So ging es mir noch nie...

topas86

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Hallo liebe Forenmitglieder!

Lange habe ich mich hier nicht mehr aktiv gemeldet, doch nun brauche ich einen neutralen und dennoch hilfreichen Rat von euch....

Meine Lage ist derzeit sehr schwierig.....

Ich arbeite seit 2012 in einer forensischen Krisenstation für Drogenabhängige. Die Arbeit dort hat mir immer sehr viel Spaß gemacht. Zwar gab es hin und wieder sehr schwierige und belastende Phasen.... jedoch war das dank des tollen Teams immer gut zu händeln.

Zwischenzeitlich absolvierte ich die Psychiatriefachweiterbildung und freute mich, mein Wissen und meine Kenntnisse nun nur noch mehr in der Praxis umzusetzen.

Nur.... es kam ganz anders....

Aufgrund mir unverständlicher Gründen wurde vor knapp 2 Jahren die große Zwangsversetzungswelle auch bei uns eingeläutet.... im Jahr 2019 mussten 5 Kollegen die Station verlassen (größtenteils sehr erfahrene Vollzeitkräfte), dafür mussten andere Kollegen zu uns, alles Teilzeitkräfte, die nur bedingt Lust auf die Station hatten. Abgesehen davon wurde somit systemtatisch mind. 1 Stelle gestrichen.
Durch die Unzufriedenheit der Mitarbeiter kam es ab November 2019 zu einer Wechsel- und Kündigungswelle, woraufhin innerhalb von 5 Monaten nochmals 4 erfahrene und gute Kollegen (3 Vollzeit, 1 Teilzeit) die Station verlassen haben.... Hier wurden diese Stellen erst gar nicht neu besetzt.... sondern diejenigen, die übrig blieben, mussten sämtliche Tätigkeiten übernehmen.... Wir wurden teilweise alleine in den Dienst eingeteilt.... Krisenstation hin oder her..... Der Traum, mehr in Gruppen aktiv zu werden, konstruktive gute Therapiegespräche mit Pat. zu führen, Gruppen für die Pflege einzuführen etc. platzte wie eine Seifenblase....

Im Sommer 2020 wurden aufgrund von Beschwerden und freiwilligem (!) Einspringen (dadurch erhöhten sich die Überstunden extrem) neue Mitarbeiter eingestellt.... allerdings war zum guten Einarbeiten keine Zeit und keine Kraft mehr da.... es tat mir in der Seele weh (und tut es auch jetzt noch), wie das alles lief.....
Unsere Leitung hat versucht, alles zu kompensieren, hat Überstunden über Überstunden gemacht und ist jetzt (meiner Ansicht nach) seit über einem halben Jahr selbst mit den Nerven am Ende.... Es wird sich nicht mehr um die Mitarbeiter gekümmert, Probleme werden schön geredet oder einfach ignoriert.... Regeln werden ausgehebelt, bei Krisen wird nicht reagiert etc.
Die Patienten werden immer aggressiver, bedrohlicher..... da es eben keine wirklichen Konsequenzen mehr gibt....
Die Kollegen haben zu 80% keine Lust auf die Arbeit, die restlichen 20% (mich eingeschlossen) tragen gefühlt alles auf den Schultern, werden gerügt, wenn irgendetwas nicht erledigt ist, während der Rest sich auf dem Stand "war schon immer so, dass der nichts getan hat" regelrecht ausruht.....

Nach langem Kampf habe ich schweren Herzens letztes Jahr beschlossen, dass ich so nicht arbeiten will und werde die Station in wenigen Wochen verlassen und in ein motiviertes und gutes Team auf eine anderen Station wechseln.

Nur..... letzte Woche ist während einem extrem schlimmen Dienst in der Pause etwas passiert, das ich bisher nicht kannte.... ich habe geweint und gemerkt, dass ich nicht mehr kann..... Ich habe keine Lust mehr auf die Patienten, ich meide den Konflikt (der allerdings wichtig in diesem Bereich ist, um Grenzen aufzeigen zu können) und so weiter....

Nun habe ich mich für das WE krank gemeldet, merke aber trotzdem dass ich nach 4 Tagen nach wie vor aus dem ganzen Gedankenstrudel nicht herauskomme....

Da hilft es auch nicht, dass ich keine 20 Dienste mehr auf dieser Station arbeiten muss.....

Ich möchte Kraft und Energie für die neue Station haben, habe aber im Gefühl, wenn ich jetzt nicht bald die Reißleine ziehe, dann schaffe ich das nicht so wie ich das möchte....

Was würdet ihr an meiner Stelle tun?

Einfach zum Arzt? Mit Vorgesetzten nochmal reden und die psychische Sachlage schildern?
Ich war noch nie an diesem Punkt..... und hadere deshalb sehr mit mir selbst.....
 
Ich würde an Deiner Stelle zum Arzt gehen und Dir zum mindesten eine Auszeit verschreiben lassen. Vielleicht wäre auch therapeutische Hilfe ratsam.

Du bist krank geworden, zumindest zum Teil durch die Zustände auf Deiner Station. Das bedeutet, Du brauchst jetzt Kraft und Zeit, um wieder gesund zu werden. Jedem Patienten würdest Du dies sofort zugestehen. Also erlaub Dir das auch Dir selbst.
 
Ich würde an Deiner Stelle zum Arzt gehen und Dir zum mindesten eine Auszeit verschreiben lassen. Vielleicht wäre auch therapeutische Hilfe ratsam.

Du bist krank geworden, zumindest zum Teil durch die Zustände auf Deiner Station. Das bedeutet, Du brauchst jetzt Kraft und Zeit, um wieder gesund zu werden. Jedem Patienten würdest Du dies sofort zugestehen. Also erlaub Dir das auch Dir selbst.

Ich habe immer mehr das Gefühl, dass das die beste Entscheidung wäre....

Ich weiss, dass ist kein Argument.... aber eine Kollegin und Freundin von mir ist ähnlich wie ich letzte Woche aufgrund der selben Missstände auf der Station zusammengebrochen und wurde nach Hause geschickt.... sie meldet sich nun auch offiziell krank....

Nun würden 2 komplette Nachtdienste besetzungstechnisch nächste Woche ausfallen, wenn ich diesen Schritt auch machen würde.... Auf der anderen Seite..... ich weiss, dass diese Denkweise ein typisches Krankenpflegeproblem ist "Ich darf meine Kollegen nicht im Stich lassen, wegen mir müssen andere leiden etc."....

Es ist echt hart..... diese Ambivalenz macht alles nicht leichter....
 
Nun würden 2 komplette Nachtdienste besetzungstechnisch nächste Woche ausfallen, wenn ich diesen Schritt auch machen würde.... Auf der anderen Seite..... ich weiss, dass diese Denkweise ein typisches Krankenpflegeproblem ist "Ich darf meine Kollegen nicht im Stich lassen, wegen mir müssen andere leiden etc."....
Genau.
Das Problem haben andere verursacht, warum soll immer die Profession Pflege (also ihr) es lösen?
Von diesem Denken "ich darf aber nicht ausfallen, ich werde gebraucht" habe ich mich schon lange verabschiedet... es hat mich krank gemacht, und interessiert hat das damals - insbesondere von den Verantwortlichen - auch keinen.
 
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Warum musst du Fehler auskühlen, die andere gemacht haben? Warum wurden Leute zwangsversetzt?
 
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Warum musst du Fehler auskühlen, die andere gemacht haben? Warum wurden Leute zwangsversetzt?

Die Zwangsversetzungen hat in dieser Zeit viele Stationen getroffen - das war zum einen nötig, um 2 neue Stationen mit Personal zu füllen, zum anderen, damit die Mitarbeiter, die Jahre auf einer Station verbracht haben, auch "einmal etwas anderes sehen und neue Erfahrungen sammeln"...

Auch wurde extrem auf dem Thema "Personalschlüssel etc." herumgeritten, wir wären zu viele Leute etc.

Die damalige PDL ist vor einem Jahr abgetreten, weil er eine andere Stelle im Haus angenommen hat.... (ich lasse das jetzt einfach mal so stehen ;) )

Ich liebe meinen Beruf und ich liebe an sich auch meine Arbeit. Ich habe in den ersten 6-7 Jahren nie Probleme damit gehabt, dass ich mir Gedanken zuhause mache, Schlafprobleme habe etc.
 
Wie gesagt, die Pflegekräfte müssen das nicht mitmachen, in einem anderen Krankenhaus haben sie zwei Intensivstationen zusammengezogen. Zwei Teams eine übergeordnete Leitung von außen und was ist passiert? Heute arbeitet keiner mehr von denen dort!
Das ging ganz schnell, war nicht abgesprochen und der Arbeitgeber hat auch wenig Widerstand der Mitarbeiter zu spüren bekommen. die haben einfach einer nach dem anderen gekündigt, sind in Elternzeit gegangen und danach gegangen, haben studiert oder eine andere Ausbildung gemacht. Die haben einfach mit den Füssen abgestimmt.
Wir hatten auch Mal eine PDL, die wollte alles anders machen, war unverschämt und rücksichtslos. Irgendwann sagte sie Mal, Entschuldigung, dass ich ihnen ihre Komfortzone nehme. Ich grinste und meinte, aber liebe Frau K. Das tun sie nicht mehr lange, Vorgesetzte wie sie muss man einfach aussitzen. Sie zuckte und war weg.
Einen Tag nach der Weihnachtsfeier zu der nicht Mal 12! Pflegekräfte kamen bekam sie von der Geschäftsführung die Kündigung. Als ich nach meinen freien Tagen im neuen Jahr wieder zum Dienst kam, hing da eine E Mail der Geschäftsführung. Frau K. hat unserer Haus verlassen keine Info wie aus persönlichen Gründen kein wir danken ihr und wünschen ihr...
Fazit, wenn ich etwas nicht ändern kann und ich so aber nicht weitermachen kann oder will dann mache ich das nicht. So handeln inzwischen immer mehr Kollegen.
 
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Ich habe immer mehr das Gefühl, dass das die beste Entscheidung wäre....

Nun würden 2 komplette Nachtdienste besetzungstechnisch nächste Woche ausfallen, wenn ich diesen Schritt auch machen würde.... Auf der anderen Seite..... ich weiss, dass diese Denkweise ein typisches Krankenpflegeproblem ist "Ich darf meine Kollegen nicht im Stich lassen, wegen mir müssen andere leiden etc."....

Es ist echt hart..... diese Ambivalenz macht alles nicht leichter....

Beschäftige dich mal mit dem Thema "Faktor Mensch". Und vor allem mit deinen grünen Kügelchen. Und wieviele man benötigt um genug Ressourcen zu.
 
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Beschäftige dich mal mit dem Thema "Faktor Mensch". Und vor allem mit deinen grünen Kügelchen. Und wieviele man benötigt um genug Ressourcen zu.

Die grünen Kügelchen haben wir tatsächlich in der Weiterbildung im Rahmen der Deeskalation durchgenommen :-)

Nach einem weiteren Aufwachen und dem schon fast normalen ersten Gedanken an Station/Patienten etc. werde ich mich nun doch schon heute zum Arzt begeben.....

Ich weiss, dass es auf Station schlecht geredet wird, ich weiss, dass ich manche Kollegen nun.... "im Stich lasse", und ich weiss, dass es seltsam erscheint, dass nun gleich 2 Kollegen, die sich gut verstehen, zur selben Zeit krank geschrieben sind....

Selbst wenn es jetzt "nur" Nachtdienste wären in dieser Woche..... ich würde mir keinen Gefallen tun....

Ich werde zum Arzt gehen, ihm meine Sachlage schildern und mal sehen, was er meint
 
Ein kleines Update von mir:

Nach nunmehr über 3 Wochen Abstand habe ich es gestern trotz wieder auftauchender Schlafprobleme und Gedanken in die Arbeit gewagt und bin einen Frühdienst angetreten.
Ich habe nach Nachfrage ehrlich den Grund meines Krankenstandes gesagt und musste erfahren, dass mit mir insgesamt 4 Kollegen deshalb ausgefallen sind und weitere zwei Kollegen Überlastungsanzeigen geschrieben haben sowie auch kurz davor waren, zum Arzt zu gehen.
Die Lage hat sich auf Station mit den Patienten extrem zugespitzt und nun wurde gottseidank reagiert und es wurden von oberster Stelle Maßnahmen eingeleitet.
Es ist deutlich ruhiger und läuft aktuell einigermaßen "normal" - was man eben unter "normal" auf einer Akutstation versteht ;-)

Ich habe nunmehr noch 7 Dienste vor mir und wenn die so werden wie gestern.... ist es für mich machbar.
 
Ich bin auch der Meinung, manchmal hilft reden nicht, ist zu pluspolig, lieber dann wirklich eine Auszeit nehmen, oder kündigen. Neulich hat mal eine langjährige mitarbeiterin gekündigt, die PDL war ganz entsetzt und wollte wissen, warum sie geht.
Fragt die Kollegin: Als X und Y gekündigt haben, haben sie die nach den Gründen gefragt?
PDL: Ja natürlich!
Kollegin: Und was haben sie gemacht, um die Zustände zu ändern?
PDL: schweigt, Antwort hätte wahrheitsgemäß NICHTS lauten müssen.
Kollegin: Ja, wenn sie sowieso nichts verändern, selbst wenn sie die Gründe kennen, warum sollte ich meine Lebbenszeit verschwenden um ihnen meine Gründe darzulegen? (Das mit der Lebenszeit hat sie von mir!)
Momentan habe ich auch meinen Status auf auf der Suche nach neuen aufgaben in zwei Jobseiten verändert...
Manchmal hilft nur handeln, Worte gab es genug.
 
Ein weiteres Update:

Ich arbeite seit 2 Wochen auf meiner neuen Station und... was soll ich sagen.... es war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte! :-)

Trotz Krise (Coronaausbruch auf Station - Quarantäne, Isolation, angespannte Patienten etc.), vielen neuen Aufgabengebieten und vielen Diensten fühle ich mich gut, fit und ausgeglichen.

Die Kollegen sind sehr nett, jeder hilft zusammen, es meckert keiner, wir haben trotz alledem viel Spaß und lachen, es läuft alles professionell ab und mein Chef ist einfach nur spitze! :-)

Genau so stelle ich mir meine Arbeit und Teamarbeit vor, dann gehe ich auch gerne in meine Schicht!

Wie man sieht: Es gibt sie noch, die Bereiche, in denen es noch gut funktioniert und wo die Arbeit Spaß macht!

Mein Rat an alle: Sobald ihr merkt, dass euch die Kraft ausgeht, dass ihr euch zuhause nur noch ausruhen müsst, jeder Kontakt anstrengend wird und ihr euch nur noch von frei zu frei, von Urlaub zu Urlaub hangelt.... sucht euch was anderes! Sucht nach Alternativen.
Die Pflege ist vielseitig und heiß begehrt! Niemand sollte sich über Jahre einem Märtyrum aussetzen, "nur" weil man die Kollegen nicht im Stich lassen möchte.

Ich habe diese Lektion hart erlernen müssen.... und schwöre mir: Das passiert mir (hoffentlich) nie wieder!
 
Das freut mich für dich! Manchmal funktioniert es doch und ich bin auch dabei, mir was anderes zu suchen.
 

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