Ja, die andere Seite kenn ich natürlich auch. Patienten, die ein halbes jahr im Krankenhaus liegen, 5 Monate davon auf Intensiv und dann aussehen wie Frankensteins Monster. Aber dass ist die Minderheit. Auch wenn die in manchen Monaten prozentual höher liegt, als man es war haben möchte.
Ich möchte aber hier jetzt keine Statistiken diskutieren, wenn es geht.
Ich persönlich kenne keinen Patienten, der zur Explantation anstand und 5 Monate auf einer Intensivstation verbracht hat. Zumal ich auch bezweifle, daß die Funktionsreserve der Organe noch so optimal ist, daß sie für einen Empfänger geeignet wären bzw. diesen nicht gefährden würden.
Im übrigen sehen Schädel-Hirn-Patienten, die zur Explantation anstehen meist aus wie "Frankensteins Monster". Glaube das bringt ihre Grunderkrankung mit sich.
Dabei vermute ich aber, dass die Rolle, welches das explantierende Personal spielt, nicht näher reflektiert wurde. Wie ist die Betreuung solcher Pflegekräfte und Ärzte, die unmittelbar "einen Menschen sterben". Können sich diese Menschen vom Gedanken der Euthanasie frei machen?
Ich denke, dass dieser Grund auch eine entscheidende rolle spielt. Sind diese Hintergründe im Rahmen deiner Facharbeit mal untersucht worden? (In welchem Rahmen ist deine FA entsanden?)
Der komplette Titel der Facharbeit ist "Organspende und Transplantation - Eine psychische Grenzsituation aller Beteiligten". Um dem Titel der Arbeit auch gerecht zu werden, habe ich mich natürlich auch sehr genau dem zu betreuenden Personal gewidmet.
Allerdings muß ich dir in einem Punkt recht geben. Der Gedanke der Euthanasie überkommt jeden der Beteiligten, sein es Ärzte oder Pflegende. Theoretisch müßte man keine Allgemeinanästhesie bei den Organspendern durchführen, weil die kognitiven Fähigkeiten wie Schmerzempfindung und Bewußtsein sowieso mit dem Ausfall des Gehirns nicht mher vorhanden sind.
Allerdings ist die Praxis so, daß fast alle Anästhesisten, die an einer Explantation beteiligt sind eine Allgemeinnarkose durchführen. Die Aussagen gehen von "Ich kann mich mit dem Gedanken, daß er wirklich nichts mehr merkt, nicht anfreunden." bis hin zu "Es ist eine OP, da wird eine Narkose gemacht.". Nur sehr wenige, vor allem ältere, Anästhesisten verzichten auf eine Allgemeinnarkose und vertrauen auf die Aussagekraft der Hirntoddiagnostik.
Der Grund, weshalb viele Pflegende und auch Ärzte keinen Organspendeausweis haben ist mitunter die Skepsis gegenüber der Hirntoddiagnostik und die Art wie die Organe entnommen werden. Auf die Frage ob die Organentnahmen in dieser Form ethisch vertretbar waren und die Würde des Patienten beachtet worden ist, habe ich meist die Antwort "Nein" erhalten.
Kurz zur psychischen Betreuung. Das Transplantationsteam, daß vom regionalen Transplantationszentrum gestellt wird hat die Möglichkeit einen Psychologen in Anspruch zu nehmen. Das Pflegepersonal, das bei der Explantation beteiligt ist wird vom behandelnden Krankenhaus gestellt und hat nur begrenzt die Möglichkeit zur psychischen Betreuung. Die DSO ist mittlerweile dazu übergegangen mit dem TransPlantTeam einen Psychologen mitzuschicken. Nicht nur für die Angehörigen, sondern auch für das Team. Allerdings...wenn die Organentnahme vorbei ist, dann ist er auch wieder weg und man wird mir seinen Problemen "allein gelassen". Ich sehe eine Pflicht der DSO und der Transplantationszentren, daß jegliche Art von Beteiligten die Möglichkeit erhält sich psychologisch betreuen zu lassen.
Denn eine Organentnahme ist eine der extremsten Belastungssituationen im Leben eines Pflegenden.
Die Facharbeit würde im Rahmen der Fachweiterbildung für Anästhesie und Intensivpflege erstellt.
Für die Verbesserung der Organspendeausweisträgerzahlen frag ich dich, wo willst du ansetzen, um diese Zahlen zu verbessern?
Die Zahl der Organspendeausweisträgern wird man nicht wesentlich erhöhen können. Das ist auch meines Erachtens nach nicht unbedingt notwendig.
Der Kern des Anstoßes ist ja die Regelung der Zustimmung zur Organentnahme an sich. Warum nicht so machen wie die Schweden oder die Liechtensteiner? Sie haben die Informationslösung. Hier wird jeder hirntote Patient als Organspender angesehen, allerdings MÜSSEN die Angehörigen informiert werden, die widerrum Einspruch einlegen können.
Der Unterschied zu Deutschland ist, daß die Angehörigen nicht eine Entscheidung im Sinne des Patienten treffen müssen, sondern lediglich aus ihrer eigenen Überzeugung heraus.
Das dumme an der deutschen Lösung ist ja folgendes. Die Angehörigen müssen bei fehlendem Organspendeausweis, laut §4 Transplantationsgesetz, im Sinne des Patienten handeln. Ja was iss denn im Sinne des Patienten, wenn man nie über so eine Extremsituation geredet hat. Man geht ja nicht davon aus, daß man irgendwann mal potentieller Organspender werden könnte. WIR denken so darüber, weil WIR die Situationen kennen. Aber der Metzger um die Ecke oder der Bürokaufmann wird sich sicherlich nicht mit seiner Familie zuhause hinsetzen und über den Fall einer Organspende reden. Wenn das so wäre, dann würde ich mir über die beiden echte Gedanken machen.
Eine weitere FORSA-Studie besagt nämlich, daß eine Vielzahl der Organspendeausweisträgern sich im Laufe ihres Lebens immer mal wieder für und immer mal wieder gegen die Organspende entscheiden. Je nachdem wie gerade Werbung gemacht wird oder welche Skandale gerade aufgedeckt werden oder welche persönlichen Erfahrungen gerade gemacht worden sind.
Bei all der Diskussion über Organentnahme sollte man eins nicht vergessen. Die Angehörigen. Es ist schon eine maximale Belastung, wenn ein Familienmitglied stirbt und man sich auch noch mit einer Organentnahme befassen muß. Denn eins ist in der Situation der Organspende nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich...eine Sterbebegleitung. Und gerade diese ist für viele Angehörige, vorallem Menschen mit islamischem Glauben, sehr sehr wichtig.
Meine Meinung zu dem Thema.
Die Situation zur Zustimmung zur Organspende wie sie jetzt ist, ist nicht die Optimalste, aber die am ehesten ethisch vertretbarste.
Das schon angesprochene Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit steht sicherlerlich als Korrelat zur Pflichtorganentnahme, doch es ist, wie ich finde, keineswegs nach dem Tod nichtig geworden. Ich drücke es mal einfach aus. Der Empfänger kann nichts dazu, daß der Spender verstorben ist. Aber der Spender kann auch nichts dazu, daß der Empfänger totkrank ist.Deshalb sollte immer und jederzeit die kurzfristige Möglichkeit zum Widerspruch bestehen. Sei es durch die Ablehnung der Organspende im Organspendeausweis oder durch die Einwände der Angehörigen.
Wir reden gerade über Extremmedizin, welche ihr Für und ihr Wider hat.
Es gibt immer eine Pro-Meinung und eine Kontra-Meinung. Man füllt ganze Bücher damit, hält Symposien über das Thema und macht große Kongresse, die sich nur damit befassen. Ich glaube kaum, daß wir hier und jetzt auf einen gemeinsamen Nenner kommen.
ICh vermute, dass die mangelnde Fähigkeit der meisten Menschen sich bei Lebzeiten über den Tod und Trauer zu unterhalten massgeblich für niedrige Quoten sorgt.
Ich glaube die Menschen unterhalten sich eher über erfreulichere Themen wie Tod und Trauer. Denn um ehrlich zu sein, denke ich da auch net dran.
Die niedrigen Quoten kommen allerdings weniger durch die mangelnde Fähigkeit über Tod und Trauer zu diskutieren zu stande, sondern vielmehr, weil die Patienten nicht wissen was nach dem "Hirntod" mit ihnen geschieht.
Merken sie noch was? Hören sie noch was? Sehen sie noch was? Ich glaube es ist eine relativ schwierige Aufgabe, daß man sich damit befasst. Immerhin gibt es keine Berichte von Hirntoten, auf die man sich stützen kann. Deshalb bleiben da immer noch Zweifel. Und im Zweifel für den Angeklagten...in diesem Sinne für MICH, denn dann lasse ich es halt.
Wie ich schon oben erwähnt habe. Ich glaube kaum, daß sich fachfremde Personen, die die Situationen nicht kennen sich ohne Anlass Gedanken über eine Organentnahme machen. Eher wird darüber geredet wie und wo man beerdigt werden will und welchen Leidensweg man sich ersparen möchte.
Apropos Leidensweg...ich bin ja für die digitale Patientenakte, welche überall in Deutschland abgerufen werden kann. Dort könnte man solche Dinge zum Beispiel speichern. Dinge wie Patientenverfügungen oder halt die Bereitschaft zur Organspende. Einfach nur Speichern...weil Papier geht oftmals sehr schnell verloren...und ist oftmals sehr sehr geduldig.
Liebe Grüße
Andi