr wirkungsvoll.

Liebe Grüsse
Narde
 
Viele Kollegen greifen zu Clonidin, Haldol, Tavor oder Propofol. Andere Fixieren. Manche Brüllen die Patienten an.

Ok, ich arbeite zwar mit Kindern und da sieht ein Durchgang etwas anders aus, aber was du oben beschreibst, bedarf etwas Reflexion.

Medikamente und Fixieren, sind Arztsache. Der setzt es an. Pflege setzt es nur um. Hattest du das gemeint?
Hier in der Kinderurologie fixieren wir die Kinder schon des Blasendauerkatheters wegen. Wir haben hier allerdings mit speziellen Gestellen (Dreibein) und sog. "Leibchen" (selbstgenähte Kreuzung aus OP-Hemd und Zwangsjacke) eine sehr humane Fixiermöglichkeit (bis zu 11 Tage am Stück, je nach Liegedauer des DK) für die Patienten gefunden. Es wird von Kleinkindern gut toleriert und auf Grund der speziellen "Bindetechnik" kaum als "Fesseln" empfunden. Das "Freiheitsgefühl" bleibt soszusagen erhalten.
Wir setzen in einigen Situationen aber auch zusätzlich Sedativa ein.

Das mit dem "Anschreien" ist für mich durchaus nachvollziehbar, warum das passiert. Das ändert aber nichts daran, dass es per Definition Gewalt ist und in keinster Weise tolleriert werden darf. Das ist Falsch! Pflegekräfte die sowas ohne Einsicht tun, brauchen dringend Hilfe bzw. die Patienten müssen vor ihnen geschützt werden.
 
Er hatte total die Orientierung im Bett verloren und kannte seine "Grenzen" nicht mehr.

Ich habe seine Füsse vibriert, ihn ganz eng in seine Decke "eingepackt"

Faszinierend das aus der Erwachsenenperspektive zu hören.

Bei Kindern ist dieses "Einpacken" für uns so verinnerlicht, dass wir es schon automatisch und unbewußt machen. Ja, das tut bestimmt auch vielen Erwachsenen gut. :)
 
Moonkid, lege dich mal für 30 Minuten ohne dich zu bewegen ins Bett und schaue auf die Decke, du weisst auch nimmer wo oben und unten ist.

Ist bei den Erwachsenen auch nicht anders als bei Kindern.

Erwachsene sind manchmal eben grosse Kinder ;)
 
Der Patient hat nach einer heißen Dusche die ganze Nacht durchgeschlafen :)
 
Ich sag ja- Standard ist net gefragt, sondern Kreativität. *g* Brüllen kann jeder- Pflegetherapie beherrschen nur sehr, sehr wenige.

Elisabeth
 

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