Ein wenig Fachinformation gefällig ?
Cholinesterasehemmer (Pyridostigmin)
4. Cholinesterasehemmer
4.1. Physostigmin - ZAS
Der zentral wirkende Cholinesterasehemmer Physostigmin ist eng mit dem Begriff und der Therapie des "Zentralen Anticholinergen Syndroms" verknüpft. Es handelt sich dabei um ein komplexes Zustandsbild mit zentraler und peripherer anticholinerger Symptomatik. Eine Blockade zentraler Acetylcholinrezeptoren führt hinsichtlich der zentralen Symptomatik zu folgenden Symptomen: Unruhe, Agitiertheit, motorische Inkoordination, Desorientiertheit, Halluzinationen, Angstzustände, emotionelle Labilität, Somnolenz, Delir, Koma, Hyperpyrexie, Amnesie. Die periphere Symptomatik entspricht der klassischen anticholinergen Blockade. Klinischen Zeichen sind also Gesichtsrötung, trockene Haut, Tachkardie etc.
Die Diagnose ZAS ist allerdings nicht immer unumstritten. Es ist sicher nur eine Ausschlußdiagnose und wird letztendlich durch die Wirkung von Physostigmin ex juvantibus nachgewiesen und gleichtzeitig therapiert.
ZAS-auslösende Medikamente in der Anästhesie:
- Atropin und Scopolamin
- Benzodiazepine (Diazepam, Flunitrazepam, Midazolam)
- Butyrophenone (Haloperidol, DHBP)
- Phenothiazine (Promethazin, Triflupromazin)
- Inhalationsanäthetika (Enfluran, Halothan, Lachgas)
- Lokalanästhetika (Lidocain)
- H1/H2-Blocker (Diphenhydramin, Cimetidin)
- Opiate (Morphin, Fentanyl, Buprenorphin)
- Ketamin
- Propofol
Diese Liste gibt eine Übersicht über die im Anästhesiebereich applizierten Medikamente, die mit der Auslösung eines ZAS in Zusammenhang gebracht werden. Der Großteil der üblichen anästhesiologischen Medikamente ist betroffen. Die Angaben über die Häufigkeit des Auftretens eines zentralanticholinergen Syndroms schwanken erheblich und liegen zwischen 1 - 40 %.
Bei Physostigmin handelt es sich um ein tertiäres Amin, das die ZNS-Schranke überwinden kann und dort zu einer zentralen muscarinischen Stimulation führt. Während agitierte Formen des ZAS umgehend mit Physostigmin behandelt werden sollten, wird bei komatösen Formen zunächst eine abwartende Haltung empfohlen. Vor Einleitung der Therapie mit Physostigmin wird das Vorliegen mindestens eines zentralen Symptoms in Kombination mit 2 peripheren Symptomen verlangt. Insbesondere komatösen Formen zeigen wohl auch ohne Therapie gute Rückbildungstendenzen. Aber bei der agitierten Form kann der Patient und das Operationsergebnis akut durch das ZAS gefährdet sein, sodaß Physostigmin rasch verfügbar sein sollte.
Physostigmin wird in einer Dosierung von 0.03 - 0.04 mg / kg KG i.v. appliziert. Die Injektionsgeschwindigkeit sollte 1 mg / min nicht übersteigen, initial sollten max. 2 mg appliziert werden. Bei normaler Zirkulation ist die klinische Wirkung nach 3 - 5 min zu erwarten. Die Wirkzeit ist mit 30 - 60 min sehr kurz. Auch hier gilt: Nach erfolgreicher Therapie ist eine weitere Überwachung notwendig, da erneut Symptome des ZAS auftreten können.
4.2. Cholinesterasehemmer - Nebenwirkungen / Kontraindikationen
Nebenwirkungen (zu rasche Applikation!)
Überschießende Sekretion von Schleim, Schweiß und Speichel
Bradykardie / Arrhythmie (SA- / AV-Überleitung)
Bronchokonstriktion
Pupillokonstriktion
Übelkeit, Harn- und Stuhlinkontinenz
Interaktionen mit der neuromuskulären Erregungsübertragung
zentrale Atemlähmung (*)
zerebraler Krampfanfall (*)
Kontraindikationen
Bradykardie (AV-Block, beta-Blocker, Digitalis)
Obstruktive Lungenerkrankungen / Asthma bronchiale
Glaukom
KHK
mechanische Obstruktionen des Urogenital- oder Verdauungstraktes
abdominellen Anastomosen (gleichzeitige Sympatholyse durch PDA) ?
Hypoxie und Hyperkarbie
Myotonie und progressive Muskeldystrophie
Querschnittslähmung
Verbrennungspatienten
geschlossenes SHT (*)
Diese Übersicht der Nebenwirkungen und Kontraindikationen leitet von Physostigmin zu den rein peripher wirkenden Cholinesterasehemmern über. Die mit einem (*) versehenen Unterpunkte treffen nur für den zentral wirksamen Cholinesterasehemmer Physostigmin zund
4.3. Peripher wirkende Cholinesterasehemmer - Muskelrelaxansantagonismus
Bezüglich der Gabe von Cholinesterasehemmern zur Muskelrelaxansantagonisierung gibt es in der Literatur einige Empfehlungen, die sich nicht mit der bei uns üblichen Praxis decken. Die Relevanz dieser Empfehlungen ist ohne eigene praktische Erfahrungen nicht sicher einzuschätzen.
Hier dargestellt sind die Angaben zu den drei gebräuchlichsten peripher wirkenden Cholinesterasehemmern: Neostigmin, Edrophonium, sowie in der Mitte das bei uns im Haus benutzte Pyridostigmin.
Aus diesen Angaben sind einige Punkte besonders hervorzuheben. Die hier aufgeführten Maximaldosen sind der englischsprachigen Literatur entnommen und liegen zum Teil erheblich über dem, was bei uns empfohlen wird. Die Wirkeintrittszeit ist bei Edrophonium am kürzesten, bei Pyridostigmin am längsten. Bezüglich der Wirkdauer hat Pyridostigmin mit 90 min leichte Vorteile. Die relative antagonistische Potenz wird für Neostigmin am größten, für Edrophonium am geringsten angegeben. Dieses Potenzverhältnis spiegelt sich auch im Schweregrad der muscarinischen Nebenwirkungen wieder. Die Empfehlungen bezüglich des zu kombinierenden Anticholinergikums sind durch pharmakokinetischen Überlegungen begründet. Atropin mit einer Wirkeintrittszeit von ungefähr 1 min wird für die Kombination mit Edrophonium empfohlen. Glycopyrrolat mit einem Wirkeintritt nach circa 3 min soll in Kombination mit beiden anderen Cholinesterasehemmern gegeben werden.
Besondere Vorteile der einzelnen Substanzen: Neostigmin verfügt über die stärkste antagonistischen Potenz. Pyridostigmin zeichnet sich durch eine große therapeutische Breite aus, hat geringere muscarinische Nebenwirkungen im Vergleich zu Neostigmin und eine längere Wirkdauer. Die geringsten Nebenwirkungen und die schnelleste Wirkeintrittszeit würden für Edrophonium sprechen.
Bei der Praxis der Antagonisierung eines Nichtdepolarisationsblock stehen drei Fragen im Vordergrund: Welcher Cholinesterasehemmer sollte appliziert werden, welches Anticholinergikum und jeweils in welcher Dosierung.
schon mal bei www.google.de geschaut ???