Wo ist die Hektik?

  • Ersteller Ersteller Blümchen92
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@Irgendeine: In der Geburtshilfe läuft die Planung nach dem Jahresdurchschnitt. Da liegt in der Natur der Sache, dass die Geburtenzahl und somit Patientenzahl an unterschiedlichen Tagen unterschiedlich sind. Ich rufe auf unserer Entbindungsstation regelmäßig an(mit Segen von PDL) und lasse die Kolleginen bei uns mindestens Stundenweise aushelfen. Das Problem dabei ist, dass uns in der Ausbildung nicht beigebracht wurde, wie und was man delegiert und somit haben es Aushilfen manchmal schwer.

OnTopic: ich wiederhole mich oft. Im ersten Einsatz können die Schüler oft nicht die komplexen Zusammenhänge und bekommen auch relativ wenig mit, wie die organisatorischen Aufgaben und vor allem Dokumentation sind. Es ist auch so, dass es Kollegen gibt, die auch beim größten Stress Ruhe bewahren. Wir nehmen es auf Stress und Hektik sind die Bewertungssache.

Bei mir war es umgekehrt. Ich lief im ersten Einsatz wie ein aufgescheuchtes Huhn über die Station. Mit Kompetenzzuwachs und Selbstreflexion bin ich mittlerweile Ruhepol. Meine Bewertung bestimmt auch meine Einschätzung ob ich genug Ressourcen habe die Situation zu bewältigen. Und ich hatte in letzen Jahren definitiv einen Ressourcenzuwachs.

Die Frage ist also wie deine Situationseinschätzung ist. Und woran du es fest machst.
 
28 Patientinnen + 22 Säuglinge. Ständig Neuzugänge und Entlassungen. Blutentnahmen, U2, Temperaturkontrollen, Anleitungen zum Baden und zum Wickeln. Rückverlegungen von der Neo, frische Sectios die nichts selbst machen konnten. Patientinnen mit Hb von 6 dazwischen. Rückverlegungen von Intensiv nach Revidierung nach Notsectio. Dazu noch Visite, ständig mal eine Großmutter vorne, die sich sorgt, weil ihr Enkelkind gezuckt hat.
Also auf der Geburtshilfe gab es Tage, da wusste ich nicht mehr, wo mein Kopf steht. Langeweile hatte ich da nur selten ..

Auf der Station haben maximal 14 Pat. Platz. In der Regel sind es aber maximal 9. Und die meisten davon natürliche Geburt. Eine Neo haben wir nicht, alle kranken Kinder werden sofort verlegt.
Unsere frischen Sectios haben alles selbst gemacht.. Nur halt die ersten paar Stunden Hilfe bei Mobilisation etc... Aber auch die hatten oft ihre Männer dabei und die haben dann Sachen wie Essen bringen übernommen.
U2 macht der Kinderarzt meist alleine. Blutabnahme machen auch die Assistenzärzte.
Visite hat ca. ne Viertelstunde gedauert, Kinder konnten bei uns im KiZi versorgt werden.
Bleibt nicht mehr all zu viel.

Ich bezweifle nicht dass es bei euch anders ist, aber auf den 2 Wöchnerinnen+Neugeborenen Stationen wo ich bisher war, hatten wir de facto nur sehr wenig zu tun.
Und da erscheint es mir doch ein wenig "unfair" dass man sich auf einer innern oder chirurgischen mit genau der selben Menge an Personal, aber doppelt so vielen Pat. und Arbeit plagt.
 
Liebes Blümchen92, die Hektik kommt mit Sicherheit noch, da kannst Du sicher sein. Sei froh und glücklich, wenn es bei Euch derzeit ruhig ist. Da kann man sich doch ein bißchen mehr um die Patienten kümmern. Ist in dieser Zeit jetzt gar nicht so schlecht...
Ich für meinen Teil habe den Wechsel zwischen stressigen und ruhigen Zeiten immer sehr gemocht. Auch, daß man bei keinem Dienst vorhersagen kann, wie er wird und wie er endet! ;-)
 
Mich würde mal Interessieren, auf welcher Station du eingesetzt bist.

Gerade bei uns in der Klinik ist es so, dass auf einer Station extrem viel zu tun ist, während auf anderen Station eher weniger arbeit anfällt.
In meinem letzten Einsatz war es teilweise so, dass es selbst zwischen den Tagen extreme Unterschiede gab trotz gleicher Besetzung und fast gleichem Patientengut.

Das ist deine erste Woche im praktischen Einsatz. Warte mal ab, es wird schon noch stressige Tage geben.
 
Am Anfang hab ich mich auch gefragt, wo die Hektik sein soll, das war auf einer chirurgischen, kleineren Station.
Dann war ich auf der Nephrologie eingesetzt, und da hat die Hütte gebrannt. So richtig bewusst geworden was mit der Hektik gemeint ist, ist es mir während meinem Einsatz in der Gyn, Geburtshilfliche Abteilung mit Risikoschwangerschaften.
Wir Schüler haben dort ALLES, bis auf das Anschließen an die Tokolysen alleine gemacht. Waren wir viele Schüler, war uns langweilig. Waren wir aber alleine oder zu Zweit, bedeutete das ständiges Rennen und irgendwie versuchen alles im Blick zu behalten. Wenn alles nach Plan lief, ging es noch, Zwischenfälle waren dann eher kritisch. Da konnte ich mir das Erste mal in etwa vorstellen, wie der Arbeitsalltag einer Examinierten, die alleine auf einer 26-Betten-Station arbeitet, aussieht.
Und das hat mir erstmal viel Motivation genommen, denn für Prophylaxen, Gespräche und anderes blieb da keine Zeit.

Ich finde das was uns in der Ausbildung vermittelt wird super und sinnig und ich finde wenn man alles so machen würde, dann wird es dem Ausdruck Pflege gerecht und ich wäre zufrieden mit dem, was ich tue. Allerdings ist es auf manchen Stationen UNMÖGLICH das alles so zu machen.
Es fing schon an auf der Nephro das ich das erste mal echt am Boden zerstört war.
Es sind mir Sachen passiert, die ich nicht mit meinem Gewissen veriebaren konnte. Irgendwann musste ich mir eingestehen, dass ich die Examinierten verstehen kann, wenn sie irgendwann nur noch zynisch da rum laufen und sich nicht mehr verrückt machen für einen Patientenwunsch (leider auch wenn es ein Grundbedürfnis ist, wie vom Schieber zu kommen oder im Bett hochgezogen zu werden). Es GEHT ganz einfach nicht, dass man jeden Tag alles gibt auf manchen Stationen, sonst bist du nach wenigen Jahren oder vielleicht Monaten am Ende. Ich war es schon nach 9 Wochen und hatte hinterher 3 Monate starke Rückenschmerzen, weil ich viele Dinge alleine gemacht habe. Ich hatte irgendwann keine Lust mehr nach Hilfe zu fragen, weil sich eh keiner Zuständig fühlte.
Für mich war das der Horror-Einsatz schlechthin. Gott sei dank hatten wir ein paar Wochen später eine Unterrichtseinheit: Nähe und Distanz.
Unsere Lehrerin hat uns einen Brief geschrieben und wir sollte irgendwo alleine hingehen und einfach was dazu schreiben. Das hat mir echt geholfen das irgendwie zu verarbeiten was da alles auf mich eingeprasselt ist und die Eindrücke, die mein kleines Krankenhausbild ganzschön ins Schwanken gebracht haben.
Naja, uns wurde gleich gesagt, das uns das Theorie-Praxis-Gefälle im zweiten Jahr bewusst wird. Und ich kann nur sagen, bei mir war es so.
Und ich habe über ein halbes Jahr gebraucht um meine Motivation für diesen Beruf wiederzufinden. Das schlimmste für mich ist, dem Patienten nicht gerecht zu werden. Wie soll ich ihnen helfen, ihre Selbstständigkeit wiederzuerlangen, wenn das so läuft? Sowas tut mir weh, sorry.
Jetzt hab ich aber ein Ziel für die Zeit nach der Ausbildung, für dass es sich lohnt weiterzumachen, denn zum Glück muss man ja nicht auf solchen Stationen arbeiten.
Für die Menschen die das machen: Einerseits habe ich einen Mörderrespekt davor und kann nur sagen, ich würde es nicht schaffen. Andererseits ist es mir unverständlich, denn nur mit Menschen die das mitmachen, kann es auch so weitergehen. Seid nett zu euch selber und achtet auch auf euch....
 
Hallo Postler, ich bion soooo Deiner Meinung, da fehlt wieder der "Gefällt mir"-Button. Ich wünsche Dir ganz fest eine solche Station zu finden! Gib nicht auf, Du findest einen Bereich mit dem Du Dein Gewissen vereinbaren kannst. Ich habe auch lange gesucht und gefunden, ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich von der Stationsverantwortung als freigestellter PA befreit bin. Aber ich kann wieder so arbeiten, wie ich mir das vorstelle und das auch (hoffentlich) "meinen" Schülern auf den Weg mitgebe.
 
Danke Jacaranda :wink1:, es tut gut, sowas zu hören. Irgendwie komm ich mir immer noch fast unverschämt vor, wenn ich von meinen Erlebnissen berichte. Weil ich immer denke, es gibt immer zwei Seiten. Aber ich weiß auch, dass keiner wagen würde, diesen Bericht abzustreiten, der es erlebt hat und ich bin dabei nicht mal ins Detail gegangen, denn dann würde die Sache noch um einiges verfinstert werden.
Aber ja, ich werde meine Station finden. Und auch wenn ich das System und die Menschen nicht unbedingt ändern oder am Mitwirken hindern kann. Ich setze mein Zeichen indem ich dieses Geschehen nicht einen Tag länger als nötig mitmache und meine Meinung zu dieser Sache vertrete, auch wenn das immer noch ein bisschen schwer fällt.
Aber ich denke diese Erfahrungen wird sowieso den Meisten nicht vorenthalten bleiben, noch mal mehr, wenn man in bestimmten Kliniken mit bestimmten Rahmenbedingungen arbeitet.
Insofern, ihr werdet es erleben, also genießt die Zeit und haltet ein kleinwenig die Augen offen, eurer selbst wegen ;).
 
Ich bin erst seit kurzem examiniert und spreche auch viel mit unseren Schülern um ein umfassenderes Bild zu bekommen. Ich denke als Schüler verfällt man vor allem am Anfang weniger in Hektik weil man seine Aufgaben größtenteils zugewießen bekommt. Man sagt dir Patient XY muss bitte am Waschbecken unterstützt werden und als Schüler macht man das einfach.
Als Examinierter muss ich einfach viel umfassender schauen. Ich habe Untersuchungen zu denen Patienten termingenau müssen, eventuell noch Verbandswechsel und auch die Ärzte funken einem in den normalen Arbeitsalltag rein. Viele Schüler die davor eine KPH-Ausbildung gemacht haben erzählen mir das sie erst merken wie "ruhig" es als Schüler ist. Während ich mal meine Pause massiv kürze, um allen Anforderungen gerecht zu werden lasse ich meinen Schülern immer ihre halbe Stunde (oder Stunde) Pause.

Ich denke Hektik kommt auch immer darauf an mit welchen Leuten man arbeitet. Hat man Kollegen in der Schicht die routiniert und abgeklärt an Situationen herangehen, verfällt man weniger in Stress selbst wenn die Hütte brennt, da die es durch Berufserfahrung einfach ausgleichen. Andererseit bemerke ich an mir das wenn ich mit besonders nervösen und hektischen Kollegen arbeite, ich mich leicht von ihrer Unruhe anstecken lasse, da ich für mich einfach noch nicht die Routine und Erfahrung erworben habe um das auszugleiche.
 
[...] lasse ich meinen Schülern immer ihre halbe Stunde (oder Stunde) Pause. [...]

Du hast auch nicht das Recht, ihnen diese zu verwehren. ;)

Bei dem anderen gebe ich dir Recht. Es kommt sehr darauf an, wer zusammen arbeitet.
Es gibt welche, da ist Chaos und Hektik pur, obwohl nichts zu tun ist. Mit einer gewissen Struktur kommt aber andererseits auch bei viel Arbeit keine Hektik auf.
 
Du hast auch nicht das Recht, ihnen diese zu verwehren. ;)

Bei dem anderen gebe ich dir Recht. Es kommt sehr darauf an, wer zusammen arbeitet.
Es gibt welche, da ist Chaos und Hektik pur, obwohl nichts zu tun ist. Mit einer gewissen Struktur kommt aber andererseits auch bei viel Arbeit keine Hektik auf.

Wollte damit auch nur ausdrücken... das man als Examinierter eher bei sich Abstriche macht als bei Schülern weshalb dadurch unterschiedliche Sichtweisen entstehen können.