News "Nun geben sie doch endlich Ruhe!"

narde2003

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Welche große Universitätsklinik ist das, is dies bekannt?:gruebel:
 
Ein Artikel, der sich mit Sicherheit auf diverse andere Häuser übertragen lässt. Leider.
 
Ein "Artikel" der erstmal eine subjektive Beschreibung, einer erbosten Patientin ist.

Natürlich werden 1:1 übertragbare Situationen darin sein und ich denke, dass dort auch einiges schief läuft.
Aber das so als Faktum hinzunehmen ich sicher genauso falsch.

Allein schon der reisserische Titel, der in keinem Kontext steht...
 
Was mich etwas stört und für mich den Artikel etwas unglaubwürdig erscheinen lässt, ist die reißerische Aufmachung.

...hektisch bimmelnde Telefone...
...schlecht gelauntes Personal, dass mich durch die Zimmer bugsiert...
...schlägt mir demonstratives Desinteresse entgegen...
...würdigt mich keines Blickes...

Ich kann mir schon vorstellen, dass einige Mitarbeiter eines Hauses unfreundlich, schlecht gelaunt, inkompetent, ... sind. Aber alle?
Ich denke, es liegt wohl in unserer menschlichen Art in eine Gestik, Mimik, ... sehr schnell etwas hineinzuinterpretieren. Mir passiert es auch sehr oft, dass mich Pat. fragen, warum ich so verägert schaue. Und das obwohl ich mich gar nicht ärgere, es liegt daran, dass ich ein sehr dunkler Typ bin, generell durch meine Gesichtszüge sehr ernst wirke und wenn ich konzentriert bin, meine Augen zusammenkneife und meine Stirn runzle.

Natürlich wenn mich die Pat. darauf anreden, kann man es aufklären, aber wie hoch ist die Dunkelziffer, die nichts sagt und sich beim Besuch beschwert, dass diese Schwester auch immer grantig ist. Ich halte mich da lieber mit Interpretationen etwas zurück, ich habe auch schon erlebt, dass anscheinend arrogantes Verhalten sich in Wirklichkeit als Schüchternheit herausstellte oder hektisches, fahriges Verhalten sich als Unsicherheit herausstellte.

Gruß,
Lin
 
Die Patientin hat es so wahrgenommen. Da gibt es keine Interpretationsmöglichkeiten. Die wahrnehmung der Pflegekraft kann eine ganz andere sein. Siehe auch: http://www.krankenschwester.de/forum/fachliches-pflegetaetigkeiten/21204-schwierige-patient.html

Es gibt nun mal keine objektive beschreibung einer Situation. Und wenn ich lese: ich hatte kaum zu ertragende Schmerzen- dann kann ich mir schon erklären, dass die Wahrnehmung durch dieses Gefühl getriggert wird.

Mich erinnert Lins Reaktion so ein bischen an die Reaktionen der Altenpflege auf Beiträge von z.B. Fussek. Auch der bringt seine Wahrnehmung zum Ausdruck. Und die ist nicht immer leicht zu ertragen für die Betroffenen.

Elisabeth
 
Es gibt nun mal keine objektive beschreibung einer Situation. Und wenn ich lese: ich hatte kaum zu ertragende Schmerzen- dann kann ich mir schon erklären, dass die Wahrnehmung durch dieses Gefühl getriggert wird.


Elisabeth


Bei mir bleibt trotzdem ein schlechter Beigeschmack: Es ist ein grosser Unterschied, ob ein Patient im Rahmen eines Forschungsprojektes zu seinen subjektiven Erlebnissen gefragt wird oder ob eine Patientin, die eben auch noch Journalistin ist, ihrer Erlebnisse einer möglichst auflagenstarken Zeitung verkaufen will. Ein Erlebnis ist zwar immer subjektiv und man kann niemanden in seinem persönlichem Erleben widersprechen, aber hier bleibt trotzdem ein gewisser Zweifel.

Gruss Hartwig
 
Natürlich sollte man Quellen, Texte, Berichte immer kritisch beäugen.

Aber wieso sollte dieser Erfahrungsbericht nicht ernst genommen werden? Wieso versucht man da etwas "Unwahres" herauszuarbeiten?

Die Quintessenz ist doch klar und deutlich. Ein allgemein bekannter Notstand wird abermals beschrieben, in der Hoffnung (hoffe ich) mal dann doch irgendwann durchzubrechen.
 
In letzter Zeit habe ich auch immer wieder die andere Seite des Krankenhauses kennengelernt, bei mir selber oder Angehörigen.

Egal wie übertrieben der Bericht scheint, die Probleme sind in vielen Krankenhäusern zu finden:
- lange Wartezeiten in den Ambulanzen
- schlechte Ausstattung der Warteräume/ oder der Gänge in denen die CTs oder so sind (eher Abstellgänge für defekte Betten oder sonstwas)
- schlechte Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten, zwischen den verschiedenen Abteilungen im gleichen Haus

Aber schlechtgelaunte Schwestern sind in unserer Umgebung eher selten, Freundlichkeit auch in großen Häusern Standart.

Was mich aber sehr stutzig macht, ist die Tatsache, dass die Patientin wegen der OP wohl nichts unterschreiben muss. Selbst wenn das Ergebnis bei einer Bauch-OP nicht im voraus feststeht, wird in Deutschland niemand operiert, der die Aufklärung nicht unterschrieben hat.
Die Ärzte in den Kliniken, in denen ich gearbeitet habe, war nie so fahrlässig, dies nicht zu tun. Ohne Aufklärung keine OP!
 
Ich denke sie hat dies einfach weg gelassen. Sie schreibt ja auch garnichts von Aufklärung.

Als ob man ihr sagt: Gleich die Eierstöcke raus - und als nächstes kommt sie jemand abholen. Kein Gespräch, keine Aufklärung, DIE PAT FRAGT NICHT NACH?

Wers glaubt...
 
Es ist ihre Wahrnehmung- nicht unsere. Und diese Wahrnehmung sollte uns zu denken geben. Wo im System gabs da einen Fehler, der diese Kaskade von Eindrücken ausgelöst hat? Ich würde meinen bei der Verharmlosung der Schmerzwahrnehmung der Patientin.

Ich konnte mich übrigens ehedem auch nach 48h nicht mehr an den Inhalt meiner OP-Erklärung erinnern. ich war viel zu aufgeregt und hatte auch erhebliche Schmerzen.

Warum können wir eigentlich so schlecht mit einer negativen Wahrnehmung unserer Bemühungen umgehen?

Elisabeth
 
Ich zweifle an, dass an einem konfessionellen Haus alles besser sein soll. Da wird ein falscher Eindruck erweckt. Das war Zufall!
Heutztage wird außerdem nach Möglichkeit eierstockerhaltend operiert, aber das wurde der Pat. wohl nicht vermittelt.
Sicher ist der Artikel mit Absicht ein wenig überspitzt dargestellt, um eben die Situation eindringlich aus Pat.sicht zu schildern.
Doch wer hat eigentlich behauptet, dass es in einer Notaufnahme eines Großklinikums nett und beschaulich zugeht?
 
Hallo,

ich glaube es erwartet keiner, dass es dort beschaulich zu geht. Dennoch meine ich, dass man gewisse Regeln einhalten kann, wenn man will.

Im Rettungsdienst hatte ich vor kurzem eine junge Muslima mit Kopftuch, die sollte sich auch auf dem Stationsflur ausziehen und ins Bett legen.
Auf meine Bitte, ob das nicht etwas "Sichtgeschützer" möglich wäre, kam zur Antwort - die soll sich nicht so anstellen, schaut ihr schon keiner was weg.
Patientin kam bereits im eigenen Nachthemd, aber das durfte sie nicht anlassen, die Begründung warum nicht: da könnte der Doktor beim Blutabnehmen das verkleckern:gruebel:
Für mein Empfinden, das auch subjektiv ist, eine unmögliche Art und Weise.

Schönen Tag
Narde
 
Weis ich doch vom Beruf der Patientin,bleibt ein unguter Beigeschmack beim Lesen.Eine Spiegel-Journalistin ist nicht in der Lage nachzufragen,wenn ihr die Ovaren entfernt werden sollen??kaum vorstellbar.
Aber:Schmerzen können erleben und handen vollkommen verändern.
Ebenso die Aussage in konvesionellen Häusern sei alles menschlicher-wage ich zu bezweifeln.
Letztendlich aber hat die Dame es so erlebt und wird keine Notaufnahme einer Universitätsklinik mehr aufsuchen.
 
Du fragst nicht nach, denn du gehst davon aus, dass der Doc schon bescheid weiß, was er tut. Nachfragen erfolgen erst, wenn man ein entprechendes Hintergrundwissen hat und dieses in der Situation aktivieren kann. Schmerzen sind da oft hinderlich.
Hintergrundwissen muss nicht über einschlägige Fachliteratur erworben werden. Vieles erfährt man aus der sozialen Umgebung. Leider sind diese Infos nicht immer die richtigen Infos. Und so färben sie zusätzlich die subjektive Wahrnehmung.

Elisabeth
 
Nun, das klingt alles vielleicht so reißerisch. Aber:

Auch ich "durfte" erleben, daß sich NIEMAND für mich interessiert hat. Man hat mich mal nach meinem Befinden gefragt. Ich habe wahrheitsgemäß geantwortet. Darauf kam: "Aha." und sonst passierte nichts.

Als ich dann zum Notfall wurde, fragte man mich dann, warum ich denn nichts gesagt hätte.

Das war übrigens kein großes Krankenhaus.
 
Du fragst nicht nach, denn du gehst davon aus, dass der Doc schon bescheid weiß, was er tut.

"Fr Müller, wir müssen ihnen operativ die Eierstöcke entfernen..."
"Achso. Was gibts heute zu Mittag?"

Klar!?

So dumm sind sicher einige Leute, aber sicher nicht diese Frau.
Auch ohne Hintergrundwissen fragt ein normaler mensch dort nach!
 
"Fr Müller, wir müssen ihnen operativ die Eierstöcke entfernen..."
"Achso. Was gibts heute zu Mittag?"

Ich musste gerade lachen, weil ich bei deinem Posting an meine Oma gedacht habe. Sie liegt gerade nach einem Pulmonalembolie auf der Herzüberwachung und als ich sie besuchte, fand folgendes Gespräch statt:

Ich: "Was hat den der Doktor gesagt, wie es jetzt weitergeht?"
Oma: "Der war heute noch gar nicht da."
Ich: "War vormittag keine Visite?"
Oma: "Ja, aber da hat er doch mit den Schwestern reden müssen!"

Ich muss dazu sagen, meine Oma ist 84 Jahre alt und hat auch die Einstellung, der Arzt wird schon wissen was er macht. Sie war ihr lebenlang Hausfrau und meint, es ist besser ich rede mit dem Arzt, da ich mich ja besser auskenne.
Was ich damit sagen will, sicher gibt es solche Pat. auch, die sich nicht fragen trauen, aber ich finde es schon etwas unglaubwürdig, dass eine Frau (ich nehme mal an mittleres Alter), die voll im Leben steht und noch dazu als Journalistin arbeitet, nicht nachfragt.
Gerade wenn um sowas einschneidendes, wie eine Eierstockentfernung geht (da würde sogar meine Oma nachfragen, warum das notwendig ist).

Gruß,
Lin
 
@maniac und lin- wart ihr schon mal in so einer Situation? Habt ihr schon mal unter starken Schmerzen gelitten? Wart ihr schon mal in einer Notaufnahme mit überlasteten Ärzten, die schon nonverbal anzeigen, dass sie keine Zeit für lange Gespräche haben? Habt ihr schon mal erlebt in welcher Abhängigkeit man sich als Patient eigentlich befindet?

Was mir auffällt- wir beißen uns gerade an einer Situation fest- einem Puzzleteil: Also wenn sie nicht nachgefragt hat, dann ist alles andere doch wohl auch eher fragwürdig.

Ich finde, wir vergeben uns mit dieser Einstellung ein wenig die Möglichkeit, über uns selber nachzudenken. Es werfe der den ersten Stein der ohne Sünde ist.
Jeder von uns hat gute und schlechte Tage. Interessant ist, wie diese schlechten Tage offensichtlich trotz aller Bemühungen unsererseits vom Patienten wahrgenommen werden können. Patienten merken die Überlastung an Sachen, die wir überhaupt nicht mehr registrieren: der fehlende Vorhang, die kurze Ansage, die fehlende Zeit für Empathie.

Elisabeth