Ausbildung hinschmeißen?

noemiii

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01.02.2023
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Beruf
AZUBI
Akt. Einsatzbereich
Chirurgie
Hallo, ich schreibe hier weil ich verzweifelt und traurig zugleich bin. Ich mache aktuell die Ausbildung zur allgemeinen Gesundheits- und krankenpflegerin in Österreich. Ich hatte bis dato 2 Praktika allerdings haben sie mir gar nicht so gefallen wie ich eigentlich dachte (insgesamt 400 h) ich bin am überlegen aufzuhören wobei doch irgendwie mein Herz an der Ausbildung hängt ?! Zusätzlich habe ich 2 kleine Kinder (2 Jahre + 4 Jahre alt) die ich durch Praktika + Ausbildung an der Fachhochschule kaum noch sehe.. ich frag mich immer öfters, ist es das wert? Auf der Station selber werde ich teilweise für Dinge eingesetzt die normalerweise die Reinigungskraft erledigt ?! Auch wurde uns von der FH suggeriert das wir als Krankenschwestern in Österreich nicht mehr in dem Ausmaß Körperpflege erledigen so wie es früher der Fall war (was meiner Meinung nach nicht stimmt) wir lernen an der Fachhochschule Dinge wie Englisch oder aber auch beispielsweise wissenschaftliches arbeiten ! Das hat gar nichts mit der Praxis zu tun ? Wird einem da etwas falsches suggeriert was man zum Schluss vielleicht gar nicht ist ? Bleibt die Körperpflege auch unser aufgabengebiet? Keinesfalls will ich überheblich klingen, mach es auch gerne fühle mich aber irgendwie von der Ausbildungsstätte hinters licht geführt... würde mich über Hilfestellung freuen. LG
 
Ob Du in der Ausbildung bleiben möchtest oder nicht, musst Du natürlich selbst entscheiden. Wenn Dir die Pflege wirklich nicht liegt, dann lass es. Die Frage ist, was Du alternativ tun möchtest. Dass Deine Familie zu kurz kommt, dürfte bei jeder Ausbildung oder Vollzeittätigkeit der Fall sein. Hast Du einen Beruf, in den Du zurückkehren könntest? Oder könntet Ihr Euch leisten, dass Du zumindest vorübergehend zu Hause bleibst?

Diesen Satz kann ich allerdings unmöglich stehen lassen:
wir lernen an der Fachhochschule Dinge wie Englisch oder aber auch beispielsweise wissenschaftliches arbeiten ! Das hat gar nichts mit der Praxis zu tun ?
Oh doch. Pflege auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aufzubauen ist ein wesentlicher Bestandteil der Professionalisierung unseres Berufsfeldes. Es kann nicht sein, dass wir unsere Maßnahmen mit "haben wir immer so gemacht" oder "hat mir die Schule so beigebracht" begründen. Wir müssen wissen, warum wir etwas tun und etwas anderes lassen. Dazu gehört die Implementierung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis.
 
Es mag dir fachfremd erscheinen, aber Reinigungsarbeiten, Englisch und wissenschaftliches Arbeiten können bzw werden später Teil deines Alltags sein. Ich dachte als Auszubildende auch, dass das entweder nicht Teil meiner Arbeit als Pflegekraft sein kann, oder ich fühlte mich ausgenutzt und verheizt. Jetzt weiß ich, welchen Stellenwert Sauberkeit, Ordnung und Hygiene haben und übernehme auch selbst dafür Verantwortung.
Solltest du nach Abschluss deiner Ausbildung eine weiterführende Qualifikation anstreben, wirst du um wissenschaftliches Arbeiten nicht herumkommen. Dieser Punkt wird anscheinend immer noch nicht in seiner Wichtigkeit begriffen und unzureichend gelehrt, wenn ich mal durchzähle, wieviele Themen zu Facharbeiten hier regelmäßig auftauchen, weil der Fragensteller keine Ahnung hat, wie man eine Facharbeit angeht. Und auch langjährig examinierte Fachkräfte beweisen hier im Forum regelmäßig, dass ihnen das Konzept evidenzbasierter Wissenschaft nicht geläufig ist. Hier besteht also ganz viel Schulungsbedarf gleich welcher Erfahrungsstufe.
 
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Und auch langjährig examinierte Fachkräfte beweisen hier im Forum regelmäßig, dass ihnen das Konzept evidenzbasierter Wissenschaft nicht geläufig ist. Hier besteht also ganz viel Schulungsbedarf gleich welcher Erfahrungsstufe.
Woher sollen „langjährig examinierte Fachkräfte“ das Konzept evidenzbasierter Wissenschaft gelernt haben ?
In deren Ausbildung wurde dieser Begriff nie genannt, und natürlich auch nicht geschult.
Und der Versuch der Fachliteratur durch „moderne Begriffe“ (vor allem internationale englische) hat viele vom lesen abgehalten.
Aber du hast Recht: es besteht ganz viel Schulungsbedarf !!!

LG Einer
 
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Bleibt die Pflege in dem Umfang immer ? Oder gibt es Bereiche wie zb Ambulanzen in denen man gar nicht pflegt ? Und erfüllt euch der Beruf bzw würdet ihr ihn wieder machen? Der theoretische Teil wie zum Beispiel angewandte Pflege in der Ausbildung hat sich immer so toll angehört, die Praxis war dann hingegen ein Schock für mich. Hatten letztens einen sterbenden Patienten und jch dachte dieser wird "begleitet". Pustekuchen :-( ab und zu wurde nur geguckt ob er noch lebt aber sterbebegleitung in dem sinn gab es nicht .. weiß nicht ob das normal ist? Oder die beim Ablauf auf der Station selber: alles muss schnell und noch schneller gehen, automatisch. Ich hab kaum Zeit mich mit den Patienten zu unterhalten .. ich denke ich spreche viel zu gerne mit menschen.. bin mir nicht sicher ob da noch etwas kommt das mir gefallen könnte oder ob das alles oben beschriebene Normalzustand ist?!
 
Woher sollen „langjährig examinierte Fachkräfte“ das Konzept evidenzbasierter Wissenschaft gelernt haben ?
In deren Ausbildung wurde dieser Begriff nie genannt, und natürlich auch nicht geschult.
Und der Versuch der Fachliteratur durch „moderne Begriffe“ (vor allem internationale englische) hat viele vom lesen abgehalten.
Da hast du deinerseits bestimmt Recht, da ich die Inhalte der alten Ausbildung nicht kenne. Trotzdem ist das, selbst wenn es so sei, eine Erklärung, aber keine Entschuldigung.
Hier im Forum wird regelmäßig die Notwendigkeit selbstorganisierter Fort- und Weiterbildungen betont, da dürfen sich die "älteren" Semester gerne an die eigene Nase packen. Wissenschaftliches Arbeiten ist keine Erfindung der Neuzeit und kein Hexenwerk. Wenn man das lernen will, lernt man das, auch wenn es in Englisch abgehandelt wird. Ich hörte, dass es inzwischen sogar ganz passable Übersetzungsprogramme, ausführliche Websites und Lexikonartikel in der Sprache meiner Wahl gibt, die wenigstens die Grundidee nahebringen. Aber selbst diese Basics scheinen für manchen eine unüberwindbare Hürde. Was das für ein Bild auf die nachfolgenden auszubildenden Generationen wirft, sieht man dann beispielhaft in Fragen wie oben.
 
Bleibt die Pflege in dem Umfang immer ? Oder gibt es Bereiche wie zb Ambulanzen in denen man gar nicht pflegt ? Und erfüllt euch der Beruf bzw würdet ihr ihn wieder machen? Der theoretische Teil wie zum Beispiel angewandte Pflege in der Ausbildung hat sich immer so toll angehört, die Praxis war dann hingegen ein Schock für mich. Hatten letztens einen sterbenden Patienten und jch dachte dieser wird "begleitet". Pustekuchen :-( ab und zu wurde nur geguckt ob er noch lebt aber sterbebegleitung in dem sinn gab es nicht .. weiß nicht ob das normal ist? Oder die beim Ablauf auf der Station selber: alles muss schnell und noch schneller gehen, automatisch. Ich hab kaum Zeit mich mit den Patienten zu unterhalten .. ich denke ich spreche viel zu gerne mit menschen.. bin mir nicht sicher ob da noch etwas kommt das mir gefallen könnte oder ob das alles oben beschriebene Normalzustand ist?!
Du machst deine Ausbildung in Österreich, ich arbeite in Deitschland - Ausbildung 1976-79. Also riesige Unterschiede.

Eins war und ist aber immer gleich. Wir arbeiten mit kranken, hilfsbedürftigen Menschen in jeder Altersstufe und jedem Krankheitsgrad.
Eine Ausbildung beginnt/sollte beginnen? immer mit den Grundlagen, auch die akademische.
Du musst sie auch beherrschen, um sie dann den Auszubildenden beizubringen - es wird immer Berufe in der Krankenpflege geben, die dies machen müssen!
Die Krankenpflege funktioniert nicht am Schreibtisch sondern am Menschen. Da bleibt es nicht aus die Körperpflege von Grund auf zu beherrschen, auch wenn sie später nicht mehr den Hauptteil der Arbeit betrifft.
Ich behaupte auch, dass wir alle unsere Patienten in jeder Lage gerne begleiten würden. Aber in Deutschland gibt es nicht genügend Pflegefachkräfte um diese Arbeit erbringen zu können.

Es gibt aber auch in der Pflege immer Bereiche in denen die Pflege sehr wenig pflegen muss, aber die Ambulanzen?
Da sind die entsprechenden Untersuchungsabteilungen/Dialyse/Wundmanagment/Diabetesschulungen sicher ein besserer Ort.

Ich habe inzwischen (8 Monate vor der Rente) große psychische Probleme mit meinem Beruf in der heutigen Zeit.
Aber: am Patientenbett/ beim Patienten bin ich noch immer von der Richtigkeit meiner Berufswahl voll überzeugt, da gibt es für mich noch immer nichts Besseres.
Ob ich ihn, mit dem Wissen um die heutigen Bedingungen, nochmals erlernen würde? Ich weiß es nicht - eher nein.
 
Der theoretische Teil wie zum Beispiel angewandte Pflege in der Ausbildung hat sich immer so toll angehört, die Praxis war dann hingegen ein Schock für mich.
Das ist der Grund, warum ich immer zu einem zumindest kurzen Praktikum in der Pflege plädiere, vor Beginn von Ausbildung oder Studium.

In Deutschland - bei Österreich weiß ich es nicht - wurde die Pflege jahrzehntelang vernachlässigt. Das Resultat schlechter Arbeitsbedingungen und überlasteter Mitarbeiter ist der derzeitige Personalmangel. Corona hat noch eine Schippe draufgesetzt. Selbst wenn es jetzt einige Bemühungen gibt, den Beruf attraktiver machen zu wollen - eine kurzfristige Lösung wird es nicht geben, dazu steckt die Karre schon zu tief im Dreck.

Pflege ist ein wundervoller Beruf. Aber die augenblicklichen Arbeitsbedingungen sind heftig, und so schnell werden sie nicht besser werden. Der Beruf ist sehr vielfältig, so dass man im Anschluss an die Ausbildung einen Bereich suchen kann, der den eigenen Vorlieben entspricht - Innere oder Chirurgie, ambulante oder stationäre Versorgung, Intensiv- oder Allgemeinstation etc. Aber Arbeit und Zeitdruck wird es überall geben. Wir würden gern mehr tun, aber wir können auch nicht an mehreren Orten gleichzeitig sein.

Hast Du Zeitdruck bei Deiner Entscheidung? Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, mir eine persönliche Deadline zu setzen. Man sollte solche Entschlüsse nicht aus einem situationsbedingten Tief heraus treffen.

Gibt es einen Lehrer, dem Du Dich anvertrauen könntest?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja ich habe jetzt noch 3 Wochen Zeit um meine Entscheidung zu treffen.. wie gesagt ich bin nach wie vor hin und hergerissen... man wird als Praktikant halt auch so verheizt .. auch wenn man sein bestes gibt.. zumindest kommt es mir so vor :-(
Und ja, in Österreich ist es dasselbe bzw nicht viel anders! Das System ist sehr marode. Viele hilfs- bzw Assistenzberufe wie pflegeassistenz+ pflegefachassistenz wurden aus dem Boden gestampft um allgemeine gesundheits- und krankenpfleger zu entlasten. :-( Ich denke ich hatte eine noch nie so schwere Entscheidung zu treffen.. :-(
Ist doch eine Lebensentscheidung..
 
man wird als Praktikant halt auch so verheizt .. auch wenn man sein bestes gibt.. zumindest kommt es mir so vor :-(
Das geht Fachkräften genauso. Das Gefühl, verheizt zu werden und dass 100% immer noch nicht genug sind, ist flächendeckend allen Aktiven dieser Profession eigen.
 
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Aber warum sind ausgebildete Pflegekräfte dann manchmal so gemein zu Auszubildenden ? Ist es der Zeitdruck/Stress etc? Eigentlich müsste man ja dankbar sein um jeden Menschen der die Ausbildung beginnt ?
 
Aber warum sind ausgebildete Pflegekräfte dann manchmal so gemein zu Auszubildenden ? Ist es der Zeitdruck/Stress etc? Eigentlich müsste man ja dankbar sein um jeden Menschen der die Ausbildung beginnt ?
Das ist in erster Sache ein abzulehnendes Fehlverhalten, welches durch den Stress gefördert wird.
Der Mensch buckelt gerne nach oben und tritt nach unten. Dies findest du überall - und leider sehr gerne in sozialen Berufen.
 
Okay weil ich es eben leider schon sehr oft in der Praxis erlebt habe .. von Anschreien vorm Patienten bis hin zur Seite stoßen ... das ist dann nicht gerade förderlich das man sich wohl fühlt :-(
 
Solche Kollegen hast du wahrscheinlich in jedem Team, überall. Das sind die, die den Ruf eines ganzen Hauses nachhaltig ruinieren können und für die man sich einfach nur schämt. Die Zusammenarbeit mit ihnen ist einfach nur bedrückend und ich versuche mein Bestes, als Kontrast umso liebenswerter zu Patienten, Angehörigen, Kollegen und Auszubildenden zu sein. Die meisten merken schnell, dass nicht alle so sind wie "dieser eine Kollege". Aber als Auszubildender ist es nochmal eine ganz andere Hausnummer, solchen Drachen unterstellt zu sein.
Meine ersten Nächte im 2. Lehrjahr habe ich aus diesem Grund gecancelt und wurde tatsächlich krank, weil ich wusste, dass ich mit DIESER Kollegin Dienst gehabt hätte, die Schüler allgemein und mich im Speziellen auf Blut gehasst hat. Ich hab mich einfach nicht überwinden können. Obwohl man mir nicht die Butter vom Brot nimmt, konnte ich diese Nächte mit ihr nicht machen.
 
Aber warum sind ausgebildete Pflegekräfte dann manchmal so gemein zu Auszubildenden ? Ist es der Zeitdruck/Stress etc? Eigentlich müsste man ja dankbar sein um jeden Menschen der die Ausbildung beginnt ?
Wir sind auch nur Menschen. Wir haben unsere Schwächen wie jeder andere auch. Zeitdruck, Stress und Überlastung sind da nicht unbedingt förderlich.

Ihr Auszubildenden bringt - vor allem zu Anfang - mehr Arbeit als Entlastung. "Zeig mir einen Studenten, der meine Arbeit nur verdreifacht, und ich werde ihm die Füße küssen" lautet eine der Regeln des "House of God" - und in diesem Buch steckt, überzeichnet und bitterböse, sehr viel Wahres. House of God – Wikipedia

Ich wiederhole mich: Gibt es jemanden an Deiner Schule, mit dem oder der Du sprechen könntest? Du bist nicht die erste Person mit Anfangsschwierigkeiten. Du musst die Entscheidung nicht ganz allein treffen. Und Menschen, die Dich und die Situation selbst kennen, werden bessere Ratgeber sein als wir hier im Forum.
 
ich beginne meine Ausbildung in drei Wochen. Mit 45 Jahren und als Meister mit mehrjähriger Erfahrung als Ausbilder im Handwerk.
Die Aussage, dass Auszubildende, vor allem zu Anfang, mehr Arbeit als Entlastung bringen finde ich sehr bedenklich. Von der tatsächlich benötigten Zeit für Anleitung und Einarbeitung einmal abgesehen, bringt eine solche Aussage allen Beteiligten die Haltung näher, dass Ausbildung eine Belastung darstellt, und das ist in jeder Hinsicht fatal.
Gute Ausbildung ist nicht nur planbar, sondern auch gemessen an die Anforderungen der Produktivität machbar. Idealerweise arbeiten Ausbilder und Auszubildender bei bestimmten Tätigkeiten zusammen, 1 zu 1, und der 'Output' liegt dabei bei dem eines (!) Profis, und wenn die Kompetenz vermittelt ist, hat man zwei Profis.
Unidealer Weise arbeitet man nicht 1 zu 1, sondern 1 zu x. Das ist dann aber Schulung und nicht Ausbildung.
Völlig uninteressierte Azubis bringen natürlich niemandem was, aber wenn Ausbildung misslingt, dann ist der Fehler fast immer beim Ausbilder oder dem Betrieb zu finden. Und da liegt dann auch der Hase im Pfeffer begraben, wenn die Produktivität unter zu hohen Reibungsverlusten leidet.
Das kann, darf und muss dann auch unprofessionell genannt werden.
Die neue Ausbildungsverordnung sieht 10 % Anleitung vor. Mir erscheint das sogar recht hoch angesetzt. Wenn das nicht reichen sollte, dann stimmt was grundlegendes nicht.
 
@ noemiii

Deine Entscheidung wirst Du schon getroffen haben, trotzdem...
Umgang mit schwierigen Emotionen anderer und den eigenen ist ein Lernfeld das niemals aufhört, ganz egal in welcher Branche.
Generell ist es sehr hilfreich, die verschiedenen Positionen in einem Konfliktgeschehen selbst zu erfahren, aber in ganz vieles kann man sich auch hinein denken oder fühlen, und das alles hilft.
Mir scheint, dass Du Dich fest gefahren hast in einem Gefühl von Hilflosigkeit.
ich kenne das aus eigener Erfahrung, möchte Dich an dieser Stelle aber nicht mit Rat schlagen.
Vielleicht nimmst Du folgenden Gedanken mit:
Du bist nicht hilflos.
Wenn Du Dich mit einer Situation nicht arrangieren möchtest, was immer und überall Dein Recht ist, dann hast Du auch immer die Möglichkeit, Dich einer Situation zu entziehen, oder sie zu ändern.
Letzteres ist auf jeden Fall am Schwierigsten, aber da erfährst Du am meisten Wachstum.
Und ganz egal, welche der drei Optionen Du wählst: Du wirst immer Menschen finden, die Dich unterstützen, und das ist doch ermutigend :-)
 
Gute Ausbildung ist nicht nur planbar, sondern auch gemessen an die Anforderungen der Produktivität machbar. Idealerweise arbeiten Ausbilder und Auszubildender bei bestimmten Tätigkeiten zusammen, 1 zu 1, und der 'Output' liegt dabei bei dem eines (!) Profis, und wenn die Kompetenz vermittelt ist, hat man zwei Profis.
Ohne eine Tätigkeit im Handwerk abwerten zu wollen: Der Arbeitsalltag in der Pflege ist kaum planbar. Er ist bestimmt von permanenten Unterbrechungen - durch Anrufe, Patientenrufe, Fragen anderer Berufsgruppen - und einer ständigen Neuanpassung der Gegebenheiten aufgrund unvorhergesehener Umstände - plötzliche Verschlechterungen, Notfälle, Krisen. In einer Studie wurden im Durchschnitt 63 Unterbrechungen der Arbeit am Tag gemessen, der Höchstwert lag bei über 140 Unterbrechungen (Download hier: Arbeitsunterbrechungen als tägliche Belastungsquelle).

Die Schüler*innen sind einige Wochen, im Höchstfall zwei, drei Monate auf der Station. Danach wechseln sie in einen anderen Bereich. Eine kontinuierliche Anleitung durch einen einzigen Anleiter ist aufgrund des Schichtdienstes nahezu unmöglich zu gewährleisten. Damit bleibt recht wenig Zeit, um einen Schüler mit seinen Stärken und Schwächen kennenzulernen und so gezielt anzuleiten, wie es wünschenswert wäre. Hinzu kommt, dass Schüler zum Teil Schwierigkeiten haben, Lernziele zu benennen.

Idealerweise arbeiten Praxisanleiter und Schüler zumindest zu Beginn 1 : 1 zusammen, richtig. Aber das Gesundheitswesen ist weit von diesem Idealzustand entfernt. Die Anleitung der Schüler läuft on top zur Patientenversorgung. Es gibt keine zusätzlichen Stellenanteile für die Ausbildung. Sie muss neben der übrigen Arbeit erledigen werden, und nicht selten opfern die Anleiter Freizeit und Urlaub, um den Schülern - und ihren eigenen Bedürfnissen nach einem vernünftigen Lernklima - nachzukommen.

Der Schüler steht auch nicht ständig neben mir, sondern wird je nach Ausbildungsstand mit eigenen Aufgaben betraut, während der Anleiter dabei betreut, seine Arbeit überprüft und neben den eigenen Patienten auch die des Azubis im Blick behalten muss. Das ist häufig zeitaufwändiger, als diese Patienten selbst zu betreuen.

Insofern: Ja, der Schüler macht zusätzliche Arbeit, vor allem natürlich zu Beginn der Ausbildung und des Einsatzes, wenn seine Kenntnisse und Fähigkeiten naturgemäß noch gering sind. Wenn die Kompetenz fertig vermittelt ist, hat man zwei Profis. Aber dahin muss Du erstmal kommen.
 
ich gewinne mehr und mehr den Eindruck, dass Priorisierung zu den wichtigsten Kompetenzen in der Pflege zählt, mehr noch als früher, und dieser Eindruck entsteht bei mir nicht nur vor dem Hintergrund meiner Berufserfahrung im Handwerk, sondern auch vor dem eigener Erfahrung in der Pflege, professionell und häuslich und Kontakt mit Pflegenden, auch wieder professionell und häuslich.

Die Situation, die Du beschreibst weist auf Strukturmängel hin. Zu wenig Zeit, zu wenig Personal, im Hintergrund zu wenig Geld und zu viele Einsparungsbemühungen.

Das ist bekannt, das geht wie ein roter Faden durch alles, bis hinein ins Familien- und Beziehungsleben von Pflegefachkräften, mit allen bekannten Forderungen und Folgen (Burnout, Pflexit, Notstand). Da stellt sich aber auch die Frage, wie man dem begegnen kann, und da kommt natürlich den Auszubildenden eine besondere Rolle zu. Schliesslich wird man das Problem nicht mit ungelernten und mit Hilfskräften lösen können, und auch nicht mit Abwerbung und Zeitarbeit. Ebensowenig lassen sich aus dieser Strategie Fachkräfte zurückholen.

Auszubildende sind wichtig. Vielleicht sind sie sogar die wichtigste Resource überhaupt, um den Schwierigkeiten und Herausforderungen zu begegnen, aber eben nicht um akute Personalengpässe zu stopfen, sondern um Pflege in 10 Jahren überhaupt noch bewerkstelligen zu können.

Und ich weiß, dass Alltag auf Station nicht das Bilderbuch aus der Theorie ist.

Umso wichtiger finde ich es aber, den Auszubildenden mit einer positiven Haltung zu begegnen und auch positive Orientierung zu geben. Das ist auch in Überlastungssituation noch möglich.

Die andere Seite ist natürlich der Auszubildende selbst. Jemand der Lern- und Leistungsbereitschaft mitbringt auszubilden ist einfach und macht Spaß. Wenn da Defizite bestehen wird das schwierig bis unmöglich, aber da sind auch noch andere in der Verantwortung.

Wie kann das sein, dass ein Schüler seine Lernziele nicht benennen kann? Das ist doch im Grunde Aufgabe der Schule, den Schüler da heranzuführen.

Ich würde das an dieser Stelle klar adressieren, wie übrigens alle 'Probleme', die in der Ausbildung auftauchen oder entstehen. Schüler, Schule, PA, Kollegen, SL und PDL. Jeder ist am Ausbildungsprozess auf seine Weise beteiligt, und da geht's auch nicht um Schuldzuweisung, sondern darum Verantwortung erst zu ermöglichen.

Ich selbst gehe davon aus, dass jeder in seinem Kern eine positive Absicht trägt, und dass man damit auch positiv arbeiten kann, selbst wenn im Status Quo deutliche Mängel sichtbar werden.

Einer 20jährigen gegenüber wäre es vermutlich eine komplexe Aufgabe zu vermitteln, was das konkret bedeutet und bedeuten kann, aber ich denke Du hast da schon weit mehr an Berufs- und Lebenserfahrung und verstehst worauf ich hinaus will.

Ich selbst gehe als Auszubildender übrigens schon mit einer bestimmten Haltung in die Ausbildung, insbesondere auch den praktischen Teil.

Ich erwarte von mir, mich mit allen Kompetenzen und mit Engagement so ins Team einbringen zu können, dass ich als Entlastung wahrgenommen werden kann, und nicht als Belastung wahrgenommen werden muss. Ich wünsche mir, dass Fachkräfte und Patienten von mir sagen können 'Cool, so wünschen wir uns das, so soll es sein.'

Und in Rahmen dessen ist mir das auch nicht entscheidend, ob ich 10 % Anleitung erhalte oder nicht. Ich bin alt und vernetzt genug, mir die entsprechenden Kompetenzen auch anderweitig aneignen zu können.

Ansprechen würde ich es aber trotzdem, wenn's da hapert.

Und - das macht mich vielleicht unbequemer: ich würde heute die Anwendung von Gewalt in der Pflege nicht mehr tolerieren.

Es wird mir nicht mehr passieren einer Stationsleiterin dabei zusehen zu müssen, wie sie mit körperlicher und verbaler Gewalt Grundpflege bei dementen Patienten erzwingt. So hilflos bin ich nicht mehr, und in einer solchen Situation würde mich auch Rang und Weisungsbefugnis nicht mehr interessieren.

Es gibt Grenzen für uns als Menschen und als Bürger, aber innerhalb dieser Grenzen können wir unglaublich viel Positives bewirken und ganz vieles davon hat sehr viel mehr mit unserer Haltung zu tun und sehr viel weniger mit unseren Möglichkeiten.

Und säßen wir beide jetzt in einer hypothetisch denkbaren Arbeitspause zusammen bei einer Tasse Kaffee würd ich sagen 'Komm, lass uns pflegen.'

Und wenn das im hypothetisch denkbaren zweiten Jahr wäre, würde ich auch mal einen Blick darauf werfen, dass der Schüler im ersten Jahr keinen Mist baut.

Team ist ja nicht 'Toll, ein Anderer macht's' - Team ist: wir machen das. Ein jeder so gut es ihm möglich ist in Gemeinschaft.

und jetzt habe ich vor lauter Emphasis ganz vergessen meine Worte sorgfältig zu gendern... mea culpa! Aber mir ist schon bewusst, dass auch meine zukünftigen Kollegen hauptsächlich Kolleginnen sein werden. Und ich Anfänger, so oder so.

Daher auch einfach meine Bitte. Bisschen Raum und Herz für Anfänger ❤️
 

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