Pflegeforschung in der Ausbildung

Elisabeth Dinse

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Krankenschwester, Fachkrankenschwester A/I, Praxisbegleiter Basale Stimulation
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Ich gehen mal davon aus, dass die Grundlagen für wissenschaftliches Arbeiten (These, Literaturrecherche, Erstellen und Auswerten von Fragebögen, usw.) nicht Inhalt der Ausbildung sind.

"Lernmodul 12: Pflegehandeln unter Bezug auf Theorien, Modelle und Konzepte der Pflegewissenschaft erklären und begründen"

Es wurde ein "Forschungsauftrag" erteilt. Ist Inhalt des Lernmoduls 12 wie man forscht?

Forschung

Forschung ist die methodische Suche nach neuen Erkenntnissen sowie deren systematische Dokumentation und Veröffentlichung in Form von wissenschaftlichen Arbeiten. Forschung wird sowohl im wissenschaftlichen als auch im industriellen Rahmen betrieben.
Forschung ? Wikipedia

Lernt man in der Ausbildung wissenschaftliches Arbeiten?

Elisabeth
 
Es wurde ein "Forschungsauftrag" erteilt. Ist Inhalt des Lernmoduls 12 wie man forscht?



Lernt man in der Ausbildung wissenschaftliches Arbeiten?

Elisabeth


Moin, moin!

Eindeutig: Nein!

Wenn ich nur mal den Komplex "Fragebogen" herausgreife, dieses Thema ist schon derartig komplex, dass es unmöglich im Rahmen der Ausbildung untergebracht werden kann. Dazu kommt noch das riesen Gebiet der Statistik, Wissenschaftstheorie, Methodik usw.
Das Modul in der Ausbildung dient meines Erachtens lediglich dazu, die Schüler mit dem Begriff Pflegeforschung vertraut zu machen und dass sie einen ersten Einblick bekommen, was man dort macht und warum es für ihre Praxis wichtig ist. Alles andere sprengt den zeitlichen Rahmen und dürfte in der Regel wohl auch über das hinausgehen, was man intellektuell im Rahmen einer Ausbildung erwarten kann.
Ich denke, der Sinn der Pflegeforschung in der Ausbildung liegt vor allem darin, die Neugierde der Schüler zur fördern, ihren Blick für Pflegephänomene zur schärfen und sie zu sensibilisieren, dass jeder Patient individuell zu betreuen/behandeln ist und dass pflegerische massnahmen immer zu hinterfragen sind. Behrens und Langer fassen dies in ihrem (sehr empfehlenswerten ) Buch "Evidence-based Nursing and Caring" unter dem Begriff "Forschende Haltung" zusammen:

"Bei pflegenden und anderen Gesundheitsberufen geht es nicht darum, den Einzellfall nur unter einer generellen Regel zu subsumieren und ohne Berücksichtigung seiner Besonderheiten zu traktieren. Das unterscheidet pflegende und andere Gesundheitsberufe von Strassenbahnkontrolleuren (<Wer keinen Fahrschien hat, zahlt 40euro, gleichgültig, warum er keinen Fahrschein hat!>). Die Tätigkeit der pflegenden und anderen Gesundheitsberufe setzt eine forschende Haltung voraus. Diese Haltung fällt nicht vom Himmel - sie muss in Bildungsprozessen der Einheit von Forschen und Lehren entwickelt werden."

Das fasst meiner Meinung nach gut den Sinn, aber auch die Möglichkeiten des Moduls Pflegeforschung in der Ausbildung zusammen.

Gruss Hartwig
 
Hallo,

da ich im Rahmen der Ausbildung mit etwa 50-60 Stunden Pflegewissenschaftliche Anteile unterrichte, kann ich hier mal mein Statement dazu abgeben.

Die Idee des Gestzgebers (festgehalten in der APrV) ist, das Schüler tatsächlich dazu befähigt sein soll(t)en "Literatur zu finden, zu bewerten und deren Ergebnisse zu impelmentieren".
Wenn ich dieses wörllich nehmen würde, dann würde das schlichtweg bedeuten, dass ich mit den Realschulabsolventen (!) tatsächlich Statistik, Fachenglisch, angewandte Pflegeforschung etc. machen müsste.
Dieses ist a) Tertiärniveau und benötigt b) einen Umfang von etwa 2 Semestern.


Mein Ziel für den Unterricht ist:
  • dass Schüler um den Forschungsprozess (mit Studiendesigns, Methodik, Recherche) wissen,
  • die Anwendung und Bedeutung von EBN kennen lernen und auch Fragestellungen nach dem PIKE-Schema formulieren sollen,
  • bedeutende Bedürfnis- und Interaktionstheorien kennen und im Wesen unterscheiden können,
  • den Pflegeprozess nach Fichter / Maier kennen und danach sauber formulierte Planungen verfassen können,
  • wissen was Pflegephänomene sind und was es mit der Pflegediagnostik auf sich hat
  • auch mal einen Blick über den Tellerrand werfen und unsere Ausbildung im Kontext der EU betrachten
  • die Chancen der Pflegewissenschaft und Professionalisierung verstehen ("Wissenschaft geht uns alle an")
Meine Kollegen unterrichten dann noch die Expertenstandards im Hinblick auf Bedeutung, Aufbau und Anwendung.

Damit haben unsere Schüler einen guten Einblick erhalten, welcher sie nicht überfordert.

Projekte im Hinblick auf "Forschungsarbeiten" halte ich bei einer Kursgröße von rund 25 TN und der Betreuung durch nur 1 Lehrkraft für unrealistisch...mal davon abgesehen, dass man nicht einfach mal "wild Fragebögen verteilen kann".
 
Es wurde ein "Forschungsauftrag" erteilt. Ist Inhalt des Lernmoduls 12 wie man forscht?



Lernt man in der Ausbildung wissenschaftliches Arbeiten?

Elisabeth

Das Lernmodul hat nicht das Ziel, uns zu fertigen Pflegeforschern zu machen. Das kann die Ausbildung wie schon gesagt gar nicht leisten. Bei uns wurde aber sehr wohl unterrichtet, was eine seriöse Forschungsarbeit ausmacht, wie man Thesen formuliert und welche Überprüfungsmethoden es gibt. Vermutlich hat die Schülerin einen Arbeitsauftrag bekommen, um sich an der Sache zu versuchen, nicht, um das Ergebnis irgendwo als Facharbeit einzureichen. Ich durfte auch grad sowas Ähnliches machen, einen Praxisauftrag zu Modul 19, Qualität in der Pflege. Habe auch einen Fragebogen erstellt, um per qualitativer Forschung (Modul 12) die Vorstellungen des Kunden zu der Qualität einer kleinen Anleitung meinerseits zu erfragen. Ist ganz sicher nicht Hochschulniveau, aber das verlangt ja auch keiner.
 
Hallo,
einen Fragebogen zu erstellen klingt halt erstmal einfach und nett...
aber es braucht halt einen großen Background an theoretischem Hintergrundwissen.

  • Kenntnisse in den einzelnen Forschungsansätzen
  • Wahl des Designs
  • Ausgestaltung des Bogens hinsichtlich Optik, innerer Logik, Validität, Reliabilität und Objektivität (wenn man einen quantitativen Ansatz wählt)
  • Vorüberlegungen zur Auswertung, welche dann den Aufbau bestimmen
  • Was frage ich wie ab: verbale Angaben, Nominalskalen, Ratingskalen ....
  • Wozu neigt der TN, der das ankreuzt....wie muss ich Fehlerquellen im Vorfeld vermeiden?
  • Stichprobengröße, erwarteter Rücklauf
Das war jetzt mal ein kleiner Überblick...

Der Fragebogen ist ja nur ein Erhebungsinstrument (bevorzugt als standardisiertes Instrument der quantitativen Forschung). Es gehört halt "im richtigen Leben" noch ein theoretischer Überbau dazu, in welchem man die gängige Fachliteratur (Studien!) im Vorfeld sichtet und auswertet, Hypothesen aufstellt etc.
Für diese Erstellung mus ich aber schon zwingend Kenntnisse in Statistik haben, man muss die anderen Studien erstmal verstehen, interpretieren und bewerten können ...und Kenntnisse in Auswertungsmethoden, um dementsprechend das Instrument zu gestalten

Nach dem Rücklauf der Bögen muss dann die Auswertung erfolgen...am besten mit SPSS.
Dann müssen die Zahlen interpretiert und die Hypothese geprüft werden. Auch hierfür benötigt man Statistik.

Bei einem Qualitativen Interview muss ich mir des Ansatzes bewusst sein, ein halbstandardisiertes Interview (oder auch ein narratives) führen können ...und das dann transkribieren und auswerten.


Es ist also unschwer zu erkennen, dass für den Forschungsprozess fundierte Kenntnisse vorhanden sein müssen, welche unmöglich im Rahmen der Ausbildung vermittelt werden können!

Ich weiss halt nicht, welchen Sinn es macht, wenn man "so halbherzig" ein Erhebungsinstrument "zusammenstückelt"...wenn man nicht weiss, auf was zu achten ist und auch nicht vorhat, dieses auszuwerten!

Fakt ist, dass Schüler mit einer Auswertung fachlich überfordert sind. Die Lehrkraft kann in einem solchen Prozess auch nicht die Auswertung von 25 "Projekten" betreuen oder vornehmen.

Für mich ist das Ganze einfach eine "unausgegorene Sache". Entweder geht man den ganzen Schritt und hebt die Ausbildung in den Tertiärbereich (mit dem Aspekt, dass die TN dann alle die Hochschulreife haben und genügend materielle, zeitliche und personelle Ressourcen für das Vorhaben vorhanden sind), oder aber man lässt es.

In einem klasischen Lehrberuf, welcher Realschulabsolventen offen steht, ist es halt unüblich, solche Kenntnise und Fähigkeiten von den Schülern zu verlangen!
 
Ich habe den Eindruck, dass manche Lehrer sich nicht diese Gedanken machen wie du. Da wird versucht auf Teufel komm raus die Stunden zu füllen. Am Ende entsteht der Eindruck: Pflegeforschung- das ist eigentlich ganz einfach- z.B. Man macht einen Fragebogen und wertet diesen aus.

Meiner Meinung nach krankt die Ausbildung genau an diesem Punkt. Ausbilder verstehen die Art der Ausbildung überhaupt nicht. Dies scheint vor allem ältere Pädagogen zu betreffen.

Elisabeth
 
Hallo Elisabeth,

es ist halt einfach Fakt, dass in den alten Bundesländern nach Angaben aus der PaBis Studie (2004) rund 70 % der Lehrkräfte noch klassisch weitergbildet sind. Studierte haben eine deutlich längere (4-5 Jahre) und fundiertere Ausbildung. Fundierter im Bezug auf wissenschaftliches Arbeiten als Grundlage für mein Pflegeverständnis und mein Handeln.


Nun, man darf über die weitere Entwicklung gespannt sein. Es werden sich nach und nach die Akademis an den Schulen durchsetzen.
Die 5-Jahres-Übergangsregelung hinsichtlich der Qualifikation der hauptamtlichen Lehrkräfte ist seit dem 1. Januar vorbei. Schulen müssen - um die staatliche Anerkennung zu behalten- "ausreichend" dieser Kräfte vorweisen. Da hier bestimmt noch an vielen Einrichtungen ein "Nachbesserungsbedarf" herrscht, werden jetzt wohl nur noch Studierte eingestellt.

Einige der Kollegen mit herkömmlicher WB haben sich durch ein Studium nachqualifiziert, um den aktuellen Anforderungen zu entsprechen. Leider gibt es hierfür keinen finanziellen Anreiz inm TVöD...denn alle "sind gleich".
Auch gibt es den Besitzstand...jeder darf weiterarbeiten.
(Dieses heisst alleridngs nicht, dass er bei einem Arbeitsplatzwechsel einen AG findet, der ihn einstellt. AGs wollen jetzt - zur Sicherung der Anerkennung- auch nur noch Studierte haben).
Darum wird es wohl ein "normaler evolutionärer Prozess" werden, bis wir in den Schulen eine 100% Akademikerquote haben.
 
Ich komme aus den neuen Ländern und hatte da meinen Focus eher schon auf Akademiker. *fg*

Elisabeth
 
Hallo,
wir haben in dieser Lerneinheit (heißt bei uns in NRW etwas anders, hat aber denselben Inhalt) selbst eine Forschungsfrage erarbeitet die uns interessiert hat und dann versucht diese Mithilfe von Literaturrecherche zu beantworten.
Außerdem haben wir einen Versuchsaufbau konstruiert mit dem wir "im Ernstfall" unserer Fragestellung nachgehen könnten.

Meine Gruppe hatte das Thema "Wundspülung mit welcher Wundspüllösung?" (Formulierung etwas andersm ist schon ein Jahr her ;)
und konnten auch mit Hilfe der Literatur und einem Interview mit unserem Wundmanagement diese Frage beantworten und einen Versuchsaufbau konstruieren.
Klar, wir lernen kein wissenschaftliches Arbeiten, da hat unsere Schule gar keinen Anspruch für, aber SPaß gemacht hat es trotzdem, und einige von unserem Kurs haben vorher noch nie etwas in der Art gemacht und wurdem dem wissenschaftlichen Arbeiten etwas näher gebracht ;)
 
Hallo,

es hat mit Sicherheit den Effekt, dass Schüler lernen sich eigenständig Wissen anzueignen...und eben Fragen stellen und dieser motiviert nachgehen.

Wissenschaftlich im engeren Sinne ist daran höchst wahrscheinlich recht wenig :mrgreen:.
Es hapert einfach daran, dass ihr genaugenommen nur aktuelle Studien heranziehen dürftet. Das bedeutet, dass eine Schule wissenschaftliche Datenbänke wie CareLit oder Cinahl bereitstellen muss. Da der jährliche Nutzungspreis für Institutionen jedoch im 4-stelligen Bereich liegt (!), wird wohl kaum eine Schule Zugriff haben hierauf.
Selbst wenn ihr diese über Medline (und Subito) bekommen habt(kostenloser Login bei kostenpflichtiger Bestellung), müsst Ihr dieses Studien lesen, verstehen und bewerten.

Es ist allerdings ein guter Anfang, um neugierig zu machen.
Ich persönlich gehe halt mit den Begriffen "forschen", "wissenschaftlich arbeiten" etc. etwas vorsichtig um.
Das hat aber Berufspolitische Gründe....wenn Pflege wieder mal "so was halbherziges" tut, dann hat dieses halt höchstens zur Folge, dass wir von anderen (akademischen) Berufsgruppen belächelt werden.
 
Ich persönlich gehe halt mit den Begriffen "forschen", "wissenschaftlich arbeiten" etc. etwas vorsichtig um.
Das hat aber Berufspolitische Gründe....wenn Pflege wieder mal "so was halbherziges" tut, dann hat dieses halt höchstens zur Folge, dass wir von anderen (akademischen) Berufsgruppen belächelt werden.

Genau diese Gefahr sehe ich auch.

Elisabeth
 
Für mich stellt soch noch die Frage:
Macht es überhaupt Sinn das Thema Pflegeforschung in einer 3 jährigen (um für meine zu sprechen), eh schon vollgepackte Ausbildung, ausführlichst zu behandeln?
Es ist sicher sinnvoll, dieses Thema in einer Form zu behandeln, die das eventuelle Interesse der Personen weckt und diese nach ihrer Ausbildung einen entsprechenden Werdegang einschlagen können.
Man stelle sich vor, jede/r examinierte Pflegerin oder Pfleger wäre ausgebildeter Pflegeforscher......irgendwie ein Chaos oder?


Gruß
Dennis
 
Hallo,
da ich es für notwendig erachte dass eine Pflegekraft wisenschaftliches Verständnis hat, stellt sich mir die Frage, ob es Sinn macht die Pflegeausbildung ausserhalb von Hochschulen laufen zu lassen!
Ich bezweifle nicht den Inhalt sondern die momentanen Voraussetzungen seitens der Schulen/ Lehrkräfte und Schulischen Voraussetzungen der Auszubildenden!
 
Hallo ich bin neu hier und komme aus Österreich! und bin gespannt ob hier mit meiner frage richtig
bin und zwar ich besuche im sept die Psychatrische krankenpflegeschule in wien. Nun zu meiner Frage : bei uns in Ö haben die Allgemeinen DGKS in ihrer Ausbildung Pflegewissenschaften und wir Psychatrischen nicht!! warum nicht und oder haben wir das in einem anderen Fach ich würde mich um antworten freuen lg
 

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