Suchtbegriff

  • Ersteller Ersteller Brady
  • Erstellt am Erstellt am
B

Brady

Gast
Der Begriff Sucht (engl. addiction) hat im Laufe der Zeit viele
Wandlungen durchgemacht, so daß immer das Risiko von
Mißverständnissen besteht. Er kommt von "siech" - krank her,
nicht von suchen. Aus manchen alten Krankheitsbezeichnungen
ist auch heute noch ersichtlich, daß die Nachsilbe -sucht
Krankheit bedeutet: Gelbsucht, Bauchwassersucht, Bleichsucht,
usw. Zum einem wird Sucht heute als Oberbegriff für die
Phänomene Abusus und Abhängigkeit (meist unter Einschluß
der sog. nicht stoffgebundenen Süchte und des Mißbrauchs
nicht psychotroper Stoffe) gebraucht, zum anderen wird er
manchmal als Bezeichnung für schwere Verlaufsformen von
Suchtkrankheiten verwendet. Wegen der Mißverständlich-
keit im Einzelfall besteht eine Tendenz, das Wort nur noch
im Zusammenhang mit zusammenfassenden Oberbegriffen
zu verwenden, z.B. Suchtkrankheiten, allgemeine Sucht-
theorie usw. Die amerikanische Bezeichnung Psychoactive
substance use disorders als Ersatz für Addiction" (American
Psychiatric Association 1987) schließt Stoffe ohne psychische
Wirkung (z.B. Laxantien) und nicht stoffgebundene Süchte aus.

Aus:
Thieme Medikamente - Mißbrauch und Abhängigkeit 1996
Entstehung - Verlauf - Behandlung
Autoren: Wolfgang Poser und Sigrid Poser


Schaue auch hier:
Sucht - Wikipedia
Suchtstoff - Wikipedia

Liebe Grüße Brady
 
Die Verwendung im Sinne von "Suchen" habe ich allerdings als therapeutisch sinnvoll erlebt.
Die Amis machen übrigens auch nicht alles richtig und haben bestimmt noch mehr Definitionen.
Mir fehlt in der Definition die soziale Komponente (Arbeit, Familie, Geld) und halte deshalb den Ausschluß der nichtstoffgebundenen Süchte für fahrlässig.
"substance use" sollte deshalb als "Suchtdefinition" nicht allein stehen.
MfG
rudi
 
Hallo Rudi09,

da kann ich Dir auch Recht geben. Was gerade in der heutigen Zeit eine sehr grosse Bedeutung hat.

Liebe Grüße Brady
 
hallo,

Kriterien der ICD-1o zum Thema Sucht:

Treten mindestens drei der folgenden Aspekte auf:

- starker Wunsch zum Konsum
- verminderte Kontrolle des Konsums
- Entzugssyndrom
- Toleranzentwicklung
- Interessenvernachlässigung
- Konsum trotz feststellbärer Schädigung

kann man von Abhängigkeit sprechen.

Setzt man statt "Konsum" z.B. "Spielen" (Spielsucht), passen die Punkte 1,2,5 + 6. Somit lässt sich dieser Katalog auch auf nicht-stoffgebundene Süchte anwenden.

Eine andere Definition lautet:

Abhängigkeit ist eine komplexe, somatische, psychische und soziale Erkrankung, die die Persönlichkeit des Betreffenden, sein soziales Netzwerk und seinen mikroökologischen Rahmen betrifft und beschädigt (und zerstören kann). Abhängigkeit hat eine multikausale, zT stark variierende Genese. Sie zeigt unterschiedliche Ausprägungen und Verlaufsformen, abhängig von genetischen Dispositionen, biographischen Vorschädigungen, psychosozialer Gesamtsituation, Grad der Chronifizierung, sowie der Ressourenlage. (zit. nach Petzold (Hg.): Integrative Suchttherapie, Wiesbaden 2004)

Grüße,

Randall (mit einem ersten Beitrag im Forum)
 
Mein Senf dazu: Suchtbegriff

Hallo Zusammen!

Den therapeutischen Nutzen aus der Interpretation "Sucht hat mit Suchen zu tun" konnt ich nie ziehen.

Es kam mir eher wie romantisch - verklärtes Halbtherapeutisches Wissen vor, welches vor allem den Anwendern gut tut.

Dagegen finde ich das Verständnis der Sucht aus meiner Fachweiterbildung stets hilfreich, und zwar übergreifend bei stoffgebundenen Süchten und auch bei nicht stoffgebundenen, sowohl bei körperlicher als auch bei psychischer Abhängigkeit, sowohl bei manifesten Suchterkrankungen wie auch bei Süchten, die im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen (Psychosen, Persönlichkeitsstörungen u. s. w.) vorkommen.

Das wesentliche jeder Sucht ist demnach die so genannte süchtige Fehlhaltung.

Süchtige Fehlhaltung:

aus der unerträglich erscheinenden Realität in eine Betäubung zu flüchten.

Und dies wörtlich mit Betäubungsmitteln, oder auch durch Handlungen (Spielsucht, Workaholics, Nymphomanie, Satyrismus), die durch andauernde Aktivität die Möglichkeit, über unangenehmes nachzudenken, betäuben.

Anhand dieser Definition kann ich z.B. ein recht gutes Gefühl dafür entwickeln, ob jemand viel zu Bett liegt,

- weil er erschöpft ist und Nachholbedarf hat
- weil er depressiv ist und es zur Antriebsstörung gehört
- oder weil er, sobald nichts zu tun ist und die Gefahr besteht, dass eigene Konflikte bewusst werden, ins Bett flüchtet, um dies mit Dösen oder schlafen zu betäuben.(wäre dann "süchtiges schlafen")
- oder ob es einen - von mir bisher nicht bedachten - Grund hat (z. B. Eisenmangelanämie)

Natürlich ist der Königsweg, den Betroffenen daraufhin anzusprechen, was der Grund für sein häufiges Schlafen ist und den Beweggrund gemeinsam zu "entdecken"

Hoffe, meine Äußerungen klingen nicht zu besserwisserisch

Lieben Gruß

Friedrich
 
>>> Friedrich: "Den therapeutischen Nutzen aus der Interpretation "Sucht hat mit Suchen zu tun" konnt ich nie ziehen" <<<

hallo,

ich konnte dies auch nie sehen, und kenne aus meiner 8 jährigen Arbeitsphase mit abhängigen Menschen weder Pflegepersonal, Psychologen noch Ärzte, die mit einer derartigen Analogie gearbeitet haben.

Zum Begriff "süchtiges Fehlverhalten" hätte ich gerne mal ein paar stichhaltige Literaturangaben (habe dazu nur "zweifelhafte" (Laien-)Infos auf dubiosen Homepages gefunden (nicht böse sein, war halt mein Eindruck :-))

Liebe Grüße

Randall
 
Literaturangaben

@randall-mcmurphy:

Hi Randall; der Begriff "Süchtige Fehlhaltung" stammt wie gesagt aus meiner Weiterbildung zum Fachpfleger für Psychiatrie.

Muss mal in meinen alten Unterlagen forschen, aus welcher Quelle der stammt.

Der Name des Dozenten wird wohl nicht reichen.

Kann aber ein bisschen dauern.

Arbeite halt sehr gerne damit, weil er meiner Meinung nach den Kern aller Süchte trifft.

Ausgenommen sind Magersucht und Ess - Brechsucht (Bulimie) sowie die Kombi daraus (Bulimarexie), da hier andere nicht primär süchtige Strukturen zugrunde liegen. Deshalb werden sie ja auch in Esskliniken und nicht auf Suchtstationen behandelt.

Friedrich
 
Hey,

vielleicht hierher???:

Die süchtige Fehlhaltung. Handbuch der Neurosenlehre und Psychotherapie Urban & Schwarzenberg,München,. Berlin,Wien
... keine laienhaft - zweifelhafte Info ;-)

LG
 
Hallo.

danke für den Tipp.

Ich habe mich in meiner Unibibliothek mal umgesehen. Das besagte Handbuch stammt aus dem Jahre 1957 ... .

Ich habe aber bei Möller et al.: Psychiatrie und Psychotherapie (2005) folgendes dazu gefunden:

"Aus psychiatrischer Sicht bezeichnet Sucht grundsätzlich pathologische Verhaltensweisen, die einer süchtigen Fehlhaltung entspringen." (S. 306)

Im gesamten Kapitel "Sucht" des genannten Buches (ca. 40 Seiten) wird dann aber leider nicht weiter darauf eingegangen. Unter dem Stichwort "Neurose" wird im Glossar dort allerdings angemerkt, dass nach der Lerntheorie die Symptome einer Neurose auf einem erlernten Fehlverhalten beruhen. (S, 580

Tretter: Suchtmedizin (2000) schreibt zum Lernpsychologischen Modell von Sucht: Das lernpsychologische Modell von Suchtentwicklung gründet sich auf dem Prinzip Lernen am Erfolg und dem operanten Konditionieren (Skinner; Behaviorismus).

Ich habe das Gefühl, dass mich diese Angaben zumindest basal informieren. Werde mir aber das Handbuch mal genauer ansehen und mich bei Zeiten wieder melden.

Grüße

Randall
 
Schnell

Hi MiChung; Hi Randall!

schneller hätte ich es auch nicht finden können;

Liebe Grüße

Friedrich