Controlling in klein- und mittelständischen Gesundheitsbetrieben

kunstgriff

Newbie
Registriert
23.01.2008
Beiträge
5
Ort
Hamburg
Beruf
Examinierter krankenpfleger, Dozent, Lehramtsstudent
Akt. Einsatzbereich
zeitweise ambulante Pflege
Nach über 20 Jahren in der aktiven Pflege (OP, Anästhesie, Intensiv, ambulant, stationär) habe ich einen Schnitt gemacht und beschäftige mich nun neben meiner Dozententätigkeit in einer Berufsschule für Pflegekräfte mit dem kaufmännischen Controlling im Gesundheitswesen. Für meine Recherche bin ich an Eurer Meinung interessiert.

Zeitnahes Patientencontrolling fehlt offenbar in vielen Betrieben, die Zahlen, die aus der Buchhaltung kommen, sind veraltet. Ich habe oft erlebt, dass die Geschäftsleitung im Dezember die Auswertung der Geschäftszahlen bis August präsentiert hat -- da könnte es bereits zu spät sein, geeignete Maßnahmen gegen einen negativen Jahresabschluss zu ergreifen. Außerdem ist mir aufgefallen, dass Pflegekräfte in der Regel keinen Einblick in ihre eigenen Daten haben und nicht sehen können, was sie zum Unternehmen und den einzelnen Projekten beitragen. Letztlich aber kann nur ein finanziell gut aufgestelltes Unternehmen seine Mitarbeiter bezahlen. Mitarbeiter, die sehen können, wie erfolgreich sie ihre Arbeitszeit nutzen und welche Erträge ihre Arbeit abwirft, haben so eine zusätzliche Motivation.

Ich interessiere mich dabei speziell für Erfahrungen in klein- und mittelständischen Betrieben.

Gibt es bei Euch ein tagesaktuelles Controlling? Könnt Ihr sehen, wie effektiv Ihr Eure Arbeitszeit nutzt? Und falls ja: Welche Lösungen, möglicherweise sogar über mobile Erfassungsgeräte und in der Cloud, setzt Ihr ein? Ich bedanke mich schon mal im Voraus für Eure Antworten!
 
Hallo,

also ich bin in einer Universitätsmedizin angesiedelt, ich muss sagen, das die Pflegekräfte sich nicht dafür interessieren, wie effektiv sie ihre Arbeitszeit nutzen. Im BWL-Sinne positives wirtschaftliches arbeiten, vermisse ich komplett, da werden Systeme zur Atemgasklimatiersierung im Wert von 200 € auf und zusammengebaut und einen Tag später entsorgt.Desweiteren haben wir meistens die Patienten die als austherapiert gelten. Von anderen Kollegen weis ich, das in anderen Häusern der Pat viel schneller verlegt wird als bei uns.
LG Martin
 
Hallo,

ich muss sagen, das die Pflegekräfte sich nicht dafür interessieren, wie effektiv sie ihre Arbeitszeit nutzen. Im BWL-Sinne positives wirtschaftliches arbeiten, vermisse ich komplett

Genau dort aber liegt der Hase im Pfeffer! Ich war sehr lange im UKE in Hamburg als OP-Pfleger tätig. Anfänglich konnten wir quasi tun und lassen, was wir für richtig erachteten. Später wurde uns sogar vorgerechnet, was Kleinvieh wie Pflasterrollen kosten und wie deren sinnvoller Einsatz beim ökonomisch sinnvollen Handeln beiträgt. (Von der Ökologie mal ganz zu schweigen.)

Dabei ist die Transparenz in solchen Bereichen m.E. unabdingbar! Und letztlich auch die Einsicht, was jeder Einzelne zum Gesamtbetriebsergebnis beiträgt. Effektive Nutzung der Arbeitszeit dient ja nicht nur dem Unternehmen, sondern sichert letztlich auch Arbeitsplätze. Nur wer -- wie du es genannt hast -- "im BWL-Sinne positiv" agiert, kann rote Zahlen vermeiden. Wenn der überwiegende Teil der Pflegekräfte negative Zahlen erwirtschaftet, stimmt am Ende das Ergebnis nicht mehr, aber bezahlt werden möchte man trotzdem.
 
Dazu muss erstmal Transparenz darüber herrschen, was wieviel kostet. Das ist oft nicht bekannt, und nicht immer zu erfragen.

Ich hab mal bei uns im Einkauf gefragt, warum wir bestimmte Produkte nicht hätten. Antwort: "Die sind zu teuer." Ich: "Wieviel kosten sie denn?" "Keine Ahnung." "Wieviel teurer sind sie denn als die Alternative, die wir jetzt benutzen? 10, 20, 50%?". "Keine Ahnung. Aber sie sind zu teuer."

Wenn nicht mal die wirklich einfach zu ermittelnden Sachkosten transparent gemacht werden - wie bitte soll ich dann beurteilen können, welches Produkt oder welche Methode die wirtschaftlichere ist?
 
Die Kosten sind prinzipiell einfach zu ermitteln. Apo und Einkauf sind da gute Adressen. Man muss es nur wollen. In Eppendorf hat man uns eine Liste zur Verfügung gestellt, die genau diese Kosten bis hinab zum unsterilen Handschuh und der Pflasterrolle transparent gemacht hat.

Bei der Arbeitszeit gibt es, abgesehen von den Materialkosten, einen recht einfachen Weg, die Effektivität des einzelnen Mitarbeiters zu sehen: Welche Kosten werden erstattet, welche Zeiten sind also abrechnungsfähig, und für was legt der Betrieb drauf? Patientencontrolling ist einfache Arithmetik, die Anwendung von Grundrechenarten reicht dazu aus. Was bekomme ich an Geldern, was muss ich invenstieren, was kosten meine Mitarbeiter?

Natürlich hat diese Lösung gewisse Grenzen. Ein komplettes Krankenhaus der Maximalversorgung in der Größe des UKE auf diese Weise zu erfassen übersteigt den Rahmen der tagesaktuellen Erfassung in der Cloud, aber für kleine und mittelständische Betriebe ist das durchaus machbar. Der Vorteil liegt auf der Hand: Sehe ich den Einzelfall, also den Patient/Klient/Bewohner, als ein Projekt an, so kann ich die Versorgungs- und Wegezeiten für jeden Mitarbeiter erfassen, und alle mit diesem Projekt assozierten Kosten (wie Lohnkosten pro Stunde) und Erträge ebenfalls. Und so genau sehen, wo sich der Einsatz finanziell lohnt und wo nicht. Ich habe oft von der PDL in meinem ambulanten Pflegedienst gehört: "Ich glaube, bei diesem Kunden zahlen wir drauf." Was auch kein Beinbruch ist, solange ich dass nicht überwiegend tun muss, denn dann habe ich mehr Kosten als Einnahmen und kann irgendwann die Pforten dicht machen.
Je aktueller diese Daten sind, umso eher kann ich gegensteuern, wenn irgendwo der Schuh drückt. Werden also alle Daten zeitnah erfasst und dem Projekt zugeordnet, kann ich lange vor der Buchhaltung sehen, wohin mein Schiff steuert. Nach Auswertung durch die Buchhaltung, die erfahrungsgemäß einige Wochen erfordert, kann es bereits zu spät sein.
 
Servus!:flowerpower:

Wir sind ein kleines Fachkrankenhaus und stehen Dank Controlling und Transparenz wirtschaftlich wieder gut da.:flowerpower:
Zuerst war es natürlich schwer, als es hieß, die und das ist zu teuer.:x
Aber es wurden ja nicht schlechtere, sondern günstigere Produkte angeschafft. Außerdem wurden mit Firmen Preise "ausgehandelt".
Wir gehören keiner Einkaufsgenossenschaft an und sind stolz darauf.
Bei uns kann jeder Preis bei jedem Produkt im PC nachgeschaut werden.
Für die MA´s und auch die Ärzte hat es dazu geführt, darüber nachzudenken, ob ich oder sie dieses oder jenes jetzt wirklich noch brauchen, oder ob es auch ohne geht.
Es wird auch bewusster mit Ressourcen umgegangen.
Nicht nur Materiell, sondern auch Personell!!:up:
Lagerhaltung und -verwaltung macht nicht mehr die OP-Leitung, sondern ein Lagerist, weil die Op-Ltg. zu teuer dafür ist!!:deal:
Personal wurde auch nicht abgebaut, Dank der guten Arbeit und der engen Zusammenarbeit unseres Controllers mit den einzelnen Abteilungen.:flowerpower:

LG OPjutti