News Urteil zur Sterbehilfe stärkt Willen des Patienten

Meine Aussage hatte mit Kostengründen überhaupt nichts zu tun. Du plädierst dafür, die Hochleistungsmedizin zielgerichteter einzusetzen, damit u.a. weniger Menschen in den doch nicht sehr erstrebenswerten Zustand des Wachkomas fallen. Dafür bin ich auch. Dennoch werden wir immer wieder Menschen mit solchen Hirnschäden haben. Kein Arzt auf der Welt kann die Zeitvorgaben so gut abschätzen, dass ihm niemals eine Reanimation auf diese Art und Weise mißlingen wird.

Also ändert auch einen strengere Indikationsstellung nichts am eigentlichen Dilemma. Vielleicht misslängen uns dann weniger Reanimationen, und wir hätten damit weniger Komapatienten (und mehr Menschen, die an ihrem Herzinfarkt versterben. Das ist nämlich die Alternative). Es blieben immer noch genug übrig, um die Diskussion "Ernährung oder nicht" aufrecht zu erhalten.

Im übrigen ist künstliche Ernährung nur eine von vielen Therapien, die ein Patient verweigern kann. Was machst Du, wenn ein bewusstseinklarer Patient eine OP, eine Chemotherapie oder eine Bluttransfusion ablehnt - obwohl er sich nicht im Sterbeprozess befindet? Schreist Du nach einem psychiatrischen Gutachten?
 
Gerade bei Schädel-Hirn-Verletzten kann man eben nicht in einer Akutphase entscheiden. Die prognostische Breite geht halt leider von (nahezu) völliger Reversibilität bis hin zu einem vegetativen Zustand/Apallisches Sysndrom. Oder (wenn Glück) "freiwilliges" Sterben natürlich...

Hier muss die Entscheidung getroffen werden, wenn keine Besserung mehr zu erwarten ist - soweit dies aus medizinischer Sicht machbar ist. Über den Zeitpunkt kann man trefflich streiten - aber er wird oft Wochen oder Monate nach der Akutphase liegen.

Das will ich hier nochmal zitieren, denn das ist eine sehr richtige und wichtige Aussage!

Wir haben im Haus eine neurologische Frührehastation und diese Patienten liegen oft in der Weaningphase noch bei uns auf Station. Da es oft gerade auch jüngere Patienten sind, finde ich es wichtig das sie eine "Chance" bekommen. Wir hatten schon (gerade bei den jüngeren) Patienten Fälle bei denen die Prognosen sehr schlecht waren und die dann doch wieder gut auf die Beine gekommen sind. Aber natürlich auch umgekehrt...

... und bei diesen Menschen muss dann eine bestehende Patientenverfügung auch umgesetzt werden! Je nachdem was der Patient im Vorfeld verfügt hat, von z.B. "keine antibiotische Behandlung mehr" oder aber auch "keine Ernährung per PEG" oder "keine künstliche Beatmung mehr"

Mel
 
@PePaMel
Ich finde es mehr als perfide, erst mal alles zu machen um dann zu sagen: Pech gehabt- da stellen wir jetzt mal die Ernährung ein, denn der Pat. wollte das ja so.
Ab wann darf eine Patientenverfügung denn gelten? 4 Wochen nach dem akuten Ereignis? 3 Monate? 1 Jahr? 5 Jahre? 10 Jahre?


Es gehört eine eindeutige Aufklärung von entsprechenden Fachexperten zur Patientenverfügung. Die aktuellen Patientenverfügungen von Laien sind selten so ausformuliert, dass sie als Anhaltsmöglichkeit dienen könnten. Die emisten Patientenverfügungen werden für ältere Menschen aufgestellt, die sich mit dem nahenden Tod beschäftigen weil er in ihrer Nähe immer öfter auftaucht. Junge, dynamische Menschen beschäftigen sich sehr selten damit. In dem Alter denkt man noch, man ist unsterblich.

"Ich will nicht an Apparaten und Schläuchen enden" impliziert nicht unbedingt, dass derjenige verhungern will. Die meisten Menschen hoffen auf den Gnadentod und sehen die Bedrohung in der modernen Medizin, die ihnen aus ihrer Sicht den Gnadentod verweigert.

Wenn wir davon ausgehen, dass der Pat ja eigentlich alles gemacht haben will um zu überleben, dann muss man auch davon ausgehen, dass er seine Meinung immer in Richtung (Über-)Leben korrigieren wird. Was beim aktuellen Beispiel auch naheliegend ist. Der starke ÜberLebenswille hat über Jahre Bestand gehabt.



Zur Diagnostik. http://www.designsupporters.de/a-zieger_Dateien/FolienDortmund_kurz2007.pdf Auf der Folie 4 kannst du PET-Aufnahmen sehen, die die Hirnaktivität abbilden. Die gelben Punkte zeigen an, wo ein entsprechender Stoffwechsel stattfindet.
Um ein neuronales Netz zu reaktivieren braucht es eine Menge an Inputs. Da reicht "füttern, waschen, trocken legen nicht aus. Auch ein wenige Wochen dauernder Reha-Aufenthalt ist net ausreichend. Und für solche kostenintensiven Maßnahmen ist kein Geld da.

Du kannst also schon sehr zeitig sehen, in welche Richtung es gehen wird. Es gibt genug Erfahrung bei den Spezialisten, die relativ gut voraussagen können, wie die Zukunft des Betroffenen aussehen wird. Das Outcome eines jungen, mitten im Leben stehendem Menschen ist ungleich günstiger zu erwarten als bei einem alten, wenig kognitiv aktiven Menschen.

Wer wirklich hofft, dass der Angehörige aufwacht, wird dies auch noch nach Jahren tun und seine Meinung nicht nach Jahren ändern. Aber nicht wenige werden bis dahin die moderne Medizin und ihre Verfechter verfluchen weil sie in eine Situation gedrängt werden, dei sie eigentlich nicht erwartet haben. Nicht sie wollten aktiv werden, sondern sie haben von den Ärzten erwartet, dass diese bei Zeiten die Notbremse ziehen.


Schlussendlich: Ich glaube niemandem geht es gut damit, seinen Angehörigen verhungern lassen zu müssen. Wieviel Verzweiflung muss in Menschen vorhanden sein, die zu diesem Mittel greifen. Es ist und bleibt ein aktive Handlung- egal wie wir sie nennen.
Sind wir nicht ein bischen feige, wenn wir dies durch Umwidmen- der Wachkomapat. lebt ja nur weil er die PEG hat- beschönigen um ja nicht in die Nähe der Euthanasie gesteckt zu werden? Da wirds übrigens schwierig, denn auch die Nazis haben nicht nur Medis benutzt.



Warum nimmt eigentlich keiner den Hilferuf war, der hinter den Patientenverfügungen steckt? warum wird das auf eine Handlungsanweisung reduziert? Ich mach ja nur, was der von mir verlangt hat. Das hat ja nix mit meiner Einstellung zu tun. Handeln ohne Denken geht ja schließlich auch. Wirklich? Die Seele vergißt nichts und man kann sie auch nicht ausschalten. Schieben wir deshalb das Problem vielleicht immer in die nächste Instanz und die letzte ist nun mal die Pflegeeinrichtung. Dort sind dann die Kollegen, die das nachholen sollen, was die Intensivmedizin sich nicht getraut hat.

Elisabeth

@Claudia- wenn ein wacher Mensch sich entscheidet auf eine anstehende Therapie zu verzichten (ich wünschte, es würde öfter davon Gebrauch gemacht werden, wo liegt da dann das Problem? Er entscheidet in der Situation. Er weiß ganz konkret, was das in der nächsten zeit für Folgen hat und er hat dei Möglichkeit dei Entscheidung ggf. sogar noch zu modifizieren. Dies kann ein Wachkomapat. nicht. Wobei mich interessieren würde: ein wacher, voll orientierter Pat. verweigert von heute auf morgen die Nahrungsaufnahme- hat aber nach medizinischem Ermessen eine gute Überlebenschance, wenn z.B. ein opreativer Eingriff erfolgt... ich befürchte, das siehst du schneller einen Psychiater als dir (und mir) lieb ist.
Die Vorstellung, eine Patientenverfügung wird alles einfacher machen, ist ein glatter Trugschluss. Denn die Patientenverfügung wird kaum Bestand haben, wenn eine erfolgreiche Therapie vorhanden ist.
 
Elisabeth, warum lässt du andere Meinungen nicht zu?

Du hast für dich beschlossen, dass du ernährt werden möchtest.

Ich würde mich gegen eine PEG entscheiden - bei deiner Einstellung müsste ich aber eine erhalten.

Wenn der Richter entscheidet, dass der Patientenwille bestand haben muss, dann möchte ich auch meinen Willen bekommen und nicht nach deinem ernährt werden und ohne mit der Umwelt kontakt aufnehmen zu können über Jahre weiterleben. Was für mich nicht akzeptabel ist.
 
Ich gehe mal davon aus, dass du dies nicht erst nach ner "Teststrecke" von xxx Jahren vorsiehst- oder? Wie hast du das verfügt? Konkret mit: nach xxx Jahren Entfernung der PEG? Dann wäre eine konkrete Aussage vorhanden, die in jedem Falle eingehalten werden muss... auch wenn noch eine Möglichkeit auf Besserung deines Zustandes gegeben wäre.

Warum dann die lange Wartezeit von Jahren?

Ich kann Kollegen in den Pflegeheimen verstehen, wenn sie Pronleme mit der Umsetzung der Patientenverfügung haben- so wie es im aktuellen Rechtsurteil ist. Warum können das andere nicht? Warum muss es hierzu eine Meinung geben? Weil der Jurist dies so fordert?

Aber du stellst ne gute Frage: warum glaube ich meine Meinung verteidigen zu müssen? Hast eigentlich recht. Das muss ich nicht. Mich muss nicht jeder verstehen. Ich muss nur noch begreifen, dass ich auch nicht jedes Gegenargument als Angriff auf meine Meinung sehen muss. Ich sollte die provokanten Fragen einfach überlesen. Ich werde mir Mühe geben.

Elisabeth
 
Seit wann sind Patientenverfügungen bindend?

Pech für den, der zwar von damals eine hatte, bei dem sich aber keiner dran gehalten hat - nun hat er was er verdient und vermutlich nie wollte.
 
@PePaMel
Ich finde es mehr als perfide, erst mal alles zu machen um dann zu sagen: Pech gehabt- da stellen wir jetzt mal die Ernährung ein, denn der Pat. wollte das ja so.
Ab wann darf eine Patientenverfügung denn gelten? 4 Wochen nach dem akuten Ereignis? 3 Monate? 1 Jahr? 5 Jahre? 10 Jahre?

Eine Patientenverfügung muss so gelten wie sie formuliert wurde!


Es gehört eine eindeutige Aufklärung von entsprechenden Fachexperten zur Patientenverfügung. Die aktuellen Patientenverfügungen von Laien sind selten so ausformuliert, dass sie als Anhaltsmöglichkeit dienen könnten.

Falsch! Sie spiegeln die Arroganz so vieler Ärzte wieder. Anmaßender und respektloser dann man sich dem Patienten gegenüber nicht verhalten! Selbstbestimmung ist der Kern der Menschenwürde. Zitat vom Bundesverfassungsgericht: " Die Freiheit des Einzelnen besteht in der Selbstbestimmung eben dieses Einzelnen über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug"

Zitat aus "wie wollen wir sterben":
"Zum grundsätzlich geschützten Privatbereicht gehört auch, ohne oder mit Beratung über sich entscheiden zu dürfen. Eine Beratungspflicht kennt das deutsche Recht grundsätzlich nur da, wo die Interessen Dritter berührt sind."

Es ist sicherlich ratsam sich beim Verfassen einer Patientenverfügung ärztlichen Rat zu holen, aber eben nicht verpflichtend!


"Ich will nicht an Apparaten und Schläuchen enden" impliziert nicht unbedingt, dass derjenige verhungern will.

Aber sagt ziemlich deutlich das der- oder diejenige nicht als Pflegefall mit Magensonde oder PEG enden will.

Auch hier wieder ein Zitat von Hr. de Ridder, er beschreibt genau so einen Fall in seinem Buch. Eine hochbetagte Dame wird in die Notaufnahme eingeliefert und hat anscheinend einen schweren Schlaganfall, auf einem Zettel der an ihrem Perso angeheftet wurde steht: "Mein Wille. Keine Schläuche bitte, 18. April 2007. Erna K."

Zitat:
"Ein Labyrinth von Fragen und Interpretationsmöglichkeiten tut sich auf, das die Ermittlung ihres voausverfügten, sehr allgemein gehaltenen Willens nicht gerade leichtmacht. Und doch, auch dieses auf den ersten Blick wenig aussagekräftige Schriftstück einer betagten Frau von offensichtlicher einfacher, nichtsdestoweniger Respekt einfordernder Denkungsart sit Ausdruck eines Willens, der sich auf eine Situation schwerster Krankheit bezieht und keinesfalls übergangen werden darf. Ärztliche Pflicht ist es, allen erreichbaren Quellen nachzuspüren und sie auszuwerten, um den Willen der Patientin so genau wie möglich zu ermitteln. Dann ist er zu vollziehen."

Wenn wir davon ausgehen, dass der Pat ja eigentlich alles gemacht haben will um zu überleben, dann muss man auch davon ausgehen, dass er seine Meinung immer in Richtung (Über-)Leben korrigieren wird. Was beim aktuellen Beispiel auch naheliegend ist. Der starke ÜberLebenswille hat über Jahre Bestand gehabt.

Wie um alles in der Welt kommen Sie zu so einem Schluss?
 
Ich beherzige jetzt den Rat von narde und werde mich hier aus der Diskussion zurück ziehen.
Wir haben unterschiedliche Ansichten, wie man sterben sollte und wann. Uns eint lediglich der Gedanke, dass das Leben endlich ist und nicht verlängert werden sollte. Ich kann mich mit der Methode: verhungern lassen nicht anfreunden. Das muss ich auch nicht. Denn (danke fürs Zitat PePaMel)...
Selbstbestimmung ist der Kern der Menschenwürde. Zitat vom Bundesverfassungsgericht: " Die Freiheit des Einzelnen besteht in der Selbstbestimmung eben dieses Einzelnen über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug"


Elisabeth
 
Zitat vom Bundesverfassungsgericht: " Die Freiheit des Einzelnen besteht in der Selbstbestimmung eben dieses Einzelnen über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug"
Solange Du nur sagst "Ich will eine PEG", habe ich damit kein Problem. Sobald Du sagst: "Weil ich mit diesem Aspekt der passiven Sterbehilfe ein Problem habe, setze ich mich über den Willen des Patienten hinweg" greift das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Deine eigene Freiheit berechtigt Dich nicht dazu, die Freiheit Deiner Patienten zu beeinträchtigen.

Wenn wir davon ausgehen, dass der Pat ja eigentlich alles gemacht haben will um zu überleben,
Du solltest akzeptieren, dass eben nicht alle Menschen alles gemacht haben wollen. Offensichtlich willst ja auch Du nicht "alles", sonst wäre Deine eigenen Patientenverfügung ja nicht nötig gewesen.

Du hättest gern, dass Dein Mann den Ärzten und Pflegekräften gegenüber Deine Interessen vertritt. Haben nicht auch die Bevollmächtigten anderer Patienten diese Pflicht? Was hat die Tochter in diesem Beispiel anderes getan?