"Wenn keiner mehr einspringen würde!!!!" – was dann?

Southpaw

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Guten Abend, liebe Community.

Pflege ist da gerne mal ambivalent:
Wer einspringt, unterstützt das kaputte System.
Wer nicht einspringt, lässt das Team hängen.
Also wie man's macht, ist es falsch.

Unser Krankenhaus macht fröhliches Einspringen und verschicken an andere Stationen zum Tagesgeschäft. Statistisch wurde an uns ein aktueller Höchststand an Krankheitsquoten kommuniziert.

Das heißt paradoxerweise, trotz Einspringens, haben wir Zustände, die sich anfühlen, als würde niemand Einspringen. Dass die Krankheitstage statistisch weiter zunehmen (vermutlich auch wegen der Einspringerei) verschärft die Lage weiter.

Ich würde die für viele Pflege-Rettungs-Maßnahme Nr. 1 gerne mal durchspielen:

Niemand springt mehr ein!

Was passiert? Machen wir das Gedankenexperiment mal. Ich werde natürlich auch meine Meinung im Setting "Krankenhaus" dazu noch schreiben.
 
Eine Frage, meinst Du damit „gar nicht mehr einspringen, grundsätzlich“ oder nur dieses übertriebene ständige Einspringen nicht mehr machen?
 
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Knallharter Arbeitskampf, gerade für die, die nicht streiken können/wollen/dürfen:

Es wird gar nicht mehr eingesprungen.

Weniger übertrieben einspringen ist für Teams intern schwer zu koordinieren, wenn die Leitungen kein Auge drauf haben.
 
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Da, wo es Springerpools gibt, sollte sich so viel nicht ändern - die Springer sind ja dafür da, die Ausfälle abzufangen. Wenn sie nicht ausreichen, um alle Ausfälle abzufangen, gäbe es noch die Möglichkeit, Pflegende von anderen Stationen - auf denen an diesem Tag nicht so viel los ist - abzuziehen. Dann sollte klar dokumentiert werden, wie aufwändig die aktuellen Patient*innen sind.

Andere Möglichkeit: Die Stationen arbeiten unterbesetzt. Regelmäßig eine*r weniger pro Schicht. Das bedeutet natürlich mehr Stress für die verbleibenden Pflegenden. Möglicherweise mehr Krankheitsausfälle. Mehr Kündigungen. Mehr Fehler bei der Patient*innenversorgung. Letzten Endes sogar eine höhere Mortalität. Aber bis die letzten beiden Punkte erkannt werden, dauert es lange.
 
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Was passiert wenn niemand mehr einspringt, bzw. niemand mehr einspringen kann, alle Abteilungen so dünn besetzt sind dass auch nicht Abteilungsübergreifend ausgeliehen werden kann ?
Bei uns war es mal so weit.
Was ist passiert ? Es wurden teure Leiharbeiter eingestellt.
Danach fand ein umdenken in der Führungsetage statt. Wir haben so viel unterschiedliche Arbeitszeiten, dass für jeden was dabei ist.
Es wird permanent Pflegepersonal gesucht und eingestellt auch wenn die Planstellen voll sind.
Mitarbeiter die Zusatzaufgaben haben die Zeit kosten, werden dafür Freigestellt und bekommen entweder eine Höherstufung oder eine
persönliche Zulage. Kündigt jemand, dann wird mit der betroffenen Person ein Gespräch geführt ,ob es die Möglichkeit gibt dass er doch bleibt.
Momentan wird ein Springerpool implementiert.
Durch die sehr gute Besetzung der Abteilungen , kommt Einspringen durch Krankheit eher selten vor.
 
Was passiert wenn niemand mehr einspringt, bzw. niemand mehr einspringen kann, alle Abteilungen so dünn besetzt sind dass auch nicht Abteilungsübergreifend ausgeliehen werden kann ?
Bei uns war es mal so weit.
Was ist passiert ? Es wurden teure Leiharbeiter eingestellt.
Danach fand ein umdenken in der Führungsetage statt. Wir haben so viel unterschiedliche Arbeitszeiten, dass für jeden was dabei ist.
Es wird permanent Pflegepersonal gesucht und eingestellt auch wenn die Planstellen voll sind.
Mitarbeiter die Zusatzaufgaben haben die Zeit kosten, werden dafür Freigestellt und bekommen entweder eine Höherstufung oder eine
persönliche Zulage. Kündigt jemand, dann wird mit der betroffenen Person ein Gespräch geführt ,ob es die Möglichkeit gibt dass er doch bleibt.
Momentan wird ein Springerpool implementiert.
Durch die sehr gute Besetzung der Abteilungen , kommt Einspringen durch Krankheit eher selten vor.
Das klingt doch nach einer erfolgreichen Strategie.
 
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Da, wo es Springerpools gibt, sollte sich so viel nicht ändern - die Springer sind ja dafür da, die Ausfälle abzufangen. Wenn sie nicht ausreichen, um alle Ausfälle abzufangen, gäbe es noch die Möglichkeit, Pflegende von anderen Stationen - auf denen an diesem Tag nicht so viel los ist - abzuziehen. Dann sollte klar dokumentiert werden, wie aufwändig die aktuellen Patient*innen sind.
Springerpools haben wir und sie reichen bei weitem nicht aus.
Pflegende von anderen Stationen werden abgezogen, nur gibt es im Grunde kaum mehr Tage, an denen nicht viel los ist, was in deinen nächsten Punkt führt:
Andere Möglichkeit: Die Stationen arbeiten unterbesetzt. Regelmäßig eine*r weniger pro Schicht. Das bedeutet natürlich mehr Stress für die verbleibenden Pflegenden. Möglicherweise mehr Krankheitsausfälle. Mehr Kündigungen. Mehr Fehler bei der Patient*innenversorgung. Letzten Endes sogar eine höhere Mortalität. Aber bis die letzten beiden Punkte erkannt werden, dauert es lange.
 
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Was passiert wenn niemand mehr einspringt, bzw. niemand mehr einspringen kann, alle Abteilungen so dünn besetzt sind dass auch nicht Abteilungsübergreifend ausgeliehen werden kann ?
Bei uns war es mal so weit.
Was ist passiert ? Es wurden teure Leiharbeiter eingestellt.
Danach fand ein umdenken in der Führungsetage statt. Wir haben so viel unterschiedliche Arbeitszeiten, dass für jeden was dabei ist.
Es wird permanent Pflegepersonal gesucht und eingestellt auch wenn die Planstellen voll sind.
Mitarbeiter die Zusatzaufgaben haben die Zeit kosten, werden dafür Freigestellt und bekommen entweder eine Höherstufung oder eine
persönliche Zulage. Kündigt jemand, dann wird mit der betroffenen Person ein Gespräch geführt ,ob es die Möglichkeit gibt dass er doch bleibt.
Momentan wird ein Springerpool implementiert.
Durch die sehr gute Besetzung der Abteilungen , kommt Einspringen durch Krankheit eher selten vor.
Wir haben sämtliche Leiharbeiter rausgeworfen, um sie jetzt wieder an manchen Stellen reinzuholen.

Unser Problem ist, dass wir kein Pflegepersonal bekommen. Die Sparmaßnahmen haben Marketing und die Fachschule schon lange erreicht, obwohl sie vorher schon keine Klassen mehr vollbekamen.

Über die Planstellen hinaus einstellen und so für einen größeren Puffer zu sorgen, geht ja auch nur mit Geld. Woher finanziert euer Haus das?
 
Über die Planstellen hinaus einstellen und so für einen größeren Puffer zu sorgen, geht ja auch nur mit Geld. Woher finanziert euer Haus das?
Da es aufgrund von Schwangerschaften und Kündigungen immer Schwund gibt , sind durch die großzügigen Einstellungen meistens die Planstellen besetzt, manchmal überlappen sie Kündigung und Einstellung dann hat man für kurze Zeit ein gutes Polster. Was die Finanzierung angeht, wir sind ein kommunales Haus und müssen deshalb auch keine Gewinne für Aktionäre erwirtschaften. Außerdem haben wir eine GL die auch noch Beduinen ,Sand verkaufen könnte.
 
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Was dann passiert ?

Die Springerpools sind in den Haupturlaubszeiten, bei Feiertagen und zu ungünstigen Arbeitszeiten genauso leer wie der Dienstplan.

Wenn keiner mehr einspringt, dann arbeitet auch ein schwerbehinderter Mitarbeiter mit einem ehemaligen Tetraplegiker, oder einer 16 jährigen Vorpraktikantin alleine bei 38 Patienten werktags im Früdhdienst alleine, auch über die erlaubte Arbeitszeit hinaus.... man reagiert dann ganz einfach auf Überlastungsanzeigen nicht. Die Mitarbeitervertretungen, Beiräte; Betriebsräte halten still. Geht prima !
 
Ich verfolge dieses Einspringspielchen in unserer Einrichtung schon länger mit Spannung. Wir sind inzwischen so wenige Fachkräfte, dass der ganze Laden droht zu kippen, wenn Urlaub und Krankheitsfall zusammen auftreten. Irgendwie haben sie es bisher immer geschafft, die Ausfälle zu kompensieren, notfalls indem Fachkräfte aus dem Ambulanten Dienst ausgeliehen wurden, an den unsere KZP angegliedert ist. Insgesamt aber sinkt die Bereitschaft zum Einspringen sukzessive, immer mehr Fachkräfte sagen Nein und schalten im Frei das Handy aus. Wir werden sehen, wann die Obrigkeit zum ersten Mal Aufnahmen absagen und/oder Betten sperren muss, wie damals im KH. Wenns ans Geld geht, werden sie vielleicht munter.
 
Größere Arbeitgeber sind gegen Ausfälle durch Krankheit versichert. Kleinere können von den Krankenkasse eine Umlage erhalten. Die verlieren durch Krankheitsfälle wegen der Lohnfortzahlung überhaupt nicht, sondern verwenden das wenn keiner ersetzt wird für sich... Wie gut die versichert sind liegt an jedem Arbeitgeber selbst. Insgesamt landet das Risiko also irgendwo anders....
 
Da, wo es Springerpools gibt...
Bei uns schluckt der Krankenstand selbst die Springer weg.

Es müssen dennoch immer mehr Betten gesperrt werden. Dazu kommt das der Poolmitarbeiter dann auch mal krank wird.
Bei uns werden dann min auf der Intensiv schnellst möglich Betten gesperrt und entsprechend OPs abgesagt.

Auch Leiharbeiter können das nicht mehr Kompensieren.
Leiharbeiter sind gerade auf ITS um die 9 Monate da. Die Einarbeitung lohnt sonst nicht.
dazu belastet es Finanziell extrem.

Ich könnte mir vorstellen das auf Dauer iwann wirklich ein Umdenken stattfinden wird und die Intensivmed. limitiert wird/ Triage. Somit auch weniger Vollpflegefälle (BeatmungsWGs etc.) raus kommen. Denn die Menschen sterben dann.
Die Last für Pflege wird in die Familien gehen was ein Wirtschaftliches Problem nach sich zieht. Denn dann fehlen Arbeitnehmer in anderen Branchen weil sich jemand um Oma und Opa kümmern muß. Auf den Stationen wird es zu einem noch höheren Arbeitsaufkommen kommen, noch mehr Krank und noch mehr Kündigungen. Noch weniger Betten, noch mehr Pflege die die Familie stemmen mußt.

Und noch mehr elend, Menschen werden sich selber überlassen sein und im schlimmsten Fall elendig und einsam sterben.

Auch die Gesellschaft wird sich mit der Vergänglichkeit und tot auseinander setzen müssen. Ich denke gewünschtes DNR/ DNI/ DND etc. wird aufkommen und das die Leute sich eben wirklich damit beschäftigen weil vor sich herschieben wirklich elend bedeutet
 
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Auf der ITS sind bei uns auch schon seit einiger Zeit Betten gesperrt. Auf der Allgemeinstation gab es das - zumindest in meinem Fachgebiet - bisher nicht. Dann eben Einspringen, knapp besetzt arbeiten, jemanden von der anderen Station abziehen o.ä.
 
Soweit ich weiß deckt unser Pool nur die Funktionsbereiche.
Aber auch im peripheren setting wird/ würde es nicht besser aussehen.
So steht dann eine PK mit ü20 Pat. alleine da.

Ich hab das in der Ausbildung schon erlebt. im Spätdienst eine PK für 40 pat. und ich... Wir beide haben den Spätdienst auf einer Internistischen peripheren Station gerockt. Am ende waren wir beide auch krank. Ich hatte mir den Rücken verhoben. Weil ich den kram alleine machen musste. es war zwar eine Leihkraft da. Aber die waren immer nur 1-3 Tage da. Bedeutet die konnte absolut nicht helfen. So hat die Leihkraft typische Auszubistätigkeiten gemacht. Leider sind die Leihkräfte häufig auch am nächsten Tag nicht mehr wieder gekommen.

Übrigens hat dieser Umgang für einen noch schlimmeren Personalmangel geführt. Mein von meinem Jahrgang einst mal 45 sind gerade mal 3 geblieben. Auch wurden die Kollegen dort verar... Das war mal ein unschöner morgen. Eine Kollegin sprach mich in der Umkleide an das sie sich freue das ich nach dem Examen auf die Station käme. Ich wusste nichts davon, denn ich hatte klar gesagt das ich as Haus verlasse. Die haben die Kollegen auf der Station mal knallhart angelogen. Die Kollegin brach in tränen aus. Hat dann auch recht schnell gekündigt. Aufhebungsverträge wurden permanent abgelehnt. Also noch höherer Krankenstand.

Auch ausgelernt habe ich schon alleine 12 IMC pat. versorgen müssen. Das war kein Spaß und da haben die Ärzte echt mit gebuckelt.
Da war auch abgemacht, hier wird nur noch am Leben gehalten. Extrawurst gibbet nicht... Das wussten selbst die Patienten und haben sich entsprechend wirklich zusammengerissen.
 
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