Ich habe da etwas gefunden, sehr lang zwar aber doch oft zutreffend:
Aus dem Leben eines Staphylococcus
Ich sehe auf ein langes, zweckerfülltes Staphylococcusleben zurück und schreibe meine Memoiren nur, damit meine zahlreichen Nachkommen, die leider in alle Welt zerstreut sind, von meinem Wissen und meinen Erfahrungen profitieren können.
Vielleicht bleibt einem meiner Urenkel die eine oder andere schmerzhafte Erfahrung erspart- dann hat sich die Mühe des Aufzeichnens gelohnt.
Eigentlich bin ich nicht gebürtiger Hospitalist, die Teilung meines Ahnen fand in einem herrlich reifen Furunkel eines Bauarbeiters statt. Durch widrige Umstände wurde ich schon sehr früh von meinem Stamm weggetragen. Die Schuldige war die Frau des Furunkelbesitzers, die mich ahnungslosen auf ihrem Kleid entführte und mich schnurtracks im Krankenhaus ablieferte.
Als ich merkte wohin man mich brachte, dachte ich mein letztes Stündlein hat geschlagen. In meiner Verwirrtheit vertauschte ich das Kleid der Frau mit dem Bett der kranken Nachbarin die sie besuchte. Meine neue Wohnung – die Unterlage – wurde von den Schwestern beim Betten machen auf die Erde geworfen, so dass es mir ermöglicht wurde auszusteigen . Dies war mein Glück, denn die Schwester nahm sehr bald die Unterlagen wieder (bei jeder Unterlage, die sie aufnahm, machte sie eine tiefe Verbeugung vor mir) und drückte sie an ihre Kittelschürze. Einige meiner Nachkommen, die ich auf der Unterlage hinterließ schrien vor Schmerz auf, und einem meiner Urenkelchen wurde ein Bein gebrochen.
Vor lauter Schreck vergaß ich, mich zu wehren und saß auf demselben Fleck, bis am nächsten Morgen das Hausmädchen mich mit dem Kehrbesen aufscheuchte und durch die Luft wirbeln ließ, so dass ich glücklich auf einem gestrichenen Butterbrot landete, das die Schwester vorsorglich für mich und einen Patienten der noch in der Röntgenabteilung war, bereitgestellt hatte. Dort saß ich schön weich und vermehrte mich fleißig. Bis der Patient mich mitsamt meiner Sippe verspeisen wollte. Ich blieb jedoch fluggs an seinen fingern kleben, bis die Nachtschwester in der nächsten Nacht meinen Wirt wusch. Ich plätscherte ein wenig in der Wanne und wartete dann friedlich am Wannenrand auf weitere Abenteuer.
Dies kam schneller als erwartet : Die Waschwännchen wurden im Bad gestapelt und durften bald in einem großen Becken segeln. Die Schwester hielt eine Flasche Zephirol in der Hand und goß einen Schuß davon in das Wasser. Schnell rechnete ich mir aus, das mir d i e Menge
Nichts antun konnte. Aber beim Anblick von Desinfektionsmittel wird uns Bakterien immer unwohl. Zu meiner Freude sah ich, das die gute Schwester mit mir Mitleid hatte, und noch Pril nachgoß, und somit die Lösung unwirksam machte. Ich begann mich zu Hause zu fühlen, und sah mich um. Plötzlich hörte ich hinter mir ein Freudengeschrei und sah einige meiner Nachkommen, die am Tage vorher mit der Unterlage fortgetragen wurden. Sie erzählten mir, dass sie seit dem Vortage hier in der Wanne gesessen haben. Beim Schrubben des Beckens wären wohl einige gestorben, glücklicherweise aber hätten sie selbst das Ata vertragen. Wir flüchteten zusammen unter dem Ehering der hand, die im Wasser spazieren ging. Dort saßen wir geschützt als die Ringträgerin die Hände abtrocknete, und vermehrten uns redlich weil das Milieu gar zu herrlich war.
Noch schöner war es aber, als ich nochmals die Wohnung wechselte und von der ständig feuchten Seife im Dienstzimmer Besitz ergriff. Nun konnte ich mir meinen neuen Wirt aussuchen. Von der nächsten Hand wechselte ich in den Mund und sprang mit einem kühnen Sprung in den offenen Spritzenkasten in den der Arzt hineinsprach. Durch die Güte dieses Mannes gelang ich mit der Zeit zusammen mit noch anderen Artgenossen in den Blutstrom eines Kranken. Dessen Leukocyten setzten uns schon arg zu, wir waren jedoch die Stärkeren und vermehrten uns tüchtig.
Der Kranke war unfreundlich genug, uns mit septischen Fieberschüben den Garaus machen zu wollen, daher verließ ich bei nächster Gelegenheit diese ungastliche Stätte und setzte mich fein säuberlich neben den Kranken ins Bett. Der Patient war allerdings so unruhig, das ich mehrmals Gefahr lief zerdrückt zu werden. Und so übersiedelte ich auf das Kopfkissen, als die Schwester beim Betten machen die Unterlage darauf legte.
Unangenehm war ein Abenteuer mit einer Schwesternschülerin. Diese hatte Halsschmerzen und Fieber, wollte jedoch nicht ins Bett und lutschte deswegen ständig Penicillintabletten. Es wäre fast mein Tod gewesen die ersten Tabletten betäubten mich völlig. Man kann sich aber an vieles gewöhnen und ich mobilisierte all meine Abwehrkräfte und wurde wieder gesund.
Ja ich fühlte mich sogar gesünder und kräftiger als je zuvor, nachdem ich meinen Stoffwechsel ein wenig umgestellt hatte. Jetzt war ich zu allen Schandtaten bereit!!
An meiner guten Wirtin wollte ich mich aber rächen, wegen des Schreckens den ich ausgestanden hatte. Dazu bekam ich alsbald Gelegenheit. Sie erkrankte ernstlich an einer Nierenentzündung. Die Ärzte setzten hohe Dosen Penicillin ein. Da ich aber meinen Nachkommen das Geheimnis des Anti-Penicillin-Todes weitergegeben hatte, konnten wir das Mädel noch lange belästigen. Bis der Arzt ein Mittel gefunden hatte, das u n s noch zusetzen konnte.
Eines Tages begleitete ich eine pflegende Schwester mit nach Hause. Sie trug mich am Schürzenzipfel durch die Stadt, und ich nahm die Gelegenheit wahr, im Milchgeschäft und in der Straßenbahn einige meiner Kinder abzusetzen.
Die Hausgehilfinnen in den Krankenhäusern sind auch meist sehr zuvorkommend. Viele kehren noch die Fußböden, so dass wir uns zum tanze aufgefordert fühlen und vergnügt durch die Luft wirbeln . Besonders lustig ist es, wenn Durchzug entsteht, da fühlen wir uns wie Engelchen mit Flügeln und fliegen ganz schnell ins nächste Zimmer. Auf diese Art bin ich schon ein weit gereister Herr. Um uns zu schonen und um für das Haus zu sparen, werden die Desinfektionsmittel nicht Korrekt abgemessen, sondern kleinschlückchenweise dosiert.
Empfehlenswert ist der Wischlappen nach der Benutzung; da liegt er manchmal schön feucht im Eimer, und man kann in aller Ruhe „in Familie“ arbeiten.
Kurz noch etwas zu den Krankenschwestern: Diese sind ausgesprochen gemein, duschen, baden und waschen sehr oft die Haare. Gelangt man nicht in den Rachenraum, wird man von dem vielen Wasser weggespült. Einige sind sogar so verschlagen, dass sie ihre Arbeitsschürze abbinden, bevor sie zu Tisch gehen. Nur damit wir nicht in den Genuß der Speisen kommen . Da lob ich mir die Pfleger! Aber die netten Häubchen – in die kann man sich verlieben – dort ist man meist für Wochen sicher aufgehoben. Gern mag ich auch farblosen Nagellack. Der springt und blättert ab und schafft Ritzen in denen man sich gut verstecken kann.
All dies und vieles mehr habe ich gelernt. Wenn ich eines Tages unter einer dünnen Schicht Bohnerwachs im Krankenhaus begraben werde, möchte ich, das mir meine Memoiren mitgegeben werden. Meine jüngsten Kinder werden ja sicher um mich sein wollen und sollen dann als erste in meinem Buch studieren können. Damit sie, wenn sie eines Tages von der Wachsschicht befreit werden, meine Erfahrungen weitertragen können.
Den Bakterien zum Nutzen, den Menschen zum Verderb.