Ohne Grundlagen wie Anatomie, Physiologie und Biochemie kann man nicht ärztlich tätig sein. Das macht die medizinische Kompetenz aus. Wenn man diese Vorkenntnisse nicht hat ist alles was man tut gewissermassen ein "Nachmachen".
Ich muss dich enttäuschen. Diese von dir genannten Bereiche werden nicht ausreichen ein guter Arzt zu sein.
Vielleicht versuch ich mal zu erklären, was mein Problem ist:
Ich bringe von Natur aus eine große Neugierde mit. Ich will stets wissen warum wie was passiert. Dieses Naturell steht mir mittlerweile im Wege.
Es fing mit dem Wechsel der Fachrichtung an. Ich musste mich weiterbilden- also hab ich mich an ärztlichen Fachböchern orientiert. Das theoretische Wissen auf Station überprüft durch vergleichen. Ein winziges Samenkorn war gelegt. Nährstoff für dieses samenkorn gabs in der Fachweiterbildung. Deine ärztlichen Kollegen haben da einen Riesenfehler gemacht. Sie haben mich hochspezialisiert im Bereich Intensivmedizin. Nach der Ausbildung hab ich es nicht mehr auf meiner Station ausgehalten: ich konnte die Fehler der Mediziner erkennen... und musste zuschauen. Also wieder Fachwechsel... der hat nichts oder nur wenig genutzt. Intensivmedizin ist überall gleich.
Eins meiner Hauptprobleme in den letzten Jahren: ich hatte oft das Gefühl mehr zu wissen und mehr zu können in bestimmten Situationen als der Arzt. Beispiele gefällig? Parenteraler Ernährungsbedarf, Trachealkanülenwechsel, "blindes" endotracheales absaugen usw., usw., usw.. Was antwortet man einem Arzt, wenn er bei ausgeprägter Tachyarrhythmie mit hämodynamischer Wirksamkeit anordnet: Elektroden im Sinusrhythmus kleben?
Solange es ein therapeutisches Tema gibt, kann man noch viel regeln. Ist dies nicht der Fall, wirds schwierig. Nach dem Weggang des letzten Oberarztes war ich eigentlich der Kollegin dankbar, die mich aus dem Stationsdienst in die IBF gelenkt hat.
Und jetzt gebe ich Seminare zum Thema Pflege. Das Gebiet ist spannend ohne Ende. Vieles hab ich gar nicht gewusst. Jeden Tag lerne ich etwas dazu. Ich muss mich nicht mehr mit dem Doktor messen. Ich muss nicht mehr aufpassen, dass er nichts vergißt. Pflege könnte so schön sein, wenn es auf Station auch so umsetzbar wäre.
Die Übernahme der derzeit angedachten ärztl. Tätigkeiten sind in der Regel Tätigkeiten die ein ärztl. "Laie" auch ausführen kann. Insofern hat medizin- ersti wohl recht. Pflege kann aber bedeutend mehr leisten als ein paar Dressurtätigkeiten zu übernehmen.
Elisabeth