So, nun habe ich endlich
diese Verordnung online gefunden.
Verdi hat dazu jetzt eine
Stellungnahme herausgegeben.
Dieser Stellungnahme kann ich mich nur anschließen.
Wenn ich mir nur mal meinen Arbeitsbereich, die Intensivmedizin, herausgreife, dann ist schon in diesem Bereich die Verordnung keineswegs ausreichend. Es mag wohl Häuser geben, in denen nun aufgrund der Verordnung nachgebessert werden muss, allerdings auf ein Niveau, das immer noch weit hinter internationalem Standard liegt. Die entscheidenden Fehler der Verordnung sind dann folgende:
- Es gibt keinen relevanten Unterschied im Pflegeaufwand eines Intensivpatienten zw. Tag- und Nachtschichten, bzw. zw. Wochentagen und Wochenenden. Wie kommt der Spahn nur auf so eine Idee?
Pflegepersonaluntergrenzen
1. Intensivmedizin
a) montags bis freitags in der Tagschicht 2 : 1 und in der Nachtschicht 3 : 1,
b) samstags, sonntags, feiertags in der Tagschicht 2 : 1 und in der Nachschicht 3 : 1
- Die Betreuung eines ITS-Patienten kann ich nicht an eine Pflegehilfskraft delegieren, trotzdem verwässert die Verordnung die Fachkraftquote, indem sie dies zulässt
Anteil von Pflegehilfskräften an der Gesamtzahl der Pflegekräfte
1. Intensivmedizin
a) montags bis freitags in der Tagschicht 8,5 Prozent und in der Nachtschicht 5,9 Prozent,
b) samstags, sonntags, feiertags in der Tagschicht 3,7 Prozent und in der Nachschicht 7,2 Prozent.
- Die Schlupflöcher sind in der Verordnung schon mit eingebaut
(1) Die Krankenhäuser stellen die Einhaltung der Pflegepersonaluntergrenzen anhand
monatsbezogener Durchschnittswerte fest.
(2) Die Krankenhäuser teilen [...] einmal je Quartal, [...]aufgeschlüsselt nach Monaten und nach Art der Schicht, die Anzahl der Schichten mit, in denen die Pflegepersonaluntergrenzen nach §6 nicht eingehalten worden sind.
Der Absatz 2 ist nur scheinbar eine Verschärfung der Durchschnittsvorgabe, da in der Verordnung keine Konsequenzen formuliert sind, die bei Unterschreitung der schichtkonkreten Besetzungszahlen greifen würden.
- schliesslich gibt es auch (wenn man realistisch herangeht auch durchaus berechtigte) Ausnahmetatbestände, die aber von den Krh. problemlos dazu genutzt werden können, Minderbesetzungen konsequenzenlos auszusitzen.
Ausnahmetatbestände und Übergangsregelungen
1. kurzfristiger unverschuldeter und unvorhersehbarer Personalausfälle
Gerade hier besteht ja der bis heute ungelöste Verhandlungskonflikt zw. Verdi und den versch. Krankenhäusern, in denen Mindestbesetzungen ausgehandelt werden sollten: wie geht man mit kurzfristigen Personalengpässen um?
Die Verhandlungsposition von Verdi ist ja, dass dann ein so genanntes Konsequenzenmanagement greifen muss, bei dem dann vor Ort für die betreffende Schicht festgestellt werden soll (von den anwesenden Pflegefachkräften in Zusammenarbeit mit den anwesenden verantwortlichen Ärzten), wie mit dem Personalengpass umgegangen werden soll.
Der Charité-Tarifvertrag Gesundheitsschutz und Demografie enthielt dazu folgene Formulierung:
Zur Beseitigung der Überlastung sind alle geeigneten Maßnahmen und zur Verfügung stehenden Mittel gem. folgender Kaskade zu nutzen,
a)In erster Linie sind alle allgemein nutzbaren Möglichkeiten anzuwenden, die in der jeweiligen Überlastungssituation unter Berücksichtigung aller Umstände am ehesten zu einer unverzüglichen Lösung geeignet sind. Dabei kommt dem Einsatz zusätzlichen Personals vom zuständigen Pool, die Einbestellung von qualifiziertem Leasingpersonal, der Entlastung von Servicetätigkeiten bzw. anderen Tätigkeiten bzw. der Umsetzung stationsspezifischer organisatorischer Maßnahmen zur Leistungseinschränkung, besondere Bedeutung zu. Weitere, dem Vorgesetzten im regelmäßigen Betriebsablauf sonst zur Verfügung stehende Möglichkeiten werden hierdurch jedoch nicht ausgeschlossen. Die Kombination mehrerer Maßnahmen ist möglich.
b)Führen Maßnahmen gem. Buchst. a) - ggf. auch in Kombination – nicht zu einer zügigen Beseitigung der Überlastungssituation, so kann in Abstimmung mit der Pflegedirektion die Bettenschließung erfolgen.
Es geht also darum, auch bei kurzfristigen Personalengpässen eine Situation zu erreichen, die weder zu einer Überlastung des Pflegepersonals noch zu einer Patientengefährdung führt.
Aber dieses Konsequenzenmanagement wurde stets in allen Verhandlungen abgelehnt (egal welche Tarifauseinandersetzung der letzten Jahre man sich anschaut).
Was all den realitätsfremden Einmischungen von pflegefernen Personen und Organisationen gemein ist: sie wehren sich mit aller Kraft dagegen, konkrete Personalbemessungsinstrumente zur Ermittlung des konkreten Personalbedarfs der jeweiligen Station/Abteilung festzulegen, die eine am tatsächlichen Bedarf orientierte Besetzung festlegt, und sie wehren sich mit aller Kraft dagegen, ein Konsequenzenmanagement zu etablieren, mit dem die betroffenen Pflegekräfte vor Ort ein Instrument zur Bewältigung der schichtkonkreten Besetzungsengpässe zur Hand hätten.
So lange aber diese beiden Kernforderungen nicht erfüllt sind, und zwar für
alle Bereiche im Krankenhaus und in Pflegeeinrichtungen, so lange wird sich an den Arbeitsbedingungen nichts verbessern und so lange wird sich auch der schlechte Ruf, den der Pflegeberuf in diesem Land mittlerweile hat, nicht ändern.
Gruß spflegerle