Ohnmacht

Dorothee

Stammgast
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06.05.2002
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231
Hallo,

muss mir mal was von der Seele schreiben.
Die letzten 14 Tage waren für meine Intensiv nicht wirklich gut. Insgesamt hatten wir 8 Leichen - für unsere Verhältnisse verdammt viel.
In einem Fall muss ich mich fragen, ob dieser Tod zu verhindern gewesen wäre.
Das war ein Patient nach einem ziemlich grossen abdominellen Eingriff, ungefähr 5 postoperativer Tag, der sich pulmonal dramatisch verschlechterte. Das natürlich mitten in der Nacht. Bei uns ist es üblich, dass der Assistenzarzt vor einer Intubation (eine geplante) mit dem Oberarzt bespricht. Dieser OA sah weder die Notwendigkeit der Intubation und meinet auch, nicht persönlich vorbeikommen zu müssen.
Der Patient hätte beatmet werden müssen, wurde er dann auch, aber erst Stunden später nach der Morgenvisite.
Meiner Ansicht nach zu spät. Er ist pulmonal und cardial komplett eingebrochen und bot alle Anzeichen einer Sepsis, als ich die Station verliess. Am nächsten Tag habe ich erfahren, dass er noch am selben Abend verstorben ist.
Ob eine frühzeitigere Intubation etwas geändert hätte, kann ich nicht sagen, aber es nimmt mich sehr mit, dass nicht alles medizinisch mögliche für diesen Patienten getan worden ist. :cry:

An solchen Tagen kann ich meinen Beruf nicht sonderlich gut leiden und verfluche die Mediziner. :evil:
 
Guten Morgen Dorothee,
leider kommt es immer wieder mal vor, dass ärztlicherseits Spät,- oder Fehlentscheidungen getroffen werden, was zu Lasten des Pat. geht.
:twisted:
Doch sag, was kannst und willst Du tun gegen soviel Ignoranz, wenn Du schon die Ärzte auf die Problematik des Dir anvertrauten Pat. während der Nacht hingewiesen hast- und Nichts geschah von Seiten der diensthabenden Ärzte?
Es ist sehr sehr schwer damit umgehen zu müssen, noch dazu, wenn der Pat. die Fehleinschätzung der Ärzte mit dem Tod bezahlen muß.
Vielleicht hilft ein Gespräch mit dem Pflegepersonal Deiner Stat. und denm Arzt/Ärzten, die den Pat. überhaupt betreuten, was sie dazu sagen.


Tschüß

Carmen
 
Hallo Carmen,

einigen meiner Kollegen und mir hat sich die Frage gestellt, ob es sich bei diesem Fall um unterlassene Hilfeleistung handelt.
Und wir fragen uns wirklich was wir hätten tuen können, z.B. den Oberarzt selbst anrufen, ihn noch einmal auf die Situation hinweisen und das dann acuh zu dokumentieren. Oder die Notrufnummer wählen.

Das schlimmste Gefühl ist die Hilflosigkeit.
Gehe nachher zum Spätdienst und werde mal mit meinen Kollegen und Ärzten darüber reden.
 
Hallo Dorothee,

so ein Ereignis beschäftigt einen noch lange.
Deshalb kann ich gut nachvollziehen, wie Du Dich fühlst.

Um Klarheit zu schaffen, würde ich an deiner Stelle

1. mit den diensthabenden KollegINNen reden, wie sie die Sachlage einschätzen.

2. den diensthabenden Assistenzarzt um eine Stellungnahme bitten. Zum Beispiel, warum er den Patienten nicht als Notfall deklariert und intubiert hat. Immerhin müssen doch zu diesem Zeitpunkt Blut-Gas-Analysen gemacht worden sein, die die pulmonale Situation dokumentieren.

3. den zuständigen OA zu einem Gespräch mit der Gruppe bitten um zu klären, ob es vielleicht Gründe gab, nicht die " Therapie " entsprechend auszuweiten. Ich meine damit z.B. die Histologie, Grunderkrankungen, Abklärung mit den Chirurgen etc.

Wenn bei uns die Therapie nicht ausgeweitet wird, dann liegen trifftige Gründe vor und es geschieht immer mit Absprache der beteiligten Fachrichtungen. So ist es dann leichter erkennbar, warum etwas nicht gemacht wurde.

Sollte es überhaupt nicht klärbar sein oder z.B. der zuständige OA nur keine Lust hatte aufzustehen, ist natürlich ein Schritt zu überlegen, der gut überlegt werden muss.

Ich meine damit die Information der Geschäftsführung und des Chefarztes im schlimmsten Fall die ( wenn es sein muss anonyme) Anzeige des verantwortlichen Arztes.

Hoffentlich kann Du es klären.
 
Hallo Dorothee,

gibt es Neuigkeiten zu dem Fall oder ist es wieder so, dass durch die Wand des Schweigens eine Resignation auftritt, die dann zum wieder einmal akzeptieren führt ?

So schätze ich Dich aber nicht ein.

Liebe Grüße aus Kassel