Es gibt keinen Tod erster Klasse

Elisabeth Dinse

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Ein nachdenkenswerter Beitrag...
Alltag in Palliativstationen: Es gibt keinen Tod erster Klasse
Sie sollen Sterbenskranke in der letzten Lebensphase begleiten und ihnen einen würdevollen Abschied bereiten. Doch auf vielen Palliativstationen arbeiten Ärzte und Pfleger an der Belastungsgrenze. Dabei verkommt Menschlichkeit zur Nebensache.
...
Palliativstationen: Der Mythos vom friedlichen Sterben - SPIEGEL ONLINE
Idealvorstellungen scheinen tatsächlich Grenzen zu haben. Ernst Engelke, emeritierter Professor für Soziale Arbeit an der Fachhochschule Würzburg muss gedankt werden, dass er etwas auf den Tisch bringt, was man andernorts wohl gerne verschweigt.

Elisabeth
 
Ich hab das so nicht erlebt!

Ich habe selber 8 Wochen Praktikum auf einer Palliativstation gemacht und später meine Mutter dort soweit wieder aufgebaut(nach allgemeinmedizinischer Versorgung die sie eher geschwächt als gefördert hat), dass sie noch einige Monate zu Hause verbringen konnte!

Anders auf auf Normalstation mit Palliativen betten! Da gehts ganz anders zu.

Aber erste Klasse sterben gibts wohl eh nur in mancher Köpfe Vorstellung! Dagegen gibts Menschen, die unter eher unwürdigen Bedingungen sterben.
 
Hi,

Solche Berichte lese ich immer kritisch. Es gibt solche Einrichtungen wie im Artikel beschrieben, und bestimmt nicht als Einzelfälle, und es gibt Palliativstationen oder -häuser, wo man noch mit einem vernünftigen Personalschlüssel arbeitet. Es stirbt ja auch nicht jeder Patient auf Palliativ, auch wenn er dort hingehörte. Erst vor wenigen Wochen hatten wir eine Palliativpatientin zum Sterben bekommen. Ich war aufrichtig positiv überrascht, wie sich seitens des Personals um diese junge Frau gekümmert wurde, auch wenn rundherum alles drunter und drüber ging. So ein Bericht wie vom Herrn Professor ist für mich zwar einerseits wichtig, um den Alltag vielerorts aufzuzeigen, und auch den Angehörigen klarzumachen, dass auch hier nur Menschen mit zwei Armen und zwei Beinen arbeiten; ist aber andererseits auch Schwarzmalerei, die die positiven Beispiele einfach so unter den Teppich kehrt und auf nahezu Bildniveau der Stimmungsmache dient. Das haben die, die sich tagtäglich den Allerwertesten aufreißen, nicht verdient, mit solch schlechten Beispielen über einen Kamm geschert zu werden.
 
Um mit dem Stress umzugehen, versuchen die Mitarbeiter eine besondere Teamkultur aufzubauen. Es gibt Beratungen, ein Trauerritual, gemeinsame Theaterbesuche und einen Gottesdienst. Doch das reicht nicht. 2001 wurde die Station gegründet, nach spätestens sechs Jahren seien zwei Drittel des Personals wegen Überlastung ausgestiegen, sagt Schäfer. Viele hätten eine Depression bekommen und arbeiteten mittlerweile in ganz anderen Bereichen
Palliativstationen: Der Mythos vom friedlichen Sterben - SPIEGEL ONLINE
Das gibt sehr zu denken.

Prof. Engelke fordert, dass ein Palliativpat. auf jeder Station versorgt werden kann- auch zum Schutz der Seele der Pflegekräfte. Im Gegensatz zu Bild würdigt er die Aufopferung der Kollegen. Und er macht darauf aufmerksam, welchen hohen Preis so mancher dafür bezahlt. Vielleicht ist es gut, dass keine Pflegekraft dieses Thema in die Medien gebracht hat. Er zeigt Alternativen auf. Das fehlt in den sonst üblichen Jammerbeiträgen.

Elisabeth
 
@ED: Ich finde, erstmal wird die Palliativ Station falsch definiert. Dass auf einer Palliativstation mehr Menschen sterben, liegt in der Natur der Sache, jedoch ist Palliativstation primär für Symptomkontrolle und Einstellung da. Die primäre Aufgabe ist nicht Sterbebegleitung, wenn man jedoch auf einer inneren Station arbeitet und sowohl Patienten kurativ als auch palliativ betreut steht vor einer noch größerer Herausforderung. Ich behaupte, dass kaum eine Pflegekraft in heutiger Zeit ihren Patienten gerecht werden kann, seien sie mit kurativen oder palliativen Ansatz gepflegt.

Eine Spezialisierung halte ich also für sinnvoll.

Der würdevolle Umgang mit Tod sollte auf allen Stationen gepflegt werden. Und der Umgang ist auch Teamsache.

Nicht nur auf Palliativstationen zeigt sich dieser Trend. Querbeet sind die Patienten mit immer komplexeren Erkrankungen da.

Mein Argument gegen "Palliativbetten" auf zB Innerer: Oft ist es ein organisatorsicher Mehraufwand, die Zimmerbesetzung so zu gestalten, damit es allen Patienten gerecht wird. Frischer Schlaganfall mit hohem Überwachungsbedarf und hohem Rehabilitationsbedarf und neben an jemand bei dem man auf zB Gewichtszunahme "verzichtet"? Psychosozialer Betreuungsbedarf? Akutbehandlung vs. Symptomkontrolle. Die Ärzte und Pfleger die dann in beiden Bereichen Spezialisten sein sollten? Ich weiß es nicht...
 
Das gibt sehr zu denken.

Prof. Engelke fordert, dass ein Palliativpat. auf jeder Station versorgt werden kann- auch zum Schutz der Seele der Pflegekräfte. Im Gegensatz zu Bild würdigt er die Aufopferung der Kollegen. Und er macht darauf aufmerksam, welchen hohen Preis so mancher dafür bezahlt. Vielleicht ist es gut, dass keine Pflegekraft dieses Thema in die Medien gebracht hat. Er zeigt Alternativen auf. Das fehlt in den sonst üblichen Jammerbeiträgen.

Elisabeth
Nun, die Pflege "ist" von Ärzten "ab"hängig, nur leider setzen sich zu weinig Ärzte "für" Pflegepersonal ein.
Ärzte haben einen anderen Aufgabenbereich und das wird ihnen in Krankenhäusern, Kliniken, von Leitungen, sehr deutlich gesagt.
In Krankenhäusern steht der wirtschaftliche Faktor an erster Stelle (Diagnostik und OP´s bringen Geld in die Kasse).
Pflegepersonal kostet und bringt wirtschaftlich keine finanziellen Gewinne.
Sterbende zu pflegen kostet Zeit und Personal, ohne finanziellen Gewinn, beim Tod verdient das Bestattungsinstitut.
"Alles" was kein Gewinn einfährt, wird abgeschoben und Personal wird dem angepasst.
Isso, das ist kein Jammern, das ist Fakt.
 
Welche Alternative bietest du? Der Prof hatte ja Ideen. Wie sehen deine aus? Sterbende von ehrenamtlichen Mitarbeitern versorgen lassen?

Elisabeth
 
Allein diese Aussage ist eine FRechheit
Was wir gerade erleben, ist eine Perversion, Menschlichkeit ist nicht mehr gewährleistet

Hätte er das wenigstens gleich zu Anfang geschrieben, dann hätte ich mir den Mist nicht zu Ende durch gelesen.

Wenn das PP keine Beziehungen zu den Pat (verallgemeinert, nicht EInzelfälle) aufbauen kann, dann ist das keine richtige Palliativstation. Üblicherweise gehen die Patienten ein paar mal nach Hause oder liegen dort länger, bevor sie versterben.

Wenn die Palliativstation genutzt wird um alle präfinalen Patienten unterzubringen, dann ist das am Thema vorbei.

Eine hohe Fluktuation unserers Palli-Personals kann ich nicht sehen. Wieder Einzelfall??

Überhaupt ist der Artikel viel zu subjektib gehalten, vermittelt aber das Gefühl eine allgemeinumfassende Aussage für ganz Deutschland zu treffen...
 
Welche Alternative bietest du? Der Prof hatte ja Ideen. Wie sehen deine aus? Sterbende von ehrenamtlichen Mitarbeitern versorgen lassen?

Elisabeth
Die Alternative wäre Kostendeckung bei Pflege von Sterbenden und nicht wie so üblich in Tätigkeitsabrechnungen, die zum Beispiel am Bett sitzen und vom Sterbenden die Hand halten, egal wie oft, wie lange, ausschließen.

Menschlichkeit, Zeit für Emotionen etc. gehören zur Ganzheitlichen Pflege, haben aber im Dienstleistungskatalog in der Pflege keine Rechnungsnummer.
Eine Aufgabe ist es von Pflegepersonal Leiden zu lindern, das ist aber mehr auf Order des Arztes auf Medikamentengabe beschränkt.
Dafür gibt es Psychologen; Seelsorger und wie da die Stellenlage aussieht wissen wir auch.

Pflege wird pauschal abgerechnet oder nach Standardleistungen. Grundpflege = xy Minuten = xy Euro etc..

Klar hat der Hr. Prof. Ideen, die er aber nicht alleine umsetzen kann, weil er dazu die Kooperation von Krankenhäusern braucht und für die rechnet es sich nicht. Ich kenne es noch, dass Sterbende ins große Stationsbad verlegt wurden, um das Zimmer für andere Patienten frei zu haben.
Gestorben wird immer, aber bitte leise und allein!
Ehrenamtliche, Praktikanten etc. leisten schon viele Tätigkeiten umsonst und natürlich gibt es Sterbebegleitung von ausgebildeten Ehrenamtlichen.

Wie immer ist die Politik gefragt, sie kann und muss Änderungen herbei schaffen. Hospitze muss es geben und sie können nicht nur von Spendengeldern existieren. Krankenhäuser müssten besser honoriert werden, bei Aufnahme und Versorgung von Paliativpat..

Claudia B.
 
Die Diätenerhöhung verschlingt ca. 6 Mill. Euro pro Jahr. Wieviel Pflegekräfte kann man davon bezahlen? Die Arbeitgeberanteile nicht vergessen beim Berechnen.

Und was bisher an Alternativen ein bisschen untergegangen ist... die Familie ist hier auch gefragt. Man kann nun mal nicht alles an eine Institution abdelegieren.

Die Idealvorstellung der menschlichen Pflege, allein von Profis geleistet, ist unbezahlbar. Das gehört öffentlich kommuniziert. Jeder Bürger ist da gefragt. Man kann nicht alles mit Geld kaufen.

Elisabeth
 
Und was bisher an Alternativen ein bisschen untergegangen ist... die Familie ist hier auch gefragt. Man kann nun mal nicht alles an eine Institution abdelegieren.

Die Idealvorstellung der menschlichen Pflege, allein von Profis geleistet, ist unbezahlbar. Das gehört öffentlich kommuniziert. Jeder Bürger ist da gefragt. Man kann nicht alles mit Geld kaufen.

Elisabeth

Man kann auch keine Familie kaufen, da sollte man im Leben eine vernünftige, im Idealfall liebende Beziehung aufgebaut haben.
Das funktioniert nur nicht immer
 
Also auf der Palliativ, auf der ich gearbeitet habe, gab es acht Betten. In der Regel gabs dort bei voller Belegung morgens drei, spät zwei und nachts eine PFK. Einen Doc der ausschließlich diese Station betreute, eine gute Zusammenarbeit mit Physiotherapeuten, Seelsorgern, Sozialarbeitern mit wöchentlichen gemeinsamen Besprechungen. Das Team ist durchweg langfristig dort tätig. Fluktuation eher die Ausnahme. Regelmäßige Supervisionen.

Grenzsituationen gibts sicher überall. Ich habe die Situation dort sehr viel weniger belastend wahrgenommen als auf so mancher "normalstation"!

Im gegensatz dazu habe ich die Betreuung palliativer Patienten auf normalstation als sehr belastend, weil unbefriedigend wahrgenommen. Keiner spricht offen mit den Pat über ihre Situation, geschweige denn ist zeit für etwaige Gespräche, in Folge von anhaltender Arbeitsbelastung waren das dort genau die Pat, die am meisten vernachlässigt wurden, symptomkontrolle war eher oberflächlich oder nur punktuell vorhanden, Medikamente wurden eher selten bedarfsgerecht angepasst, angesetzt oder eben abgesetzt......

Das aus habe ich in beiden Fällen sowohl als Schülerin wie als Angehörige genauso erlebt und wahrgenommen.
 
Über Kolleginnen, die kürzlich ihre Palliative Care Weiterbildung in Würzburg absolviert haben, hatte ich bereits über die "Nöte" der Palliativstation im Juliusspital erfahren. Tatsache ist, dass die Belastungen dort in der letzten Zeit gestiegen sind, was man auch der verbesserten ambulanten Versorgung anlastet. Palliativstation sollen in erster Linie zur Symptomkontrolle und Verbesserung der Lebensqualität dienen; die Sterbebegleitung ist nicht das vorrangige Ziel. Wenn jedoch die Symptomkontrolle weitgehend ambulant erfolgen kann, dann kommen vermehrt die Patienten auf die Palliativstation, die eben nicht "nur" palliativ, sondern terminal sind.

Die Sterberate auf der Palliativstation im Juliusspital sei deutlich gestiegen, und natürlich ist dies belastend. Auf jeder Palliativstation hast Du mal eine Zeit mit gehäuften Todesfällen. Das beschriebene Wochenende, bei dem die Hälfte der Patienten verstirbt, gab es bei uns auch schon, nicht nur einmal. Im Juliusspital scheinen jedoch die Verschnaufpausen davon wegzufallen.

Die Beobachtung des erwähnten Soziologen, kaum einer halte diesen Beruf / diesen Bereich mehr als einige Jahre aus, kann ich nicht bestätigen. Bisher belegen Berichte eine geringere Fluktuationsrate auf Palliativstationen, verglichen mit anderen Abteilungen. Ob die Entwicklungen der letzten Zeit dies ändern, kann ich noch nicht beurteilen. Auszuschließen wär's nicht.

Er hat nicht unrecht, wenn er fordert, der Gedanke von Palliative Care müsse mehr in die Peripherie. Ich denke auch nicht, dass jeder Schwerkranke auf die Palliativstation muss. Stattdessen würde ich mir palliativmedizinische und -pflegerische Konsiliarteams zur Beratung und Unterstützung der Menschen auf den anderen Stationen wünschen - allerdings nicht anstatt, sondern als Ergänzung zu Palliativstationen. Ein Teil des Klientels profitiert doch sehr von der geballten Kraft der Spezialisten direkt vor Ort.

Ich habe Berufserfahrungen auf zwei Palliativstationen. Und auf beiden gab es mal Schwierigkeiten und Missstimmungen und eine schlechtere Atmosphäre im Team. Und in beiden Fällen war die Ursache nicht in den häufigen Todesfällen zu suchen, sondern da, wo der Ärger auch auf anderen Bereichen nicht selten herkommt: in Problemen mit der Ärzteschaft und / oder der Leitungsebene.
 
von Elisabeth Dinse: Und was bisher an Alternativen ein bisschen untergegangen ist... die Familie ist hier auch gefragt. Man kann nun mal nicht alles an eine Institution abdelegieren.
Ich bin 51 Jahre alt und gehöre zu dieser Generation: Kinder noch nicht aus dem Haus, Beruf "und" für die Seniorenpflege da. Das ist keine 2-fach Belastung sondern eine 3-fach Belastung und mein Vorteile sind meine Kenntnisse von der Pflege, aber so mancher hat mit Pflege nix am Hut. Es kann "nicht" jeder Kranke und/oder Sterbende pflegen.

Im Gegensatz zu 1960 arbeiten mehr Mütter und diese Mütter sind auch noch im Durchschnitt in späteren Jahren zur Mutter geworden.
Das unterstützt/fördert auch der Staat, Kinderbetreuung wird gefördert (die Fehlplanungen bekommen wir per Medien mit), aber für Senioren (Seniorengärten ;-)) wird kaum etwas getan, da ist für Sterbende schon mal überhaupt kein "Platz" und das auch noch zu Hause.

von hexe1070: Im gegensatz dazu habe ich die Betreuung palliativer Patienten auf normalstation als sehr belastend, weil unbefriedigend wahrgenommen. Keiner spricht offen mit den Pat über ihre Situation, geschweige denn ist zeit für etwaige Gespräche, in Folge von anhaltender Arbeitsbelastung waren das dort genau die Pat, die am meisten vernachlässigt wurden, symptomkontrolle war eher oberflächlich oder nur punktuell vorhanden, Medikamente wurden eher selten bedarfsgerecht angepasst, angesetzt oder eben abgesetzt......
weil Pflege über einen Kamm geschert wird. Ärzte spezialisieren sich. Pflege kann und muss "alles" können und das erkennt man an der Pflegeorganisation mit dem errechneten Stellenschlüssel, wobei da noch nicht mal die fachlichen Kompetenzen ausreichend berücksichtigt werden.

von Claudia: Stattdessen würde ich mir palliativmedizinische und -pflegerische Konsiliarteams zur Beratung und Unterstützung der Menschen auf den anderen Stationen wünschen - allerdings nicht anstatt, sondern als Ergänzung zu Palliativstationen. Ein Teil des Klientels profitiert doch sehr von der geballten Kraft der Spezialisten direkt vor Ort.
Dazu braucht man die Kooperation der Leitungen, diese Stationen müssten einen besseren Personalschlüssel haben und daran scheitert es oft. Es ist das denken: "normale" Station = "normaler" Stellenschlüssel (wobei wir wissen wer, wie die Definition von "normal" bestimmt) und das funktioniert nicht. Pflegeintensivere Pat., ob Sterbende oder "alte" Menschen verbrauchen mehr intensivere Pflegezeit. Momentan ist es aber so: Sekt = Hospitz = angepasste Pflege oder Wasser = Krankenhaus = angepasste Pat..
Sektschole gibt es noch nicht, leider. ;-)

Claudia B.
 
Die Hospizbewegung und die Palliativmedizin haben niemals einen "Tod erster Klasse" angestrebt; so eine Überschrift ist einfach nur reißerisch. Der Ausbau des "Rettungs"wesens, das Unwissen über den Sterbeprozess, Aktionismus und die allgemeine Haltung, dass "noch was zu machen" sein könnte, haben dazu geführt, dass der Tod immer mehr von zu Hause ausgelagert wurde.

Wer zu Hause sterben möchte, sollte rechtzeitig einen Ambulanten Hospizdienst hinzuziehen und der Familie und dem Pflegedienst (falls der bei ihm tätig ist) klarmachen, dass sie keinen Notarzt und Rettungsdienst rufen sollen, wenn's ernst wird. Leider reicht schon einer, der die Situation nicht aushält (oft aus Angst vor dem Vorwurf unterlassener Hilfeleistung), dass der letzte Wunsch nicht respektiert wird. Dann geht's doch wieder für die letzten Atemzüge ins KH.

Mein Vater hatte es unmissverständlich festgelegt, dass er unter keinen Umständen ins Krankenhaus will. Es kostete alle Beteiligte Kraft und Nerven, ihm auf seinem Weg beizustehen, und er starb neben meiner schlafenden Mutter im eigenen Bett. Er blieb noch knapp 36 Stunden im Haus, und meine Mutter verbrachte die Nacht wie selbstverständlich neben ihm. Das war für einige Familienangehörige schwer verständlich, sie hielten sich aber mit ihrer Meinung zum Glück (für meine Mutter) zurück.

Es gibt aber auch Angehörige, die möchten aus verschiedensten Gründen "den Tod" nicht zuhause haben. Für die ist eine "echte" Palliativstation (mit entsprechendem Personalschlüssel, lt. DGP 1:4) oder ein Hospiz immer noch die Alternative (wenn auch nicht unbedingt "Sekt").

Und es gibt Todkranke, die aus verschiedensten Gründen nicht zuhause sterben möchten. In gesunden Tagen hatten sie sich das zwar vorgestellt, aber in der tatsächlichen Situation ändert sich der Blick oft noch einmal. Deshalb sind solche Umfragen wie "Wo möchten Sie einmal sterben?" eigentlich sinnlos.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich finde die Überschrift durchaus angemessen. Der Tod ist, etwas, was die Bevölkerung- und auch nicht wenige Kollegen- weit von sich wegschieben.

Die wenigsten trauen sich zu, einen Angehörigen zuhause zu begleiten. Das mag auch daran liegen, dass man es einfach nicht mehr gewohnt ist. Jahrelang wurde das Alterseinschränkungen und das Sterben an Institutionen abgegeben. Man hat ganz einfach verlernt, wie der normale Lauf des Lebens ist. Wie viele Angehörige habe ich schon weglaufen gesehen mit dem Satz: Rufen sie uns an, wenn es vorbei ist.

Wir brauchen nicht mehr Palliativplätze und nur bedingt mehr Personal. Wir brauchen mehr Aufklärung in der Bevölkerung. Die können wir nicht leisten. Das gehört in die öffentlichen Medien. Aber wir können, wenn es denn soweit ist, Angehörige begleiten und anleiten. Das ist schwer- ich weiß. Aber anders wird es nicht gehen.

Am Lebensanfang begleitet eine Hebamme den ganzen Ablauf. Vielleicht wäre so etwas am Lebensende auch eine Alternative. Es könnten ev. mehr Leute zuhause in ihrer gewohnten Umgebung bleiben und müssten nicht mehr auf eine Palliativstation um dort zu sterben. Und da ja immer die Kostenfrage steht- wie hoch ist noch mal der Pflegesatz im jeweiligen Bundesland?

Elisabeth

Elisabeth
 
von Elisabeth Dinse: Am Lebensanfang begleitet eine Hebamme den ganzen Ablauf.
Auch denen wird es schwer gemacht siehe:
http://www.change.org/de/Petitionen/lieber-herr-gr%C3%B6he-retten-sie-unsere-hebammen?alert_id=tuTFtpqOHg_LtnKFfjhWJ&utm_campaign=49417&utm_medium=email&utm_source=action_alert

von Elisabeth Dinse: Die wenigsten trauen sich zu, einen Angehörigen zuhause zu begleiten. Das mag auch daran liegen, dass man es einfach nicht mehr gewohnt ist. Jahrelang wurde das Alterseinschränkungen und das Sterben an Institutionen abgegeben.
Die Sterbe- und Todkultur passt sich der Gesellschaft an und die Gesellschaft hat sich verändert, verändern "müssen"!
Kaum noch jemand wohnt im Haushalt/Haus der Eltern ect., immer mehr Frauen gehen arbeiten, somit zahlen sie auch die diversen Versicherungen und Steuern (reicht aber nicht). "Das" sind die Gegebenheiten in unserer Gesellschaft, in unserem "Sozial"- Staat.

Es gibt keinen Tod erster Klasse und auch keine Pflege erster Klasse.
"Privat"-Stationen waren nur besser besetzt. Pflegepersonal hat keine erste Klassen-Gehälter bezogen.
Andere haben an den erste Klasse/ Privatpatienten finaziell profitiert und es geht weiter. Da sich Otto-normal-Verbraucher kaum Zusatzversicherungen leisten kann, aus familiären Gründen, geht die Schere weiter auf.
Die, die zahlen wollen für ihr Geld auch eine dementsprechende Leistung.
Nur wird die Pflege in den Leistungskosten ausgeschlossen, 5 Minuten sind und bleiben 5 Minuten bei der Pflegezeitenberechnung.

Claudia B.
 
@Claudia- nach deinen Ausführungen muss ich sagen: was hab ich doch für ein unwahrscheinliches Glück mit meinen Kindern. Jedes mal, wenn ich schwer krank war in den letzten Jahren, war immer jemand da. Sie wohnen nicht um die Ecke sondern einmal quer durch die Republik. Sie arbeiten alle. ... Es geht hier um den Zeitpunkt des Sterbens und nicht um die "normale" Pflegebedürftigkeit.

Der Umgang mit Alter, Krankheit und Sterben hat sich der Gesellschaft angepasst. Ja, da stimme ich dir zu. Nur sehe ich die Ursachen woanders. Abhängigkeit von einem anderen passt nicht zur Vorstellung des selbstbestimmten Leben. Die Betonung des Individuums hat halt seinen Preis. Jeder denkt zuerst an sich und erst dann an andere. Mittlerweile wird das auch auf bedürftige Familienmitglieder ausgedehnt.

Es gibt einen Tod erster Klasse... siehe Calypsos Beitrag. Und wo ein Wille... .

Elisabeth
 
von Elisabeth Dinse: @Claudia- nach deinen Ausführungen muss ich sagen: was hab ich doch für ein unwahrscheinliches Glück mit meinen Kindern. Jedes mal, wenn ich schwer krank war in den letzten Jahren, war immer jemand da. Sie wohnen nicht um die Ecke sondern einmal quer durch die Republik. Sie arbeiten alle. ... Es geht hier um den Zeitpunkt des Sterbens und nicht um die "normale" Pflegebedürftigkeit.
Herzlichen Glückwunsch, da kannst Du Dir ja sicher sein das sie Dich nicht im Sterben alleine lassen. Nur kannst Du nicht von Dir und Deinen Kindern auf andere schließen. Erwartungen, Wünsche kann Mann/Frau viele haben ob sie sich erfüllen steht auf einem anderen Blatt.

Du kannst keinen zwingen diese Aufgabe zu übernehmen. Ich würde mir wünschen das meine Kinder bei mir sind wenn es so weit ist, aber kann ich das erzwingen? Nö, ne? Ich wollte sie auch nicht dazu zwingen, wenn ich sterben muss, müssen "sie" noch weiter leben und wenn mein Sterbeprozess sie in ihrem weitern Leben zu sehr belasten, dann sterbe ich auch so.
Du kannst auch keinen Mann zwingen bei der Geburt seines Kinder dabei zu sein. Auch da gibt es Männer die diese Aufgabe nicht meistern können.
 
Ich kann dir nicht sagen, was ich gemacht habe, dass sie so drauf sind. Sie kamen unaufgefordert. Warum? Keine Ahnung.

Ich hatte oft den Eindruck, dass Angehörige sich fürchten vor dem Sterben des geliebten Menschen. Ihnen fehlten die einfachsten Grundlagen. Aber das kann man lernen. Viele sind dankbar für die Führung. Sie brauchen Halt und den kann man als Professionelle Pflegekraft bieten.

Elisabeth
 

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