Hilfsbereitschaft, die zu weit geht?

bikerman

Newbie
Registriert
26.03.2013
Beiträge
19
Ort
Mittelfranken
Beruf
Gesundheits - und Krankenpflegeschüler
Akt. Einsatzbereich
3. Einsatz - Dermatologie
Hallo liebe Community,

ich bin Gesundheits - und Krankenpflegeschüler und mittlerweile am Ende des zweiten Ausbildungsjahres angekommen. Aktuell habe ich einen Einsatz auf einer beschützenden Drogenentzugsstation.

Anfangs bzw. vor dem Einsatz habe ich mir ehrlicherweise gedacht, dass die Leute zum großen Teil selbst Schuld an ihren Suchtproblemen sind, wobei ich dadurch bedingt, dass ich selbst Raucher bin, ein wenig nachvollziehen kann, wie sehr Suchtdruck belasten kann und wie schwierig es ist, diesem standzuhalten (natürlich kann ich mich nicht in die Situation mit harten Drogen, etc. hineinversetzen und man kann beides nicht wirklich miteinander vergleichen, wie ich finde). Ich wusste nicht, wie ich wohl mit den Patienten am besten umgehen soll.

Mittlerweile habe ich einige Tage auf Station hinter mir und natürlich schon einige verschiedene Persönlichkeiten kennengelernt, und auch den individuellen Umgang dieser mit der Suchtproblematik.

Komischerweise geht mir das ganze bei ein paar wenigen Leuten relativ "nahe", sodass ich auch nach dem Dienst noch ein wenig über die Situationen nachdenke. Das ganze geht allerdings nicht so weit, dass ich sagen würde, dass es ein Problem darstellt oder mich belastet.

Jetzt gibt es einen Patienten, der vor zwei Tagen gefragt hat, ob wir eventuell eine kurze Hose in unserem Vorrat für ihn hätten, da sich scheinbar seine Betreuerin nicht wirklich darum kümmert oder es vergessen wurde. Ich kann seine Bitte aufgrund der aktuell sehr extremen Temperaturen vollkommen verstehen. Leider konnten wir ihm nicht helfen.

Aktuell bin ich nun am überlegen, ob ich ihm eine "alte" kurze Hose von mir mitbringen soll, für die ich selbst keine Verwendung mehr finde und ihm somit eine Freude machen kann oder ob das zu "weit" gehen würde? Vielleicht sehe ich auch eine Problematik, wo es eigentlich keine gibt. Aber ich bin mir mittlerweile sehr unschlüssig, ob das eine gute Idee wäre.

Naja, lange Rede, kurzer Sinn: Was denkt ihr? Wäre so etwas im Rahmen der Professionalität bzw. der professionellen Distanz vertretbar oder geht das gar nicht? Im Prinzip würde die Hose "vergammeln" oder in den Müll wandern, wieso also nicht jemanden eine Freude machen?

Ich hoffe, ihr könnt meine Gedanken wenigstens ein wenig nachvollziehen und über Antworten würde ich mich sehr freuen.

Viele Grüße,
bikerman
 
Tja, bei meinem letzten Arbeitgeber hatten wir den (psychisch kranken) Bewohnern (kommunal betreute Wohngruppen ausserhalb der Institutionen) nicht nur Klamotten, sondern alles mögliche gespendet, was ansonsten in (unseren) normalen Haushalten weggeschmissen worden wäre oder nur unbenutzt als Staubfänger jahrelang herumsteht.

Vom alten Fernseher über Waschmaschinen bis hin zu DVD-Filmen war da so ziemlich alles dabei was man sich an gewöhnlichen Gebrauchsgegenständen nur vorstellen kann. :lol:.

Allerdings war dies auch wohlgelittener common sense aller Beteiligten und eine gern gesehene Routine.

Wie das bei euch gehandhabt und empfunden wird musst du selbst herausfinden!

Deswegen immer erst mit dem Team reden, bevor man eigenwillig Entscheidungen dieser Art trifft (so banal sie manchmal auch erscheinen mögen...).

Vor allem als Schüler, der noch unsicher und (noch nicht ganz) im vollen Bewusstsein der Komplexität dieser Handlungen ist (ich unterstelle das mal ganz frech, nicht böse sein), ist es sinnvoll, sich in jedem Fall erst einmal ein ok der Verantwortlichen zu holen.
 
Lieber Bikerman,

ich persönlich sehe deine Situation und deine Überlegung als völlig human und nachvollziehbar. Auch ich bringe Patienten immer mal wieder Klamotten oder Schuhe mit die ich sonst in die Altkleidersammlung werfen würde.

Andererseits verstehe ich auch deine Sorge... wie das Team der Station darauf reagiert können wir dir natürlich nicht sagen - deswegen, frag doch dort einfach mal ganz unverbindlich nach. ;)

Und vielleicht besteht ja auch die Möglichkeit, dass du deine Hose der allgemeinen Kleiderkammer spendest und der Patient somit gar nicht erst erfährt, dass die Hose von dir persönlich (sozusagen ein "Geschenk") ist?! Würde das deine Unsicherheit mildern?

Lg Verena
 
Nimm die Hose mit zur Arbeit und Frag einfach deinen Vorgesetzten ob du sie ihm geben darfst. Und wenn wie. oB du sagen kannst das sie von dir ist oder ob du es wirklich sehr distanziert hälst und eine Notlüge wie: "ist aus der Kleiderkammer, gestern Abend reingekommen" vorgibst.

Wenn du sie ihm nicht geben darfst, nimmst du sie einfach wieder mit.

Wie ist sowas eigentlich auf Station? ich fange meine Ausbildung erst an.
Ich hätte bedenken das der Jenige das zu freundlich aufnimmt und evtl. etwas missverstehen könnte.

Ich kenne das aus dem Bekanntenkreis. Da war man mal zu jemanden freundlich und bekommt ihn nicht mehr von der Backe. Kommt sowas vor?
 
Wäre so etwas im Rahmen der Professionalität bzw. der professionellen Distanz vertretbar oder geht das gar nicht?
Solange Du das nicht tust, weil es Dein "Lieblingspatient" ist und du dasselbe auch für andere Patienten tun würdest; wieso nicht? Wir alle geben alte Kleidungsstücke weg oder in die Altkleidersammlung - auf diese Weise wissen wir zumindest, dass kein weiterer Kommerz damit stattfindet und dort ankommt, wo sie gebraucht wird. Du kannst es gern mit deiner SL besprechen, aber aus fachlicher/professioneller Sicht sehe ich keinerlei Schwierigkeiten.

Ben
 
@getlucky, wenn ich auf Station mal wirklich arme Leute hatte bzw. obdachlose von der Strasse, die wurden dann auch von der Station bzw. vom Team immer komplett neu eingekleidet, jeder hat zu hause irgendwas rumfliegen was nicht mehr benötigt wird. Im Winter gabs dann mal n paar Vernünftige Schuhe und wenn wir keine hatte wurde eben mal zusammengelegt für n paar 20€ Schuhe besser als nichts. Manchmal sind unsere Patienten hier als richtig schicke Menschen rausgegangen, Rasiert, geduscht, frische Klamotten usw.
Einer ohne festen Wohnsitz ist mir in Erinnerung geblieben er war 4 Wochen bei uns und hier wurde seitens des Sozialdienstes alles geregelt, so konnte er nach Entlassung in eine betreute Wohngruppe ziehen und sein Leben noch mal neu in die Hand nehmen. Nach knapp 2 Jahren kam er uns dann mit seiner Frau und kleinen Tochter besuchen. Er hatte wieder einen festen Job und ein geregeltes soziales Umfeld. Seiner Meinung nach war der KH Aufenthalt das beste was ihm je hätte passieren können, ohne diesen hätte er sein Leben nicht mehr auf die Reihe bekommen. Sowas freut einen dann schon sehr.
 
Das wichtigste Stichwort ist schon gefallen: nicht, weil du den Patienten bevorzugst.

Sprich es mit deiner Station ab.
Wir haben auch einen Wäsche"fundus" auf Station, wo auch jeder Sachen hineinlegt, die er nicht mehr braucht.

Am wichtigsten bleibt die Rücksprache mit der Station. Eine Hose sollte generell kein Problem darstellen, aber behalte immer im Hinterkopf, dass die Patienten auch eine psychische Erkrankung haben.
Gerade im Suchtbereich kann(!) es aufgrund des Krankheitsbildes dazu kommen, dass über den Weg von Mitgefühl anderer Menschen Vorteile errungen werden und es gibt auch Leute die das gezielt tun. Ich möchte dem angesprochenen Patienten dies nicht unterstellen, aber dich zur Vorsicht aufrufen weiterhin zu hinterfragen, ob Gefallen alltägliche Sachen sind oder ob du vielleicht instrumentalisiert wirst.
Daher ruhig den Kontakt zu den erfahrenen Kollegen auf Station offen suchen, die wissen das richtig einzuschätzen und kennen sich die Gepflogenheiten vor Ort im Gegensatz zu uns hier! :)

Liebe Grüße
Steven
 
Ich muss wohl eine massive Anziehung auf bipolare Patienten haben. Ist leider wirklich so. Warum weiß ich nicht, darum bin ich, was Psychiatrie anbelangt, sehr zurückhaltend.
 
Ich muss wohl eine massive Anziehung auf bipolare Patienten haben. Ist leider wirklich so. Warum weiß ich nicht, darum bin ich, was Psychiatrie anbelangt, sehr zurückhaltend.

Irgendwas scheinst du da zu bedienen. Wäre doch interessant das mal heraus zu finden. Mich würde das interessieren.
 
  • Like
Reaktionen: Biatain
Ich weiß das Empathie einer meiner Stärken ist. Das suggeriert "Vertrauenswürdigkeit". Aber gerade bei Bipolaren bin ich so unglaublich vorsichtig, auch wenn die unheimlich lustig sind in ihrer manischen Phase ... die quatschen dich direkt ins eck... :D :D
 
Da habe ich noch gar keine Erfahrungen. bin gespannt auf meinen Einsatz dort.

Wieso bist du gerade bei diesen Vorsichtig? Was sind die Merkmale und was ist dir da bisher passiert?
 
Weil sie in ihrer Manie distanzlos sind und durch ihrer Affektstörung auch suizidal werden können.
Darum bin ich als Schülerin gleich am Anfang sehr zurückhaltend.
Finds aber sehr interessant,Wirkung von Neurotransmiter und die Anamnese von Psychisch Kranken mit Major Depression..auch son Fach das mich interessiert
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Leben ist einfach zu Kurz um alles zu lernen was einen Interessiert. Da macht man ein Buch auf und findet darin wieder unzählige Anstöße
 
durch ihrer Affektstörung auch suizidal werden können.
In der Manie eigentlich nicht. Eine Manie ist für den Betroffenen primär toll, aufregend, euphorisierend. Die große Gefahr besteht nach Abklingen der manischen Phase. Häufig erfolgt nach der Manie direkt im Anschluss eine (oft schwere!) depressive Phase, zumal die "manische Phase" danach erstmal körperlich und psychisch verkraftet werden muss. Schamgefühle (was habe ich in der Manie alles peinliche getan und gesagt?), evtl. finanzielle Sorgen (was habe ich alles gekauft?) kommen erschwerend hinzu. Die Suizidgefahr ist dann nicht zu unterschätzen. Schau dir in diesem Zusammenhang auch mal die schizoaffektive Störung an.
 
  • Like
Reaktionen: Biatain
Danke dir,

ich hab mal beobachtet, wie ein Pat in der Manie ohne Punkt und Komma durch die Tür quatscht :D
Und die sind dann auch sehr reizbar in der Situation, was meiner Beobachtung nach darauf schließen lies, dass sie auch in der Manie Affektstörungen aufweisen, oder ? ... Man muss da ein pflegerisches Talent sein, die Distanz zu wahren und solchen Pat das Gefühl zu geben, daß man sie versteht. Hut ab!!
 
Eine Affektstörung im Rahmen der Manie ist die Antriebssteigerung, gehobene und manchmal auch gereizte Stimmung.
 
  • Like
Reaktionen: Biatain
Ich mache meine Ausbildung zum Altenpfleger und arbeite fast auf einem Wohnbereich. Es gibt Bewohner, zu denen man ein engeres,persönlicheres hmm menschlich nähr gehendes Verhältniss aufbaut. Aus Nettigkeit oder einen Gefallen habe ich Bew X Pfandflaschen weggebracht, Ihm Kosmetische Artikel mitgebracht.

Jetzt kommt der Bew und fragt mich fast täglich ob ich Ihm dies und jenes besorgen kann ich sage Ihm ganz klar "das kann doch der Sozialdienst machen" und dieser pflaumt mich an. Macht mir nichts aus.


Aber das zeigt wie die Gutmütigkeit Ausgenutz werden kann
 
Bin momentan auch in der Psychiatrie eingesetzt, auf der sogenannten "geschlossenen akut Station". Es ist wirklich nicht immer einfach diesen richtigen Grad zu finden. Was sage ich in der Situation, wann erhebe ich meine Stimme und zeige ganz klar und deutlich Grenzen und und und...

Ich denke ein Patentrezept gibt es da sowieso nicht. Mir kann keine Pflegekraft erzählen, dass sie nicht schon einmal schlechte Entscheidungen getroffen hat und somit entweder "zu nahe am Patienten war" oder zu hart.
Habe eventuell heute auch einen Fehler gemacht, in dem ich einer Patientin (momentan auch Manisch) einen Gegenstand gegeben habe, von dem SIE ausgegangen ist, dass sie ihn eig. nicht haben dürfte.

Ein Armreif wurde nämlich mal abgeben und wir haben ihn bei uns vorne gut sichtbar abgelegt, damit sich der Besitzer findet. Also nichts gefährliches. Eigentlich wollte sie zusätzlich das Feuerzeug haben, aber dies stand natürlich nicht zur Diskussion. Stattdessen bekam sie natürlich ihren Armreif wieder. Man muss dazu sagen, sie ist sich sehr wohl im klaren, was ihr Besitz ist. Aber man muss auch ehrlich sagen, dass die Besitztümer da wirklich den Besitzer fast täglich wechsel, da sie untereinander mit Radios, Schmuck etc. Handeln. Vorzugsweise wegen Zigaretten.

Sie hat sich mit einem Mitpatienten und ihrem neuen besten Freund, sogar einen Plan überlegt mich zu überlisten. Ich bin nämlich während der Mittagsübergabe kurz alleine vorne am Stützpunkt und behalte halt alles im Blick und kümmere mich ums Telefon :D. Auf einmal kommt die Patientin angelaufen und schrie etwas. Ich verstand "Gewalt, Gewalt." Ich bin natürlich rausgegangen um zu schauen, da wir durchaus momentan aggressivere Patienten bei uns haben. Am Ende stellte sich heraus, dass sie schrie "Brand im Wald". Ich habe sie also "zurechtgewiesen" nicht mehr rumzuschreien und bin gegangen.

Und wer steht vorne am Stützpunkt vor der Tür? Ihr bester Freund :D Sie haben also anscheinend darauf spekuliert, dass ich die Tür nicht zu mache und abschließe, da ja nun genug Alarm und Stress gemacht wurde :D. Ihr bester Freund sollte wohl anscheinend den Armreif und das Feuerzeug (für ihn als starken Raucher war wahrscheinlich eh nur das Feuerzeug relevant) klauen, während dessen ich mich um das Laientheater kümmer. Als der Armreif wieder in ihren Besitz ging, umarmten sie sich und ich hörte nur:" Eigentlich durfte der das gar nicht".

Also habe ich in ihren Augen mich zum Spielball machen lassen (habe ich das?). Werde nun morgen mal schauen wies aussieht und wie sie sich gegenüber mir Verhalten. Ihr "bester Freund" hat mich eh nie so ernst genommen, da ich nun mal der "neue Schüler bin". Die anderen Patienten nehmen mich da schon eher als Autorität wahr und halten die Distanz ein, was ich mir natürlich auch erstmal z.T. erarbeiten musste. Sollte es Distanzloser werden oder herausfordernder werde ich dann wohl auch wieder klare Grenzen ziehen müssen.

Ansonsten bin ich natürlich für Tipps aus dem Forum sehr dankbar. Habe auch super Praxisanleiter, aber man kann nie genug andere Sichtweisen haben.
 
Gerade in der Psych ist Team ALLES !

Trefft keine Entscheidung, die nicht im Team abgesprochen ist.
Egal wie die Patienten drängen!
Dokumentiert alle Aktionen/Äusserungen/Wünsche/Bitten ......
Bringt ALLES im Teamgespräch/Übergabe/Visite ... an.
Lasst nichts aus, und lasst Euch von den Kollegen - oder wem auch
immer - nicht "über den Schnabel fahren".

Und nicht nur in der Psych.
 

Ähnliche Themen