Unprofessionell gehandelt?

KrankenBro

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13.01.2012
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exam. Gesundheits u. Krankenpfleger
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Op-Pfleger / JAV-Mitglied
Hallo liebe Forenmitglieder ,

Ich befind mich ja momentan noch in der Ausbildung und bin mitten im Examen. Während der Ausbildung musste ich schon oft miterleben das Patienten sterben. Junge , Alte , Schwerstkranke , tragsiche Fälle und unerwartete Fälle , jedenfalls lernt jeder selbst irgendwann mit diesem "besonderem" Ereigniss umzugehen und es nicht unbedingt mit nach Hause zu nehmen. Ich hatte/ habe nie ein Problem damit gehabt. Natürlich nimmt es mich mit ,aber mit der Zeit lernt man das ganze anders zu betrachten. Doch was mir bis heut ein Problem darstellt ist der Umgang mit den Angehörigen. Immer wieder gab es Situationen in denen ich nicht wusste wie ich reagieren soll bzw. was ich sagen soll. Es ist dieser Moment in dem die Angehörigen so verletzbar und maskenlos sind wie kein anderer, ein Moment in dem ich Angst habe etwas Falsches zu sagen. Ich arbeite nun seit Februar auf der Intensivstation im Rahmen der Prüfungsvorbereitung , dementsprechend hoch ist auch das Risiko das man der genannten Situation auch begegnet. Und heut war so ein Tag .... Ich betreue momentan einen schwerkranken Pat. dessen Prognose noch in den Sternen liegt. Heut war die Enkeltochter des Pat. da ( ihr erster Besuch ) ansonste gibt es nich mehr viele Angehörige bzw. wohnen diese sehr weit weg.

Als ich heut mitten in der Arbeit war sagte mir die Schwester das besuch für Hr. XXX da ist , ich machte also alles schick im Zimmer , stellte einen Stuhl bereit und ging zur Tür. Ich empfing sie und geleitete sie ins Zimmer, nach kurzer Zeit hatte sie viele Frage. Ich beantwortete mit vollem Verständniss alle Fragen die ich beantworten konnte und durfte. Noch war alles stabil , ich sagte ihr auch das sie ruhig seine Hand anfassen darf und mit ihm reden kann. Sie dankte mir.. Doch nach dem Arztgespräch ( Themen waren Prognose und weiterer Verlauf der Therapie) fing sie an mit weinen , sie entschuldigte sich mehrmals konnte es aber nicht unterdrücken. Ich stand da also mitten im Raum ...eine schwerkranker Pat... eine weinende Angehörige...keine Schwester in der Nähe ... und keinen Rat.. . Ich entschloss mich meine klappe zu halten und nahm sie in den Arm ( alles andere erschien mir unplausibel). Sie beruhigte sich .... und war sehr dankbar.

Im nachhinein überlegte ich mir ob dieses Verhalten professionell von mir war ? 8O

Einige Schwestern sagten ich sollte das nicht machen und eine anderweitige Lösung finden . Der Pfleger wiederum meinten das ich menschlich gehandelt habe.

Irgendwie drehen sich heut den ganzen Tag schon die Gedanken in meinen Kopf ob ich eine Grenze damit überschreite ??

Ich danke euch für eure Aufmerksamkeit und hoffe auf eine Antwort.

Gruß der -bro-
 
Das nennt man Empathie und ist eine kaum zu erlernende soziale Kompetenz.
 
Nach 10 Jahren im Beruf und im Umgang mit Sterbenden und Deren Angehörigen kann ich nur sagen: Es gibt keine Patentlösung! Aber ich handle auch eher "zu emotional" und weinende Angehörige werden von mir wenn dies mittels Mimik, Gestik und Verhalten signalisiert wird ("nonverbale Kommunikation") - vor allem wenn z.B. nur die. Tochter Ihre Verstorbene Mutter beweint und also keine weiteren Angehörigen zum trösten in der Nähe sind - auch natürlich in den Arm genommen. ABER : Man darf sich nicht dazu zwingen müssen, muss mit "Vollem Herzen" hinter der Berührung, der Umarmung stehen... Gekünstelte, Pflichtbewusstes Beileids Drücken bringt hier nix...! Also keine Panik... Alles richtig gemacht - auch wenn das viele hier wahrscheinlich anders sehen werden - an uns emotionale Pflegekräfte erinnern sich die Angehörigen und nicht an "unprofessionelles Verhalten"...!
 
erstmal danke für die schnellern Antworten !

Das nennt man Empathie und ist eine kaum zu erlernende soziale Kompetenz.

und auch nicht bezahlbar , ich staune manchmal wie universell man als Peflegkraft ist .


@Markus: So gehts mir auch , manchmal nehmen Emotionen schon Überhand und ich muss mir dann auch unauffällig das eine oder andere Tränchen ins Knopfloch zurückdrücken.

Aber ich stelle mir halt schon die Frage ob diese Körperliche Nähe nicht eine Grenze überscheitet ? Mir ist durchaus bewusst das man das nicht wie theoretische kenntnisse erlernen kann , man muss nunmal seine eigenen Erfahrungen sammeln. Aber oft genug geh ich dem ganzen aus dem Weg :/
 
Wenn die Angehörige das Gefühl gehabt hätte, dass Du eine Grenze übertrittst, hätte sie das in irgendeiner Weise gezeigt - verbal oder nonverbal. Ich frage mich in solchen Situationen immer, was mir in diesem Moment gut tun würde. Dann machst Du meistens nichts falsch.
 
Zuletzt bearbeitet:
Empathiefähigkeit ist eine seltene Eigenschaft. und in unserem Beruf sehr viel wert!
Eine allgemengültige Antwort auf Deine Frage kann Dir keiner geben, dazu sind die Menschen zu unterschiedlich. Jeder Einzelfall ist anders. Manche Menschen sind dankbar für eine Berührung und manche verabscheuen Nähe, welcher Art auch immer. Verlass Dich einfach auf Deine Intuition!
In meinen Jahren in der Intensivtherapie sind einige Tränen geflossen- manchmal hat das ganze Team einschließlich der Ärzte geweint... Irgendwie hat es uns gutgetan, unseren Gefühlen auch mal freien Lauf lassen zu können. Dumme Bemerkungen in so einem Moment gab es auch, die gingen aber dann meist nach hinten los. Und: sie entsprangem häufig den eigenen, kaum beherrschbaren Emotionen...
 
Ich finde, du hast genau richtig gehandelt. Die anderen haben es schon sehr treffend bemerkt: Empathie ist eine kaum zu erlernende soziale Kompetenz, und du hast genau diese gezeigt.
Es gibt Situationen, da ist genau so etwas richtig und erforderlich.
Du hast es instinktiv genau richtig gemacht.
Mach dir nicht zu viele Gedanken.
 
Hallo bro,
ich schliesse mich sämtlichen Vorrednern an.
Ausserdem wünsche ich Dir und den Patienten/Angehörigen, die Du betreust, dass Du Dir das intuitiv richtige Handeln erhältst.
VG lusche
 
Ja, lusche, das wünsche ich bro (und seinen Patienten) auch sehr!!!
 
Sei froh, dass du vor lauter Professionalität noch nicht vergessen hast, dass du ein Mensch bist. Ich habe auch schon trauernde Angehörige umarmt. Eine ablehnende Haltung habe ich dabei noch nie verspürt. Im Gegenteil. Wir gehen oft mit Tod und Sterben um. Die Angehörigen nicht. Und wenn dein Liebstes im Sterben liegt, fühlst du dich hilflos. Du hast absolut richtig gehandelt!!
 
Es ist interessant, da ich mich gerade im Rahmen meiner Masterarbeit damit beschäftige. Tatsächlich scheint uns eine Professionaliätsverständnis eingeimpft zu werden, dass keine Gefühlsäußerungen gestattet, gerade auch im Umgang mit Sterbenden. Gleichzeitig sagen viele Pflegekräfte, dass das überhaupt nicht klappen kann und es deshalb Ausnahmen von der Regel geben muss. Und interessanterweise scheint das Unterdrückung von Verdrängen von Gefühlen mehr Stress zu verursachen und ein höheres Burnout-Risiko zu ergeben als der offene Umgang damit.

Damit wäre das vermittelte Professionalitätsverständnis vollkommener Humbug. Etliche Pflegeforscherinnen denken so, und ich schließe mich ihnen an. Wir verhalten uns professionell, wenn wir unsere Gefühle offenbaren und Mitgefühl zeigen können. Dazu kann auch die Umarmung von Angehörigen gehören.

Allerdings sollte man wahrhaftig bleiben. Das Vorspielen von Mitgefühl wäre genauso falsch wie das Vorspielen von Coolness.
 
Wir verhalten uns genauso professionell, wenn wir unsere Gefühle offenbaren und Mitgefühl zeigen können, wie auch, wenn wir es nicht können und auf der rationalen Ebene bleiben (müssen) . Dazu kann auch die Umarmung von Angehörigen gehören.

Allerdings sollte man wahrhaftig bleiben. Das Vorspielen von Mitgefühl wäre genauso falsch wie das Vorspielen von Coolness.

Es gibt von Natur aus "Verdränger" und "Ausdrücker". Das sind angeborene/erworbene/erlernte Verhaltensmuster. Sie sind nicht auf Fingerschnipsen korrigierbar. Beide Gruppen müssen damit leben.
Für mich heißt Professionalitätsverständnis, das beide Gruppen ein Recht haben, so zu sein. Sicher werden die "Verdränger" eher gefährdet sein, als die "Ausdrücker".
Ich bin kein "in den Arm Nehmer", jedenfalls ist diese Situation in meinem Berufsleben noch nicht eingetreten. Das paßt zu meinen Persönlichkeitseigenschaften, das Wahren einer Distanz und das Behalten von Kontrolle über Situationen ist für mich essentiell.
Aber ich finde es weder falsch, noch unprofessionell, wenn es einer tut. Ein Maßstab dafür, ob es paßt, ist die Reaktion des Gegenübers.

Claudia, sorry, das ich in deinem Beitrag geschrieben habe. Es ließ sich so schön ergänzen.:wavey:
Gruß, Marty
 
Es ist interessant, da ich mich gerade im Rahmen meiner Masterarbeit damit beschäftige. Tatsächlich scheint uns eine Professionaliätsverständnis eingeimpft zu werden, dass keine Gefühlsäußerungen gestattet, gerade auch im Umgang mit Sterbenden. Gleichzeitig sagen viele Pflegekräfte, dass das überhaupt nicht klappen kann und es deshalb Ausnahmen von der Regel geben muss. Und interessanterweise scheint das Unterdrückung von Verdrängen von Gefühlen mehr Stress zu verursachen und ein höheres Burnout-Risiko zu ergeben als der offene Umgang damit.

Damit wäre das vermittelte Professionalitätsverständnis vollkommener Humbug. Etliche Pflegeforscherinnen denken so, und ich schließe mich ihnen an. Wir verhalten uns professionell, wenn wir unsere Gefühle offenbaren und Mitgefühl zeigen können. Dazu kann auch die Umarmung von Angehörigen gehören.

Allerdings sollte man wahrhaftig bleiben. Das Vorspielen von Mitgefühl wäre genauso falsch wie das Vorspielen von Coolness.

Ich denke genau deshalb ist es für uns Schwierig das berufsfremden Menschen klar zu machen.
Wir schaukeln von Emotion zum Kopf, zurück zur Emotion und immer ist keine klare Trennung möglich.
Wir haben im Laufe unseres Dienstes mit vielen unterschiedlich ANspruchsvollen Menschen (un- und auch erwartet) zu tun.


Beispiel: Ein Geschäftsführer ist mittlerweile beruflich zum reinen Kopfmenschen mutiert, für ihn zählen nur Zahlen.
Personalführungskompetenzen werden darauf ausgerichtet, die soziale Führungskompetenz schafft sich ab.
 
Es gibt von Natur aus "Verdränger" und "Ausdrücker". Das sind angeborene/erworbene/erlernte Verhaltensmuster. Sie sind nicht auf Fingerschnipsen korrigierbar. Beide Gruppen müssen damit leben.
Für mich heißt Professionalitätsverständnis, das beide Gruppen ein Recht haben, so zu sein. Sicher werden die "Verdränger" eher gefährdet sein, als die "Ausdrücker".
Ich bin kein "in den Arm Nehmer", jedenfalls ist diese Situation in meinem Berufsleben noch nicht eingetreten. Das paßt zu meinen Persönlichkeitseigenschaften, das Wahren einer Distanz und das Behalten von Kontrolle über Situationen ist für mich essentiell.
Aber ich finde es weder falsch, noch unprofessionell, wenn es einer tut. Ein Maßstab dafür, ob es paßt, ist die Reaktion des Gegenübers.

Claudia, sorry, das ich in deinem Beitrag geschrieben habe. Es ließ sich so schön ergänzen.:wavey:
Gruß, Marty

Erlernt bzw. erworben: ja (das ist in dem Fall dasselbe). Angeboren: nein. Angeborene emotionale Reaktionsmuster gibt es nicht.

Auf Fingerschnipsen kann man Reaktionsmuster nicht beeinflussen, aber sie sind auch nicht unveränderlich. Man sagt ja auch nicht: Ich bin eben von Natur aus ein unhöflicher Mensch, also Kollegen, lebt damit!

Solange die Distanz nicht dazu führt, dass Du den Kontakt zum Patienten meidest, solange Dein Wunsch nach Kontrolle nicht dazu führt, dass Du die Schuld bei Dir suchst, wenn Dir die Kontrolle einmal entgleitet, bin ich mit Deiner Ergänzung einverstanden. Gefühle zeigen zu müssen, die man nicht hat, wäre ein ebenso falsches Verständnis von Professionalität.
 
Da können wir uns treffen.
 
Ich bin von Haus aus ein sehr ehrlicher Mensch und zeige was ich empfinde. Nicht durch Worte immer, aber mein Gesicht zeigt schon immer meine Stimmung an. Ich kann nicht schauspielern. Das ist nicht immer von Vorteil, aber ich bin trotzdem froh darüber!
 
KrankenBro: Du hast den richtigen Berug gewählt.:klatschspring:
 
ersteinmal vielen dank an alle für die netten Worte :) !!!


sorry das ich die letzten Tage nichts geschrieben hatten aber ich war mitten in der Examensvorbereitung für meine praktische Krankenpflegeprüfung welche ich heut abgelegt habe ( erfolgreich :daumen:).

Und ihr dürft 3mal raten welcher Pat. mein Prüfungspat. war ?! Der bereits von mir genannte mit der Enkelin. Um so näher geht es mir da ich heut erfahren habe das die Therapie eingefroren ist :cry:

Es ist leider das beste für ihn , aber zum glück habe ich jetzt noch ein paar dienste mit ihm , die Zeit werde ich nutzen um mich um ihn zu kümmern als dankeschön für eine 4h stündige Prüfung die ich wohl nie vergessen werde....

@-Claudia- : ich empfinde das auch so das uns dieses Verständniss eingeimpft wurde von anfang an , und ich sehe es jeden Tag wie die Schüler ( auch ich ) jedentag danach streben und sich selbst kritsich reflektieren in ihren Handlungen , immer mit dem Gedanken habe ich das richtig getan ??