Postreanimationssyndrom, Hypothermie,...

Jacki_91

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09.01.2014
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Hallo ihr Lieben,

ich hatte die letzten Tage einen Fall, der mich nicht in Ruhe lässt und mir hierfür die Zusammenhänge nicht ganz klar sind. Ich hoffe, dass mir hier ein bisschen geholfen werden kann. Zum Fall:

Mann, 53 Jahre, initial Kammerflimmern außerhalb der Klinik. Zunächst von Laien in Seitenlage gebracht, bevor mit der Reanimation begonnen wurde. (Zeit bis zur Reanimation unklar). Laienreanimation, Weiterführung durch NA --> insgesamte Reanimationsdauer ca. 15min. Patient kommt beatmet zu uns ins HKL --> kompletter LAD Verschluss, wird gestentet, RCA Verschluss von 90%. (Patient hat keine Vorerkrankungen) Patient ist stabil, Katecholamine können schnell ausgeschlichen werden, gleich einige Stunden nach dem Ereignis. Dann die Devise: Kühlung für 24h, Ziel 33-35Grad.

Nun zu meinen "Problemen" und Fragen. Zu diesem Zeitpunkt war noch kein CT etc. gefahren, wir wussten also nicht was im ZNS vor sich ging bzw. durch die Hypoxie geschädigt wurde. NSE initial einen Tag später 85. Ich war in der Schicht, habe kühle Infusionen gegeben, Kühlung äußerlich durch Kühlpacks (haben leider keinen Katheter zum Spülen und kühlen bei uns), Wadenwickel, Pfefferminzwaschungen. Paracetamol i.v., Novalgin i.v.. Patient hat aber in dieser Nacht dennoch aufgefiebert. Eine Kühlung haben wir einfach nicht geschafft :-(

Frage 1 ganz allgemein: Es ist ja beinahe "normal" dass die frisch reanimierten Patienten Temperaturen entwickeln. Weshalb genau, was ist die Pathophysiologie dahinter? Bzgl. Apsiration? Bzgl. dieses Stressereignisses?

Cct am 2. Tag. Keine Hirnlinien mehr erkennbar. Untere Einklemmung bereits beschrieben. Hatte der Patient womöglich deswegen aufgefiebert und ein zentrales Fieber entwickelt? (Temperatur immer zwischen 38 und 39,5 Grad mittlerweile, nichts hilft.)

Frage 2: Weshalb sind alle Mittel unwirksam bei "zentralem Fieber"? Weil es eine irreversible Hirnschädigung ist?

Patient hat dann im Laufe der Schicht nach dem CCT plötzlich einer Hypertonus entwickelt. Ich den OA geholt. Er sagte: er klemmt jetzt ein. RR völlig unbeeindruckt von Boligaben. Patient hat nun weite lichstarrre Pupillen. (zuvor eng, hatte aber anfänglich sehr viel Remifentanyl) RR und HF normalisieren sich nach einiger Zeit von allein.

Da ich diese Einklemmung so noch niemals gesehen habe: Frage 3: Was passiert bei dieser Einklemmung, dass der RR systolisch über 200mmHg schießt? Das Hirnödem drückt Hirnareale zusammen und lässt diese absterben.... KL-Zentrum? Kann ich das hiermit erklären?

Sorry für die vielen Fragen, aber ich habe selten so einen Patienten so eindrücklich und intensiv vorher betreut. Ich mache mir natürlich Gedanken ob man hätte etwas anders machen können, oder ob die Hyperthermie des Patienten von der Hypoxie kam, und ich alles ausgereizt habe was ich hätte machen können. Darf man so einen Patienten normal lagern, oder sollte man minimal lagern? Ich werde auch noch das Gespräch mit meinem OA suchen und nochmals einige Dinge klären und Revue passieren lassen. Die Seelsorge der Familie hatte mich auch ziemlich mitgenommen. Was sagen? Wie handeln? Ich glaube insgesamt kann ich sagen haben wir wirklich alles versucht und keinen großen Fehler gemacht, die Hypoxie war einfach zu groß.... aber man macht sich natürlich seine Gedanken, ich bin eh ein wenig perfektionistisch eingestellt.

Vielleicht kann mir der ein oder andere diese Fragen die sich mir ergeben klären und Standards oder Tipps aus anderen Häusern geben. Ich freue mich auf jeden Fall auf eure Antworten, Bücher wälze ich bereits wie verrückt, ich möchte alles verstehen. Ich hoffe es sind keine doofen Fragen dabei....

LG
 
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Ich kann dir leider nicht weiter helfen bei deinen offenen Fragen, würde dir zu einem Fachgespräch mit deinem OA raten, falls hier keine hinreichenden Antworten kommen.
Ich würde mich aber freuen, wenn du hier berichtest, wenn du etwas Aufklärendes herausfinden kannst, da ich diesen von dir geschilderten Fall auch interessant finde.
 
Vorweg... Von Erwachsenen hab ich keine Ahnung, aber ich denke, einige Punkte, insbesondere die Pathophysiologie, lassen sich von Kindern auf Erwachsene übertragen:
Was passiert bei dieser Einklemmung, dass der RR systolisch über 200mmHg schießt? Das Hirnödem drückt Hirnareale zusammen und lässt diese absterben.
Schon vor der Einklemmung haben wir es mit einem erhöhten Hirndruck zu tun. Die Hypertonie und das zentrale Fieber sind Anzeichen für eine mittlere ICP-Erhöhung. Wenn der Druck weiter steigt, kommt es dann bei einer schweren ICP-Erhöhung später zu den gegenteiligen Werten, nämlich Hypotonie und Hypothermie sowie dem sogenannten Druckpuls, einer schweren Bradykardie mit ca. 20 Schlägen pro Minute (das ist der Wert für Kinder, ich weiß nicht, ob er bei Erwachsenen vielleicht noch niedriger ist, da Kinder physiologisch eine höhere HF haben als Erwachsene). Hinzu kommen die starren Pupillen und das Erlöschen der Hirnstammreflexe. Um zu verstehen, woran das liegt, muss man die Pathologie der Druckerhöhung betrachten:
Durch den hohen Druck wird Liquor aus dem Subarachnoidalraum und den Ventrikeln ausgepresst, wodurch die medialen Anteile des Temporallappens in den Tentoriumschlitz, also gegen das Mittelhirn gepresst werden. Die Folge ist ein Abscheren des N. oculomotoricus, was man an der gleichseitigen Pupillenerweiterung erkennt. Bei einseitiger und seitenbetonter Druckerhöhung tritt dementsprechend zunächst eine Pupillendifferenz auf, die aber bei weiter steigendem ICP nachlässt, weil mit der Zeit auch die zweite Seite betroffen ist. Steigt der Druck weiter, werden die Kleinhirntonsillen in das Hinterhauptsloch gedrängt. So kommt es schließlich zur Kompression von Hirnstamm und Medulla oblongata. Da dieser Bereich derjenige ist, der hauptverantwortlich für die Steuerung der Vitalfunktionen ist, kommt es jetzt zu Problemen mit der Regulation von Temperatur, Blutdruck, Herzfrequenz, Atmung...
Jetzt wäre noch zu klären, warum diese Kompression so problematisch ist. Entscheidend dafür ist der zerebrale Perfusionsdruck (CPP). Der CPP ist die Differenz von MAD und ICP, d.h. je höher der ICP, desto geringer der CPP. Und wenn der zerebrale Perfusionsdruck sinkt, ist die Blutversorgung des Gehirns gestört, wodurch die Hirnareale absterben. Du hast das also schon richtig erklärt, dass das Hirnödem zum Absterben von Hirnarealen führt. Im Extremfall führt dann die massive ICP-Erhöhung dazu, dass der CPP so niedrig ist, dass es zum intrakraniellen Kreislaufstillstand kommt, also zum Hirntod.
Weshalb sind alle Mittel unwirksam bei "zentralem Fieber"?
Normales Fieber entsteht durch eine Soll-Wert-Erhöhung im Gehirn. Das Gehirn möchte eine höhere Temperatur erreichen, um z.B. die Infektabwehr zu verbessern. Durch Antipyretika wird der Soll-Wert wieder gesenkt, und da die Thermoregulation intakt ist, sinkt auch die Körpertemperatur. Zentrales Fieber ist kein Fieber im eigentlichen Sinn, sondern eine Hyperthermie. Hier ist der Soll-Wert nicht erhöht. Das Gehirn möchte keine höhere Temperatur erreichen, aber durch die Hirnschädigung ist die Thermoregulation gestört, so dass es die physiologische Zieltemperatur von ca. 37°C nicht erreicht. Theoretisch können physikalische Maßnahmen zur Temperatursenkung hier wirksam sein, aber wenn das Thermoregulationszentrum zu stark geschädigt ist, können wir auch mit Wadenwickeln, Waschungen etc. keine ausreichende Kühlung erreichen.
Darf man so einen Patienten normal lagern, oder sollte man minimal lagern?
Nach Möglichkeit sollte in Kopfmittelstellung und 30°-Oberkörperhochlage gelagert werden, um das Hirnödem nicht noch zu verstärken. Theoretisch ist Seitenlage möglich, aber es sollte einem bewusst sein, dass dann der Druck in der unten liegenden Gehirnhälfte zunimmt, so dass möglichst nicht in 90°-SL gelagert werden sollte, sondern bevorzugt RL mit OK-Hochlage oder max. 30°-SL, also eher Mikrolagerung, nur so viel wie zur Dekubitusprophylaxe unbedingt nötig ist.

Quellen: meine Ausbildung und meine aktuelle Arbeit mit neurologisch geschädigten Kindern (aber nicht in dieser Akutphase)

Aber alle Angaben ohne Gewähr, kann gut sein, dass ich mich irgendwo vertan habe.
 
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Vielen Dank @Neuromaus für diese tolle und ausführliche Erklärung. Es hat mir sehr weiter geholfen und es ist wirklich super gut erklärt. Vielen lieben Dank :)
 
Gern geschehen:-)
Ich mag es, wenn andere Pflegekräfte auch die Dinge hinterfragen und verstehen wollen. Ich bin auch so jemand, der immer gerne wissen will, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Und wenn ich jemanden dabei unterstützen kann, das auch zu tun, dann mach ich das sehr gerne.:-)
 
Also bezüglich der Frage ob irreversible Hirnschädigung mit Hyperthermie folgender Erklärungsversuch: Die ganzen Medikamente nicht mehr wirklich wirksam, da das durch die Hirnschädigung im vegetative Nervensystem erzeugte komplette Chaos Zustand, Der Wirkmechanismus Von Novalgin beruht zum Beispiel darauf dass sie die cyclooxygenasen- Enzyme hemmen aber deine komplette Körper momentan in so einem Ausnahmezustand ist kann mit ihrer Ausprägung auch die Hemmung der cyclooxygenasen- Enzyme keinen wirklichen Fiebersenkenden effekt erzieln bei den anderen verabreicht Medikament und deinen fragen kann ich dir leider nicht antworten da meine Kompetenzgrenzen als Notfallsanitäter hier an meine Grenzen stösst, tut mir sehr leid für diese n ur teilweise beantwortetn Fragen