Gewalt und Erniedrigung in der Notaufnahme

dorfnase

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Abmahnung öffentlicher Dienst- in meinem Dienst kam ein schwer alkoholisierter und aggressiver Pat mit dem Rettungsdienst in die Notaufnahme-er schlug um sich und spuckte mir ins Gesicht (Hepatitis C Patient) - in einer Reflexreaktion spuckte ich zurück, was natürlich nicht passieren hätte dürfen und auch keine Entschuldigung sein darf-meine Frage: Muss sich das Pflegepersonal wirklich ALLES gefallen lassen? Insbesondere ist dies wichtig für mich, da nun eine Abmahnung im Raum steht, die ich natürlich akzeptiere-aber ich stelle diese Frage einfach mal grundsätzlich, weil die Gewalt gegen das Pflegepersonal stetig zunimmt!
 
Hallo, ich vermute mal, dass du wohl relativ neu in der NA bist. Solche Situationen wirst du wohl noch öfters erleben, deine Reaktion ist menschlich verständlich, aber höchst unprofessionell. Du brauchst Unterstützung und Hilfe im Umgang mit aggressiven Patienten, eine Supervision wäre nicht schlecht.
Hilfe zu fordern ist nicht einfach, aber besser, als hilflos dann überzureagieren. Erkläre deinen Vorgesetzten, warum du so reagiert hast.
Angst, Hilflosigkeit, Überfordert mit der Situation..im Team darüber reden.. wie reagieren die Kollegen in solch einer Lage..
 
Auf unserer Station hatten wir auch mal eine ähnliche Situation, Patient wurde wild und hat mit dem Monitor nach dem Personal geworfen und eine Glasscheibe eingeworfen. Der Diensthabende unfallchirurg hat da nicht lange gefackelt, gab ihm eine auf die 12 und dann war Schicht im Schacht. Konsequenzen gab es nur für den Patienten. Auch im Rettungsdienst erlebt man ständig Pöbeleien usw.warum dann nicht einfach mal respekt einfordern mit adäquaten Mitteln. Meiner Meinung nach lassen wir uns viel zu oft von Patienten oder Angehörigen auf der Nase rumtanzen. Aber das ist nur meine Meinung. Ich habe da meinen Weg gefunden und habe auch volle Deckung vom Team bzw. Vorgesetzten.
 
Gab es nur die Abmahnung? Was will der AG unternehmen, um seine MA zu schützen? Wenn nix- dann zählt zukünftig: erst das eigene Leben schützen. Und das bedeutet, dass man diesen "Wilden" freie Bahn gewährt- analog zu dem, was Bankangestellte lernen, wenn es um einen Überfall geht. Und dies würde ich schriftlich einfordern.

Elisabeth
 
In erste Linie ist es Aufgabe des Arbeitgebers dies zu schulen und Strategien zu vermitteln, wie man in der Notaufnahme oder sonstwo mit sowas umgeht.

Eine Abmahnung ist in meinen Augen (!) nicht der richtige Weg, sondern die Reflexion, wie es dazu kommen konnte.

Ist der Mitarbeiter nicht geschult?
Kann er eine solche Belastung nicht aushalten?
Hat ervielleicht auch schon den 12. Tag Dienst und trölfhundert Überstunden (Überlastung)?
Wie ist die Notausfnahme strukturiert, damit bei solchen Patienten Hilfe da ist und mann ggf. zu zweit sicherer agieren kann?

Usw.. usf.

Eine Abmahnung signalisiert nur: Das geht gar nicht und wenn du das wieder machst, dann hat das Konsequenzen! Könnte ich akzeptieren, wenn alle Verbesserungsmaßnahmen ausgeschöpft sind und der MItarbeiter aus Resistenz sowas macht. Ist es aber Hilflosigkeit, Überforderung und Unwissen, dann ist Schulung gefragt und keine Strafe.

Manch einer ist auch nicht geeignet für die Notaufnahme, auch das kann eine Erkenntnis sein. Man hat dort ja öfter mit solch einem Klientel zu tun.
 
Eigenschutz, Verteidigung oder auch "eins auf die 12 geben" ist ja eine gänzlich andere Reaktion. Je nachdem dient es halt der Deeskalierung oder dem Eigen- und oder Fremdschutz.
Das muss sein, ist OK.

Aber den Patienten anszuspucken hat mit alldem nichts zu tun und rechtfertigt meiner Meinung nach auch eine Abmahnung.

Aber das siehst du ja auch ein.


Ich würde auch für ein Deeskalationstraining plädieren.


Zur Frage: Man muss sich nicht alles gefallen lassen, aber der Patient kann nun in dem Moment wenig dafür und Reaktionen sollten(!) wohlüberlegt sein.
 
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Die Devise lautet in der Pflege viel zu selten: Eigenschutz geht vor. Warum eigentlich?

Und ob dein Zuschlagen nun als bessere Reaktion zu werten ist als das zurück spucken darf bezweifelt werden. Beides zeigt die Hilflosigkeit von Pflegekräften. Und da ändert auch ein Deeskaltionstraining nix. Diese Pat.-klientel ist nun mal unberechenbar. Und das Team für die Gewaltanwendung, um einen Pat. zur Raison zu bringen,, musst bekanntlich erst anfordern. Das braucht, bis die da sind. Aber selbst die setzen sich net unnötigen Gefahren aus- trotz entsprechender Ausbildung.

Elisabeth
 
@dorfnase:
Muss sich das Pflegepersonal wirklich ALLES gefallen lassen?
Das ist eine rhetorische Frage, die du dir sicher schon selbst beantwortet hast nämlich mit - NEIN.
NIEMAND muss sich ALLES gefallen, das sieht unsere Gesetzgebung auch nicht vor und hat deshalb den Notwehrparagrafen eingeführt, stellt aber ausdrücklich auf das geeignete Mittel der (Gefahren)Abwehr ab.

Ich schließe mit Maniac hier völlig an.
Eine völlig unprofessionelle nicht zu tolerierende Reaktion, die in keinster Weise irgendwas deeskaliert oder geeignet wäre für meinen Eigenschutz oder zur Verteidigung.
Hier ist eine Abmahnung völlig gerechtfertigt -
der AG sagt damit -
ich toleriere nicht, dass Pat. in meiner Einrichtung angespuckt werden vom Personal
und das ist auch Richtig so - ein no go.
Würde ich und denke auch jeder Andere von einem Dienstleister, Betrieb, Geschäft etc. erwarten.
Würde ich als Leitung auch nicht dulden, ein erhobener Zeigefinger wäre mir da zu wenig.

Adäquate Maßnahmen - ja natürlich - das braucht sich Pflegepersonal, wie auch sonst niemand ohne eine Reaktion gefallen lassen, dass ist nicht die Frage.

Jetzt sollte u.a. auch der AG wege aufzeigen, wie in solchen Situationen angemessen reagieren werden kann und welche Reaktionen ER vorschlagen würde.
Da ist aber auch das Team genauso gefragt wie
die Stations-/Notaufnahmeleitung als AGvertreter
PDL - als AGvertreter
aber mindestens genauso gefragt ist der MA, der dies einfordern muss.

Das nächste Mal knall ich dem Pat. eine?
Nicht das gleiche mit gleichem Vergelten,
adäquat reagieren.

Zuschlagen - nicht einfach so - adäquates Mittel zur Selbstverteidigung, wenn mir gar nix anderes übrig bleibt - aber wohl überlegt und nicht aus Hilflosigkeit oder Alternativlosigkeit.
 
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Niemand braucht sich alles gefallen zu lassen... wie sähe denn die professionell Reaktion hier konkret aus? Welche Alternativen hätte der TE gehabt? Der Pat. war ja offensichtlich nicht ansprechbar.

Nebenbei- gerade wieder in der Lokalpresse gelesen. Polizei musste zum Pfefferspray greifen um sich bei einer Verhaftung vor dem Angriff eines Volltrunkenen zu wehren. Warum haben die eigentlich nicht zugeschlagen? Und wieso hat der Besoffene nicht auf die deeskalierenden Maßnahmen reagiert? Oder wollen wir davon ausgehen, dass sie gar net erst gewartet haben, ob sie angegriffen werden und gleich auf Nummer sicher gegangen sind. Ich denke ja wohl mal nicht.

Elisabeth
 
Vielen Dank erstmal für die vielen Kommentare- vielleicht sollte ich noch beifügen, dass der Patient, nachdem er auf Station weiter randaliert hat, von den Hütern des Gesetzes in Handschellen begleitet mit dem Gesicht nach unten liegend auf der Sanitätsliege in die Psychiatrie verlegt wurde! Sie haben es erst gar nicht mit reden versucht-sie haben den Patienten zu dritt gepackt und für Klarheit gesorgt-das war das Deeskalationsprogramm, welches bei denen Anwendung fand!
 
wie sähe denn die professionell Reaktion hier konkret aus? Welche Alternativen hätte der TE gehabt?

Zum akuten Eigen- und Fremdschutz ist von Fixierung bis Sedierung alles zulässig!

Arzthaftung bei medikamentöser Sedierung und mechanischer Fixierung (Arzthaftung, Medizinrecht)

Auch wenn dorfnase hier mit Suggestivfragen ("Muss sich das Pflegepersonal wirklich ALLES gefallen lassen?") Zustimmung oder Verständnis für sein Handeln einfordern will: Die Reaktion war absolut ungerechtfertig und unverständlich. Zurückspucken!? Wow. Wie bist du denn drauf.

Ich hoffe stark, dass dir ähnliche Sachen nicht schon häufiger passiert sind.
 
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@dorfnase:
auch die nachgelieferte weitere Verlauf in #10 billigt oder rechtfertigt dein inadäquates Verhalten dem Pat. gegenüber in keinster Weise.
Es zeigt höchstens eine Alternative auf, nämlich den Pat. nicht anzuspucken sondern zu fixieren!
Zu diesem Mittel habe ich nicht erst einmal gegriffen.
 
Dorfnase hat hier nicht im Absolution gebeten. Ihm ist der Fehler durchaus bewusst. Er sucht nach Hilfe. Um Alternativen aufzeigen zu können, müsstest man schon ungefähr wissen, was passiert ist. In Post 10 erklärt er, dass das Deeskaltionstraining seine Grenzen hat.

Aber es ist doch immer wieder schön zu lesen, dass es so viele Kollegen gibt, die absolut unfehlbar sind und in jeder Situation professionell reagieren.

Was hab ich bisher gelernt. Das zurück spucken nicht geht, stellte selbst der TE schon fest. Zuschlagen ist i.O. . Na gut- nicht immer. Aber zur Selbstverteidigung. Wann ist die Situation eigentlich gegeben? Dann, wenn ich den Pat. nicht mehr fixieren konnte? Oder wenn er ein Messer zieht? Dann solltest aber net mehr so nahe ran kommen.

Kann man noch mehr lernen? Ich hoffe doch mal- denn die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Elisabeth
 
Ich will wahrlich keine Absolution für mein Verhalten-ich handelte im Affekt, weil ich einfach schockiert war-warum sollte ich denn irgendwas erfinden, was mein Verhalten rechtfertigen sollte? Ich wollte eigentlich hier in diesem Forum nur Erfahrungen anderer Betroffenen sammeln-weil ich finde, dass die Gewalt in den letzten Jahren wirklich zugenommen hat....
 
@dorfnase
ich kann deine Reaktion schon verstehen. Ich bin auch schon mal angespuckt, angegossen und angeschrien worden etc. Aber in Psychiatrie ist man ja auf alle mögliche Reaktionen, deswegen hab ich bisher immer geschafft auszuweichen wenn es um Flüssigkeiten geht :p
Aber ich sag den Pat trotzdem, die sollen es lassen. Oft kommt es nicht an.
Aber in Somatik ist man gar nicht so mental drauf eingestellt, deswegen verstehe deinen Schock und auch die Reaktion. Eine Abmahnung deswegen finde total ungerechtfertig.
Auf dein Frage zu antworten, nein man muss nicht alles gefallen lassen, auch wenn unser Kientel in Ausnahmezustand befindet, muss Mindestmas an REspekt da sein.

@ED:
Einer der GRunde warum in der Pflege wohl Eingenschutz nicht vorgeht, is wohl einfach Unwissenheit und Angst, ich sehe an meine Psychiatrie unerfahrenen Kollegen, die glauben die müssen einen radalierenden Pat irgendwie versuchen zurück zu halten oder sie dürfen die Tür nicht aufmachen wenn ein aggressiver Pat rausdrängt. Ich habe keinen Problem die Tür aufzumachen, ich lasse mich oder Mitpat doch nicht zum Schaden komme. In Notwehr kann man auch zurückschalgen. Musste ich zum Glück bisher nie.
 
Nehmen wir mal an, dass es sich um die Situation "Gefahr für Leib und Leben" handelt. Zuschlagen ist sicher eine nette Idee- nur: damit kommst unweigerlich in die Reichweite des Gegners. Welcher Angreifer wird abwarten bis du den richtigen Schlag gesetzt hast.

Die Idee mit dem Zurückschlagen mag eine nette Idee sein. Ich halte sie in der Enge eines Notfallraumes für sehr schwierig durchführbar- um nicht zu sagen gefährlich. Da bin ich schon eher der meinung: Tür auf, raus und sich in Sicherheit bringen.

Andere Pat. schützen wollen- dann bist wieder an der "Front". Und dann?

Elisabeth
 
Akute und potentielle Bedrohung des Pflegepersonal ist beileibe kein
neues Problem.
Eine auffällige Zunahme sehe ich nicht - es wird nur endlich thematisiert.

3 Beispiele aus der ambulanten :
- 2 Brüder prügeln sich am Krankenbett der Mutter, wer das Haus bekommt.
- Ein durchgedrehter Yorkshire mit Plegie rechts hinten.
- Die Walther P8 liegt offen im Wohnzimmer herum.

Also ist ein "Patentrezept" - wie die Pflegekraft zu reagieren hat - eine echte
Marktlücke.

Wenn mich meine Oberen anmuffeln, ich hätte nicht allzu angemessen
reagiert, sage ich doch lieber "Ja Massa, Danke Massa" und stelle mir vor, wie
die das gemanaget hätten.

Frieda
 
Ich denke auch das dass Gewaltpotenzial deutlich zugenommen hat. Zu den angesprochenen Thema der Polizei, denke ich dass einige Beamte zu "weich" sind. Gerade junge Kollegen. Letztens hatten wir einen Patienten der im rtw randaliert hat. Was taten die Beamten? Erstmal reden und "deeskalierend" wirken. Zum Glück kamen dann zwei erfahrene Polizisten die dann kurzen Prozess machten. Ich bin der Meinung das gerade die Polizei härter durchgreifen sollte um sich Respekt zu verschaffen. Gerade in Notaufnahmen ist am Wochenende die Hölle los und da fällt es nicht immer leicht professionell zu handeln.
 
Mal kurz nachgegrübelt :

In der Radiologie sind Bleischürzen Standard.
Sind in der Notaufnahme Kevlarwesten nicht genauso sinnvoll ?
 
Das vielleicht schon, aber für den AG zu teuer. Und ich glaube kaum dass sich damit die Kollegen in der na damit anfreunden würden. Aber prinzipiell keine schlechte Idee.
 

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