Patient verweigert vernünftige Behandlung / rechtliche Folgen

ellie

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16.07.2008
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Krankenschwester
Akt. Einsatzbereich
häusl. Krankenpflege
Hallo,
folgendes Problem beschäftigt meine Kollegen und mich seit einigen Wochen:
Wir betreuen einen Patienten mit massiven chronischen Wunden am Unterschenkel. Es ist ein Wundexperte mit eingeschaltet, der auch noch zusätzlich nach den Wunden schaut. Der Patient ist sehr selbstbestimmt und lässt nur wenig zu. Jetzt hat er zu allem Überfluss ein Panaritium am der Zehe des selben Beines. Dieses müßte dringend Chirurgisch behandelt werden, Pat. will dies aber auf keinen Fall. Von uns lässt er sich nur sporadisch mal ein Pflaster um den Zeh machen, damit nicht alles vom Eiter verschmiert wird. Im Zusammenhang mit den chronischen offenen Beinen ein katastrophaler Zustand. Wir dokumentieren uns die Kugelschreiber heiß. Nun die Frage: Wie sieht das rechtlich aus, sollte der Pat. sein Bein verlieren, weil der Infekt übergreift? Es ist ihm und den Angehörigen zu zumuten, das da ein Mega Prozeß auf uns zukommt. Was können wir, außer dokumentieren noch tun?
Wir, das ist ein ambl. Pflegedienst.
Hoffe das Thema ist hier richitg plaziert und nicht schon hundertmal gefragt worden.
LG
elli
 

[TD="colspan: 3"][h=2]

Das hier gilt nicht nur in der Psychiatrie, sondern überall
(sorry, kriege die Schrift nicht kleiner):

Behandlung gegen den Willen des Betroffenen[/h][/TD]

[TD="colspan: 3"]Mit Zwangsbehandlung ist die medizinische Behandlung ohne Einwilligung oder gegen den Willen des Betroffenen gemeint.

Bei der Zwangsbehandlung geht es meist um die Verabreichung eines Medikaments. Die meisten Patienten in der Psychiatrie und nicht wenige Bewohner von Altenheimen bekommen Psychopharmaka – nicht selten zwangsweise. Zu Wirkungen und Nebenwirkungen von Psychopharmaka finden Sie ausführliche Informationen auf der Website Wegweiser Psychopharmaka.

Immer noch werden gelegentlich Psychopharmaka nicht mit dem Ziel gegeben, dem Betroffenen zu helfen, sondern um die Ruhe auf der Station wiederherzustellen. Dies ist nicht zulässig.

In der Klinik und im Heim gilt zunächst einmal der gleiche Grundsatz wie für jede andere ärztliche Behandlung: Nichts darf ohne ausdrückliche Einwilligung des Patienten geschehen. Außerdem muss der Behandlung immer eine Aufklärung über alle Wirkungen und Nebenwirkungen der Behandlung vorausgehen.

Eine Behandlung gegen Willen des Betroffenen bzw. ohne dessen Einverständnis ist also normalerweise nicht zulässig. Sie stellt einen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit dar, das zu den Grundrechten gehört. Ein solcher unzulässiger Eingriff stellt strafrechtlich gesehen eine Körperverletzung dar. Dies gilt nicht nur für eine Verletzung im wörtlichen Sinne bzw. einen direkten Eingriff in den Körper, sondern auch für die Verabreichung von Medikamenten.

Deshalb darf eine Zwangsbehandlung nur in Ausnahmefällen erfolgen: nur bei Vorliegen sehr wichtiger Gründe und unter den strengen Voraussetzungen, die in den einschlägigen Gesetzen ausdrücklich genannt sind. Darüber mehr im folgenden.
Quelle: 10. Zwangsbehandlung
[/TD]
 
Liebe elli,
ihr müsstet ja von einem Arzt eine Verordnung haben, um die Wunde versorgen zu können??
Ihm würde ich eine Mitteilung zum Zustand der Wunde, sowie des Zeh (Panaritium), zukommen lassen.
Wenn telefonisch – dann Dokumentation von Datum und Uhrzeit, wenn Fax – dann Faxnachweis.
Beratungen an den Patienten, würde ich mir von ihm gegenzeichnen lassen (also vom Patienten).
Wie sieht die Versorgung sonst aus, ist er in der Lage die Verantwortung für sich zu tragen???
Bei Zweifel würde ich den sozialpsychiatrischen Dienst informieren.


Manchmal ist es echt nicht einfach!!!!:gruebel:
Liebe Grüße von KVie
 
Wie Sqaw das schon so schön geschieben hat.Da gibt es klare Gesetze.Und wenn ein Patient nicht eine Vormundschaft bzw.im schlimmsten Fall entmündigt ist,Kann er mit seinem Körper tun und machen lassen ,was er will.Anders ist es,wenn der Patient bewußtlos ist und lebensbedrohliche Verletzungen hat.Da gibt es ja auch dieses heikle Thema Bluttransfussionen.Da können bestimmt einige hier so ihre Geschichten erzählen.:gruebel:
 
Ja klar, haben wir eine VO vom Arzt und er weiss auch über das Panaritium bescheid. Das Problem ist, der Hausarzt hat die Wunden noch nie gesehen, weil er keine Hausbesuche macht. Tolle Kiste. Und der Patient verlässt seine Wohnung nur zum Einkaufen und gelegentlichen Ausflügen. Arztbesuche gehören nicht zu seinen bevorzugten Tätigkeiten. Ob er wirklich in der Lage ist seine Situation zu beurteilen, glaube ich nicht. Aber er hat vor Wochen erfolgreich durchgesetzt wieder alleine für sich verantwortlich zu sein, soll heißen: er hat seinen Vormund abbestellt und ist jetzt noteriell Bestättigt, wieder Eigenverantwortlich.
Irgendwann habe ich mal gehört, dass in so einem Fall, wo der Patient alles ablehnt und eine Gefahr für seine Gesundheit besteht, ein Anwalt oder Notar eingeschaltet werden muss, der dieses amtlich dokumentiert. Aber ich finde dazu leider nichts zum ausdrucken für unsere PDL.
LG ellie
 
Ja und da macht das Gesetz seine strengen Unterschiede.Gefahr für seine Gesundheit oder Lebensbedrohlich.Wird es lebensbedrohlich,geht ein Fax an das Vormundschaftsgericht.Die entscheiden dann,ob ja oder nein.Innerhalb von 48h oder schneller steht dann ein Richter vor der Tür mit seinem "Schreiberling" und will wissen ,was los ist.Ich habe das auf meiner alten Station mehrmals durch.Deshalb sage ich immer wieder.Jegliche Ablehnung,Verweigerung etc.vom Patienten schriftlich fixieren.
 
Ob eine chronische Wunde und ein Panaritium schon lebensbedrohlich sind?

Wobei mir dazu einfällt... Pat., bekannter C2-Abusus wird eingeliefert mit einem komplizierten UA-Bruch. Der Pat.- logischerweise im alkoholisierten Zustand, verweigert jegliche Behandlung. Ein "etwas unsanfter Griff" brachte eine schnelle Einsicht und er bestand förmlich auf die schnellste Versorgung. Es konnte ihm gar net schnell genug in den OP gehen.

Warum wechselt ihr da ein Pflaster? Er hat nix in seinen Augen. Dann erübrigt sich auch das Pflaster.

Dokumentieren und gut ist. Und falls sich da tatsächlich eine Sepsis entwickeln sollte... dann ruft die Rettung.

Elisabeth
 
Ich hoffe, daß Ihr den Rat mit dem "unsanften Griff" nicht annehmt. Wir leben nämlich hier in einem Rechtsstaat und es gibt Grundrechte. Jeder hat das Recht auf die Unversehrtheit seines Körpers, Das heißt, er kann, wenn er bei geistiger Gesundheit ist, damit machen, was er will! Machen ja andere auch- sie trinken oder essen zuviel, nehmen Drogen, betreiben hochrsikante Sportarten usw. Äußerste Vorsicht vor allen ausgeübten Zwängen! Würdet Ihr denn wollen, daß die Euch gegenüber ausgeübt würden?
 
Die Idee das Pflaster einfach weg zu lassen, gefällt mir. Kommt dem unsanftem Griff nahe, jede Berührung schmerzt, grins.
Spass beiseite, mir geht es um die Folgen. Der Patient hat nicht umsonst "offene Beine", da stimmt einiges nicht an der Durchblutung und der Hygiene im Haus. Nun ist er aber nicht ganz deppert und hat Juritische Verwandte. Die sich zwar nicht kümmern, aber mit gutem Rat schnell dabei sind.
Klar weiß ich das alles dokumentiert werden muss.
Aber wie sähe es im Ernstfall aus: Mal angenommen der Patient verliert sein Bein und verklagt uns? Kann dann ein Richter sagen: Yeap, sie haben ja nicht auf den Pflegedienst gehört, selber schuld.
Oder kann er sagen: Lieber Pflegedienst, ihr habt dieses oder jenes Unterlassen, ihr habt die Schuld. Wobei das genau die Frage ist, was ist dieses oder jenes, oder besser gefragt, was können wir ausser reden noch tun? Im Moment machen wir nur Schadensbegrenzung......
LG Ellie
 
Eure PDL kennt die ganze Geschichte ebenso, nehme ich an?!

Informiert den behandelnden Arzt und dokumentiert dies ebenso.
Dann seid ihr raus!

Wenn es damit irgendwann einem akut gefährlich durch den Pat wird, müsstet ihr wieder intervenieren. Bis dato habt ihr sonst alles gemacht was ihr könnt...
 
Wunddokumentation:
Wundbeschreibung, Maßnahmen, Verlauf.... - abgehakt
Fotos. Habt ihr Fotos gemacht?

1 Idee: Eine Serie von Fotos machen, die dem Hausarzt zeigen.

Frage für mich: Muss ich das Einverständnis des Patienten haben für die Fotos,
oder kann ich argumentieren: Wir, der PD, müssen die Fotodokumentation machen.
Ist das Standard im ambulanten Bereich? Weiß ich nicht.
Auch die Verlaufsdoku - damit ließe sich ja belegen, dass die vom Arzt verordneten Maßnahmen keine Verbesserung gebracht haben, bzw. die vom Pat. nicht gewünschten/ nicht umgesetzten aussehen.
Bilder - auch gut geeignet wenn es um einen Vergleich geht, im Verlauf.

In der Klinik hat jede Station eine Digitalkamera und hat damit entsprechende Wunden zu dokumentieren, ist Standard.
Durchaus, zu Beginn, den Verband ebenfalls. Nicht nur die Wunde.

Kommt der Arzt nicht zum Patienten, gelangen die Fotos vom Wundzustand zum Arzt, andersrum.


Ich, Hr. x betreut durch Euch vom PD y
habe das Recht eine Behandlung zu verweigern,
habe das Recht mein Bein, mein Leben zu verlieren.
Bis zu dem Zeitpunkt, wo ich nicht mehr entscheidungsfähig bin und ein Gericht dies ebenso sieht
und einen Betreuer bestimmt, der dann zu entscheiden hat.


Ihr PD y habt den Auftrag
die verordnete Versorgung zu ermöglichen
Hr. x zu beraten, ihn auf die Konsequenz der Nichtbehandlung hinzuweisen.
Ihm zu raten, dieses, jenes zu tun, damit seine Wunden bestmöglich heilen können,
bzw. nicht zu tun was abträglich ist.
Den Arzt entsprechend zu informieren.
Alles entsprechend zu dokumentieren.
 
wie genau schafft es der arzt, eine bestimmte wundversorgung zu verordnen, wenn er die wunde noch nie gesehen hat?

weiß der arzt denn, dass VW's da nicht stattfinden? und wenn ja: was sagt er dazu?
 
Ihm würde ich eine Mitteilung zum Zustand der Wunde, sowie des Zeh (Panaritium), zukommen lassen.
Wenn telefonisch – dann Dokumentation von Datum und Uhrzeit, wenn Fax – dann Faxnachweis.
Beratungen an den Patienten, würde ich mir von ihm gegenzeichnen lassen (also vom Patienten
Bei Zweifel würde ich den sozialpsychiatrischen Dienst informieren
:up: Prima! Genaus würde ich auch handeln.
 
Ich hoffe, daß Ihr den Rat mit dem "unsanften Griff" nicht annehmt. Wir leben nämlich hier in einem Rechtsstaat und es gibt Grundrechte. Jeder hat das Recht auf die Unversehrtheit seines Körpers, Das heißt, er kann, wenn er bei geistiger Gesundheit ist, damit machen, was er will! ...

Jupp. War auch Erzählerchen aus der "guten alten Zeit", wo man noch wusste, dass der Pat. infolge eines hohen Alkoholspiegels net in der Lage ist Schmerz adäquat zu spüren.

Ich bin trotzdem net verpflichtet, eine Wundversorgung zu machen, die net angesetzt ist wie hier bei dem Panaritium.

Wenn der Arzt nur zu Ferndiagnosen fähig ist, sollte man mal bei der zusändigen KV nachfragen, ob das auch so abgerechnet wird. Die entsprechende Landesärztekammer kann sicher Auskunft darüber erteilen, wie man sich so ein Wunder erklären kann.

Elisabeth
 
Hausarzt und Patient, dass ist eine eigene Geschichte.
Leider kenne ich den HA nicht, hat seine Praxis in einem anderen Ort, da wo der Pat. früher mal gewohnt hat, deshalb wohl auch keine Hausbesuche, weil zu weit weg.
Klar machen wir eine Wunddoku und mindestens alle 14 Tage Fotos. Diese gehen auch zum Hausarzt. Die eigentliche Wundversorgung ist zwar nicht optimal, aber unter den gegebenen Umständen ok., eben weil keine Mitarbeit vom Patienten. Sorgen macht uns halt das neu aufgetretene und stark entzündete Panaritium. Der HA weiss darüber Bescheid, ist aber der Meinung, jeder Jeck ist seines Glückes Schmied. Also, wenn er net will, dann will er net.
Euch allen vielen Dank für euere Mühe bisher mir zu helfen. Es waren viele Denksanstöße dabei.
Ich wünsche euch allen eine ruhige Arbeitswoche und freue mich auf weiteren Gedankenaustausch.
Einen schönen Abend euch allen und erstmal Gute Nacht.
Ellie
 
Schönes Beispiel für ein ethisches Dilemma...Dir auch eine gute Nacht...:flowerpower:
 
Hat der Arzt nicht Recht?

Wenn Ihr die Ablehnung so dokumentiert, kann man Euch rechtlich nicht an den Karren fahren. Ein Patient hat das Recht, eine Behandlung abzulehnen, auch wenn sie ihm nützen würde. Ist sein Körper.
 
Hallöchen,

ein Wunder ist geschehen. Besagter Patient war gestern beim Chirurgen. Hat da zwar den Verband am Unterschenkel nicht abmachen lassen, und somit die Wunden nicht gezeigt, aber man kann ja nicht alles erwarten.
Der Chirurg kann oder will im Moment noch nicht tätig werden. Das fand der Patient nicht witzig und hat seinen Frust heute morgen an mir ausgelassen. Von wegen dem Geschiess um den Zeh machen und jetzt ist gar nichts von Chirurgen gemacht worden. Um den Arzt mal in Schutz zu nehmen, der wird nicht im entzündetem Gewebe schneiden.
Jetzt bin ich mal gespannt wie es weiter geht.
LG Ellie
 
@elli:
Aber er hat vor Wochen erfolgreich durchgesetzt wieder alleine für sich verantwortlich zu sein,
Dann bitte Respektieren und Akzeptieren und dem Pat. sein Recht auf Selbstbestimmung lassen und Ruhe geben, das er sich offensichtlich erkämpft hat.
Rechtlich ist damit doch alles klar.

Ich hoffe dass, wenn ich einen PD brauche, die Größe hat dies zuzulassen.

Dokumentation ist klar.

Das muss man auch mal aushalten können.

Wenn da ein PD käme, der hier meint alle möglichen Ämter einschalten zu müssen, der wäre schneller drausen als er schauen kann.

Dass er Entscheidungsfähig ist hat elli ja schon geschrieben und die Überprüfung scheint erst 2 Wochen her zu sein, dann muss auch mal gut sein.
 
Hallöchen,

ein Wunder ist geschehen. Besagter Patient war gestern beim Chirurgen. Hat da zwar den Verband am Unterschenkel nicht abmachen lassen, und somit die Wunden nicht gezeigt, aber man kann ja nicht alles erwarten.
Der Chirurg kann oder will im Moment noch nicht tätig werden. Das fand der Patient nicht witzig und hat seinen Frust heute morgen an mir ausgelassen. Von wegen dem Geschiess um den Zeh machen und jetzt ist gar nichts von Chirurgen gemacht worden. Um den Arzt mal in Schutz zu nehmen, der wird nicht im entzündetem Gewebe schneiden.
Jetzt bin ich mal gespannt wie es weiter geht.
LG Ellie

beim panaritium (und nicht nur da) ist es gängig, den eiter mittels stichinzision zu drainieren. interessanter wäre, ob er wirklich gar keine maßnahmen verordnet hat, nichtmal ne kompresse ohne alles - also wirklich gar nix. ist dem so?
 

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