Dekubitus bei Kindern

Stupsi

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02.10.2007
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235
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Bayern
Beruf
Kinderkrankenschwester
Akt. Einsatzbereich
Intensiv
Hallo!
Ich wollt mal fragen ob jemand neben der Bradenskala oder der Nortonskala noch andere Skalen zur Dekubitusrisikoeinschätzung kennt. Speziell würde es mich interessieren im Bezug auf Frühgeborene, Neugeborene, Säuglinge ....Kinder.

 
Es gibt keine validierten Skalen im Bereich der Dekubitusrisikoeinschätzung. Warum sich also die Mühe machen eine einzuführen?

Primäre Risikofaktoren: Faktoren die die Eigenbewegung vermindern
Neurolog. Erkrankungen
  • Lähmungen
  • Bewußtseinsstörungen
  • Sensibsilitätsstörungen
Psychiatrsiche Erkrankungen und Psychopharmaka
  • akute Psychosen
  • ausgeprägte Depressionen
  • sedierende Medikamente
Chirugische Eingriffe
  • Anästhesie
  • Schmerzen
  • Drainagen

Nun bekommt nicht jeder Pat. der obige Probleme hat gleich einen Deku: der eine bekommt gar keinen, der nächste wieder sofort...

Sekundäre Faktoren: beeinflussen den Zeitraum bis zur Gewebsschädigung
Faktoren, die den intravaskulären Druck vermindern
  • Arterielle Hypotension
  • Schock
  • Überdosierung von Blutdrucksenkenden Mitteln
  • Dehydratation („Entwässerung“)
  • Diuretika,
  • Diarrhö,
  • Sommerhitze
Faktoren, die den Sauerstofftransport zur Zelle vermindern
  • Anämie: Hämoglobin < 9 g/dl
  • Periphere arterielle Verschlusskrankheit
  • Diabetische Mikroangiopathie
  • Hypotonie, Bradycardie
  • Hypovolämischer Schock
  • Pulmonale Erkrankungen
Faktoren, die den Sauerstoffverbrauch in der Zelle erhöhen
  • Fieber: > 38 °C
  • Hypermetabolismus (übersteigerte Stoffwechselvorgänge)
  • Anabolismus (aufbauender Stoffwechsel)
  • Katabolismus (abbauender Stoffwechsel)
  • Infektionen
  • Zytokinämie
Faktoren, welche zu Nährstoffmangel in der Zelle führen
  • Malnutrition (Fehl- oder Mangelernährung)
  • Mangel an Eiweiß, Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen
  • Kachexie (Auszehrung infolge tiefer greifender Störung aller Organsysteme)
  • Lymphopenie bei Malnutrition:
  • Immunschwäche,
  • Störung der Wundheilung
Faktoren, die den Widerstand der Haut schwächen
  • Hautzustand: dünn, atrophisch, mit weniger Abwehrzellen
  • Steroidinduzierte Hautatrophie: dünne, leicht verletzliche Haut

Inkontinenz gilt nach neuesten Studien als nicht begünstigend für die Enstehung eines Dekubitus.

Welche Faktoren kommen bei Frühchen, Neugeborenen, Säuglingen und Kindern in Betracht?

In unserem Haus gibt es keine Skala. Meine Kollegen haben die Faktoren im Kopf und können danach einschätzen. Es läuft zunehmend besser.


Elisabeth
 
Trotz allem gibt es aber Haeuser, die aus „Dokumentations- und Beweiszwecken“ solche Skalenblaetter ausgefuellt haben moechten.
In meinem letzten Krankenhaus gab es z.B. nur die Zustimmung zu einem bestimmten Pflegebett/Antidekubitusmatratze, wenn ich mit einer bestimmten Punktzahl einer Skala das Risiko belegen konnte.
 
In meinem letzten Krankenhaus gab es z.B. nur die Zustimmung zu einem bestimmten Pflegebett/Antidekubitusmatratze, wenn ich mit einer bestimmten Punktzahl einer Skala das Risiko belegen konnte.

Wo wären wir ohne Skalen und Drehbuchstandards... in diesem Fall "Kochrezeptstandard". *gggg*

Auch wir dokumentieren das Risiko- keine Frage. Das Dekubitusrisiko wird in 4 Stufen angegeben: von gering - mittel- hoch bis sehr hoch. Die Grundlagen dieser Einschätzung finden sich insgesamt über die Pflegeanamnese verteilt.

Die Leistungen und Maßnahmen zur Prophylaxe werden bei jedem Pat. individuell festgelegt. Es kann sein, dass zwei Pat. mit dem gleichen Risiko zwei völlig verschiedene Angebote bekommen... weil die Ressourcen ganz verschieden sind.

Elisabeth
 
Um noch mal auf Deine Frage zurueckzukommen (:)), Stupsi,

schau mal auf diese Seite:

Dekubitusskalen - PflegeWiki

- die verschiedenen Skalen werden teilweise auch noch weiter erklaert, vielleicht wirst Du da fuendig!
 
Danke Elisabeth Dinse, für die Arbeit, die du dir gemacht hast. Aber die Faktoren die einen Dekubitus begünstigen sind uns bekannt.
Trotzdem wollten wir unserer "Pflegeleitlinie Dekubitusprophylaxe" eine Skala beifügen, die auch in der Kinderkrankenpflege verwendet werden kann.

Vielen Dank Aloha:daumen:für deine Hilfe, werde mich gleich mal im Pflegewiki umschauen.

 
Ich versteh nicht, warum man eine Skala braucht? Aber das ist wohl mein Problem.

Ich hab bei den Recherchen zum Thema Dekubitusskala bis dato im deutschsprachigen Raum noch keine explizite Kinderskala gefunden. Wirds wahrscheinlich auch nicht geben. Am sinnvollsten ist dann eine Skala, die dem Pat.gut am ehesten gerecht wird.

Eine Skala sollte einzig und allein zu einheitlichen Doku dienen und nicht wie von Aloha beschrieben: soundsoviele Pünktchen- dann muss dasunddas erfolgen.

Fr. Braden hatte das mal versucht auf den Punkt zu bringen: Sie hat ihre Skala mit dem Brustkrebssreening verglichen. Die Dekuskala ist lediglich eine Info über Risikofaktoren- entspricht dem Brustkrebssreeningpunkt: Knoten entdeckt.
Die Risikofaktoren haben eine Ätiologie- ihre Dekuskala will Fr. Braden als Hinweis auf diese Hintergründe verstanden wissen.
Niemals würde Frau sich bei Entdeckung eines Knotens unklarer Genese die Brust abnehmen lassen. Leider verwenden viele die Skala aber nach diesem Muster.
These: Die Verwendung von Skalen erspart einem den Bedarf an umfangreichen Baissiwissen zu den Risikofaktoren und erzeigt damit eine (Pseudo)- sicherheit.

Elisabeth
 
Hallo Stupsi!

Es gibt wirklich keine spezielle Skala für Kinder! Auch wir haben dieses Problem! Vor allem da wir alle Altersklassen auf unserer Intensivstation betreuen!

Man muss eben die vorhandenen Skalen verwenden und aber trotzdem individuell entscheiden!

Liebe Grüße
 
Hallo zusammen,

ich habe in meinen 20 Berufsjahren kaum einen Dekubitus bei einem Kind gesehen. Deshalb habe wir uns auch noch nie über irgendwelche Skalen Gedanken gemacht.
Die "Rötungen" die wir bei unseren Patienten gesehen haben, hätten auch mit anderer Pflege nicht verhindert werden können, weil es sich um Kinder nach großen thorakalen OPs gehandelt hat, die in einem keinem Fall bewegt werden durften. Und dies wird ja vom Operateur angeordnet und dokumentiert, warum also ein Risiko einschätzen, wenn es keine Alternative gibt?
Bei Frühgeborenen habe ich persönlich noch nie etwas wie einen Dekubitus beobachtet, mal eine temporäre Rötung, die nach Umlagern innerhalb kurzer Zeit wieder verschwunden war.
Warum ist eine solche Skala denn so wichtig? Ich kann Elisabeths Argumentation gut nachvollziehen. Warum eine nicht validierte Skala einführen für eine Patientengruppe, die scheinbar gar nicht so gefährdet ist?

Behid
 
Hallo Behid!

Was ist denn bitte mit sediert und relaxierten Kindern???

Diese haben sehr wohl ein hohes Dekubitusrisiko!!!

LG
 
Sediert und relaxiert- das Risiko ist sicher höher als bei einem wachen Kind... aber wie hoch es ist, hängt ab von den sekundären Faktoren. Und danach richten sich dann auch die Maßnahmen.
Ergo: Die Aussage: Alle sedierten und relaxierten Kinder bekommen die gleichen Maßnahmen zur Dekubitusprophylaxe (sehr beliebt WDM)- ist falsch.

Elisabeth
 
Hallo Behid!

Was ist denn bitte mit sediert und relaxierten Kindern???

Diese haben sehr wohl ein hohes Dekubitusrisiko!!!

LG


Hallo Nadl.b,
meine 20jährige Praxiserfahrung zeigt, dass trotzdem kaum Dekubitus (und wenn dann war es in seltenen Fällen eine ausgeprägten Rötung mit allenfalls minimaler oberflächlicher Hautschädigung, die innnerhalb kürzester Zeit ohne große Therapie verheilten) aufgetreten sind. Und diese operierten Kinder waren durchaus sehr lange sediert und relaxiert und durften sich wirklich keinen cm bewegen.

Und was nützt mir eine Risikoeinschätzung per Skala, wenn ich dieses Dekubitusrisiko dem Risiko gegenüberstellen muss, dass OP-Ergebnis zu gefährden und ich keine Wahl habe. Dann habe ich zwar gut dokumentiert wie hoch per Skala das Risiko ist, aber ich darf keine Schlußfolgerungen daraus ziehen geschweige denn eine Handlungsstrategie entwickeln.

Und das Frühgeborene relaxiert sind habe ich in den letzten 15 Jahren nicht mehr erlebt. Und etwas provokant gesagt ist die Risikogefährdung auch mit beim Frühchen eher gering und theoretischer Natur. Beim Frühgeborenen ändere ich mein Handeln nicht aufgrund einer theoretischen per Skala, die noch nicht mal validiert ist und schon gar nicht bei Kindern, sondern sehe die Notwendigkeit des Lagewechsels und Hautpflege aufgrund der körperlichen Ressourcen des Kindes.

Was machst du anders in der Pflege nur weil ein Frühgeborenes eine entsprechende Punktzahl erreicht?

Einnen sonnigen Tag euch allen
Behid
 
Hallo!

Also so ganz verstehe ich diese Diskussion nicht! Ich denke wir sind alle keine Fans dieser Skalen, weil es nämlich wieder mal ein Papier mehr ist, dass wir ausfüllen müssen! Wobei doch jeder von uns das Dekubitusrisiko auch ohne ein solches Formulas einschätzen kann!

Aber es ist nun mal der Wunsch der PDL oder von sonst wem, die die Ausgaben für z.B. neue Dekubitusmatratzen oder diesen überhaupt gerechtferitgt sehen will!!! Also werden wir halt diese Dinger nach besten Wissen und Gewissen ausfüllen!
 
Hallo!

Aber es ist nun mal der Wunsch der PDL oder von sonst wem, die die Ausgaben für z.B. neue Dekubitusmatratzen oder diesen überhaupt gerechtferitgt sehen will!!! Also werden wir halt diese Dinger nach besten Wissen und Gewissen ausfüllen!


Auch wenn es keinerlei Aussagekraft über das tatsächliche Risiko hat und schon gar nicht bei Kindern?
Und wenn es so ist, wie du schreibst, dann brauchen wir uns hier nicht wirklich über den Sinn zu streiten. aber ich hatte hier bei einigen Beiträgen (auch bei deinem Nadl.b:wink1:) schon den Eindruck, dass man die Skalen sinnhaft einsetzen könnte.

Behid
 
Hallo!

Naja ich finde schon, dass es hin und wieder Sinn macht, denn ich habe schon Kinder mit Dekubiti gesehen, und diese waren bestimmt nicht einfach nur eine Rötung! Ich bin ja auch nicht der Meinung, dass man diese Skalen bei jedem Peppel-Frühchen anwenden soll! Aber bei Kindern, die schwerkrank sind und eine Anti-Dekubitus-Matratze haben sollen macht das schon Sinn!

Warum macht man das denn in der Erwachsenenpflege? Da ist es doch genau dasselbe meiner Meinung nach!
 
Die Frage für mich ist nachwievor ob man die Massnahmen bei einem Frühchen (ich meine nicht die Päppelfrühchen) verändert, nur weil die Skala eine hohes Risiko ausweist.
Ich glaube es nicht.
Und wenn ein größeres Kind beatmet sediert und relaxiert ist, dann reicht diese Information für mich aus, sofern dies aus medizinischen Gründen erlaubt ist, alle Maßnahmen der Druckentlastung zu ergreifen. Dafür brauche ich keine Skala. Nochmal die Frage, ändert es wirklich die Pflegemaßnahmen?
 
Eine Skala ohne Hintergrundwissen ist wertlos. Und mit Hintergrundwissen stellt sich die Frage: warum eine Skala, wenn man es kürzer beschreiben kann.

Pseudosicherheit bringen Skalen. Sie werden besonders gerne verlangt von Nichtfachleuten... wie dem Management.

Was lebe ich doch in einem guten Haus, wo das Management der gleichen Ansicht ist wie ich: wir haben keine Skalen und brauchen auch keine.


Elisabeth
 
Hallo zusammen, ich habe dieses Thema ins "Leben gerufen", weil, wir diese Skala wie schon mal gesagt unserer Pflegeleitlinie anhängen wollen. Wir sind auch nicht so begeistert wieder einen "Zettel" mehr ausfüllen zu müssen, aber es gehört nun einmal dazu, genauso, wie z.B. ein Schmerzscore bei beatmeten Kindern usw.
Wieso, gibts den diese Skalen und warum werden sie dann bei Erwachsenen verwendet, wenns unnötig ist? Auch wenn wir wissen, welche Faktoren eine Entstehung von Druckstellen begünstigen, es soll eben alles dokumentiert werden und dabei könnte uns vielleicht eine Skala behilflich sein.
Und übrigens Kinder und auch Frühgeborene sind genauso dekubitusgefährdet, wie Erwachsene auch; mitunter denke ich hier auch an schwerstbehinderte und bettlägrige Kinder.
 
Wieso, gibts den diese Skalen und warum werden sie dann bei Erwachsenen verwendet, wenns unnötig ist?

Wieso kommst du darauf, dass es diese Skalen flächendeckend gibt? Wir haben sie nicht. Ich hab sie bis jetzt erfolgreich abwehren können- auch mit der Argumentation der unzureichenden Studienlage.

Niemand bestreitet, dass ein Frühgeborenes dekubitsugefährdet ist. Ich erinnere mich an die "zerfressenen" Nasenscheidewände mancher Frühchen nach CPAP.

...weil, wir diese Skala wie schon mal gesagt unserer Pflegeleitlinie anhängen wollen

Wie muss ich mir das vorstellen? Wie wird die Pflegeleitlinie unter die Leut gebracht? Wie wird die Skala eingebunden: soundsoviele Punkte dann dieunddie Maßnahme? Oder ist die Skala nur als Dokumentationsraster gedacht?

Elisabeth
 
Und übrigens Kinder und auch Frühgeborene sind genauso dekubitusgefährdet, wie Erwachsene auch; mitunter denke ich hier auch an schwerstbehinderte und bettlägrige Kinder.

Ich habe nicht behauptet, dass sie gar nicht dekubitusgefährdet sind. Aber mir stellt sich die Frage, inwieweit ich mein Handeln auf eine Punktzahl der bewendeteten Scores ausrichte. Ich und auch die mir bekannten Kinderintensivstationen tun es nicht. Wir schätzen intuitiv die Gefährdung ein und anscheinend nicht so schlecht, denn ich habe wie schon beschrieben tatsächlich kaum Dekubiti gesehen.


Die Schmerzscalen sind etwas anderes. Ein beatmetes Kind wird mir nicht sagen können, dass und wieviel Schmerzen es hat und entsprechend dem Score richte ich mein Handeln aus. Ausserdem sind gibt es evaluierte Schmerzscores, d.h. es ist wissentschaftlich gesichert, dass man sie zuverlässig anwenden kann.
 

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