Hallo OP-Bär,
meinen traumatischsten Einsatz hatte ich nicht im Krankenhaus sondern auf der Straße. Damals war ich nur RS und als Transportführer auf einem KTW in meinem ersten pädiatrischen Fall. War leider ein richtig schlechter Albtraum.
Eine Mutter hatte in der Leitstelle angerufen und angeben, dass ihr Kind 6J M, eine leichte Verletzung am Bein hat und sie sich kein Taxi zum Transport in das KH leisten können. Sie haben gefragt ob der Rettungsdienst das Kind nicht in das Krankenhaus bringen kann. Also hat sich die Leitstelle dazu entschieden ein KTW (meinen) zu mobilisieren. Ich bin dann mit meinem Kollegen los und habe der Leitstelle mitgeteilt das wir auf dem Weg sind. Die Leitstelle hat mir dann die obigen Angaben gemacht und mich gefragt ob ich den NA (ländliches Gebiet mit nur einem NA) sicherheitshalber mitnehmen möchte. Mit dem Wissen, dass wir nur einen NA in der Gegend haben, und es ja nur leichte Beinverletzung und dementsprechend ein einfacher Krankentransport ist, habe ich auf den NA verzichtet. Wir sind dementsprechend natürlich auch ohne Sonderrechte angefahren und nach ca. 20min beim Patienten eingetroffen. Am Einsatzort angekommen erwartete uns eine weinende und aufgewühlte Mutter die sagte, dass sie Angst hatte das wir nicht mehr kommen. Ich habe dann versucht die Mutter zu beruhigen und gefragt was den los ist. Darauf antwortete mir die Mutter: Es gab einen Unfall bei der Gartenarbeit wobei mein Mann unseren Sohn mit der Kettensäge am Bein erwischt hat und es blutet ganz stark uns seit 5 Minuten ist unser Sohn bewusstlos. In dem Moment dachte ich mir schon: Sch...
Ich dann direkt zu meinen Kollegen: RTW und NEF nachfordern, packte den Rucksack und rannte hinter der Frau in den Garten (obwohl wir ja nicht rennen sollen). Vorgefunden habe ich dann das Kind in einer Blutlache während der Ehemann auf die Wunde drückte. Daraufhin habe ich den Mann gebeten kurz die Hand von der Wunde zu nehmen um anzugucken wie schlimm die Wunde ist. Als er die Hand von der Wunde nahm sah ich das die Fibula durchtrennt war und es pulsartig spritzte. Also sofort mein Hand auf die Wunde gedrückt, Kind über die Schulter gelegt und zum KTW gerannt während der Vater den Rucksack hinterher schleppte. Mein Kollege hatte noch die Leitstelle am Funk und informierte mich das ein RTW gleich ausrückt und in ca. 10min da ist aber der NA schon woanders ist und nicht zu Verfügung steht. Der nächste NA kann mit dem Hubschrauber in Köln mobilisiert werden und frühestens in 15min eintreffen. Daraufhin die Frage ob sie den Heli mobilisieren sollen. Ich entschied mich daraufhin auf den Heli zu verzichten und nicht auf den RTW zu warten sondern ein sofortigen "Scoop and Run" (einpacken und sofort nächstes KH anfahren) zu machen. Die Leistelle sagte darauf, dass der RTW aus der anderen Richtung zum nächsten KH kommt uns dann nicht unterwegs treffen kann, dass wir also dann auf uns allein gestellt sind. Ich habe (richtig) geschätzt das wir in 10min am KH sein können und auf den RTW zu warten ein unnötiger Zeitverlust darstellt. Sind dann also mit Sondersignalen losgefahren Richtung nächstes KH. Während des Gesprächs mit der Leitstelle hatte ich schon die Blutdruckmanschette für Kinder um den betroffenen Oberschenkel gelegt und gestaut (160mmHg bei Volumenmangelschock also schon viel) in der Hoffnung sämtliche Arterien abzudrücken und somit den Blutverlust am Unterschenkel zu stoppen. Das hat leider nicht ausreichend funktioniert und ich war gezwungen einen Druckverband zu machen der Aufgrund der Tiefe der Wunde nicht einfach und vor allem nicht ausreichend war. Also hat der Vater weiter versucht auf die Wunde zu drücken. Ich habe mich dann dazu entschlossen Volumenersatz in Form der einzigen 500ml Ri Lösung zu geben. Ich hatte zwar noch eine HAES im Rucksack, durfte die aber rechtlich nicht anhängen. Ich habe dann auch die Erwachsenen Blutdruckmanschette um die Infusion gelegt um daraus eine Druckinfusion zu machen. Ich habe eine Sekunde überlegt ob ich auf die regeln pfeife und trotzdem die halbe HAES (2:1 Verhältnis) anhänge, mein Vernunft hat mich davon aber abgehalten. Ich habe dann den Puls nochmal mit der Hand gefühlt der wie zu erwarten flach bzw. kaum spürbar war aber zu meinem erschrecken normal und nicht tachykard war. Ich habe dann die Zeit genutzt um das Kind an den Monitor vom Defi zu hängen bevor ich angefangen habe die Sauerstofftherapie zu starten. In der ganzen Zeit sind ca. 6min vergangen und wir hatten schon die Hälfte des Weges geschafft. Ich wollte dann anfangen den Druckverband zu wechseln da er schon wieder komplett durchgeblutet war. In dem Moment meldete sich der Monitor und ich sah wie der Puls abrauschte und in einer schnellen Asystolie endete. Aufgrund dessen das ich nur noch 2min. bis zum KH war und ich nicht wusste ob der RTW noch versuchte mit uns aufzuschließen und wenn wie lange es dauerte habe ich mich dann auch gegen ein Stopp und Reanimation zu zweit entschieden und habe dementsprechend nur während der Fahrt gedrückt und meinen Kollegen der Leitstelle mitteilen lassen das wir reanimieren. Als wir Im KH ankamen stand schon die komplette Schockraumbesatzung mit Notfallausrüstung vor der Tür. Ich drückte noch weiter während mein Kollege mit einem Arzt nach hinten ins Fahrzeug kam. Der Arzt guckte einmal auf die Schweinerei die wir im Fahrzeug hinterlassen hatten und sagte dann sofort: Reanimation einstellen.
Ich bin dann später als die Familie ins KH reingebracht wurde im Fahrzeug heulend zusammen gebrochen. Eine Schwester hat mich dann in den Arm genommen und sich dann einfach nur still neben mir gesetzt. Ne halbe Stunde später bin ich dann ins Krankenhaus mit der Schwester gegangen und habe dann meinen Kollegen am Boden sitzend vorgefunden während Ärzte mit ihm redeten. Unser Wachleiter war mittlerweile auch eingetroffen und er und ein Arzt und ein von der Feuerwehr eingetroffener Psychologe/Seelsorger finge dann mit uns beiden an zu reden und den Fall zu besprechen. Ende vom Lied war, dass mein Kollege und ich für 2 Wochen vom Dienst freigestellt wurden. Und trotz das alle gesagt haben, dass ich alles richtig gemacht habe, wurde ich das Gefühl nicht los das ich es verka... habe und grobe Fehler gemacht habe in der Behandlung und vor allem das ich nicht den NA mitgenommen habe und auch nicht mit Sonderrechten angefahren bin. Das ganze bin ich dann erst viel später losgeworden. Ein wichtiger Spruch von dem Arzt habe ich behalten: "Du kannst und musst alles geben, der Rest liegt dann aber nicht mehr in deiner Hand?"
Ich werde den Fall wohl mein Leben lang nicht los. Aber seit dem Tag lebe ich während der Arbeit nach dem Motto: Gebe alles und das beste und für den Rest bin ich nicht verantwortlich. Ich habe dann manchmal schlechte Tage aber ich schaffe es dann trotzdem alles zu geben auch wenn es kein vitaler Notfall ist. Seitdem habe ich mit unschönen Erlebnissen keine Probleme mehr. Auch wenn es ein Drama war, ich bin an der ganzen Sache gewachsen.