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Nur wird die ganze Sache um das Sterben in unserem Kulturkreis überbewertet, weil es heute zu einem Tabuthema geworden ist...
Die Logik dieser Aussage will sich mir nicht erschließen. Hilf mir da mal bitte auf die Sprünge. Wie kann etwas "überbewertet" werden, was mit einem Tabu belegt wurde? Für mich ist das eher
Verdrängung.
Ich bin der Meinung, dass Angehörige, Zeugen und anderen "unbeteiligten" den Tod als schlimmer empfinden, als der Betroffene selbst.
Vorsicht Glatteis! Kein Mensch vermag über die Emfindungen Toter (sollte es sie in irgend einer Form geben) Aussagen treffen. Was sich maximal rekonstruieren lässt sind
Nahtoderlebnisse von Menschen, die nach Herzstillstand reanimiert wurden. Sich also an der "Schwelle des Todes" befanden. Davon zu unterscheiden ist der Sterbevorgang an sich. Wenn Menschen in der Blüte ihres Lebens auf Grund schwerer Krankheiten oder in Folge schwerer Unfälle aus dem Leben gerissen werden. Warum sollten sie diesen unumkehrbaren Einschnitt nicht als schlimm empfinden? Wenn wir uns einer Kraft gegenübersehen, die unseren Überlebenswillen bezwingt?
Wie wir - als unmittelbar Betroffene - damit klar kommen, hängt sicher auch von unserer Weltanschauung ab. Sind wir buddhistisch geprägt und bewerten unser Leben als "unvollendet", schließen wir mit dem Leben in der Überzeugung ab, dass sich dem unmittelbaren Tod eine Wiedergeburt anschließt. Als gläubige Christen glauben wir an eine immaterielle Existenz in "himmlichen Sphären". Nur der unerschütterliche Atheist wähnt sich am Ende jeglichen Seins.
Aus unserer Perspektive betrachtet, handelt es sich in allen Fällen um Spekulation. Wir wissen nicht viel über das Leben, geschweige denn über den Tod. Wir können noch nicht einmal sicher sagen, inwieweit der persönliche Glaube unser Schicksal beeinflusst. Wer diesen Einwurf absurd findet, dürfte mit der modernen Physik (Quantenmechanik) wenig oder gar nicht vertraut sein.
Wir sollten nie vergessen (egal, welche Glaubens- oder Denkrichtung wir vertreten), dass unser Leben ein wertvolles Gut ist. Dass "ewiges Leben" per se weder erstrebenswert noch möglich ist, unsere durchschnittliche Lebenserwartung aber noch weit unter dem biologisch möglichen Limit liegt und persönliche sowie gesellschaftliche Weiterentwicklung ihre Zeit benötigt. Wenn wir unser Leben nur bewusst und zielgerichtet gestalten. Wie viele Menschen leben nach dieser Maxime?
Ganz zu Recht mag sich der Spießer fragen, ob man 100 Jahre leben soll, um sich nach einem schweren Arbeitstag (oder 40 Jahren Arbeitsleben) in den Sessel fallen zu lassen, um dümmliche Talkshows, Werbespots oder Soaps zu verfolgen, die dem Massesterben der grauen Zellen Vorschub leisten und uns zu armseeligen Marionetten degradieren? Wer dieser gezielten Massenverdummung nicht entkommen möchte, dem ist sein Leben sicher nicht wertvoll genug, um es als
hohes Gut zu betrachten. Und dementsprechend begegnet er dem Tod mit einem Achselzucken.