"Notkompetenz" im Krankenhaus

Jogibaer

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Eines Vorweg... der vorliegende Fall ereignete sich vor etwa 10 Jahren, als ich noch in einem Krankenhaus beschäftigt war.

Durch einen Beitrag im Anästhesie / Intensivforum, ist meine Geschichte mir wieder ins Gedächtnis gerufen worden. Damals gab es weder dieses Forum oder sonst eine Möglichkeit, mir Meinungen Deutschlandweit einzuholen.

Auch wenn es schon länger her ist, interessiert mich wir ihr reagiert hättet oder wie die jeweilige Vorgehensweise in Eurem Haus geregelt ist.

Nun genug mit dem Vorspann :daumen:

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Ich arbeitete auf einer 40 Betten Station (Internistisch / Onkologisch).

Trat ein Notfall ein, wurde dieser auf der Station durch das dort arbeitende Team (Arzt / Pflegepersonal) behandelt.

Der Fall: zerebraler Krampfanfall eines Patienten im Pat. Zimmer (4. OG)

Ein Arzt war nicht sofort verfügbar und musste angepiept werden. Eintreffzeit ca. nach 3 Minuten.

Neben den üblichen Erste Hilfe Maßnahmen, legte ich mit Hilfe einer Kollegin einen Zugang (+ anwesend 2 Schüler), da ich diese Maßnahme beherrsche (Zusatzausbildung Rettungsassistent).

Im Gegensatz zum Stationarzt, war die Pflegedienstleitung (irgend einer meiner "netten" Kollegen hatte diese informiert) war über diese Aktion weniger erfreut.

"Das wäre nicht meine Aufgabe. Ich hätte auf den Arzt warten müssen".

Ich war fest davon überzeut und bin noch heute der Meinung, das ich richtig gehandelt habe.

Patient hat das Krankenhaus übrigens ohne bleibende Schäden verlassen.

Diskussion eröffnet!

Mfg
Jogibaer
 
Hallo Jogibaer,

dazu hätte ich gern gewusst,

1) ob es der erste Krampfanfall war,
2) wie lang er dauerte,
3) bekam der Patient dann noch irgendwelche Medikamente über den Zugang?
4) wäre es nicht möglich gewesen, den Krampf, sofern nicht von selbst zum Stillstand gekommen, anderweitig zu therapieren außer mit einem venösen Zugang?

Wenn ein Patient krampft, lass ich ihn in der Regel erstmal krampfen, bis zum Abklingen.
Denn aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es seeeehr schwierig ist, einem krampfenden Patienten eine Braunüle zu legen.
2. Hätte ich dem Patienten dann erstmal eine Rectiole gegeben, denn dazu muss ich auch nicht auf den Arzt warten.
Und des auch nur, wenn besagter Patient nicht aufgehört oder gleich wieder angefangen hätte.
3. Bei einem Krampfanfall kann ich den Patienten nach der postiktischen Phase ja erstmal wieder wach werden lassen und ihn dann oralisieren.

Also, meiner Meinung nach war das mit dem Zugang etwas schnell vorgegriffen, denn innerhalb von 3 Minuten sollte der Anfall vorbei gewesen sein. Und als Schwester auf der Neuro mit mittlerweile mehrjähriger Erfahrung ist es absolut unnötig, gleich jeden Patienten mit einem Zugang zu beglücken.
Und nach 3 Min. kann ich den Arzt entscheiden lassen, auch wenn ich dir in dieser Sache keinerlei Kompetenzen absprechen will.

LG,Nicole
 
Jogibaer schrieb:
Der Fall: zerebraler Krampfanfall eines Patienten im Pat. Zimmer (4. OG)

Ein Arzt war nicht sofort verfügbar und musste angepiept werden. Eintreffzeit ca. nach 3 Minuten.

Hallo Jogibaer,

3 Minuten sind nicht lange.
Ich finde wichtiger, als das legen eines Zuganges ist es, darauf zu achten, dass der Patient nicht aus dem Bett fallen kann oder sich weitere Verletzungen zuziehen kann.
Du brauchst doch auch schon eine gewisse Zeit, um dir das Zubehör für's VVK legen zu holen.
Ich hätte es sinnvoller gefunden, wenn du entsprechende Medikamente vorbereitest.
Ausserdem muss ich Nic rechtgeben, es ist nicht einfach einem krampfenden Patienten einen Zugang zu legen, allerdings ist es genauso schwierig eine Diazepamrectiole während eines Anfalles zu verabreichen.

Meiner Meinung nach sollte man sich immer erst um die Basic's kümmern.

Schönen Tag
Narde
 
Moin,

auch ich - ein Freund eines sicheren Zugangs auf einer ICU - hätte dem Patienten keine Nadel gelegt... Rectiolen gibt es bei uns nicht, also hätte er auskrampfen oder halt später dann eine Nadel bekommen müssen.

Imho ist dieser Fred irgendwie überflüssig... über eine Lappalie zu diskutieren und das auch noch 10 Jahre danach *kopfschüttel*

Gruss Cys
 
Cystofix schrieb:
Imho ist dieser Fred irgendwie überflüssig... über eine Lappalie zu diskutieren und das auch noch 10 Jahre danach *kopfschüttel*

Hallo Cystofix,
ich glaube dass es sich hier um ein immer wiederkehrendes Problem handelt.
Wenn ich mich nicht sehr irre, treten Krampfanfälle auch heute noch auf, zumindest bei uns.

Schönen Tag
Narde
 
Das ist mir klar, aber irgendwie gibt es nix, was mich, aus meinem Berufsalltag, schon länger belastet - zumal im oben beschriebenen Fall nix passiert ist.

Aber gut, man kann nur lernen...

Cys
 
Also ich halte die geschilderte Vorgenhensweise für überflüssig, fast schon fahrlässig.
Der Arzt kommt in 3 Minuten, da muss ich bei Krampfanfällen keine Maßnahmen, außer der Sicherung des Patienten, einleiten.
Wie legt man denn einem Patienten der krampft eine Nadel?? Es sollte doch allgemein bekannt sein das, das festhalten eines Patienten bei Krampf kontraindiziert ist.
Rektiolen, i.v. Gaben und sämtlicher andere medizinische Krempel sind überflüssig wenn es sich nicht um einen generalisierten Krampfanfall handelt.

Bevor man sich um Kompetenzen im Notfall kümmert sollte man sich erst einmal das nötige Fachwissen aneignen um einen Notfall richtig einschätzen zu können...
Hat man dieses nicht wartet man besser auf den Arzt, was natürlich nicht heißt das der das dann besser macht.
Dies zeigt mir nur wieder diese "Rettungsrambo-" Mentalität die sich einige Kollegen selber zuschreiben.
 
Moin adalbert

Ganz schön bissig - der Kommentar.
Würde ja gerne Kontern - kann ich nur leider inhaltlich nicht :wink1:

Die Situation, wie sie beschrieben wurde gibt auch meiner Meinung nach keine Indikation für einen Zugang her! Es mag schon lange her sein - aber die Situation kommt wahrscheinlich immer wieder vor. Der Zugang hat den Anfall sicher nicht durchbrochen. Meist hilft ja beim GrandMal einfach abwarten. Anschließend Vitalfunktionen überwachen - Atemwege freihalten. Gab doch den Satz, das Diazepam kommt meist wenn alles vorbei ist.

Obwohl es auf einer peripheren Station sicher schon eine Leistung ist in 3min einen Zugang in solch einer Situation zu legen. Aber war ja kein Wettrennen :freakjoint: oder ?

Tschau
Dirk Jahnke
 
Hi Adelbert, harte worte, nicht.

Bei leichten Anfällen tu ich auch nur beobachten. Habe aber schon 2 sehr harte Anfälle gesehen, die beide tödlich ausgegangen sind, wegen widriger Umstände. Beide gingen mir damals sehr nahe. Deshalb kann ich mir gut vorstellen, daß wenn ewiglich kein Arzt auftaucht, eine Leitung zu legen nach dem mein ABC am Ende ist.

Schönes WE
herion
 
Moin heriion

Gerade das ist es - 3 Minuten - in dieser Zeit sollte man eigentlich andere Schwerpunkte setzen können.

Dies zeigt mir nur wieder diese "Rettungsrambo-" Mentalität die sich einige Kollegen selber zuschreiben.
Daher kommt so etwas.

Ist der Krampf vorbei - liegt jetzt eine vitale Bedrohung vor - bzw. hält der Krampf mehrere Minuten an , gut dann würde ich sicher auch dazu neigen - aber so. 3 Minuten könnte ich mich schon anders sinnvoll beschäftigen. Wobei wenn nach 5-10 min kein Arzt da ist,wäre auch ein Anruf auf einer Intensiv vertretbar . So ist es zumindest schon bei uns gelaufen - nach dem der ärztliche Hausdienst nicht aus dem Bett kam.:(

Tschau
Dirk Jahnke
 
heriion schrieb:
Hi Adelbert, harte worte, nicht.

wegen widriger Umstände.

Schönes WE
herion

Was waren das denn für Umstände??

@all
Der Thread lautet ja Notfallkompetenz. Wenn die Kompetenz darin besteht einen Zugang zu legen, dann Prost Mahlzeit.
Um von Kompetenzen zu reden muss man erstmal die fachliche Kompetenz haben und die erschöpft sich hoffentlich nicht in Zugänge legen.

Ein cerebraler Krampfanfall gehört zu den häufigsten Erscheinungen beim Menschen, denn jeder Mensch kann einen bekommen. Da verstehe ich die Unwissenheit einiger Kollegen halt nicht, deswegen ist das auch alles etwas bissiger formuliert.
Und wenn man keine Ahnung hat, sollte man eh etwas zurückhaltender sein und das in die Hände von Leuten geben die da vielleicht mehr Ahnung von haben.
Zu dieser Meinung stehe ich und werde sie auch weiterhin vertreten. Diese Meinung soll nicht gegen irgend jemanden persönlich gerichtet sein, also bitte nix falsch verstehen.

So, Grüße und schönes WE...
 
Moin adalbert

Jetzt habe ich dich doch :king:

Der Thread lautet ja Notfallkompetenz.
Unter dem Begriff Notkompentenz (von dir als Notfallkompetenz beschrieben) versteht man aber schon die Übernahme von ärztlichen Tätigkeiten / Endscheidungen durch Nicht-Ärzte. Halt auch der Zugang, der zwar delegierbar, aber rechtlich der Anordnung Bedarf.

Wenn die Kompetenz darin besteht einen Zugang zu legen, dann Prost Mahlzeit.
Um von Kompetenzen zu reden muss man erstmal die fachliche Kompetenz haben und die erschöpft sich hoffentlich nicht in Zugänge legen.
Wobei ich inhaltlich darin mit dir übereinstimme!

Tschau
Dirk Jahnke
 
Hi,
das führt dann aber wieder zu dieser Nicht enden wollenden Diskussion ob Pflege i.v. darf oder nicht. Und die ist so sinnlos wie nur irgendwas.
Weil ich darauf keine Lust habe behalte ich meine Meinung jetzt mal für mich.

Mir ging es eher darum das in Notfällen manchmal lieber Emergency Room gespielt wird als den Notfall erstmal zu bewerten.
Andersherum ist es ja leider auch häufig der Fall, das Pflegende aus Unwissenheit gar nix machen und wertvolle Zeit verstreicht.

Ein Mittelweg zwischen beiden Extremen wäre hier dann wohl wünschenswert...

Gruß
 
Ich möchte nicht die uralte Diskussion, auch "Streit" genannt, ankurbeln, betreffend die "Notfallgalligkeit" einiger (!) Rettungsdienstmitarbeiter, aber unbestreitbar gibt es die.
M.E. sollte in einem Notfall das getan werden, was sinnvoll ist, nicht unbedingt das wünschenswerte. Beim Grand mal würde das für mich bedeuten: Arzt alarmieren und Patienten vor Verletzungen weitmöglichst schützen. Einen Zugang braucht der nicht, jedenfalls nicht sofort.
Ich habe einen epilepsiekranken Angehörigen, der im häuslichen Bereich auch nicht beim Anfall eine Viggo bekommt. Wohl aber haben seine Kollen im Seniorenheim schon versucht, im tonischen Stadium des Anfalls in Ermangelung eines völlig überflüssigen Beißkeils einen Schlüssel zwischen die Zähne zu schieben, was denen gar nicht gut tat.
Ein venöser Zugang mag bei kranken Menschen sinnvoll sein, aber beim Grand mal muß ich wirklich keinen legen, höchstens im Status epilepticus. Dann aber schnell.
 
Also ich denke auch, dass die Notfallkompetenz nicht ausmacht, dass meine einen periphervenösen Zugang legt.
Und ich denke auch nicht, dass es wirklich sinnvoll ist, während eines "Anfalls" als erstes einen Zugang zu legen. Erst mal steht wohl die Sicherung des Patienten an gemeinsam mit Alarmierung des Arztes (oder evtl. des vorhandenen Reateams). Und in so einem Fall nimmt auch jeder Doktor die Füße in die Hand (zumindest kenn ich das so). Ein Reateam muss eh innerhalb von kürzester Zeit am Ort des Geschehens sein.
Also bevor ich mir die Zeit nehmen würde einen Zugang zu legen (als quasi Ersthelfer vor Ort), hätt ich doch noch anderes zu tun.
Und ich denke, dass schnelle und richtige Einschätzen einer Situation mit der daraus folgenden Handlung macht die Notfallkompetenz aus. Da aber keiner von uns in der Situation dabei war ist es nicht ganz leicht einzuschätzen, was passiert ist und was hätte passieren sollen.
Aber ich muss halt auch meinen Vorrednern beipflichten, dass das Legen eines periphervenösen Zugangs nicht zu den primär relevanten Tätigkeiten der Pflege gehört (auch in dieser Situation).
 
Was wäre denn wenn der Patient nicht gekrampft hätte sondern, asystol gewesen wäre? Also wenn wir eine wirklich akut lebensbedrohliche situation gehabt hätten?
Wäre es dann okay eine Viggo zu legen?
 
Also wenn du in dem Moment, wo du den Patienten auffindest und alleine bist, würdest du dann erstmal eine Viggo legen?
Ich denke du wirst mehr mit anderen Sachen beschäftigt sein bis das Notfall-Team anwesend ist (ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass wir uns auf einer peripheren Station befinden oder vielleicht bei einem Patienten zu Hause), z.B. CPR und Alarm absetzen, denke, dass das genug Zeit in Anspruch nimmt erstmal.
 
jenny83 schrieb:
Was wäre denn wenn der Patient nicht gekrampft hätte sondern, asystol gewesen wäre? Also wenn wir eine wirklich akut lebensbedrohliche situation gehabt hätten?
Wäre es dann okay eine Viggo zu legen?

Liebe Jenny83,

kennst du Reanimationsrichtlinien?
Was hat der Patient wenn er zwar eine VVK liegen hat, aber trotzdem Tod oder eine Hypoxischen Hirnschaden hat?

Das legen eines peripheren Zugangs steht bei Patienten mit einer Asystolie nicht an vorderster Stelle.
Wenn ich als Reateam mit dem Arzt bei einem Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand ankomme, will ich keine Schwester bei Versuch eines Zugangs legen sehen, sondern ich möchte eine vernünftige Basisreanimation sehen.

Als welcher Notfall berechtigt in deinen Augen sonst noch das Legen einer Venenverweilkanüle?

liebe Grüsse
Narde
 
jenny83 schrieb:
Was wäre denn wenn der Patient nicht gekrampft hätte sondern, asystol gewesen wäre? Also wenn wir eine wirklich akut lebensbedrohliche situation gehabt hätten?
Wäre es dann okay eine Viggo zu legen?
Da liegt genau das Problem. Es wird sich immer zuerst mit weiterführenden Maßnahmen beschäftigt, bevor man sich seiner Aufgaben bewusst wird und diese korrekt durchführt. Ich laufe bei uns im Haus auch mit dem Reateam. Habe die Erfahrung gemacht, dass viele Kollegen der Normalstation sich schon in den BLS unsicher sind. DARAUF sollte sich beschränkt werden. Der Patient braucht erstmal keine Medikamente, sondern einen Kreislauf. Na gut, ein Medikament braucht er dann auch noch dringend. Nämlich das wichtigste Medikament in der Reanimation: Sauerstoff. Alles andere ist dann erst mal sekundär.
 
Wenn man das rechtlich sieht, dann hat man als Pflegekraft keine Kompetenz einen Zugang zu legen, oder habe ich das falsch verstanden mit dem Rettungsdienstmitarbeiter?
 

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