"Katastrophal, unzumutbar" - Arbeiten in der Pflege

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Donnerstag, 22. November 2007
"Katastrophal, unzumutbar"
Arbeiten in der Pflege



Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) und die Gewerkschaft ver.di warnen vor einem Stellenabbau und immer schwieriger werdenden Arbeitsbedingungen in der Pflege. "Deutschland steht kurz vor dem Pflegekollaps", sagte DBfK-Geschäftsführer Franz Wagner.

Dabei sei die Situation nicht nur für die Patienten "unerträglich", die Arbeitsbedingungen für die rund 1,2 Millionen Pflegekräfte in Deutschland seien "katastrophal und unzumutbar", so Wagner. Mit einer bundesweiten Unterschriftenaktion unter dem Motto "Uns reicht's!" wollen der DBfK und ver.di nun auf die Missstände aufmerksam machen.

4,50 Euro pro Stunde

Wagner verwies darauf, dass die Löhne für Pflegekräfte in Deutschland so niedrig seien wie in keinem anderen der 30 OECD-Mitgliedstaaten. Nach Angaben von ver.di erhalten Pflegende im ambulanten häuslichen Bereich einen durchschnittlichen Stundenlohn von 4,50 Euro.

"Wenn wir heute nicht Alarm schlagen, werden wir morgen in Deutschland keine qualitativ ausreichende Pflege mehr haben", sagte Ellen Paschke vom ver.di-Bundesvorstand. Sie verwies darauf, dass allein in der Pflege in Krankenhäusern seit 1995 nach Angaben des Statistischen Bundesamts gut 48.000 Arbeitsplätze abgebaut wurden - 18.000 Stellen davon in den vergangenen zwei Jahren. Dabei müsse heute rund eine Million Patienten mehr versorgt und betreut werden. Der "Krankenhausbarometer 2007"-Befragung des Deutschen Krankenhausinstituts zufolge wollen 40 Prozent aller Kliniken auch im kommenden Jahr weiter Stellen in der Pflege abbauen.

Wettbewerb auf Kosten der Pflege

Schuld ist nach Angaben Paschkes vor allem ein erheblicher Kosten- und Wettbewerbsdruck, der zulasten der Qualität der Pflege gehe. Die Betreuung einer Station mit 36 frisch operierten Patienten durch nur eine Krankenschwester und einen Zivildienstleistenden sei längst kein Einzelfall mehr. Auch in den anderen zwei Kernbereichen der Pflege - stationäre Altenpflege sowie ambulante Pflege - sehe es nicht besser aus. Hier stiegen Zeitdruck, Überbelastung und der Einsatz unzureichend qualifizierter Hilfskräfte stetig, sagte Paschke.

Der Deutsche Pflegerat (DPR) schloss sich der Kritik von ver.di und DBfK an. "Die Pflegenden brauchen eine breite Unterstützung der Gesellschaft und der Politik - und zwar sehr schnell!", forderte DPR-Präsidentin Marie Luise Müller in einer Mitteilung. Die Pflegenden selbst nähmen durch Überbelastung zunehmend gesundheitlich Schaden und wendeten sich frustriert von ihrem Beruf ab.

Quelle: Nachrichten - Schlagzeilen - n-tv der Nachrichtensender - Schärfen Sie Ihren Blick - n-tv.de
 
ich hab das ja auch schon gelesen, aber: wie kommt man in der ambulanten Pflege auf 4,50€/Stunde??
 
Das mit den 4,50€ würde mich auch interessieren. Wundern täts mich aber nicht, weil ich selbst auch schon in dieser Tretmühle Ambulante Krankenpflege gearbeitet habe.

Aus meiner persönlichen Tretmühle OP ein paar aktuelle Fakten:

eine Vollzeitkraft (Mitte 20 J.) hat um Versetzung gebeten, weil sie bei uns nicht eingearbeitet werden konnte.
zwei erfahrene Kolleginnen haben vorzeitig die Rente beantragt, weil sie sich dem stetig wachsenden Streß im OP (höhere Fallzahlen) nicht mehr gewachsen fühlen.

Im Gegenzug ist die Anzahl der Belegärzte, die eigene OP´s nicht mehr unterhalten können/dürfen in den letzten jahren kontinierlich gewachsen.

Bei uns sind es mittlerweile vierzehn Belegärzte, die unsere Säle, Intrumente und Personal gemietet haben. Und weitere sollen noch folgen.
Fürs Haus ist das genial, wir schreiben schwarze Zahlen. (Und es müssen Bauprojekte finanziert werden.)

Wir kompensieren schon seit Jahren unser Personaldefizit, um irgendwie das OP Programm zu schaffen.
Und die zu Operierenden Patienten nicht zu lange warten zu lassen.
verzichten wir auf Pausen. Auch die Beritschaftsdienste, die bei Dienstantritt noch nicht abschätzen können, wann sie mal aus dem Saal können, um mal für fünf Minuten etwas zu trinken.
Nicht zu vergessen die Hauptabteilungen, die zum einen mit Geburtshilflichen und gynäkologischen Notfällen, und die andere mit visceralchirurgischen und gefäßchirurgischen Notfällen aufwarten, die mal eben noch ins stramme Programm rein müssen, und auch im Dienst anfallen.

Bisher haben wir noch auf Qualität geachtet, was die Sicherheit der Patienten angeht.
Es ist nur Die Frage, wie lange wir das noch aufrechterhalten können, und sich entweder Patienten beschweren, wegbleiben.
Oder was noch schlimmer ist, zu teils ernsthaftem Schaden kommen, weil für eine sichere Versorgung der Patienten kein Personal mehr da ist.
 
E 6= 1764 € Brutto, keine Zuschläge, Kein Kind, Steuerklasse1 , ev., Krankenkasse 14% und natürlich das Beste: TVöD Ost (92,5% von West)+ 40Std. Arbeitswoche (169h/ Mon)

--> 1167 € Netto = Netto- Stundenlohn= ca. 6,90

E 6= 1764 € Brutto, keine Zuschläge, Kein Kind, Steuerklasse 5, ev., Krankenkasse 14% und natürlich das Beste: TVöD Ost (92,5% von West)+ 40Std. Arbeitswoche (169h/ Mon)

--> 869 € Netto = Netto- Stundenlohn= ca. 5,10

E 6= 1764 € Brutto, keine Zuschläge, Kein Kind, Steuerklasse 6, ev., Krankenkasse 14% und natürlich das Beste: TVöD Ost (92,5% von West)+ 40Std. Arbeitswoche (169h/ Mon)

--> 830 € Netto = Netto- Stundenlohn= ca. 4,90

TVöD-Tabelle Herbst 2005
Gehaltsrechner und Brutto Netto Rechner Gehalt bei nettolohn.de!
Steuerklassen

Ergo: es ist nicht unwahrscheinlich, dass gar nicht so wenige Kollegn für einen sehr kleinen Lohn arbeiten. Brutto hört sich erst mal viel an... Netto bleibt weniger über... und nach der letzten Teuerungswelle merken viele das es allmählich zu knapp wird.

Elisabeth
 
danke Elisabeth, aber mit einem Netto-Stundenlohn zu argumentieren halte ich für einen Riesenmist.
Das Bruttogehalt muss auf den Tisch, so kann man nämlich vergleichen. Und da komm ich auf einen Stundenlohn von gut 11€. Immer noch nicht toll, aber hört sich eben schon mal anders an
 
Hallo minilux,

grundsätzlich hast du recht, allerdings sagt auch Herr Wagner vom DBfK nicht, ob er brutto oder netto rechnet....
Elisabeths Rechnungen sehe ich als den Versuch, diese € 4,50 irgendwie nachzuvollziehen. Immerhin ist das als Durchschnittsverdienst bezeichnet!
 
hallo flexi,

seh ich auch so -- aber 4,50 Durchschnitt müssen netto sein. Und so was bringt dem DBfK sofort Gegenwind, weil unsauber argumentiert
 
Gehälter gibt man doch eigentlich in Brutto an, weil sie aufgrund unterschiedlicher Steuerklassen usw. nicht wirklich netto vergleichbar sind. Und meines Erachtens natürlich kann man nicht nur das Grundgehalt sehen, sondern muss diverse Zulagen (Schichtdienst/ Intensiv/WE und Feiertage) auch mitrechnen.

In die Berechnung die Krankenkasse von 14% zu nehmen, naja das zeugt auch davon es besonders schlecht darzustellen...

Versteht mich nicht falsch, die Gehälter sind eindeutig zu niedrig, aber unsere Argumentation wird auch nicht besser, wenn wir immer vom schlechtesten Fall ausgehen.
 
Flexi hat mich auf einen Recherche Fehler aufmerksam gemacht: laut http://www.tarifunion.dbb.de/tacheles/2005/sonderausgabe_0905/tab10.pdf liegt der Einsteigertarif seit dem 1.1.07 bei 1795 € Brutto.


Zur Stundenberechnung: für mich als Hausfrau ist es wichtig, was ich im Portmonaie habe- und da tauchen nun mal bei den Berufsanfängern und bei Wechslern der Nettobetrag von 1181 € ohne Zuschläge auf. Wenn ich mit meinem Mann nicht die Steuerklasse 4/4 wählen kann und in die 5 rutsche bleiben nur noch 879 €.

Für viele ist das zuwenig und sie nehmen ein zweites Arbeitsverhältnis auf: Steuerklasse 6.

Dieses Argumentieren mit dem Brutto ist ja ganz nett... aber es sagt nix über die reale Kaufkraft aus.

Wenn es sich bei den 4,50€ um Bruttolohn handelt würde dies bedeuten: 760,50 ... würde 600,44 Netto machen bei Steuerklasse 1. Wenn ich da noch Miete abziehe ... na dann Gute Nacht: zum sterben zu viel- zum leben zu wenig.

Elisabeth

Nachtrag: @mimlux- das vergleichen von Bruttogehältern bringt schon deshalb nix, weil wir unterschiedliche Stundenzahlen leisten müssen um das Gehalt zu bekommen: Ost= 40 Stunden- Woche.
 
wenn du über die reale Kaufkraft reden möchtest, dann müsstest du wirklich nach Orten unterscheiden. Wir zahlen hier für eine günstige 3 Zimmerwohnung 1000€ Kaltmiete/Monat :)
 
Hallo,

vtl. solltet ihr mal den Bratwurstfaktor mit einberechnen, das ist für mich immer ein guter Anhalt.
Die Bratwurst in Greifswald kann ich am Stand für 1,- Euro kaufen, in München zahle ich dafür 3,50 Euro.

Liebe Grüsse
Narde
 
Hallo Elisabeth,

zum Vergleichen kannst du ausschliesslich bezüglich des Einkommens über den entsprechenden festgelegten Bruttobetrag vergleichen.

Alles andere ist müssig, denn wir unterscheiden uns individuell in vielen Dingen, die mit Politikern zu verhandeln auf einer anderen Baustelle zu verhandeln sind
Steuerklasse, von 1-6 vertreten,
Krankenversicherung Incl. Zahnvers. zwischen 12 und 15,x %
Mitgliedschaft bzw Nichtmitgliedschaft in einer Kirche bis zu 9%
etc.
Jeder soll für die gleiche Arbeit gleich viel Geld bekommen, und das ist das Vergleichsobjekt, lt. Tvöd bekommt jemand zur Zeit brutto € 11,xx für die gleiche Arbeit, für die der andere im freinen Vertrag/Haustarif nur brutto € 7,50 bekommt.
 
Ergo: das Geld ist in jedem Falle zu knapp. Wieviel Netto wäre denn angemessen? Wieviel ist unsere Arbeit wert?

Elisabeth

PS Ich habe mich übrigens erschrocken, als ich die Nettobeträge errechnet habe. Jetzt verstehe ich unsere jungen Kollegen erst.
 
Hallo Elisabeth, du hast es, glaube ich, nicht verstanden:

Meine Arbeit ist mir 3.000 € wert, netto, zum Ausgeben für Essen trinken und hully gully.
Der nächste sagt: 3.000 ?? nö, allein die schicken Schuhe verschlingen Unsummen...etc....

In der BRD ist es anders rum: Der Arbeitgeber sagt:
Für diese bestimmte Arbeitsleistung zahle ich 2.000 €, egal, ob Weibchen oder Männchen, gross, klein, familie oder nicht, verheiratet oder Kirche auch völlig egal...

Nachtrag: Deshalb sind auch die Brutto-Werte für die gleiche Arbeitsleistung vergleichbar, und nicht die Summe unserer unterschiedlichen Konsumbedürfnisse!
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Bruttobetrag verschleiert wunderbar die Realität. 1700 € ...hört sich viel an... wenn die Abzüge weg sind, dann bleibt nur 1100 übrig.

Und ich denke, der vom DBfK angegebene Lohn ist ein Nettolohn... frag einen Kollegen danach was er verdient: er wird dir den Nettolohn nennen. Ich müsste auch erst nachsehen, was ich für einen Bruttobetrag verdiene.

Und wenn wir Bruttobeträge vergleichen, dann müsste man auch die Stunden die dahinter stecken vergleichen. Seit Jahren verdienen wir im Osten weniger: sowohl Bruttolohn als auch Stundenlohn. Bei einer Anhebung des Stundenlohnes auf 100% wäre endlich eine Angleichung erreicht. So dürfen wir uns auf die Anhebung des Bruttoarbeitslohnes auf 100% freuen... und mehr dafür arbeiten.

Irgendwie reagiere ich empfindlich beim Thema Gehalt stelle ich gerade fest.


Was verdienen andere Branchen?Hans-Böckler-Stiftung   

Elisabeth
 
da ist aber auch viel Unfug dabei -- zumindest in den Bereichen in denen ich es abschätzen kann.

Ein Programmierer (laut der Webseite noch nicht mal ein Studium gefordert), der mit 38 Stunden Woche 4000€ verdient wird sich so schnell nicht finden.

Mir (Diplom-Informatiker) wurde vor kurzem ein Job angeboten: Bayrisches Statistisches Landesamt, Stelle für einen Vollinformatiker, wegen sicherheitskritischen Bereich Rufbereitschaft nachts und am WE, Vergütung 28000 Brutto/Jahr in München!! (da hab ich lauthals gelacht)
 
Ich denke wir sollten uns hier nicht nur auf die Einkommen konzentrieren . Sicherlich halte auch ich eine angenmessene Einkommenserhöhung für notwendig . Aber bevor jetzt wieder die Diskussion kommt was ist angemessen möchte ich den Fokus doch auf eine für mich ebenso wichtige Problematik lenken .
Bisher haben wir noch auf Qualität geachtet, was die Sicherheit der Patienten angeht.
Es ist nur Die Frage, wie lange wir das noch aufrechterhalten können, und sich entweder Patienten beschweren, wegbleiben.
Oder was noch schlimmer ist, zu teils ernsthaftem Schaden kommen, weil für eine sichere Versorgung der Patienten kein Personal mehr da ist.
Und dieses Problem wird nicht erträglicher werden, wenn ich ein paar Euros mehr im Portemoaie habe.Hierzu ist es für mich , übrigens auch für den DbfK ,notwendig eine verbindliche Personalbemessungsgrundlage zu schaffen ,die sich an der tatsächlich zu leistenden Pflege orientiert. Und dafür wiederum ist es notwendig, dass definiert und festgelegt wird " Was ist angemessene Pflege "
In diesem Sinne hoffe ich auf eine angeregte Diskusssion
Silvia
 
Zuletzt bearbeitet:
Das betrifft zwar nicht in unsere Sphären, verdient jedoch Beachtung, was der Herr Köhler über die Manager sagt.
Köhler übt scharfe Kritik an überhöhten Managergehältern - Kölner Stadt-Anzeiger

Ich bin sehr unsicher, wie es weitergehen soll.
Z. Zt. lese ich das Pflege-Thermometer 2007 http://www.dip.de/material/downloads/Pflege-Thermometer2007.pdf und sehe meine Befürchtungen allesamt bestätigt.
Das betrifft
Zukunft, Verdienst, Tätigkeiten, Arbeiten im Alter usw.
>>> Sehr interessanter Stoff :!:
 

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