Zustand nach Badeunfall

Rabenzahn

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15.02.2002
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933
Ort
Kassel
Beruf
AN-Pfleger
Akt. Einsatzbereich
in Rente
Hallo,

worin besteht für den weiteren Verlauf der Unterschied des Ertrinkens im Süss- oder Salzwasser?

Was schädigt mehr ?

Wie sind die Symptome und wo liegen die Problem ?
 
Hallo Rabenzahn,

bei Ertrinkungsunfällen denke ich in erster Linie immer an die kleine Kinder bis etwa vier Jahre, die unbeaufsichtigt im Garten spielen und dann in den Swimmingpool oder künstlich angelegte Teiche fallen. Oder auch an die Eisläufer die beim Eislaufen einbrechen. Keine Frage, nicht nur Kinder sind betroffen von Ertrinkungsunfälle.

Etwa 85-90% aller Verunfallten aspirieren Flüssigkeit in ihre Lungen = nasses Ertrinken. 10-15% entwickeln im Rahmen des Ertrinkungsvorganges einen sogenannten "Stimmritzenkrampf", der ein Eindringen von Flüssigkeit in die Lunge oft bis in den Tod hinaus verhindert = trockenes Ertrinken. Aspiration von Flüssigkeiten führt, je nach Art und Menge zu teilweise schwersten Störungen des Gasaustausches und der Lungenmechanik, die unbehandelt in wenigen Stunden durch Hypoxämie zum Tod führen.

Süßwasser schädigt und inaktiviert direkt den alveolären Surfactant sowie Alveolar- und Gefäßendothelzellen. Als Folge treten ein interstitielles und alveoläres Lungenödem, sowie Atelektasen im Lungenparenchym auf.

Wenn Süßwasser in die Lunge drängt, gelangt die Flüssigkeit durch ihren osmotischen Druck in das Blut. Dies wird verdünnt und sein Volumen nimmt zu (Hypervolämie). Dadurch entsteht eine starke Mehrbelastung des rechten Herzen. Die Verdünnung macht das Blut ebenfalls zur hypotonischen Lösung, dadurch quellen die roten Blutkörperchen auf und platzen (Hämolyse). Dies wiederum bedingt eine Blutarmut (Anämie). Die Konzentration der übrigen Mineralien des Blutes -Natrium, Chlor, Kalzium, sinkt durch die Verdünnung, das Elektrolytgleichgewicht wird gestört. Diese Veränderungen führen zu einem rasch wachsenden Sauerstoffmangel und zu einem Anstieg der Kohlensäure = Hyperkapnie.

Süßwasser in den Alveolen zerstört jetzt das Surfactant, die oberflächenaktive Substanz zur Stabilisierung der Alveolen. Das Wasser dringt in die Lungenstrombahn ein und führt zu einer Flüssigkeitsansammlung im Bindegewebe der Lunge (interstitielles Lungenödem) Der Gasaustausch in der Lunge ist gestört. Das kohlendioxidreiche und sauerstoffarme Blut strömt von der Lunge unverändert zum Herzen und von dort über die Arterien zu den Organen
(erhöhter Rechts-Links-Shunt). Demzufolge erhält das arterielle Blut weniger Sauerstoff als normal ( Hypoxämie), was eine weiter verminderte Sauerstoffversorgung der Organe zur Folge hat.

Salzwasser führt durch hohe Osmolarität zum Einstrom von Plasmaflüssigkeit aus Lungenkapillaren in Alveolen mit Ausbildung eines alveolären Lungenödems.

Im Salzwasser kehrt sich der Flüssigkeitsstrom in den Lungenbläschen um . Der osmotische Druck sorgt nun dafür, dass Blut in die Lungenalveolen eindringt und sich ein Lungenödem entwickelt - die Lunge füllt sich mit Salzwasser und Plasma. Parallel diffundiert das Salz mit großer Geschwindigkeit in das Blut, die Konzentration der Elektrolyte steigt an. Mit der Folge, dass das Blut eingedickt wird (Hämokonzentration) und sein Volumen abnimmt (Hypovolämie). Die Folge ist auch hier Sauerstoffmangel, allerdings scheinen die Überlebenschancen länger gegeben als im Süßwasser.

Bei Salzwasseraspiration strömt zunächst Flüssigkeit aus den Lungengefäßen in die Alveolen, um den erhöhten Säurewert zu neutralisieren. Die Folgen für den Gasaustausch sind die gleichen wie bei Süßwasseraspiration - in den flüssigkeitsgefüllten Alveolen ist er nicht mehr möglich. Daraus resultiert auch hier ein verminderter arterieller Sauerstoffgehalt

Flüssigkeitseintritt in die Atemwege führt häufig reflektorisch zu Bronchospasmus. Durch zunehmende Störung des Ventilations/Perfusionsverhältnisses in den Lungen entwickelt der Patient eine schwere Hypoxämie. Der vermehrte Flüssigkeitsgehalt der Lungen, der Verlust an oberflächenaktiver Substanz vermindern die Compliance der Lungen und kann zu beträchtlicher, vom Patienten nicht mehr tolerabler, Erhöhung der Atemarbeit führen. Erschwerend kommt hinzu, dass bis zu 70% der Beinahe-Ertrunkenen Schlamm, Algen und Erbrochenes aspirieren.

Ausmaß und Dauer der Hypoxämie und dadurch bedingter Störungen des Säure-Basen-Haushaltes bestimmen sekundäre Organschädigungen. Asphyxie führt in kurzer Zeit zu extremen Änderungen der arteriellen Blutgase und des Säure-Basen-Haushalts. Hypoxämie und Azidose schädigen das Herz und Gefäßsystem. Sauerstoffmangel am Herzen ist Ursache von systolischen und diastolischen Pumpversagen, von Arrhythmien bis zu Kammerflimmern und von Asystolie.

Wird der Ertrinkungsunfall überlebt, so können Lungenschäden - Aspiration tückischerweise auch nach anfänglich mehr oder weniger unauffälligem Befund Stunden später zum fortschreitenden Lungenversagen bis hin zum Tode führen = secundäres Ertrinken.

Regelmäßig bei Ertrinkungspatienten anzutreffen ist eine rasch auftretende und oft ausgeprägte Unterkühlung. Sie ist Folge der hohen Wärmeleitfähigkeit des Wassers. Die Hypothermie umgibt den gesamten pathophysiologischen Ablauf des Ertrinkens und führt ihrerseits zu Komplikationen, beispielsweise Herzrhythmusstörungen. Andererseits reduziert die Unterkühlung den Sauerstoffverbrauch insbesondere des Zentralnervensystems; daraus erklären sich verlängerte Überlebenszeiten nach Kreislaufstillstand, beispielsweise bei Kindern, die ins Eis eingebrochen sind.

Liebe Grüße aus Wien

Gaby
 

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