Arbeit in den Niederlanden
Nach einem stürmischen Einstand und vor einem klärenden Gewitter
in diesem Forum wurde ich gebeten, etwas zur Arbeit in den Niederlanden zu erzählen, da ich dort nun seit 2001 lebe und mein Brot verdiene.
Um von vorn zu beginnen, nehme ich mir zunächst die Ausbildung vor.
Es gibt hier fünf verschiedene Niveaus in der Krankenpflegeausbildung und verschiedene Arten der Ausbildung.
Die Niveaus sind:
1. Versorgungshilfe
Assistiert bei der Basis- / Grundpflege
Assistiert beim Anreichen von Nahrung
Bietet soziale Begleitung
2. Versorgende
Bietet Basis -/ Grundpflege
Psychosoziale Begleitung
Medikamentengabe
3. Versorgende in der Gesundheitsfürsorge
Wie Versorgende, bietet Leitung an Versorgende
4. Krankenschwester / -Pfleger
Wie in Deutschland
5. Krankenschwester / -Pfleger
Fachpflegekraft mit Zusatzqualifikation
Führungskraft
Wie Stationsleitung, bzw. je nach Zusatzqualifikation höher, bishin zum Abteilungsmanager (In Deutschland meist Klinikoberschwester / Pflegedienstleitung genannt)
Die Ausbildungstypen in Niveau 4 und 5 sind:
a) "in-service" => Der Lehrling wird vom Haus eingestellt und lernt begleitend zu seiner Arbeit.
Der Lehrling besucht eine dem Haus angeschlossene Krankenpflegeschule.
Dauer der Ausbildung: 3 Jahre.
b) "Student" => Der Lehrling bewirbt sich an einer Krankenpflegeschule, studiert dort,
durchläuft Praktika in Krankenhäusern, zu denen er sich separat bewirbt.
Drei Jahre Theorie, ein Jahr Praxis = 4 Jahre Ausbildung
Nach der Ausbildung wird die examinierte Kraft wie in Deutschland auch im Stationsdienst eingesetzt.
Bei der Arbeit auf der Krankenpflegestation gibt es viele Unterschiede zu deutschen Häusern:
- Die Patienten haben Recht auf Privacy, an jedem Bett sind Bettgardinen angebracht, die Patienten gehen zur Visite, zu Gesprächen mit Familie oder der Krankenschwester in einen separaten Raum, casu quo werden gebracht.
- Die Versorgung ist grundsätzlich gemischt. Geschlechtertrennung gibt es nicht.
- Man kommuniziert hier viel mehr auch mit der Familie, bezieht diese mehr ein in alle Prozesse und Entscheidungen.
- Es gibt hier offiziell NR, NB, NIC oder NTBR - Absprachen: Nicht Reanimieren Nicht Beatmen Nicht Intensive Care oder Not To Be Reanimated - Absprachen. Hiervon sind selbstverständlich sowohl Familie als auch Patient informiert!
- Wir bieten auf Wunsch Euthanasie.
- Alles denkbare ist hier protokolliert.
- Medikamentenausgabe und Infusionen, sowie Transfusionen und Opiate müssen IMMER von zwei Examinierten abgezeichnet werden.
- Krankenpflegepersonal ist IMMER angeschlossen bei der BIG, einer Kammer für medizinisches Personal zur Qualitätssicherung.
- Jeder hier hat Recht auf eine Fachweiterbildung alle zwei Jahre. Nota bene VOLL finanziert!
- Hier gibt es sehr viele Pflegespezialismen: z.B. bin ich Rheumaconsulent, Magen-Darm-Leber-Fachpfleger, Praxisanleiter und Spezialist für Palliation und Euthanasie. Es gibt Wundpflege-Spezialisten, Oncologie-, Innere Medizin-, Chirurgie-, Ambulanz-, Rettungs-, Hygiene-, Psychiatrie-, Diabetes-, Stoma-, Inkontinenz-, Mamma-Care-, Kinder-, Säuglings-, Cardio-Care-, Intensive-Care-, OP-, Orthopädie-, Nephrologie-, Geriatrie-, ……-Fachschwestern.
- Eine ganze Menge also!
- Wir benutzen praktisch kein Papier mehr. Alle Dokumentation ist elektronisch, alle Befunde, Anfragen für Röntgen, Labor, EKG, Echo, Foto´s, Rapportage…. Immer und überall abfragbar und vernetzt.
Die Bezahlung ist ganz ok: so rund 2400 Euronen brutto Grundgehalt bei 36 Stunden plus:
- 8% vom Jahresbrutto Urlaubsgeld
- 4% vom Jahresbrutto Weihnachtsgeld
- Unregelmäßigkeitszuschläge
- Nacht-, Sonn-, Feiertagszuschläge,
- Voll vergütete Fachweiterbildung alle zwei Jahre
- Bis zu drei Kongresse / Symposien pro jahr teil- / voll vergütet
- Überstunden oder Urlaub eintauschen gegen z.B. PC
- Teil- oder Vollvergütung von Mitgliedsbeiträgen in Berufsverbänden, Fachliteratur
- Wegegeld
- Et cetera
In unserem Haus sind die Dienste geregeld in drei Hauptschichten:
Früh von 07.30 bis 16.00 Uhr
Spät von 14.30 bis 23.15 Uhr
Nacht von 23.00 bis 08.00 Uhr, sowie zahlreiche Zwischendienste.
Wir haben sehr viele Parttimer. Parttime - Beschäftigung ist hier etwas ganz verrücktes
In Deutschland undenkbar - wenn Du hier einen Job suchst, etwa alle zwei Wochen Dienstags von 13 Uhr bis 17.30 Uhr, findest Du ihn! Wichtiger als Die Zeit ist, daß Du auch wirklich zur angegebenen Zeit erscheinst!
Bei Vorstellungsgesprächen und vor allem in der Bewerbung ist hier auch nicht so wichtig, was alles in der Vita steht, sondern viel mehr, ob Du ins Team passen könntest, welchen Mehrwert Du der Gruppe geben kannst. Hier ist emotionale und soziale Intelligenz ganz groß geschrieben. Vor langen Lebensläufen mit vielen tollen Funktionen schreckt man hier eher zurück, weil man denkt, man wolle sich darüber profilieren. Es hat mich einige Gespräche gekostet, um das heraus zu finden. Also habe ich die Abteilungs-, Pflegedienst-, und Heimleitung aus der Vita genommen und durch gewöhnliche ausführende Funktionen ersetzt und konnte gleich in verschiedenen Häusern anfangen.
Fachweiterbildungen sind hier nichts außergewöhnliches, da wir sowieso mindestens alle zwei Jahre eine durchlaufen. Qualifikation ist hier ein Muß, denn ohne entsprechenden Nachweis fliegt man aus der Kammer und darf nirgends mehr arbeiten.
Nochwas zur Struktur:
Bei den Ärzten ist es so, daß Assistenz-Ärzte auf der Abteilung und der Ambulanz arbeiten. Die sind vom Ausbildungsstand zu vergleichen mit deutschen Assistenz-Ärzten. AiP und PJ gibt´s hier nicht. Und zusätzlich gibt´s die Spezialisten, die nicht wie in D ihre Praxen haben, sondern dem Krankenhaus angeschlossene Polikliniken. Sie haben dann im Haus ihre Belegbetten, wo sie zwei mal in der Woche visitieren. Vom Status her sind sie alle sowas wie Chefärzte, denn jeder von ihnen ist sein eigener Chef, der Räumlichkeiten vom Haus mietet und das Personal mit der Miete bezahlt.
Bei uns Pflegekräften ist das auch anders als in D:
Auf der Abteilung arbeiten die Niveaus 3,4 und 5. Jeder verrichtet seine Arbeit nach o.g. Qualifikation. Fängt man hier als deutsche Schwester/Pfleger neu an, wird das Examen auf Niveau vier anerkannt.
Nach entsprechender Qualifikation steigt man ggf. auf nach Niveau fünf. Zusätzlich arbeiten KollegInnen mit entsprechender Qualifikation auch in der Poli, als Consulent, Nurse Practitioner oder in anderer Funktion.
Im allgemeinen ist es üblich, daß sich die verschiedenen KollegInnen entsprechend dem Arbeitsaufwand einige Stunden pro Tag oder Woche oder Monat mit ihrem Fachgebiet beschäftigen und in der übrigen Zeit gewöhnlichen Stationsdienst machen.
Jeder von uns hat nach Können und Lust auch noch Zusatzaufgaben, welche von der Leitung der Abteilung oder des Hauses angetragen werden. So habe ich zum Beispiel die Aufgabe, mehrere Abteilungen des Hauses zu auditen und die Einsätze der SchülerInnen zu koordinieren.
Da ich auf Niveau fünf arbeite, habe ich neben mir noch die KollegInnen Niveau vier und andere auf Niveau fünf. Die anderen "Fünfer" sind "Zorgcoordinatoren", Also Pflegekoordinatoren. Sie koordinieren die Abläufe im Stationsalltag, sind Schichtleitung, schreiben Dienstpläne, führen Gespräche, schreiben Beurteilungen….
Unsere vorgesetzte Position ist ein Abteilungsmanager, welcher mehrere Stationen unter sich hat. Und darüber sitzt der Verwaltungsrat. Die Hierarchie ist also sehr flach.
Was gibt es noch zu sagen? Nun, alle sechs Monate hat man Recht auf ein "Evaluationsgespräch", wobei man angeben kann, wie man sich fühlt im Team, welche Entwicklungsmöglichkeiten man sich vorstellt, welche Ausbildungen man machen möchte, wie man sich ins Team einbringen möchte, welche Erwartungen man hat an die Führungskräfte….
Und jedes Jahr einmal gibt´s ein "Funktionierungsgespräch", worin man dann gesagt bekommt, wie man so funktioniert, ob man den Anforderungen entspricht, was man im vergangenen Jahr besonders gut oder weniger gut gemacht hat, ob sich etwas ändert an den bisher getroffenen Absprachen etc..
Wenn man mal krank ist, ist es hier auch anders. Man ruft an und meldet sich krank. Und man gibt an, was man hat, wie lang man denkt, krank zu sein und wie man sich vorstellt, schnellstmöglich zu genesen. Alle Angaben sind "freiwillig", sprich: man erwartet es nicht anders. Nach einiger Zeit, das kann am selben Tag oder nach einigen Tagen sein, kann man Besuch kriegen vom "Portwächter". Das ist eine Krankenschwester oder ein Arzt vom sogenannten ARBO-Dienst. Der ARBO-Dienst ist sowas wie der medizinische Dienst der Krankenkasse, allerdings nicht im Dienste der Krankenkassen, sondern frei und vergütet durch den Arbeitgeber. Treffen sie Dich nicht an, weil Du z.B. grad beim Arzt bist (manchmal kommen sie auch nicht), dann erhälst Du eine Einladung zum Gespräch. Kannst Du dorthin (z.B. mit gebrochenem Finger kannst Du nicht überzeugend dagegen sprechen), mußt Du hin. Kannst Du nicht, kommt auf jeden Fall ein Hausbesuch. Dann wird in einem Gespräch geklärt, weshalb Du krank bist und der ARBO-Dienst advisiert dann Dich und den Arbeitgeber auf dem Weg zur Genesung. Bei längerer Krankheit wird dann auch die Wiedereingliederung geregelt. Das bedeutet, daß man nicht wie in D gleich wieder zu 100% ran muß, sondern nach eigenem Gefühl in kleinen Schritten zurückkommt: zum Beipiel einige Tage zu 25 %, dann langsam aufbauen, oder eben wieder weniger, je nach Erschöpfung. Man kann hier auch nicht wegen Krankheit entlassen werden. Zwei Jahre Muß der Arbeitgeber das Gehalt weiterzahlen, dann darf er Dir kündigen, Du erhälst aber dann weiter Geld in einer Übergangsregelung.
Was man unbedingt braucht, will man hier arbeiten, sind Sprachkenntnisse, die BIG-Registratur (VOR der Bewerbung anzufragen!!!) ein Konto in NL und eine Unterkunft. Aufenthaltsgenehmigung ist nicht nötig, wenn man in der EU geboren wurde und immer eine EU-Staatsbürgerschaft besaß. Eine Arbeitserlaubnis ist auch nicht erforderlich. Ebensowenig muß man als Deutsche(-r) einen Einbürgerungskurs machen, der allerdings kostenpflichtig angeboten wird.
Worauf man sich einstellen sollte, ist besonders bei alten Leuten, daß sie sehr unter dem Krieg zu leiden hatten und daher Deutsche als "Moff" oder auf andere Weise beschimpfen. Das kommt sehr selten vor, ist aber möglich. Einziges Mittel hiergegen ist Offenheit und Mitgefühl. Wenn ich denen sage, daß meine Oma´s auch mit je fünf Kindern und ohne was zum Futtern dastand. Ist es den meisten schon wieder peinlich. Allerdings gibts auch solche, die darin nicht zu korrigieren sind. Ich denke mir immer, wie übel es doch sein muß, diesen Haß so lang im Herzen getragen zu haben und ihn mit ins Grab nehmen zu müssen! Arme Leute!
Ich hoffe, nichts vergessen zu haben. Für Fragen stehe ich jederzeit gern zur Verfügung.
Lieben Gruß!
Jens
Nach einem stürmischen Einstand und vor einem klärenden Gewitter

Um von vorn zu beginnen, nehme ich mir zunächst die Ausbildung vor.
Es gibt hier fünf verschiedene Niveaus in der Krankenpflegeausbildung und verschiedene Arten der Ausbildung.
Die Niveaus sind:
1. Versorgungshilfe
Assistiert bei der Basis- / Grundpflege
Assistiert beim Anreichen von Nahrung
Bietet soziale Begleitung
2. Versorgende
Bietet Basis -/ Grundpflege
Psychosoziale Begleitung
Medikamentengabe
3. Versorgende in der Gesundheitsfürsorge
Wie Versorgende, bietet Leitung an Versorgende
4. Krankenschwester / -Pfleger
Wie in Deutschland
5. Krankenschwester / -Pfleger
Fachpflegekraft mit Zusatzqualifikation
Führungskraft
Wie Stationsleitung, bzw. je nach Zusatzqualifikation höher, bishin zum Abteilungsmanager (In Deutschland meist Klinikoberschwester / Pflegedienstleitung genannt)
Die Ausbildungstypen in Niveau 4 und 5 sind:
a) "in-service" => Der Lehrling wird vom Haus eingestellt und lernt begleitend zu seiner Arbeit.
Der Lehrling besucht eine dem Haus angeschlossene Krankenpflegeschule.
Dauer der Ausbildung: 3 Jahre.
b) "Student" => Der Lehrling bewirbt sich an einer Krankenpflegeschule, studiert dort,
durchläuft Praktika in Krankenhäusern, zu denen er sich separat bewirbt.
Drei Jahre Theorie, ein Jahr Praxis = 4 Jahre Ausbildung
Nach der Ausbildung wird die examinierte Kraft wie in Deutschland auch im Stationsdienst eingesetzt.
Bei der Arbeit auf der Krankenpflegestation gibt es viele Unterschiede zu deutschen Häusern:
- Die Patienten haben Recht auf Privacy, an jedem Bett sind Bettgardinen angebracht, die Patienten gehen zur Visite, zu Gesprächen mit Familie oder der Krankenschwester in einen separaten Raum, casu quo werden gebracht.
- Die Versorgung ist grundsätzlich gemischt. Geschlechtertrennung gibt es nicht.
- Man kommuniziert hier viel mehr auch mit der Familie, bezieht diese mehr ein in alle Prozesse und Entscheidungen.
- Es gibt hier offiziell NR, NB, NIC oder NTBR - Absprachen: Nicht Reanimieren Nicht Beatmen Nicht Intensive Care oder Not To Be Reanimated - Absprachen. Hiervon sind selbstverständlich sowohl Familie als auch Patient informiert!
- Wir bieten auf Wunsch Euthanasie.
- Alles denkbare ist hier protokolliert.
- Medikamentenausgabe und Infusionen, sowie Transfusionen und Opiate müssen IMMER von zwei Examinierten abgezeichnet werden.
- Krankenpflegepersonal ist IMMER angeschlossen bei der BIG, einer Kammer für medizinisches Personal zur Qualitätssicherung.
- Jeder hier hat Recht auf eine Fachweiterbildung alle zwei Jahre. Nota bene VOLL finanziert!
- Hier gibt es sehr viele Pflegespezialismen: z.B. bin ich Rheumaconsulent, Magen-Darm-Leber-Fachpfleger, Praxisanleiter und Spezialist für Palliation und Euthanasie. Es gibt Wundpflege-Spezialisten, Oncologie-, Innere Medizin-, Chirurgie-, Ambulanz-, Rettungs-, Hygiene-, Psychiatrie-, Diabetes-, Stoma-, Inkontinenz-, Mamma-Care-, Kinder-, Säuglings-, Cardio-Care-, Intensive-Care-, OP-, Orthopädie-, Nephrologie-, Geriatrie-, ……-Fachschwestern.
- Eine ganze Menge also!
- Wir benutzen praktisch kein Papier mehr. Alle Dokumentation ist elektronisch, alle Befunde, Anfragen für Röntgen, Labor, EKG, Echo, Foto´s, Rapportage…. Immer und überall abfragbar und vernetzt.
Die Bezahlung ist ganz ok: so rund 2400 Euronen brutto Grundgehalt bei 36 Stunden plus:
- 8% vom Jahresbrutto Urlaubsgeld
- 4% vom Jahresbrutto Weihnachtsgeld
- Unregelmäßigkeitszuschläge
- Nacht-, Sonn-, Feiertagszuschläge,
- Voll vergütete Fachweiterbildung alle zwei Jahre
- Bis zu drei Kongresse / Symposien pro jahr teil- / voll vergütet
- Überstunden oder Urlaub eintauschen gegen z.B. PC
- Teil- oder Vollvergütung von Mitgliedsbeiträgen in Berufsverbänden, Fachliteratur
- Wegegeld
- Et cetera
In unserem Haus sind die Dienste geregeld in drei Hauptschichten:
Früh von 07.30 bis 16.00 Uhr
Spät von 14.30 bis 23.15 Uhr
Nacht von 23.00 bis 08.00 Uhr, sowie zahlreiche Zwischendienste.
Wir haben sehr viele Parttimer. Parttime - Beschäftigung ist hier etwas ganz verrücktes
In Deutschland undenkbar - wenn Du hier einen Job suchst, etwa alle zwei Wochen Dienstags von 13 Uhr bis 17.30 Uhr, findest Du ihn! Wichtiger als Die Zeit ist, daß Du auch wirklich zur angegebenen Zeit erscheinst!
Bei Vorstellungsgesprächen und vor allem in der Bewerbung ist hier auch nicht so wichtig, was alles in der Vita steht, sondern viel mehr, ob Du ins Team passen könntest, welchen Mehrwert Du der Gruppe geben kannst. Hier ist emotionale und soziale Intelligenz ganz groß geschrieben. Vor langen Lebensläufen mit vielen tollen Funktionen schreckt man hier eher zurück, weil man denkt, man wolle sich darüber profilieren. Es hat mich einige Gespräche gekostet, um das heraus zu finden. Also habe ich die Abteilungs-, Pflegedienst-, und Heimleitung aus der Vita genommen und durch gewöhnliche ausführende Funktionen ersetzt und konnte gleich in verschiedenen Häusern anfangen.
Fachweiterbildungen sind hier nichts außergewöhnliches, da wir sowieso mindestens alle zwei Jahre eine durchlaufen. Qualifikation ist hier ein Muß, denn ohne entsprechenden Nachweis fliegt man aus der Kammer und darf nirgends mehr arbeiten.
Nochwas zur Struktur:
Bei den Ärzten ist es so, daß Assistenz-Ärzte auf der Abteilung und der Ambulanz arbeiten. Die sind vom Ausbildungsstand zu vergleichen mit deutschen Assistenz-Ärzten. AiP und PJ gibt´s hier nicht. Und zusätzlich gibt´s die Spezialisten, die nicht wie in D ihre Praxen haben, sondern dem Krankenhaus angeschlossene Polikliniken. Sie haben dann im Haus ihre Belegbetten, wo sie zwei mal in der Woche visitieren. Vom Status her sind sie alle sowas wie Chefärzte, denn jeder von ihnen ist sein eigener Chef, der Räumlichkeiten vom Haus mietet und das Personal mit der Miete bezahlt.
Bei uns Pflegekräften ist das auch anders als in D:
Auf der Abteilung arbeiten die Niveaus 3,4 und 5. Jeder verrichtet seine Arbeit nach o.g. Qualifikation. Fängt man hier als deutsche Schwester/Pfleger neu an, wird das Examen auf Niveau vier anerkannt.
Nach entsprechender Qualifikation steigt man ggf. auf nach Niveau fünf. Zusätzlich arbeiten KollegInnen mit entsprechender Qualifikation auch in der Poli, als Consulent, Nurse Practitioner oder in anderer Funktion.
Im allgemeinen ist es üblich, daß sich die verschiedenen KollegInnen entsprechend dem Arbeitsaufwand einige Stunden pro Tag oder Woche oder Monat mit ihrem Fachgebiet beschäftigen und in der übrigen Zeit gewöhnlichen Stationsdienst machen.
Jeder von uns hat nach Können und Lust auch noch Zusatzaufgaben, welche von der Leitung der Abteilung oder des Hauses angetragen werden. So habe ich zum Beispiel die Aufgabe, mehrere Abteilungen des Hauses zu auditen und die Einsätze der SchülerInnen zu koordinieren.
Da ich auf Niveau fünf arbeite, habe ich neben mir noch die KollegInnen Niveau vier und andere auf Niveau fünf. Die anderen "Fünfer" sind "Zorgcoordinatoren", Also Pflegekoordinatoren. Sie koordinieren die Abläufe im Stationsalltag, sind Schichtleitung, schreiben Dienstpläne, führen Gespräche, schreiben Beurteilungen….
Unsere vorgesetzte Position ist ein Abteilungsmanager, welcher mehrere Stationen unter sich hat. Und darüber sitzt der Verwaltungsrat. Die Hierarchie ist also sehr flach.
Was gibt es noch zu sagen? Nun, alle sechs Monate hat man Recht auf ein "Evaluationsgespräch", wobei man angeben kann, wie man sich fühlt im Team, welche Entwicklungsmöglichkeiten man sich vorstellt, welche Ausbildungen man machen möchte, wie man sich ins Team einbringen möchte, welche Erwartungen man hat an die Führungskräfte….
Und jedes Jahr einmal gibt´s ein "Funktionierungsgespräch", worin man dann gesagt bekommt, wie man so funktioniert, ob man den Anforderungen entspricht, was man im vergangenen Jahr besonders gut oder weniger gut gemacht hat, ob sich etwas ändert an den bisher getroffenen Absprachen etc..
Wenn man mal krank ist, ist es hier auch anders. Man ruft an und meldet sich krank. Und man gibt an, was man hat, wie lang man denkt, krank zu sein und wie man sich vorstellt, schnellstmöglich zu genesen. Alle Angaben sind "freiwillig", sprich: man erwartet es nicht anders. Nach einiger Zeit, das kann am selben Tag oder nach einigen Tagen sein, kann man Besuch kriegen vom "Portwächter". Das ist eine Krankenschwester oder ein Arzt vom sogenannten ARBO-Dienst. Der ARBO-Dienst ist sowas wie der medizinische Dienst der Krankenkasse, allerdings nicht im Dienste der Krankenkassen, sondern frei und vergütet durch den Arbeitgeber. Treffen sie Dich nicht an, weil Du z.B. grad beim Arzt bist (manchmal kommen sie auch nicht), dann erhälst Du eine Einladung zum Gespräch. Kannst Du dorthin (z.B. mit gebrochenem Finger kannst Du nicht überzeugend dagegen sprechen), mußt Du hin. Kannst Du nicht, kommt auf jeden Fall ein Hausbesuch. Dann wird in einem Gespräch geklärt, weshalb Du krank bist und der ARBO-Dienst advisiert dann Dich und den Arbeitgeber auf dem Weg zur Genesung. Bei längerer Krankheit wird dann auch die Wiedereingliederung geregelt. Das bedeutet, daß man nicht wie in D gleich wieder zu 100% ran muß, sondern nach eigenem Gefühl in kleinen Schritten zurückkommt: zum Beipiel einige Tage zu 25 %, dann langsam aufbauen, oder eben wieder weniger, je nach Erschöpfung. Man kann hier auch nicht wegen Krankheit entlassen werden. Zwei Jahre Muß der Arbeitgeber das Gehalt weiterzahlen, dann darf er Dir kündigen, Du erhälst aber dann weiter Geld in einer Übergangsregelung.
Was man unbedingt braucht, will man hier arbeiten, sind Sprachkenntnisse, die BIG-Registratur (VOR der Bewerbung anzufragen!!!) ein Konto in NL und eine Unterkunft. Aufenthaltsgenehmigung ist nicht nötig, wenn man in der EU geboren wurde und immer eine EU-Staatsbürgerschaft besaß. Eine Arbeitserlaubnis ist auch nicht erforderlich. Ebensowenig muß man als Deutsche(-r) einen Einbürgerungskurs machen, der allerdings kostenpflichtig angeboten wird.
Worauf man sich einstellen sollte, ist besonders bei alten Leuten, daß sie sehr unter dem Krieg zu leiden hatten und daher Deutsche als "Moff" oder auf andere Weise beschimpfen. Das kommt sehr selten vor, ist aber möglich. Einziges Mittel hiergegen ist Offenheit und Mitgefühl. Wenn ich denen sage, daß meine Oma´s auch mit je fünf Kindern und ohne was zum Futtern dastand. Ist es den meisten schon wieder peinlich. Allerdings gibts auch solche, die darin nicht zu korrigieren sind. Ich denke mir immer, wie übel es doch sein muß, diesen Haß so lang im Herzen getragen zu haben und ihn mit ins Grab nehmen zu müssen! Arme Leute!
Ich hoffe, nichts vergessen zu haben. Für Fragen stehe ich jederzeit gern zur Verfügung.
Lieben Gruß!
Jens
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