Hallo Kollegen,
aus Sicht der Gesundheitsökonomie ist das momentane Sozialsystem in Deutschland das noch relativ sicherste System Europas, im Gegensatz z.B. zu den USA wo nur 70% der Gesamtbevölkerung überhaupt versichert sind oder dem steuerfinanzierten System in Großbritannien, wo das Sterben auf der Warteliste angesagt ist.
Die Ziele des Sozialgesetzbuches sind in Deutschland:
- Die Versorgung der Versicherten soll „bedarfsgerecht“, „gleichmäßig“, „dem allgemeinen Stand der med. Kenntnisse entsprechen“, „ausreichend“, „zweckmäßig“, „wirksam“ und „human“ sein,
- die Wirtschaftlichkeit der Versorgung ist zu beachten und
- die Leistungserbringer sind angemessen zu vergüten
Die Gesundheitspolitik befindet sich häufig im Konfliktfeld zwischen Wirtschaftlichkeit, Versorgungsqualität, Versorgungs- und Finanzierungsgerechtigkeit.
Bedarfsgerechte Verteilung der Gesundheitsleistung im Vergleich mit anderen Ländern:
Gerechtigkeit in der Verteilung lässt sich interpretieren als für alle gleiche Zugangsmöglichkeiten zu Versorgungssystemen. Dies ist gewährleistet, wenn die Geld- oder Zeitkosten der Inanspruchnahme oder sonstige Barrieren den Zugang zu den Versorgungseinrichtungen durch Personen mit gleichem Bedarf nicht oder unterschiedlich behindert werden.
Merkmale der Gesundheitssysteme:
Das
Finanzierungssystem entscheidet darüber, wie die Finanzmittel für das Gesundheitssystem aufgebracht werden. Dies kann geschehen durch allgemeine Steuern (wer? - Großbritannien), durch zweckgebundene Beiträge (wer? - Deutschland), oder durch private Finanzierungsformen (Out-of-Pocket Zahlungen; Versicherungsprämien) (wer? - USA). Relevanz für den Zugang zur Gesundheitsversorgung - Out of Pocket deutlich benachteiligt gegenüber steuerfinanzierten Systemen und Sozialversicherungsbeiträgen für die Personen mit geringem Einkommen.
Das
Vergütungssystem steuert das Verhalten der Akteure auf der Angebotsseite (Ärzte, Krankenhäuser etc.) und damit vor allem die Kosten und Qualität der Versorgung. Ungleiche Versorgungseffekte ergeben sich in den Fällen, in denen nach unterschiedlichen Abrechnungssystemen gearbeitet wird. Bessere Behandlung erfolgt nach dem Kostenerstattungsprinzip.
Das
Allokationsverfahren bezieht sich auf die Art der Bereitstellung des Leistungsangebotes im Gesundheitssystem. Es wird unterschieden zwischen Allokation mittels staatlicher Planung bzw. Regulierung und einer dezentralen, marktwirtschaftlichen Steuerung. Drittes Steuerungssystem ist das der korporatistischen Steuerung durch Verbände denen wesentliche Steuerungsfunktionen zugesprochen werden (Ärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung) - durch Verhandlungen der Ressourcen über Kollektivverhandlungen. Die Allokationsverfahren sind insofern für die Verteilung von Gesundheitsleistungen relevant, als marktwirtschaftliche Systeme Personen mit geringer Bildung und niedrigem Einkommen eher benachteiligen, denn sie setzen voraus, dass die Konsumenten sich über Alternativen informieren, aktiv am Behandlungsprozess mitwirken und die Leistungen nach ihrer Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit erwerben.
Die
Organisationsstruktur eines Gesundheitssystems äußert sich im Grad der Integration und Kooperation der Anbieter der verschiedenen Leistungsstufen. Fragmentierte Form von ambulanter und stationärer Leistung durch institutionell getrennte Formen oder in integrierter und kooperativer Form (Managed Care System) - bevorzugt wird das Primärarztsystem (Gatekeeper) gegenüber den spezialisierten und fragmentierten Arztsystem.
Empirisch Untersuchung durch Van Doorslaer (1993) in Ländern mit gleichen Morbiditätsbedingten Bedarf nicht die gleiche Versorgung gewährleistet wird. Eine ungleiche Versorgung auf Kosten unterer Einkommensschichten existiert danach in Italien, Spanien, Großbritannien und insbesondere in den USA, während in der Schweiz, Irland und den Niederlanden die Ungleichheit nicht so groß war.
Deswegen steht die Gesundheitspolitik vor folgenden zukünftigen Herausforderungen:
- Demographischer Wandel
Änderung der Bevölkerungsstruktur bei steigender Altersquote und Erhöhung der Lebenserwartung. Damit eine Zunahme der Morbidität und Pflegebedürftigkeit in der Bevölkerung, dadurch erhöhte Belastung der erwerbstätigen Generation mit Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung.
Änderung der Haushaltstrukturen durch Singularisierung, dadurch Versorgungsschwierigkeiten durch Familienpflege bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit. Zusätzlich Änderung durch vermehrte Erwerbstätigkeit von Frauen sowie größere räumliche Entfernung zu den Familienmitgliedern.
- technologischer Wandel
Konsequenzen ergeben sich für das Gesundheitswesen durch neue Informations- und Kommunikationstechniken, die die Produktionsprozesse und Märkte revolutionieren. Es kommt zu einer Auflösung der Normalarbeitsverhältnisse, dass durch flexiblere Arbeitsverhältnisse verdrängt wird. Teilzeitarbeitsverhältnisse und selbstständige Tätigkeiten nehmen zu (Ich-AG). Somit verliert das Lohneinkommen seine Bedeutung als finanzielle Basis der sozialen Sicherung.
Im Gesundheitssystem treibt die Entwicklung der Informationstechnologie und der medizinisch-technische Fortschritt die Ausgaben nach oben.
- Wertewandel der Gesellschaft
Er äußert sich in einer zunehmenden Individualisierung. Ihre Merkmale sind der Wandel von der arbeits-, pflicht- und gemeinschaftsorientierten Werten hin zu einer Ausrichtung auf persönliche Selbstverwirklichung (Döring, 1999), die Pluralisierung der Lebensformen, die Erwerbserwartungen von Frauen und ein wachsendes Freizeitbewusstsein. Dadurch ergibt sich für das Sozialsystem die Notwendigkeit ein vielfältigeres Angebot zur Absicherung der sozialen Risiken zu bieten bei einer gleichzeitigen Grundsicherung der Bevölkerung.
- Unerwünschte Verteilungseffekte
Im modernen Sozialstaat mit einem fast alle Bürger umfassenden Sicherungssystem und einer Vielzahl öffentlicher, unentgeltlicher oder unter Kosten angebotener Leistung ist die Frage aktuell ob mittlerweile keine Einkommensumverteilung von den Beziehern hoher zu den Beziehern niedriger Einkommen mehr stattfindet, sondern lediglich eine kostenträchtige Umverteilung innerhalb der mittleren Einkommensschichten. Die wirklich Hilfsbedürftigen geraten dabei aus dem Blickfeld der Sozialpolitik.
- Weltwirtschaftliche Einflüsse
Die sich ändernde weltwirtschaftliche Arbeitsteilung, die verschärften Wettbewerbsbedingungen sowie die neuen Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten stellen an die Wettbewerbsfähigkeit einheimischer Unternehmen hohe Anforderungen. Die „Globalisierungseffekt“ schränkt die Nationalstaaten in der Wirtschafts- und Sozialpolitik ein und unterwirft sie dem Prinzip der ökonomischen Effizienz. Zugleich schwindet mit der internationalen Mobilität des Kapitals eine Finanzierungsbasis des Steuer- und Beitragssystems.
- Europäische Integration
Bisher liegt die Autonomie der Sozialen Sicherung noch in Händen der Einzelstaaten, was einen Verzicht auf die Harmonisierung der Sicherungssysteme in sich einschließt. Jedoch hat die Vollendung des Binnenmarktes Konsequenzen und stellt ein neues Problem dar. Zum einem hinsichtlich der organisatorischen und institutionellen Abdeckung steigender Versorgungs- und Versicherungsleistungen über die Grenzen hinweg. Hierzu hat es bereits einige Urteile des Europäischen Gerichtshofes gegeben.
- Zentralisierung der Sozialpolitik
Es kommt in allen Industriestaaten zu einer Zentralisierung der Sozialpolitik, d.h. Verlagerung sozialpolitischer Kompetenzen und Aufgaben von den Gemeinden auf den Zentralstaat. Dies erwächst aus der Notwendigkeit eine möglichst große und damit leistungsfähigere Solidargemeinschaft zu schaffen. Diese Zentralisierung hat jedoch den problematischen Effekt einer Bevorzugung von Geldleistung für größere Gruppen, also konsumtive Sozialleistungen, gegenüber dringend erforderlichen sozialinvestiven Leistungen. Erstere sind eher fühlbar als Sozialinvestitionen und die Einrichtung personalkostenaufwendiger sozialer Dienstleistungszentren.
Wenn man sich all diese Probleme anschaut, wie sollen dann mögliche Lösungen aussehen. Die Krankenkassen haben im letzten Jahr wiederrum mit einem Defizit von 2,7 Millarden € abgeschlossen. Das geht nicht so weiter. Daran sind z.B. durchaus der Moral Hazard der Versicherten schuld und unsere Werteänderung.
Alles für mich, aber zahlen will ich dafür so wenig wie möglich
Gesundheitsökonomie in der Volkswirtschaft ist nicht so einfach zu regeln, insbesondere, da viele Betriebe in Deutschland dazu übergegangen sind ihre betriebswirtschaftlichen Probleme auf die Volkswirtschaft abzuwälzen (vorgezogener Alterruhestand, massive betriebsbedingte Kündigungen etc. pp.)
Cheers
Ingo